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Dieser Artikel ist nebenbei bemerk ein Beispiel für denguten Toa" der bürgerlichen Presse, denn in rund 20 Zeilen wimmelt es nur so von Ausdrücken wie: Fälschung, freche Lüge, Schurkerei, Frechheit. Fälschungsprodukt usw. Es wird in dem Artikel zu- nächst gefaK. dcch die Stimmenkauf-Behauptung in dem Flugblatt eine freche Lüge sei, und dann heißt es wörtlich und dies ist in dem Prozesse der Hauptpunkt: Aber die Frechheit, mit derdas sozialdemokratische Wahl- komitee' diese Lügen verbreitete, wird ins rechte Licht erst durch die Tatsache gerückt, daß dieses Flugblatt bereits gestern abend gedruckt und zur Verteilung bereit- gelegt war. Wir find auf Grund zuverlässigster In- farmatwnen in der Lage, jederzeit den Nachweis für die Wahrheit unserer Behantttung zu erbringen. Das verteilte Flugblatt charakterifiert sich danach als eine Schurkerei der daran beteiligten Personen. Unterzeichnet ist daS Fälschungs- Produkt: DaS sozialdemokratische Wahlkomitee. I. A.: Wilh. Dittmann." Genosse Dittmann hat daraufhin derFrankfurter Zeitung " eine Berichtigung zugehen lassen, die diese in ihrem Abend- blatt vom 6. Februar abdruckte und worin'es hieß, daß ihre Bc- hauptuna über die Zeit des Druckes des Flugblattes unwahr sei und fortgefahren wurde: Die fragliche Mitteilung ist mir erst heute morgen kurz nach 10 Uhr von dem betreffenden Wähler in Gegenwart des Arbeiter- sckretärs Heiden und anderer Zeugen gemacht worden. Darauf- hin habe ich das fragliche Flugblatt geschrieben und gegen 11 Uhr morgens in der Union -Druckerei in Druck gegeben; dafür sind Dutzende von Zeugen zu erbringen, u. a. auch mein Parteigenosse Max Cohen ." DieFrankfurter Zeitung " knüpfte daran u. a. die Bemerkung, thr Gewährsmann bleibe bei der Behauptung, das fragliche Flugblatt bereits am Abend vor der Wahl gesehen und gelesen zu haben. Zu dieser Behauptung bemerkte Ditt- mann in einer weiteren Zuschrift an dieFrankfurter Zeitung ", daß daS Flugblatt erst am Wahltage selbst, kurz.vor Mittag, g e- schrieben worden sei, und er der Redaktion derFrankfurter Zeitung " an Gerichtsstelle Gelegenheit geben werde, durch ihren Gewährsmann unter Eid ihre gegenteilige Behauptung zu beweisen. Soweit hätte die Angelegenheit nur lokales Interesse be- anspracht, wenn nicht der Zitatenkünstler Bülow die Verleumdung derFrankfurter Zeitung " im Reichstage zitiert und sie zu der seinigen gemacht hätte, und zwar trotz der Berichtigungen Ditt- manns in derselbenFrankfurter Zeitung ", die eigentümlicherweise Fürst Bülow oder seine Ratgeber nicht kannten. Parteisekretär Dittmann appellierte nun an Bülows Wahr- heitsliebe und /Loyalität und sandte ihm am 27. Februar ein Tele- gramm, worin der Sachverhalt dargelegt wurde. Es ist seinerzeit imVorwärts" veröffentlicht worden. Bülow hat auf diese Aufforderung nicht reagiert. Er hat nicht an derselben Stelle, wo er die Verleumdung derFrankfurter Zeitung " gegen die Frankfurter Sozialdemokratie als bare Münze vortrug, die Berichtigung Dittmanns mitgeteilt. Er ließ n u r i n derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" erklären, daß ihm die Berichtigung vorher nicht bekannt war. So richtete sich die Klage zwar formell nur gegen die«Frank- furter Zeitung', tatsächlich aber auch gegen den Reichskanzler Fürsten Bülow. lieber das Ergebnis der Vorhandlung wird uns gemeldet: Frankfurt , 23. April. (Privattelegramm.) Ter Verantwortliche