wird, in einem anderen Kaufhaus nicht Stellung zu nehmen, weilsie in ihrem Anstellungsvertrage sich der Konkurrenzllausel unter-warfen hatte I Diese unhaltbare, unbillige, schmutzige Klauselhielt das Kaufniannsgericht für gültig I Dadurch wird ein Sklaven-und HörigleitSverhältnis geschaffen, sSehr wahr I bei den Sozial-dcmokraten) durch welches die Arbeitswilligen verhindert werden, ihreKraft und Kenntnisse in einer dem Markt entsprechenden Weise zuverwerten.Solche Fälle sind nicht vereinzelt, sondern lammen zu Dutzendenbor. Sie erstrecken sich nicht nur auf Handlungsgehülfen und Werk-führer, sondern auf technische Angestellte. In systematischer Weisewird auch gegen einfache Arbeiter vorgegangen. Mein Kollege Heinehat hier schon einen Fall zur Sprache gebracht, wo ein Arbeitermit 24 M. Wochenlohn bei einer Konventionalstrafe von5W0 M. sich verpflichtete, drei Jahre lang in einer ähn-lichen Fabrik nicht Stellung zu nehmen und seine Kenntnisseweder direkt noch indirekt für ein ähnliches Unternehmen zuverwerten. Frhr. v. Heyl erklärte damals, bei ihm würden solcheVerträge höchstens mit Vertrauenspersonell geschlossen, und er würdeeinen solchen Vertrag keineswegs unterschreiben. Inzwischenist der Vertrag im.Vorwärts' veröffentlicht worden, und es zeigtesich, datz er von Herrn v. Heyl eigenhändig unterschrieben ist,(Hört!hört! b. d. Soziald.) ein Vertrag, von dessen Verwerflichkeiter hier überzeugt war! Die arme Firma aber, welche die Arbeits-kraft ausbeutet und mit 24 Mark Lohn entschädigt, behält sich vor,den Arbeiter ohne jede Entschädigung entlassen zu können.(Hört 1hört 1 bei den Sozialdemokraten.) Und auch dann bleibt derArbeiter, wenn er seine Arbeitskraft verwerten will, im Bannedieser Konventionalstrafe.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Keineswegs ist dieser Vertrag des Herrn v. Heyl ein Unikum, aberdeutlich tritt in ihm das Sklavenverhältnis des Arbeiters hervor,diese Terrorisierung des Arbeiters, der verhindert wird, feineArbeitskraft zu verwerten. Ich frage den Herrn Staatssekretär:Was haben die gesetzgeberischen Vorarberten auf diesem Gebiete ergeben?Was ist seit zwei Jahrzehnten geleistet, uin dieses Verhältnis zubescitsilen? Und was soll mit den bv 000 Mark geleistet werden,die bei diesem Titel hier wieder gefordert werden?Solcher Verträge habe ich übrigens hier mehr mitgebracht)ich besitze etwa 100 1 Sie sehen also, daß sie keine vereinzelten Er-scheiuungen sind. Hier ist z. B. der Vertrag eines Konstrukteurs,der in einer Maschinenfabrik mit einem Monatsgehalt vonsage und schreibe 176 Mark und der geringsten gesetz-lichen Kündigungsfrist von vier Wochen angestellt' ist. Dafür mußder Mann versprechen, zwei Jahre lang nach seinem Austritt ausder Fabrik in keiner in- und ausländischen Fabrik, die die gleich-artigen Maschinen baut, Stellung zu nehmen oder überhaupt für sietätig zu sein. Dazu verpflichtet er sich bei einer Konventionalstrafevon 10000 Mark.