Aus dem Äreiklaffeuhause.DaS Abgeordnetenhaus hielt heute eine sehr lang ausgedehnte.aber in ihrem Inhalt recht dürftige Sitzung ab. Bei der all-gemeinen Besprechung des Bauetats wurde auf die weitereErörterung der Anregungen auf Errichtung eines besonderenWasscrbauministeriums allseitig verzichtet; man begnügte sich da-mit. auch in der Generaldebatte allerhand SpezialWünsche vorzu-bringen. Denn seitdem die Erwählten des DreillassenwahlrechtsKenntnis davon erhalten haben, daß der Reichstag schon zu Pfingstenin die Ferien gehen will, ist auch ihre Sorge um die Volkswohlfahrtnur noch darauf gerichtet, dem Volke die Lektüre von Abgeordneten-hausbcrichten möglichst bald zu ersparen. Unter den einzelnenWünschen seien die des Abgeordneten Gyßling auf besseren Schutzder samländischen Küste, des Abgeordneten von Böhlendorf aufRegulierung der Ucker und des Abgeordneten von Oldenburg aufKanalisierung der Nogat erwähnt, weil ihnen die Regierung weit-gehende Berücksichtigung in Aussicht stellte. Sonst wurde die Be-sprechung des Bauetats ohne wesentliche Debatte, nur mit den üb-lichen Beamtenwünschen, diesmal für Bauinspektoren und Strom-meister, zu Ende geführt.Montag steht der Etat der allgemeinen Finanzverwaltung undder Ansicdelungskommission auf der Tagesordnung.—Nur keinen Blockkonflikt., Der fteikonservative Herr v. Zedlitz setzt in einem langenArtikel rm„Tag" auseinander, daß sich die Regierung mit derrcichsgesctzlichen Regelung des Vereins- und Versammlungsrechtsja nichtmbereilen dürfe. Diese Materie könne unter Um-ständen sehr leicht zum Sprengpulver des Blocks werden. DieParteien der Rechten könnten dem Gesetz nur dann zustimmen,wenn das von Posadowsky proklamierte Mindestmaß vonKautelcn gegen Störung der öffentlichen Ord-nung und Sicherheit und gegen Mißbrauch derVereins- und Versammlungsfreiheit gewahrtwerde.- Da nun aber das Zentrum möglicherweise alle Minenspringen lassen werde, um den Block zu sprengen, müsse die Regie-rung äußerst vorsichtig sein. Sie müsse nicht nur festentschlossen sein, den Bedingungen der R e ch t e n Rech-nung zu tragen, sondern sie dürfe auch keinen Zweifel dar-über lassen, daß sie sich nichts abhandeln lassen werde. Zeigedie Reglcrung eine solche Entschiedenheit, so werde sie die Intrigendes Zentrums durchkreuzen; fehle eine solche Entschlossenheit, somüsse an der Durchführung der konservativen Paarung verzweifeltwerden.Das bedeutet nichts anderes, als daß auch die F r c i k o n s e r-v a t i v e n dem Freisinn zumuten, auch in der Frage des Vereins-und Versammlungsrechts reaktionärer zu sein als selbst dasZentrum!—Die Schonzeit.Das Verl. Tageblatt" bringt eine Notiz aus parlamentarischenKreisen, in der dem Reichskanzler nahegelegt wird, die ihmvom Freisinn gewährte Schonzeit doch nicht allzu sehr aus-z u d e h n e n. Die Regierung arbeite denn doch in etwas zu lang-samem Teurpo. Zunächst sei nur die LOO-Millionenvorloge für denNordostscekanal zu erwarten. Die Reform der Strafe fürMajestätsbeleidigung sei zwar schon vor drei Monaten angekün-d i g t, aver immer noch nicht zu erwarten. Der löbliche Bundes-rat arbeite geradezu im Schneckentempo. Auch das, wasPosadowsky über das neue Vereins- und Versamm-lungsrecht gesagt habe, sei sehr wenig Vertrauen er-weckend. Da solle Ruhe und Ordnung aufrechterhalten werden.Dazu genüge doch aber das allgemeine Strafrecht. VieleFreisinnige seien der Ansicht, daß sie unmöglich mit langer Nasebis zum Herbst verabschiedet werden dürften, ohne die geringsteSicherheit, daß sie nicht am Ende die Geprellten seien.Das„Berl. Tageblatt" ist gewissermaßen wild liberal. Diefreisinnig vereinigte„W e s e r z e i t u n g" beweist viel mehrG eck> u l d. Die volksparteiliche„Fr eisinnige Zeitung"sowie die derselben Richtung angehörende„Vossische Zei-t u n g" denken gar nicht daran, derartig zu„drängelnd ImGegenteil, auch ohne die geringsten Garantien, jemals liberaleKonzessionen einzuheimsen, begeistern sich ja die Müller-Sagan undKonsorten für die opferwilligste Blockpolitik!