Redakteur Büsching derFrankfurter Zeitung " wurde wegen Beleidigung Dittmanns zu 300 Mark Geldstrafe verurteilt. DaS Urteil ist in derF r a n k f u r t e r Zeitung" und imReichsanzeiger" zu veröffentlichen. O, welche Lust, Soldat zu sei«! Vom Beginn des Januar bis Mitte April 1V07 wurde die gerichtliche Aburteilung von 22 Soldatenmißhändlern bekannt. Die politische Erregung, die in diese Zeit fiel, hat natürlich die Auf- mcrksamkeit der unabhängigen Presse von den Militärgerichtssälen abgelenkt. Außerdem scheint die Kunst, der sozialdemokratischen Presse die Termine, an denen militärgerichtliche Sitzungen stattfinden, zu verheimlichen, da und dort einen großen Aufschwung genommen zu haben. An Strafen wurden ausgesprochen 5 Jahre 1 Monat 8 Tage Gefängnis, 2 Monate 27 Tage mittlerer Arrest, 19 Tage gelinder Arrest. SS Tage Festungshaft, 21 Tage Stubenarrest, im ganzen eine Freiheitsentziehung von b Jahren 7 Monaten 11 Tagen. Tazu eine Degradation. Auf Preußen treffen 4 Jahre 6 Monate 8 Tage Gefängnis, 2 Monats mittlerer Arrest, eine Degradation(12 Vorgesetzte); auf Bayern 9 Tage gelinder Arrest(2 Vorgesetzte); auf Sachse«, in dem die Soldatenmißhandlungen offenbar sehr üppig gedeihen, 7 Monate Gefängnis, 27 Tage mittlerer Arrest. 10 Tckge gelinder Arrest, SS Tage Festungshaft, 21 Tage Stubenarrest(8 Vorgesetzte, darunter 2 Offiziere). Df« bestraften Offiziere sind der Major v. Zeschwitz vom Bezirkskommando Freiberg in Sachsen mit SS Tagen Festungshaft und der Hauptmann Franz Schultz? vom sächsifchey In- fanterieregiment Nr. 139 mit 21 Tagen Stubenarrest. Wenn Majore und Hauptleute mißhandeln, kann man sich nicht wundern, daß Unteroffiziere es auch tun. Wie mild auch in diesem Viertel- jähre mit den Soldatenmißhändlern verfahren wurde, mögen zwei Beispiele lehren. Der Vizefeldwebel Kerlinger vom 1. bayerischen Jägerbataillon schlug einen Soldaten mit der S ä b e l s ch e i de vor den Kopf, mit der Faust in den Rücken und ins linke Auge, so daß es 8 Tage blutunterlaufen war. Dafür erkannte das Gericht auf nur 7 Tage gelinden Arrest. Der Unteroffizier Schumann vom sächsischen Infanterieregiment Nr. 104 versiegelte einem Rekruten das linke Auge, weil er eS beim Zielen nicht schließen konnte. Dabei empfand der Rekrut natürlich heftige Schmerzen; außerdem entstand an der Wange eine Brandwunde. Das Urteil lautete auf 7 Tage mittleren Arrest. Schon aus Rücksicht auf die Disziplin sollte endlich einmal eine strengere Bestrafung der Soldatenmißhändler«intreten, denn die milden Urteile müssen selbstverständlich eine große Erregung in den Reihen der Soldaten Herborrufen. Wie würden z. B. die Offiziere empört sein, wenn ein bürgerliches Gericht einen Zivilisten, der einen Offizier schwer beleidigt hat, nur zu fünf Mark Geldstrafe verurteilen würde. Bei den Soldaten kommen noch die furchtbaren Strafen hinzu, die sie selbst treffen, wenn sie auch nur im Rausche einen Unteroffizier einen leichten Schlag ver- setzen. Auf Jahre verschwinden sie hinter Gefängnis-, manchmal sogar hinter ZuchthauSmaucrn. Versiegelt aber ein Unteroffizier * einem Soldaten ein Auge, so kommt er mit 7 Tagen mittlerem Arrest davon! Aus den Papieren Montagninis. Paris , 21. April. (Eig. Ber.) Der Schatz der Montagnini-Papiere ist noch lange nicht er. schöpft; die neuesten Veröffentlichungen bieten allerdings weniger politisches Interesse als gesellschaftliche Pikanterie. Bestätigt wird durch sie jedenfalls das