iljit, daß ein Hamburger Kollege die Stirn habe, mit anderen Worten hier das zij wiederholen, was der Beklagte in seinem Blatt Mjsgeführt habe.' Das Gericht verurteilt den Angeklagten auf Grund§ 187 zu viel Monaten Gefängnis und Urteilspublikation in den„Hamb. Nachrichten" und im»Simplicissimus ". Der Angeklagte möge wohl gedacht haben, daß ain Teil der Leser die Satire so auffassen könne, wie er sie sich gedacht habe; aber er hätte auch damit rechnen müssen, daß sein Blatti in die Hände ungebildeter Leser gelange, die das Bild und den Text wörtlich nehmen. Berechtigte Jntcr- essen habe der Beklagte nicht wahrgenommen. Deuts che Interessen habe der Angeklagte nicht wahrgenommen, weil er Nor- weger sei. Eine Satire schließe nicht unter allen Umständen«ine Beleidigung aus, wie das Rcichs- geticht ausgeführt habe. Ein großer Tfil der Leser habe den Text und gas Bild wörtlich genommen(!) und habe eglaubt, daß Wocrmann Leichen zurückbehalten habe, tvas schwer eleidigend sei. Die Bcweisanträge seien abgelehnt worden, da der Angeklagte nicht vositiv behauptet habe, der Privatkläger habe un- gewöhnlich hohe Gewinne erzielt, er habe nur von der Zurückhaltung von Leichen gesprochen. Die Höhe des Strafmatzes rechtfertige sich aus der Gemeinheit der Belotdigung und durch den Umstand, daß der ganze Reeder- und Kaufmannsstand Hamburgs mit getroffen sei(I>. Der Prwatkläger sei aus der Verhandlung vollkommen intakt hervorgegangen. Die maßgebenden'Behörden haben sich mit seiner Angelegenheit beschäftigt und keinen Anlaß gefunden, gegen Woermarnr vorzugehen. Es sei weder ein Straf- Prozeß noch ein Zivilprozeß gegen ihn eingeleitet; lediglich ein ehrengerichtliches Verfahren sei gegen ihn wegen einiger neben- sächlicher Fragen anhängig. Politische dcbcrlicbt. Berlin , den 6. April 1907. Der gereinigte Woermann. Herr Woermann hat heute im Schöffengerichtssaal zu Hamburg einen Triumph gefeiert. Der freche Redakteur des frechen „Simplicissimus ", der eS gewagt hat, in drastischer Weise an die horrendenUebcrprofite zu erinnern, die derJnhaber derWoermarnt- Linie an den Transporten für den Südwestafrika-Krieg erzielt hat, wird auf drei Monate ins Loch gesteckt. Das Hamburger Schöffengericht hat Verständnis gehabt für die tiefe Not Woer- manns, aus der heraus sein Schwiegersohn nach einer exemplarischen Freiheitsstrafe für den Uebel- täter schrie, der den Idealisten Woermann anzutasten wagte, der sein Leben daran gesetzt hat, Afrika mit Deutschland zu verbinden— gegen entsprechenden Profit selbstverständlich I Und Herr Woermann hat nicht nur die Genugtuung, den frechen Zeitungsschreiber ins Loch wandern zu sehen— das Hamburger Schöffengericht hat dem großen Sohne seiner Vaterstadt auch noch ein Ehrenzeugnis ausgestellt. Es ist kein Makel an ihm. Denn noch hat kein Staatsanwalt die Fänge nach ihm ausgestreckt. So steht's im Urteil wirklich und wahrhaftig. Andere Leute würden in besagter Affäre ein solches Zeugnis für— sagen wir: sehr ungenügend halten. Sintemal es männiglich bekannt ist. daß ein deutscher Kaufmann Profite einsacken kann, die 40 Proz. über dem normalen Stande stehen, ohne daß der von ihm Geschnittene die Möglichkeit hätte, ihm mit dem Straf- oder Zivilrecht zu Leibe zu rücken. Wodurch die Ueberforderung keineswegs an Wohlgefallen vor den Menschen gewinnt. Andere Leute würden deshalb in diesem Falle wahrscheinlich der Attestierung des Gerichts, daß nichts Strafrechtliches und nichts Zivilrechtliches gegen den Kläger vorliegt, das Schweigen vorgezogen haben. Aber in Ham» burger Reeder- und Patrizierkreisen mag eine besondere Logik