—Durchführung der Schiffahrtsubgabe«.Die preußische Regierung rückt ihrem Ziele, der Einführungvon Schiffahrtsabgaben auf den deutschen Strömen, immer näher.Die württcm bergische Regierung hat sich bereits den dringendenpreußischen Vorstellungen als zugänglich erwiesen; sie zögerte aberbisher mit einer direkten Zustimmung, da sie erst die Ansicht desHandelsstandcs hören wollte. Jetzt ist auch dieses Hindernis be-scitigt, denn aus Stuttgart wird telegraphisch gemeldet:Die hiesige Handelskammer hat auf Grund der neuestenVorschläge Preußens ihren bisherigen Standpunkt gegen dieRhcinschlssahrtsabgaben aufgegeben und ihren Beitritt zuder geplanten Finanzgemeinschaft ausgesprochenunter der Voraussetzung, daß die verfassungsmäßigen Rechte ge-wahrt, der württembcrgische Anteil an den Abgaben gesichert unddie Schiffahrt auf dem Neckar für den Ve-rtehr vonSchiffen mit mindestens 1000— liJOO Tonnen ermöglich t w i r d.Auch die Handelskammer von Reutlingen hat sich einstimmigfür den Eintritt Württembergs in die Fmanzgemcinschaft ausgesprochen.Die preußischen Vorschläge, von denen in der Meldung ge-sprachen wird, bestehen darin, Württemberg, Bayern, Hessen, Badenund Elsaß-Lothringen möchten zusammen eine Finanzgcmcinschaftbilden, welche die erhobenen süddeutschen Schiffahrtsabgaben ge-meinsam zur Vertiefung und Verbesserung der Wasserstraßen der-wende.Da jetzt nur noch Sachsen, Anhalt, Hessen, Hamburg undOldenburg als Gegner der'Schiffahrtsabgaben übrig bleiben, sodürfte es der preußischen Regierung gelingen, ihre Forderung imBundesrat durchzusetzen und ihren Agrariern die von diesen ge-forderte Erschwerung des Frachtverkehrs auf den Wasserstraßengehorsamst zu Füßen zu legen.Die Wahlarbeit des Flottenvercins.Der Deutsche Flottenverein bezeichnet sich selbst als„un-politisch". Wie wenig diese Behauptung begründet ist, haben dieAgitationsleistungen und die Briefe des Generalmajors Keim zurGenüge bewiesen. Einen neuen Beweis dafür liefert der letzteJahresbericht, in den, über die Wahlarbeit des FlotienvereinS fol«qendeS mitgeteilt wird:>„Vor eine wichtige nationale Aufgabe wurden die Mitgliederdes Deutschen Flottenvereins durch die Auflösung des RcichsiageSam 13. Dezember 190S gestellt. Die Reichstagsauflösnng erfolgteinfolge Sttcktbewilligimg einer nationalen Fordenmg der Regierungbetreffs unserer Kolonien. Die Regierung gab die nationale Wahl-Parole auS:„Für unsere Kolonien und gegen die antinationaleMehrheil vom 13. Dezember." Es war selbstverständlichPflicht der Mitglieder eines nationalen Per-eins, wie es doch unser Flotten verein ist undsein soll, in diesem Wahlkampfe Stellung zunehmen. In Erfüllung dieser Pflicht erließ das Präsidium desDeutschen Flottenvereins laut Beschluß der Präsidialsitzung vom10. Dezember 1003 das bekannte Rundschreiben, das die Mit-gliedcr de? FlottenvereinS ermahnte, in dem Wahlkampfe f ü rDeutsch 1a uds E h�« und Ansehen einzutreten.Die Arbeit unserer Vereinsmitglieder'n dieser bewegten Zeitwar keine vergebliche; sie war von guten Erfolge gekrönt, denndas Wahelergebnis war ein nationalerReichStag.Was der Kaiser und der Kanzler vom deutschen Volke erwarteten,hat dieses geleistet und die Mitglieder des Deutschen Flotten-Vereins haben in ihrer ungeheuren Mehrzahl hierbei persönlichihre Schuldigkeit getan.Für die„Ehre und das Ansehen" Deutschlands heißt natürlich:für die Parteien des nationalen Blocks und ihre Interessen.