Vorhandensein eines klerikalen Spionagefhstems, das sich wohl messen kann mit dem der Freimaurer , das seinerzeit den Reaktionären zu einem endlosen Entrüstungsskandal den.Vorwand bot, Der Unterschied besteht nur darin, daß die freimaurerische Spionage zu- nieist von plumpen Provinzlern besorgt wurde, wogegen dem päpst- lichen Agenten Hülfskräfte aus derbesten Gesellschaft" zur Ver- fügung standen, die die Lästerkunst viel virtuoser zu handhaben wußten. ES ist überaus vergnüglich, das verschmitzte Auguren- lächeln zu erraten, mit dem z. B. die nachstehende Charakteristik eines guten ultramontanen Parteigängers niedergeschrieben worden sein mag:Herr Leckere de Fousolle ist im Besitz eines Vermögen? von 5» bis 600000 Frank. DerAngefragte" hat also einen großen Kredit. Sein Vermögen ist solid; denn es besteht hauptsächlich in Immobilien und auch in Wertpapieren. Herr Leclerc de Fousolle ist ein streitbarer Katholik, aber(im Original unterstrichen) ein beschränkter Geist und von einer In» telligenz, die unter dem Mittelmaß ist." Einen netten Ausschnitt aus dervornehmen" Welt bietet der folgende, alsvertraulich" bezeichnete Auskunftszettel: X... (ein bürgerlicher Name), sehr bekannte Pariser Familie, die sich durch den Schick, wonach der reiche Bourgeois in allen Ländern so gierig strebt, in den Vordergrund zu bringen sucht. Besagter Herr Graf X... ist Mitglied des Cercle der Insel von Puteaux und des Bois de Boulogne , der Societe Hippique, der Union Artistique und des Jachtklub, aber nicht des Jockey-Klub. des Royal, des Agricol und noch weniger der Union , was über seine Heirat wohl genug sagt. Er ist als ein einfacher X... geboren.... Er ist von vornehmem und hochmütigem Aeußeren, groß, schlank, von schönem Auftreten, wobei er reüssiert hat!? unter einem gewissen Gesichtspunkt... Er hat von seiner Familie ein ge- wisses wie man sagt schönes Vermögen geerbt, aber was ist ihm davon geblieben? Er hat eine Prinzeß von M.-S. (der Name einer Prinzessin aus einem regierenden Hause Deutschlands geheiratet, die einen verantwortlichen Ehemann nötig hatte mit Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand, der einem kritischen Augenblick entgegenging. Aus diesem Anlaß wurde ihr Mann zum Grafen gemacht und erhielt das Recht, seinem Namen eine Partikel hinzuzufügen und Graf von X... zu zeichnen. Alles das ist in der Pariser Gesell- schaft bekannt. Es läuft das Gerücht um, daß er seine früheren Beziehungen mit der Prinzessin...(folgt ein geschichtlich be- rühmter französischer Name), der Tochter der Königin I.(einer durch ihren Verbrauch anSekretären" ehemals berühmten Regentin), Beziehungen, die schon vor seiner Ehe bestanden, wieder aufgenommen habe." Am pikantesten sind allerdings die Enthüllungen aus Montag- niniS Liebesleben. Wir atmen da eine Atmosphäre, in der sich Weihrauch und Parfüm seltsam mischen und das galante Rokkoko mit seinen zärtlichen Abbes wieder aufzuleben scheint. Unter den Korrespondcntinnen des päpstlichen Auditors befinden sich mehrere aristokratische Damen, die aber nicht immer ausschließlich den katholischen Glauben im Herzen tragen. So schreibt eine Gräfin S. unter dem 15. April 1905: Monsignore, ich werde wieder ernsthaft nach meinen Teufeleien vom letzten Donnerstag und er- laude mir, Ihnen beiliegend die versprochene kleine Note über den Abbe Frisch zu senden. Ich hoffe, nicht indiskret zu sein und bin wahrhaft betrübt, Ihnen eine weitere Arbeit mitten