gelten. Eine besondere Logik gehört auf alle Fälle dazu, in dieser Verurteilung eines Witzes, einer blutigen Satire eine Rechtfertigung der Geschäftspraxis des Herrn Woermann zck sehen. Als die Welt von der Erhebung der Klage hörte, da glaubte sie— und wie hätte sie es nicht tun sollen—, Herr Woermann wolle vor Gericht seine Geschäftsbücher auflegen und beweisen, daß jene Profite das Normalmaß nicht wesentlich überschritten, daß die Höhe seiner Gewinne nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Was aber wurde der Welt an Stelle dieser Rechtfertigung geboten, an Stelle des Versuches des Nachweises, daß das HauS Woermann das deutsche Volk nicht über die Ohren gehauen habe? Die hochnotpeinliche Ver- urteilung eines Witzes! Der erschütternde Beweis, daß ein Witz des„Simplicissimus" nicht die Wiedergabe eines Tat- bcstandes ist, daß ein im„Simplicissimus " mitgeteiltes Ge- spräch kein wirkliches Gespräch ist, sondern ein fingiertes! Also die gerichtliche Konstatierung einer Tatsache, die jedem normalen Menschen von über 14 Jahren längst bekannt ist. Es ist bewiesen, daß Herr Wocrmann aus Leichen- transPorten keine Ueberprofite gezogen hat; es ist bewiesen, daß er Leichen von Afrikakäinpfern nicht zurückgehalten hat, weil das Lagergeld noch nicht bezahlt war. Das ist wahr- haftig bAv lesen. Wozu? Kein Mensch hat an das Gegen- teil geglaubt, kein Mensch hat aus Bild und Text der inkriminierten„Simplicisfimu�'-Seite herausgelesen, daß einmal eine Witwe am Hamburger Hafen wegen unbezahlten Lagergeldes die Leiche ihres Mannes von Woermann nicht hat erlangen können. Aber etwas anderes hat jeder heraus- gelesen, nämlich die Beschuldigung, daß durch unerhörte Frachtraten und Liegegelder große Summen, die eigentlich dem deutschen Volke gehörten, in die Taschen des Herrn Woer- mann gewandert seien. Zwar auf rechtlich einwandfreie Weise— aber das macht den Vorgang fürs deutsche Volk nicht wesentlich angenehmer. Im Gegenteil! Und diese Beschuldigung, die für jeden„Simplicissimus"- Leser klar auf der Hand lag, die hat Herr Woermann seit- samerweise nicht aus Bild und Text herauslesen können. Und mit ihm die Hamburger Schöffenrichter nicht. Sie alle klammerten sich an die Linien des Bildes und an die Buch- staben— an den Wortlaut. Den darin liegenden Gedanken aber wollten sie nicht sehen. Wenigstens Herr Woermann und sein Schwiegersohn nicht. Sie blieben dabei, der„Simpli- cissimus" habe sie der Ueberteuerung beim Leichentransport bezichtigt, und dabei blieben sie, und deshalb fanden sie, daß alle Beweisanträge des Beklagten über die Reederprofite des Herrn Wocrmann nicht zur Sache gehörten. Deshalb wollten siö Seine Durchlaucht— den verflossenen Kolonialerbprinzen — nicht auf den Zeugenstand bemüht wissen. Die Schöffenrichter beliebten dieselbe Logik, soweit es sich um die Begründung ihrer Ablehnung der Beweisantrage handelt. Hinterher aber hat sie die Konsequenz verlassen, und so sehen wir sie denn weiter unten zugeben, daß gescheite Leute aus dem„Simplicissimus " nicht die Beschuldigung herauslesen konnten, wegen der sie den Herrn Gulbransson drei Monate lang einsperrren wollen, aber daß das die minder Gescheiten getan haben würden. Und weil die minder Ge- scheiten aber glauben konnten, Herr Woermann bereichere sich selbst an den Leichen der Südwestafrikakämpfer, deshalb M Gulbransson eine Beleidigung Woermanns begangen, die sion besonderer Gemeinheit ist und die den ganzen Ham- burger Reeder- und Kaufmannsstand getroffen hat! Versteh' diese speziell Hamburgische Logik, wer kannk , Die Freiheit der Presse ist in Deutschland