—Liberaler Wahlschacher.Trotzdem dem bayerischen Liberalismus der Beschluß desSchweinfurter Parteitags der Sozialdemokratie Bayerns: bei denkommenden Landtagswahlen unter allen Umständen selbständigden Wahlkampf durchzuführen, bekannt ist. und dieser Beschluß inden letzten Wochen wiederholt besprochen wurde, traten die L i b e-ralcn in Bamberg dieser Tage an unsere dortigen Partei-genossen heran, um sie zu einem Kompromiß gegen das Zentrumzu bestimmen, wobei sie nicht nur versprachen, der sozial-demokratischen Wahlvereinskasse alle Kosten,die durch die Wahl entstehen, zu ersetzen, sondern sie waren auchnoch so gütig, unseren Genossen zuzugestehen, bei der Aufstellungdes gemeinsamen(liberalen) Kandidaten mitsprechen zu dürfen.Trotzdem die Herren gleich von vornherein auf den Beschluß desParteitags, der für alle unter allen Umständen bindendsei. hingewiesen wurden, versuchten sie, doch weiter zu kuhhandeln,bis sie zuletzt in deutlicher Weise abgewiesen werden mußten.In den Tod getrieben.Wegen schändlicher fortgesetzter Mißhandlun-gen von Rekruten stand am Mittwoch der GefreiteE m m e r l i ch vom Gardereiter-Regiment vor dem Kriegs-gericht in Dresden. Am 22. Februar, früh in der siebentenStunde, wurde auf dem Hofe der Gardereiter- Kaserne derGardist Burkhardt an einem Wagen-erhängt auf-gefunden. Die Untersuchung ergab sofort, daß dem Selbst-mord schwere Mißhandlungen vorausgegangen sind. UnzähligeMißhandlungen und Schikanen, die der Gefteite an Rekruten ver-übt hat, wurden durch die Untersuchung aufgedeckt. So hat derAngeklagte am 22. Februar, also am Tage des Selbstmordes, denVerstorbenen früh gegen 6 Uhr im Stalle in der f ü r ch t e r-lichsten Weise gemißhandelt. Ohne Grund hat er ihmbei Betreten des Stalles mehrere heftige Ohrfeigen ge-geben und ihm darauf mehrere kräftige Stöße mit derFaust in den Rücken versetzt. Er hat darauf sein Opfer inden Pferdcstand geworfen und ihm dort ebenfalls einigeSchläge mit der Faust versetzt, hat ihn wieder hinan?-geschleift und lang auf die Stallgassc hingeworfen. Erst nachlängerer Zeit erhob sich der Gcmitzhandelte und ging ruhig davon.Um das Maß voll zu machen, ließ der Soldatenschinder den Ver-storbcncn noch Strafdienst machen. Schon des öfteren war Burk-Hardt mißhandelt und nach allen Regeln schikaniert worden. Sohat er für den Rekruten-Gefreiten oftmals Arbeiten verrichtenmüssen, die ihm nicht zukamen. Am Tage vor dem Selbstmordhat sich der Angeklagte dem Verstorbenen gegenüber geäußert:„Du kommst ja morgen nicht mehr zum Fressen!"Womit der Angeklagte nur allzusehr recht haben sollte. Etwa1 Stunde nach den Mißhandlungen im Stalleging der Gardereiter hin und machte seinemLeben ein Ende. Der Rekrutcnerzieher hat auch nochandere Soldaten mißhandelt. Den G a r d i st B e r g e r hat derAngeklagte, weil dieser einen Befehl nicht ausgeführt hatte, mitaller Wucht gegen den Schrank gestoßen und ihm Ohr-feigen versetzt. Hierbei hat er dem Mißhandelten zugerufen:„Hund, ich mach Dich kalt!" Auch den G a r d i st Müllerhat er verschiedentlich geohrfeigt. Eine große Anzahl von Miß-Handlungen hat der Angeklagte noch verübt, die nicht unter An-ilage gestellt sind. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß derSelbstmord des jungen GardereiterS eine un-mittelbare Folge der Mißhandlungen war. DerAngeklagte war fast durchweg geständig, nur will er in großer Er-regung gehandelt haben. Das Kriegsgericht verurteilte den nieder-trächtigen tsoldatenschinder zu-- 3 Monaten Gefängnis!Beantragt waren 6 Monate.— Es gibt noch milde Richter!Dem Verdienst eine— Hungerpeitsche und den bravenLeuten einen Orden.Die„Saarwacht" zu Saarbrücken schrieb dieser Tage:Der„Reichsanzeiger" publiziert die Verleihung der Auszeichnungengelegentlich des Redener Unglücks. Es wurde verliehen: dem Berg-inspektor Wilhelm Müller zu Reden der Rote Adlerorden 4. Klasse,den Steigern Peter Groß zu Heiligenwald und Ernst Bartsch zu Redender Königliche Kronenorden 4. Klasse, sowie den Häuern DanielDick zu Landsweiler, Johann Mohr zu Merchweiler, JohannBreier und Johann Heintz, beide zu Heiligenwald, unddem Grubenschlosser Friedrich Schmidt zu Landsweiler dasAllgemeine Ehrenzeichen. Der bravste Retter aber, der mit Helden-mut ins Feuer stürzte und die Leichen der Kameraden barg, derBergmann Moltcr von Ncunkirchen, der nach dem Zeugnis allerBergleute die meisten Toten barg, ein Vater von 15 Kindern, der33 Jahre die lleberschiisse des Bergfiskus mehren half, wurde ausSPflaster geworfen, weil er vor der ReichStagSwahl ein sozialdcmo-kratischeS Flugblatt las, was einen der saarabischen Denunziantenveranlaßte, sich ein rotcS Röckchen z« verdienen.„Neu-Dentschland".Ueber die neudeutsche Streusandbüchse lässt sich die„Deutsche Tageszeitung" von einem bei dem Bahn-bau Lüderitzbncht— Keetmanshoop beschäftigtenBeamten schreiben:„Die Hauptschwieriflkeit des Baues der Bahn liegt zwischender Küste nnd ilubub m der Ueberwindnng der Wanderdünen,hinter Kubub landeinwärts im Kampfe mit dem FclSgestein. DemTechniker haben die Wanderdünen mehr Kopfschmerzen ge-niacht als ihren Kollegen der Bau deS GotthardtnnnelS. EinBerg steht still, an ihm kann man messen und rechnen, die Wander-dünen sind aber unberechenbar. Kaum hat man die Tracefestgelegt, so kommt ein Sandsturm und übersandetalles, daß man von den Pfählen und Markierpnnkten nichts mehrsieht. Der Bau bis Kubub war auf drei Wasserstellenangewiesen, die 50—30 Kilometer von der Bahn ent-fernt lagen. Von diesen Wasserstellen mußte das Wasser aufKamelen an die Bahn geholt werden. Die Bahnstrecke istvollständig ohne Wasser, deshalb weist sie auch nurdrei Haltepunkte(Ausweichstellen) auf. Das Trink-Wasser für die Arbeiterkolonnen wurde auf denLokomotiven mitgefiihrt. Hinter Kubub ändert sich da« Bildaber zunächst auch noch nicht, und eine neue 70 Kilometerlange Durststrecke ist noch zu überwinden. Dann beginntdie Gebirgsregion, die einen anderen ArbeitSmoduS bedingt alsdie Sandwüste."Also bis zur Mitte des Landes nur Sand wüste.Dann beghmt die— S t e i n w ü st e lSelbst die freisinnige„Breslauer Zeitung" meintdazu:„Diese Schildening bestätigt nur. was man über die süd-afrikanische Sandwüste längst wußte oder wissen konnte.Wer trotzdem in diesem Südwestafrika immer noch einEldorado erhofft, der hat in der Tat einen starkenGlauben oder— beides Pflegt in der Regel auf dasselbeHinauszulaufen— wenig Wisse n."Das sagt ein Blatt, das die D e r n b u r g s ch e nDattelkistenphantasien skrupellos kolportiert hat!Das Blatt einer Partei, die die südwestafrikanischeKolonialarmee bewilligt, ohne mit der Wimper zuzucken!