in Ihren Beschäftigungen aufzuerlegen eben die Leltüre dieser Notiz. Ich bitte, mich zu entschuldigen und mir einen kleinen Anteil an dem Gebete zu gewähren, um das Sie unlängst die hitzige(bouillante, wörtlich: kochende; das Wort ist im Original unterstrichen) Madame de S. gebeten hat. Noch netter ist der nachstehende Brief eines italienischen Geistlichen an Montagnini: Rom , 26. Dezember 1905. Mein liebes Karlchen! Ich danke Dir für Deine guten Wünsche. Ich wünsche Dir ein schönes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr. Ich wünsche Dir nichts anderes, als daß wir uns wiedersehen, sei es in Paris oder in Rom . Wer weiß? Aber in jedem Falle habe ich da« Bedürfnis, Dich wiederzusehen und Dir allerhand Dinge zu erzählen. Meine liebenswürdige Freundin hat mir aus Paris einen Brief mit-der gleichen Post geschickt wie Du. Diese Briefe haben also sozusagen eine Hochzeitsreife mitein- ander gemacht. Welch ein gutes Vorzeichen! Aber höre, Du würdest eS mit zwei Eifersüchtigen zu tun haben. Denn neben dem Gatten wäre ich da. Ich habe ihr geantwortet und ihr geraten, Dich aufzusuchen, indem ich Dich nach Gebühr lobte. Aber die arme Kleine soll im Januar fortfahren, und daher fürchte ich, daß sie nicht zu Dir kommen kann, zu einem Manne von Deiner Bedeutung. Sie wohnen Boulevard... Nr...., die Frau heißt Olga.. sie ist eine gute Katholikin, aber ihr Mann ist noch Protestant, obwohl er viel Sympathien für unsere Religion hat. Man sollte auch ihn zum Katholiken machen. Die Frau ist reizend, ein wahrer Engel, naiv wie ein Kind und dabei durchtrieben. -Ich habe hier die Bekanntschaft der Schwester des Monsignor G. gemacht, der Gräfin.. für die er mir einen Einführungs- brief gegeben hat. Sie hat zwei prachtvolle Mädchen; da fehlst Du mir. um mir bei dieser schweren Aufgabe zu helfen, d. h. vier Damen den Hof machen; denn es ist noch ein befreundetes Fräulein da. Wir könnten eS uns auf gleich und gleich einteilen. Willst Du kommen? Nichts Neues in Rom . Alle Welt ist gespannt darauf, welche Haltung der heilige Vater gegenüber Frankreich einnehmen wird. Möge sich der heilige Vater energisch und fest zeigen. Für die großen Uebcl gehören die starken Arzeneien. DaS ist meine Meinung. Welche» ist die Deine? Aber ich begreife, Du darfst nichts sagen. Ich habe den Damen D. eine schöne illustrierte Weihnacht«- karte gesendet und eine Photographie des heiligen VaterS und seinen Segen hinzugefügt. Ich umarme Dich herzlich! »« Die bürgerliche Moral hat eS im allgemeinen über das»drei» eckige Verhältnis" noch nicht hinausgebracht. Es war dem ver- eidigten Zölibatär Montagnini vorbehalten, sein Gemüt an einem sechseckigen katholisch zu erbauen. politifcde(leberkickt. verlin. den 23. April 1907. Klassenjustiz und Säbelrasselei. Einer der agrarischen Häuptlinge, der Verbandsdirektor des Verbandes ländlicher Genossenschaften für Brandenburg , Abgeordneter K r e t h schnatterte heute im Reichstage eine Entrüstungsrede her, in der sich die ganze Wut der re- aktionären Sippe auf der Rechten widerspiegelte und der Aerger zum Vorschein kam. den die Kritik unserer Genossen an der Klassenjustiz im Regierungslager erweckt hat. In allen seinen Entgegnungen behauptete der Redner schlankweg das Gegenteil der als wahr bekannten Tatsachen; er glaubt jedenfalls, es imponiere, wenn die Wahrheit so auf den Kopf gestellt wird. Cr mokierte sich über die Beurteilung dex Heineschen Äede jmVorwärts" und zerrte