nie grofp gewesen. Aber sie ist den Reaktionären immer noch zu groß. Dielleicht ist das ihnen genügende Maß an Einschnürung er- reicht, wenn erst alle Witzblätter in Deutschland für ihren ge- samten Inhalt den Wahrheitsbeweis erbringen müssen! Der erste Schritt ist in Hamburg getan. In der Republik Ham- bürg, wo mittels Wahlrcchtsverschlechtcrungen die Pfeffer- säcke regieren, die vor den Gerichten ihres Staates Siege er- fechten über Witzblätter._ Steuerpläne. Gegenüber den wiederholten Meldungen der letzten Zeit über neue Steuerpläne der Reichsregierung weiß die„Voss. Zeitung" zu berichten, daß bisher überhaupt noch nicht Er- wägungen angestellt worden sind, ob und in welchem Umfang neue Steuerborlagen nötig erscheinen. „Es hat", schreibt das freisinnige Blatt,„das darin seine Ursache, daß die Vorarbeiten für die Gehaltsaufbesserungen der unteren und mittleren Reichsbeamten noch nicht abgeschlossen sind. Diese Gehaltsaufbesserungen werden zum Winter durch eine besonder Jahresvorlage dem Reichstage unterbreitet werden; ihre Wirkungen werden aber erst im nächsten Etatsjahr in die Erscheinung trete», da für das laufende Rechnungsjahr Deckungs- mittel nicht vorhanden sind. Selbst wenn man die Grenze der aufzubessernden Gehaltsklassen über die unteren Stufen hinaus ziemlich eng ziehen würde, muß schon mit einer Mehr- belastung des Reichs um LS bis 30 Millionen gerechnet werden, und für diesen Betrag wären naturgemäß neue Deckungsmittcl zu schaffen. Ob man dazu auf die Tabaksteuer zurückgreifen wird, die in dem früher ge- planten Umfang einen Ertrag von L3 Millionen bringen sollte, erscheint schon aus dem Grunde zweifelhaft, weil nach der Ab- lehnung im vorigen Jahre jetzt keine größeren Aussichten für eine Annahme im Reichstage vorhanden sind. Daß aber bei der gegenwärtigen Lage der im Reichstage bevorstehende Antrag auf Herabsetzung der Zucker st euer von 14 auf 3 M. vom Bundesrat angenommen wird, muß als ausgeschlossen gelten, da diese Herabsetzung im ersten Jahre nach ihrem In- krafttreten einen Ausfall von 30 Millionen bedeuten würde, für die dann ebenfalls Ersatz geschaffen werden müßte." Wir halten es durchaus nicht für sicher, daß nicht trotz der Ablehnung im vorigen Jahr die Regierung auf die Tabak- und die Biersteuer zurückgreifen wird; denn die deutsche Steuerpolitik wird nicht nach vernünftigen Grund- sätzen betrieben. Entscheidend ist für die Regierung nicht die Steuerkraft, sondern der Gesichtspunkt, ob von der vor- geschlagenen Steuer der ländliche Großgrundbesitz Vorteil oder Nachteil hat. Deshalb wird auch die Regierung sich schwerlich dazu verstehen, eine Erhöhung der Erbschaftssteuer oder die Einführung einer Reichsvermögenssteuer vor- zuschlagen. Sie wird vielmehr auf die Verbrauchssteuern zurückgreifen. Die große Volksmasse soll die Mittel zur Durchführung der imperialistischen Pläne liefern.— • DeutTcbcs Reich. Eine neue„freisinnige" Wahlrechtsverschlechterung. Rostock , den S. April. Nach Kiel , Lübeck , Leipzig , Dresden , Hamburg folgt Rostock . Wie die ehrsmne liberale Bürgerschaft der vorgenannten Städte hat auch die„freisinnige" Rostocker Bürgervertretung sich auf Antrag des Magistrats eine Wahlrechtsverschlechterung geleistet. Nach der Stadtverfassung liegt die städtische Verwaltung in den Händen des Rats und der Bürgervertrctung. Der Rat ist zu- sammengesctzt aus 14 äuf Lebenszeit gewählten Personen. Die Bürge cvertretung zählt 00 Mikgliebcr, von denen jedes auf 6 Jahre gewählt ist. Die Mitglieder des Rats werden von der Bürgerver- tretung gewählt, aber nicht in freier Wahl, sondern bei einer