—'_Treu und Glanben.Im Düsseldorfer Schneidergewerbe ist der Kampf beigelegtworden, nachdem die beiden Parteien sich geeinigt haben. Wie die�Unternehmer willens sind, die getroffenen Abmachungen zu be-folgen und ihr Wort zu halten, zeigt ein vertrauliches Rund-schreiben des Arbeitgeberverbandes an seine Mitglieder, das die„Volkszeitung"' in Düsseldorf zu veröffentlichen in der Lage ist.Das Schreiben, datiert vom 18. April 1907, lautet:„An unsere Mitglieder!Die Lohnbewegung hat infolge Einigung mit denArbeitnehmern ihr Ende erreicht. Die neuen Tarifegehen unseren Mitgliedern sofort nach Fertigstellung zu,, eben-falls die Mitteilung, nach welcher Tariftlasse Sie zu entlohnenhaben, und können nun neue Arbeiter eingestellt werden. Hierzubemerken wir, daß in den nächsten vier Wochen keineArbeiter eingestellt werden dürfen, welche vordem Streik in cineyr Geschäft eines unsererMitglieder gearbeitet haben, es sei denn nur mitder ausdrücklichen Genehmigung des früheren Arbeitgebers.Indem wir hoffen, daß das Solidaritätsgefühl unter denMitgliedern immer mehr wachsen möge und sie sich im eigenstenInteresse immer fester zusammenschließen, begrüßen wir Sie.Der Vorstand."Mit anderen Worten: der Streik ist beigelegt, der Friede istgeschlossen— aber die Unternehmer führen heimlich den Kriegweiter. Die Aussperrung soll bestehen bleiben für die Arbeiter.Und nun rede noch einer über Terrorismus! Wir empfehlen denFall für die Mappe des Reichsverbandes.—Gegen den Zeugniszwang.Der Münchener Journalisten- und Schrift-steller-Verein hat in einer am Donnerstagabend abgehaltenenVersammlung einstimmig folgende Resolution gefaßt:„Der Münchener Journalisten- und Schriftsteller-Berein legtgegen die neuerdings beliebte Anwendung des ZeugniszwangSver-sayrens im Falle Schlegel-Kulm dach entschiedenste Ber-Wahrung ein. Der Verein vertritt die Anschauung, daß esmoralisch durchaus verwerflich ist, durch derartigeZwangsmaßregeln einen Berufsgen offen zu einer Handlung nötigenzu wolle», welche als Charakterlosigkeit nnd Pflicht-Vergessenheit aufgefaßt werden müßte und denselben allge-meiner Verachtung und beruflicher Schädigung preisgeben würde.In Konsequenz dieser Anschauung spricht der Verein sei»höchstes Befremden aus über die in der Presse beikannt-gegebene Anschauung des Landgerichts Bayreuth,'der Redakteurhabe durch Preisgabe des Redattionsgeheimnisses„keinen erheb-lichen RechtSnachtcil zu befürchien", und erklärt eine derartige Auf-fassung, durch die das Standesbewußtsein der Redakteure auf dasempfindlichste verletzt wird, für geeignet, das Vertrauen zuunseren G e r i ch t e n, als den berufenen Wächtern über Treuund Glauben im öffentlichen Leben, bedenklich z u er-schütter». Eine Abänderung, der einschlägigen gesetzlichen Be-stimmungen erachtet der Verein als für die Redakteure vordring-lichste Aufgabe aller Niatznahmen auf dem Gebiete der Justiz-reform."»-_Schweiz.Stadtratswahlen und städtische Wohnungen in Zürich.Zürich. 18. April.(Eig. Ber.)Am nächsten Sonntag, 21. April. Häven die Stimmberechtigtender Stadt Zürich den kleinen Stadtrat von 0 Mitgtic»der» neu zu wählen, ferner über die Vorlage betreffendden Bau von Wohnhäusern durch die Stadt abzustimmen.Vor drei Jahren vollzogen sich die städtischen Wahlen imZeichen des freiwilligen Proporzes. Zu einer solchen Vereinvarungwar diesmal auf keiner Seite Lust vorhanden, auf sozialdemokra«tischer so wenig wie auf bürgerlicher, und nun ist der Wahlkampfentbrannt. Gegenwärtig besteht der Stadtrat aus 3 Sozialdemo-kraten, 2 Demokraten und 4 Liberalen. Unsere Partei beschloß