einige ge- schichtlich fundierte Aeußerungen derLeipziger Volkszeitung " über die Königin Luise von Preußen herbei, um sich eine schlecht gespielte Entrüstungskomödie gegen die Sozial- demokratie zu leisten. Durch Schlußantrag der Blockparteien wurde die Generaldebatte beendet und damit Kreth einer verdienten Züchtigung entzogen, die, soweit es im Rahmen einer persön- Uchen Bemerkung möglich ist, von Heine wenigstens zum Teil vollzogen wurde. Die zum Etat gestellten Resolutionen. darunter auch die der sozialdemokratischen Fraktion, die Immunität der Reichstags- und Landtagsabgeordneten be- treffend, wurden bis auf die, welche den Zwangsvergleich außerhalb des Konkurses betrifft, angenomnien. In der Spezialdiskussion forderte Genosse Stadt» Hägen sobald als möglich ein gesetzliches Verbot der Konkurrenzklausel zu schaffen, mindestens aber die äußerste Begrenzung der Konkurrenzklausel vorzunehmen. An dem bekannten Vertrag des Lederkönigs und Reichstags- abgeordneten v. H e y l wies Stadthagen die schweren Schädi- gungen durch die Konkurrenzklausel nach, die heute sogar gegen Arbeiter in Anwendung gebracht wird. Auch der Abgeordnete Bassermann äußerte sich über die schäd- lichen Folgen der Konkurrenzklausel: er will sie nur als Aus- nähme bei bestimmten Fällen zulassen. Danach wurde der Etat des Reichs-JustizamteS in zweiter Lesung schnell verabschiedet. Zur zweiten Beratung des Militär-Etats erhob der Ab- geordnete Erzberger verschiedene Monita. Abgeordneter Graf O r i o l a, der sich über den sozialdemokratischen An- trag für eine Erhöhung der Löhnung für Mannschaften und Unteroffiziere ärgert und infolgedessen sehr ungeschickt gegen die sozialdemokratische Fraktion polemisierte, erklärte zur Beschönigung der Heeresverhältnisse: die Soldatenmißhand- lungen hätten im Vergleich zur Stärke des Heeres a b- genommen! Die skandalösen Vorkommnisse der neueren Zeit geben zu solcher Beschönigung keine Berechtigung. Eine Reihe kleiner Wünsche, wurde von mehreren Ab- geordneten dem Kriegsminister noch unterbreitet. Unter andauernder Heiterkeit las unter anderem der freisinnige Abgeordnete für Magdeburg , Fleischermeister K o belt, eine jedenfalls auf dem Rathaus zu Magdeburg präparierte Rede mit falschem Pathos unentwegt ab, in der er eine weitere Entfestigung Magdeburgs forderte. Ter Kriegsminister, der die Berücksichtigung einzelner Wünsche zusagte, hielt in bezug auf die Umbewaffnung des Heeres noch eine nationale Pauke, die sehr kriegsfröhlich und großsprecherisch ausklang. Natürlich brachte ihm der Block dafür einen nationalen Applaus. Es geht doch nichts über die nationale Säbelrasselei! Morgen wird die Beratung des Militär-Etats fort» gesetzt._ Finanzskandale in Preusten. DaS Abgeordnetenhaus setzte heute zunächst die Beratung des Etats der Ansiedelungskommission fort. Der Kern» punkt der Debatte war das in der Thronrede angekündigte, aber noch nicht vorgelegte Gesetz über die Zwangsenteignung der Polen . Die Freikonservativen hatten eine Resolution eingebracht, die. ihrer allgemeinen Sehnsucht nach Scharfmachcrci auf allen Gebieten folgend, auch hier ein kräftigeres Vorgehen zur Erhaltung des deutschen Grundbesitzes im Osten, zur vermehrten Ansiedelung deutscher Arbeiter und zur Herabdrückung der Güterprcise forderte. Die Parteien vermieden eS aber ängstlich, sich jetzt schon festzulegen. Die Konservativen wollen erst noch hinter den Kulissen ein Gegen- geschenk von der