ein- getretenen Vakanz schlägt der Rat drei Kandidaten vor. von welchen dann die Bürgervertrctung einen zu wählen hat. Die Bürgervertreter werden in geheimer Wahl von den Bürgern ge- wählt, das heißt den EinDohnern über LS Jahr, die sich das Bürger- recht für IS M. gekauft haben. Diese Bürger sind in drei Wähler- klassen geteilt: zur ersten Klasse gehörten bisher alle Bürger mit einem Jahreseinkommen von mehr' als 4000 M., zur zweiten Klasse alle Bürger mit einem Jahreseinkommen von 1301—4000 M. und zur dritten Klasse gehörten alle Bürger mit weniger als 1301 M. Jahreseinkommen. Von jeder Wählerklasse sind 20 Bürgervcrtreter auf je ö Jahre zu wählen. Das hohe Bürgergeld von IS M. hat natürlich den Zweck, die minderbemittelten Einwohner vom Erwerb des Bürgerrechts abzuschrecken, und es hat diesen Zweck auch bisher vollauf erfüllt; denn von den mehr als 10 000 Steuerzahlern mit einem Einkommen von unter 1300 M. haben nur 71L das Bürgerrecht erworben. Da jedoch bei den letzten Wahlen 3 Sozialdemo- kcatcn in die Bürgervertretüng eingedrungen sind, so erschien dem Rat das plutokratische Wahlrecht nicht einwandsfrei genug. Er arbeitete eine Wahlrechtsvorlage aus, als deren Zweck in der Be- gründung bezeichnet wird, es müsse die drohende Auslieferung der dritten Wählerklasse an die Sozialdemokratie verhindert werden. Deshalb sollen bei Aufrechterhaltung des für alle gleich hohen Bnrgergeldes von 1S.M. fortan zur ersten Wählerklasse nur jene Bürger gehören, die mehr als 0000 M.. zur zweiten Wählerklasse diejenigen, die 2S00— 0000 M., und zur dritten alle, die weniger als 2500 M. Jahreseinkommen versteuern. Diesem Antrage stimmte die Bürgervertrctung ohne weiteres zu. Trotz des lebhaften Protestes der sozialdemokratischen Per- treter wurde nicht einmal eine Kommissionsberatung beliebt; galt eS doch in den Augen der Freisinnsmannen. die die Mehrheit in der Bürgervertretung bilden, die Sozialdemokratie niederzureiten. In ihrem blinden Eifer genierte es diese„Liberalen " sogar nicht. ihre verhätschelten Freunde, den kleinen Mittelstand, zum großen Teil aus der zweiten Wählerklasse in die dritte zu versetzen. Man kann danach ermessen, was an wirklichen Bolksrechten bei der an. gekündigten mecklenburgischen Verfassungsänderung herausspringen wird, soweit hierfür die Liberalen in Frage kommen. Der Anarchismus in Ketten. Wie uns mitgeteilt wird, haben es sich die badischen Be- forden nicht daran genügen lassen, den an der Anarchisten- 'onferenz Beteiligten durch eine am Sonntag erfolgte Ver- Haftung das Gefühl einer ganz besonderen Staatsgefährlich. keit einzuflößen. Einer von ihnen, Dr. Friedeberg. wurde am Dienstag abermals verhaftet und am Donnerstag. abend wiederum freigelassen, und zwar auf die Bürgschaft 'eines Rechtsbeistandes, des Reichstagsabgeordneten Frank, zin. Die lange Inhaftierung FriedebergS wurde damit motiviert, daß er ledig und ohne bestimmten Wohnsitz sei, also einer eventuell zu gewärtigenden Strafe sich durch die Flucht entziehen könne. Auch eine von dem Berfiafteten an- gebotene Kaution wurde adgele&jjt. 1 Tics rigorose Vorgehen erscheint mir. so unverständlicher, vis es sich bei einer' Prozessierung gegen Friedeberg nur um ein Vergehen wegen Abhaltung einer verbotenen Versamm- lung handeln kann, also um ein Delitt, das im Höchstfälle .mit 150 M. Geldstrafe rcsp. vier Wochen Haft geahndet werden kann. Sollte sich herausstellen, daß Fricdcberg zu den Veranstaltern der Versammlung gehörte, so würde sich �das Höchststrafmaß auf sechs Wochen Haft erhöhen. Dem hochnotpeinlichen Verfahren wurde dadurch die Krone