nunBekämpfung des brutäten Polizeichefs Stadtrat Welte und Auf-stellung eines 4. sozialdemokratischen Kandidaten in der Person desGenossen Dr. Klöti, Sekretär der kantonalen Bandirektion. DieLiberalen, vom berüchtigten reaktionären Bürgerverband dazu ge-drängt, beschlossen die Bekämpfung unseres Geiwssen Dr. Eris-mann, dem sie- den reaktionären Gcldsackspolitiker Dr. Siekergegenüberstellen. Die Demokraten halten an ihren zwei Sitzenfest und nehmen neben den bisherigen 4 Liberalen auch die3 Sozialdemokraten einschließlich des Genossen Erismann auf ihreListe. Seine Wiederwahl dürfte daher gesichert sein. Sonderbarist der Grund, warum die scharfmacherischen Bürgerverbändler un»scren Genossen Erismann bekämpfen. Er besteht nämlich in denSympathien für die russischen Freiheitskämpfer, die unser Genossehegt und die ihm, der jahrelang an der Moskauer Universität alsProfessor wirkte und das freiheitliche Rußland kennen und liebenlernte, alle Ehre machen.Die Vorlage verlangt die Zustimmung zu einem Kreditvon 2 430 000 Frank zur Herstellung von Wohn»Häusern auf städtischem Boden im Jndustriequartier. DaS Pro»jekt sieht drei Häuserblocks von 9, 10 und 0 Gebäuden mit zu-sammen 225 Wohnungen vor, wovon 40 zweizimmerige, 140 drei-und 30 vierzimmerige, die zum Preise von je 380, 513 und048 Frank vermietet werden sollen.Es liegt auf der Hand, daß die ärgste Wohnungsnot vorhandenfein muß, ivenn bürgerliche und kapitalistische Behörden sich zueinem solchen Schritte entschließen. DaS ist denn auch der Fall.Die private Bautätigkeit hat sich einfach als unfähig erwiesen, demzunehmenden Wohnungsbedürfnis zu genügen; sie ist so wert hinterder Vermehrung der Bevölkerung zurückgeblieben, daß 1003 nur39 leere Wohnungen oder 0,3 Proz. im Dezember vorhanden warengegen 1204 oder 4,0 Proz, im November 1890. Die Wohnungsnotbesteht aber nicht nur im Mangel an Wohnungen, sondern amfi inder Teuerung, die dem Arbeiter cS fast unmöglich macht, den Miet»zins aufzubringen. So ist im Arbeiterquartier Äußersihl derDurchschnittspreis eines Zimmers in den letzten 5 Jahren von IMauf 183 Frank gestiegen.Die Hausagrarier stehen sich dabei sehr gut und sie bekämpfendenn auch die Vorlage, ebenso der reaktionäre Bürgerverband. Mandarf aber doch hoffen, daß die große Mehrzahl der Stimmberech»tigten vernünftig genug ist, die Vorlage anzunehmen,dlfgÄlH.Der autonome Zolltarif.->Budapest, 0, April. Handelsminister Kossuth erklärte bekder Verhandlung über den selbständigen allgemeinenZolltarif im Ausschuß deö Abgeordnetenhause»,die Annahme eines selbständigen ungarischen Zolltarifs, welcheridentisch mit dem gemeinsamen Zolltarif sei, könne nicht al»offensiver Schuß gegen Oesterreich mißdeutet werden. DieserZolltarif, der die Grundlage der auswärtigen Handelsvertragsbilde, müsse jedenfalls Gesetzeskraft erlangen, bevor die Handels-Verträge vom Abgcordnetenhaufe angenommen würden. Mit Bezugauf die Ausgleichsverhandlungen mit der Oester»reichischen Regierung könne er keine Einzelheiten mit-teilen, er könne jedoch zur Beruhigung des Landes erklären, daßdie Vereinbarung in Form eines Zollvertrage», nichtin Form eines Z ol l b ü n d n i s s es abgeschlossen werdensolle. Die Regierung lege größten Wert darauf, daß die sak»tische Errichtung von Zollschranken für dieZeit von 1017 an sichergestellt werde. Behuf»Durchführung dieser Politik habe er, Kossuth, einen Borschlag ge-macht, welchen daS österreichische Kabinett nicht ungünstigaufgenommen habe, doch seien noch betreffs maochex Punkte Per-