Regierung für die neueste Antipolenvorlage cm- handeln. Ehe dieser Kuhhandel mitnationalen" Forderungen zu Ende ist, dürfte die Vorlage schwerlich an die Oeffentlichkeit kommen. Aus der Debatte ist nur eine Rede des Abg. Aronsohn(frs. Bg.) hervorzuheben, weil er den Nachweis führte, daß die Ansiedelungs- Politik der preußischen Regierung zu nichts weiter führt, als zur zwangsweisen Polonisierung der Städte, in die man die aus dem Lande ausgekauften Polen hineintreibt? Die Abstimmung über die kritische Resolution der Freikonfervativen wurde schließlich bis zur dritten Lesung vertagt, weil man abwarten will, ob der Handel zwischen der Regierung und den Agrariern noch perfekt wird; sonst möchte dies«nationale" Notwendigkeit vielleicht gar abgelehnt werden, und der Reichskanzler könnte dann einmal den Landtag auflösen, um an denwahren Willen des preußischen Volkes" zu appellieren. Die Debatte wandte sich dann dem Etat der See» Handlung zu, der preußischen Staatsbank, die zugleich einige Handelsunternehmungen betreibt. Eines davon, die Bromberger Mühlen , haben, wie in diesem Jahre in der Budgetkommission fest- gestellt wurde, der Gefängnisverwaltung minderwertiges Mehl ge- liefert und sich dadurch einen betrügerischen Vorteil verschafft. Ein anderes von der Seehandlung unterstütztes Institut, die Danziger Stahlwerke, haben feit ihrer Gründung an ständigem Defizit ge- litten und find jetzt endgültig verkracht. Um den Mißerfolg zu verdecken, hat die Regierung schon in früheren Jahren die für diese Privatunternehmen vergeudeten Staatsgelder auf andere Etats überschrieben. Hat man in dem einen Falle die Abnehmer des Staatswerkes getäuscht, so in diesem Falle da» Parlament. Auch jetzt, bei der Sanierung der Stahlwerke, an der sich auch die Stadt Danzig beteiligt, scheinen wieder recht merkwürige Methoden in Anwendung zu kommen; die Privatkapitalisten haben nämlich das Geld zur Weiterführung des Betriebes nur unter der Bedingung gegeben, daß der Staat, insbesondere die Eisenbahnberwaltung, ihm die Lieferungsvcrträge auf eine Reihe von Jahren garantiert. Der Finanzministcr entschuldigte sich für all diese ungeheuerlichen Operationen mit der einen Redensart von dernationalen" Not- wendigkeit, deutsche Unternehmungen im Osten zu halten, und dag Dreitlassenparlamcnt ließ sich daran genug sein! Immerhin be» deutet die angenommene Resolution(daß die Seehandlung künftig nur auf Grund bankmäßiger Sicherheit Kredit geben soll) ein leichtes Tadelsvotum. Zum Schluß beriet man einen freisinnigen Antrag: den Unter» beamten eine einmalige Bcihülfe von 100, den mittleren eine solche von 150 M. für 1907 zu geben. Mit dem ersten Teile des Antrages erklärte sich der Finanzminister einverstanden, den zweiten lehnte er ab. Die Debatte über den Antrag wird morgen weiter geführt; morgen soll auch die zweite Lesung des Etat» überhaupt zu Ende kommen.'_ Vom Terrorismus des Freisinns. spricht eine namens der nationalen Parteien eingereichte Protestfchrift gegen die Wahl des ReichStagSabgeordneten Dr. Stengel im l. Stralsunder Kreise. Derindirekte Wider- stand, den die P o l i z e i der Beschlagnahme(der freisinnigen Wahl- zettung) entgegensetzte", wäre für ein nationales Herz noch eine entschuldbare Tat, aber schlimmer als die ersten sind die letzten Dinge, von denen der Protest erzählt: so ist jetzt da« Pferd der Kaufmanns Bölcker am Tag««iner nationale» Wahlversammlung, die dieser als Vorsitzender leitete,