auf- gesetzt, daß Friedeberg zwangsweise photographiert und bei seinem Transport an eine Kette geschlossen wurde. So geschehen in dem badischen Musterländlc? Der Anarchismus in Teutschland trägt betanntlich einen rein theoretischen Charakter und besitzt obendrein nur so wenige Anhänger, daß der kolossale Kraftaufwand der badischen Behörden ganz unbegreiflich erscheint.' Fast macht das Vorgehen den Eindruck, als ob man das Häuflein der An- archisten durch solche Polizeitaten mit einer besonderen Gloriole umkleiden und zu einem Popanz für schwachnervige Schärfinachergemüter aufbauschen wolle!— Zur Charakteristik der„anständigen" Presse. Die Leser erinnern sich der Tatsache, daß die bürgerliche Presse den Genossen Bebel beschuldigt hat, er habe zu Unrecht die „M.-Gladbacher Zeitung" im Reichstage angegriffen und sie einer schössen Handlungsweise geziehen. Von der sozialdemokratischen Presse wurde sofort festgestellt, daß Genosse Bebel die„M.-Glad- bacher Zeitung" im Reichstage mit keinem Wort erwähnt hatte. sondern, daß seine Beschuldigungen sich gegen den M.-Gladbacher „Generalanzeiger " richteten. Jener wahrheitswidrige Artikel ging durch die gesamte„nattonale" Presse, ohne daß man nachher von einer Richtigstellung viel gemerkthätte. Auch das„K ö l n e r T a g e b l a t t" hielt es nicht für nötig, seine Mit- teilung zu berichttgen. Das Blatt wurde deshalb in unserem Kölner Bruderblatte, der„Rheinischen Zeitung", aufgefordert, der Wahrheit die Ehre zu geben. Das„Tageblatt" stellte sich tot. Damit es NUN aber nicht sagen konnte, es habe von der Richtigstellung keine Kenntnis erhalten, hat ein Abonnent des„Tageblattes" dessen Redaktton telephonisch unter Zeugen auf die Angelegenheit und die Aufforderung in der„Rheinischen Zeitung" aufmerksam gemacht und den betreffenden Redakteur gefragt, ob man nicht beabsichtige, die Sache richtig zu stellen. Der Redakteur antwortete, daß man diese Absicht nicht habe. Darauf erwiderte der Abonnent, daß er als Bezieher des„Tageblatts" es aber gern sehen würde, wenn man in dessen Spalten auch dem Gegner gegenüber Recht und Gerechtigkeit walten lasse. Hierauf erklärte der Redakteur:„Sie als einzelner mögen sich wohl für eine solche Richtigstellung interessieren; unsereLeser im allgemeinen haben aber an der Sache kein solches Interesse." Das„Kölner Tageblatt" hat denn auch die Richtigstellung nicht gebracht. Ein hochanständiges Blatt!— Ter Elberfeldcr„Wahlkrawall"-Prozest. Am Täge nach der Rcichstagsstichwahl meldete der Telegraph, daß in Elberfeld , in der Nähe des Volkshauses, am Stichwahl- abend es zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen dem Publikum und der Polizei gekommen sei. In der Tat hatte die Polizei viel- fach von der blanken Waffe Gebrauch gemacht, weil sie, wie es in der amtlichen Darstellung des Vorganges hieß, von dem zahlreichen Publikum beschimpft, geschlagen und mit Steinen und Eisschollen beworfen worden sei. Verwundungen, meist unerhebliche, hatte eS auf beiden Seiten ziemlich zahlreich gegeben. Vom Publikum wurden schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben, die ohne zwingende Veranlassung zur Waffe gegriffen und blindlings auf völlig Unschuldige, auf Frauen und Kinder eingehaucn habe. Die„Freie Presse" brachte eine Anzahl Artikel, in denen das System der Elberfelder Polizei einer scharfen Kritik unter- zogen wurde. An der Hand verschiedener Fälle kam die„Freie Presse" zu dem Resultat, daß die Elberfelder Polizei bei solchen Gelegenheiten nicht den erforderlichen Takt besitze und durch ein ihr eigentümliches Draufgängertum provozierend wirke. Die ganzen Vorkommnisse gaben der Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines umfangreichen Prozesses Veranlassung, der am 5. d. M. vor der Strafkammer in Elberfeld verhandelt wurde. Angeklagt sind die Genossen Eberle und Hoffmann als Redakteure der „Freien Presse", ferner der Arzt Dr. Rascher, von dem am Tage nach der Stichwahl die„Freie Presse" eine Zuschrift ver- öffentlichte, in der der Einsender seiner Empörung Ausdruck gab über das Vorgehen der Polizei, soweit er es selbst beobachtet hatte. Außerdem sind angeklagt neun Personen wegen Auflaufs, Polizeibeleidigung und zum Teil wegen Wider? st a n d S l e i st u n g. Schon nach der Hauptwahl waren die bürgerlichen Parteien fest überzeugt, daß sie in der Stichwahl siegen würden und dem- gemäß waren allerlei Siegesfeierlichkciten vorbereitet worden. durch die gar mancher Arbeiter begreiflicherweise gereizt wurde. Die albernsten Gerüchte waren der Polizei übermittelt worden, so z. B., daß die Sozialdemokraten die Stadthalle stürmen wollten, wo die Gegner ihre Siegesfeier abhielten und daß die bösen Rote» es mit dem evangelischen VercinShaus und dem katholischen Ge- sellenhaus ebenso machen wollten u. a. m. Die Polizei nahm diese Unsinnigkciten ernst und sandte des Abends'nach den angeblich ge- fährdetcn Stellen PolizeidetachementS, kurz, es waren von der Polizei die umfassendsten Vorbereitungen zu einem Kampfe ge- troffen worden. Trotz all dieser provozierend wirkenden Dinge verhielt sich das Publikum zunächst ruhig, auch dann noch, als das Wahlresultat schon bekannt war. Um etwa Ssh Uhr aber kam es zu Zusammen- stoßen zwischen der Polizei und den Volksknäueln, die sich auf den Straßen in der Nähe dcS Volkshauses befanden. Berittene Poll- zisten sprengten in die Massen hinein, um die Straßen zu„säu- Kern", außerdem rückten kurz darauf ein paar Abteilungen Schutz- leute zu Fuß zu demselben Zwecke heran. Nun kam der verhaliene Groll deS Publikums zum Ausbruch; die Polizisten wurden mit Steinen und Eisschollen beworfen, auch aus vielen Häusern flogen allerlei Gegenstände, wie Flaschen, Briketts usw. nach den Poli- zisten. Die Polizcimannschaften mußten sich wiederholt zurück- ziehen, gingen aber dann von neuem vor und jedesmal wurden sie mit Wurfgeschossen empfangen. Einige Polizisten behaupten auch. geschlagen und zu Boden geworfen worden zu sein. Das Pferd eines Berittenen erhielt einen Stich in den Hinterschenkel. Nach der polizeilichen Feststellung sind 18 Beamte verletzt, 10 ist die Montierung beschädigt worden. Die Zahl der Verletzten aus dech Publikum hat nicht festgestellt werden können, weil sich die meisten der Verletzten begreiflicherweise nicht gemeldet hoben. Auf welcher Seite der Anfang mit den Tätlichkeiten gemacht wurde, ist nicht festgestellt. Die Polizei behauptet natürlich, auf der Seite de? Publikums. Sie habe sich anfangs zurückgehalten und nur zwei Schutzleute seien in der Nähe des VolkshauscS postiert gewesen. Diese seien aber plötzlich umzingelt und bedroht, einer davon auch zu Boden geworfen worden. Andere Zeugen be. künden dagegen, daß die Aufregung im Publikum und die Wider» standsleistung erst erfolgt sei, als die Berittenen, mit dem Säbel in ver Faust, in das Publikum hineinstürmten und dreinfchlugen. Ueberhaupt gestaltete sich die Beweisaufnahme äußerst wider. spruchSvoll; mit aller Bestimmtheit wurden wiederholt Aug- sagen von Zeugen aus dem Publikum und der Polizei gemacht, die sich schnurstracks gegenüberstehen. Auch die Polizisten w versprachen sich in wel"-ttichen Puakteu.
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