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wirhaben in den letzten Tagen gehört, in welcher Weise der Erpressungs-Paragraph vom Reichsgericht angewendet wird. Warum wird ernicht in diesen Fällen angewendet? Bei diesen Erpressungenungeheuerlichster Art, ivie sie gegen Werkmeister, Handluiigsgehülsen undeinfache Arbeiter geübt werden? Dieser Uebelstand muß beseitigtwerden, und er kann beseitigt werden, wenn Sie das strikteVerbot der Konkurrenzklauselaussprechen und cS ausdehnen auf alle Kategorien der Arbeiter.Wie die Großmacht des Kapitalismus selbst aus einen Mann wieden Frhrn. v. Heyl wirkt, sehen Sie daraus, daß er ohne weitere?einen Vertrag unterschreibt, den er selbst für so ungeheuerlich hält,daß er meint, er könne ihn nicht unterschrieben haben I DieserTerrorismiis wendet sich ja auch gegen die Unternehmer selbst:die Großfabrikanten terronsieren die Kleinindustricllen, und durchWechsel müssen sich diese verpflichten, bestimmte Bedingungen inne-zuhalten. Wiederholt ist anerkannt worden, daß derartige Wechseleine Erpressung darstellen. Aber eine Verfolgung istniemals eingetreten, wahrscheinlich weil den Unternehmern von denStaatsanwälten, wi>? von Herrn Kreth, die Entschuldigungde» guten Glaubens zugestanden wird, weil gerade vondiesen Großunternehmern das Wort gelten soll, sie wissennicht, was sie tun.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)Von Session zu Session haben wir bedauert, daß auch aus diesemGebiete mit zweierlei Maß gemessen wird. Wir verlangen endlichden Schutz der Arbeitskraft durch ein Gesetz. Aber auch das Gesetzwird nichts nützen, wenn Sie nicht dazu kommen, die Richter ausden Ltreisen der Betroffenen selbst zu nehmen. Die Ungerechtigkeitwird sonst nach wie vor weiter bestehen bleiben.(Sehr wahr! beid.Sozialdcm.) Wir haben dieses Verbot auch bei Gelegenheit derWncher-gesetzgebung gestreift. Auch damals verlangten wir eine Bestimmung,welche die wucherische Ausbeutung durch die Konkurrenzklauselverhindert, ebenso die Erpressungswechsel, durch welche Unternehmergezwungen werden, bestimmte Arbeiter nicht zu beschästigen. Unserfrüherer Präsident Frhr, v. Vuol-Berenbcrg hat damals der Ver«urteilung dieses Arbeitswuchcrs zugestimmt. Aber von Jahr zuJahr ist der Wucher schlimmer geworden. Als Sachverständige zurVorbereitung der Gesetzgebung zieht das Rcichsjustizamt doch nichtnur Großkapitalisten heran. Ist denn nun unter diesem Titel auchvorgesehen, daß Leute anS den modernen Gewerkschaften heran-Sezogen werden(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.), insbe-andere sozialdemokratische Arbeiter, die das gleiche Recht habenwie die anderen Staatsbürger, damit wirksam gegen dieseAusbeutung, diese AuSwucherung der Arbeitskraft, diese natio-nale Schmach der wucherischen Konkurrenzklausel vorgegangenwerden kann?(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Oder meintder Herr Staatssekretär, daß man da, wo die Jntereffen der Arbeiterin Frage kommen, nur Leute zu Sachverständigen nimmt, die mitder bestehenden Ausbeutung einverstanden sind? Ich richte da§Verlangen an ihn, auch Arbeitersekrctäre, Gewerberichtcr undGewerkschaftsführer heranzuziehen.(Zustimmung bei den Sozial-demokraten.) fWeiter bitte ich ihn, seinen Einfluß auf den Reichskanzler ans-zudehnen, damit auch dieser sich die Materie ansieht und endlich be-greift, daß es kein perfider Antrag ist, wenn wir verlangen, daßwucherische Arbeitsverträge durch Gesetz unmöglich gemachtIveroen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) DenWorte« nach bekämpfen ja alle Parteien die Konkurrenz-klausel, aber bei der Abstimmung haben sogar dieAntisemiten versagt. Sie glauben einen neuen Mittelstand durchgerechte Gesetze erwecken zu können. Nun, hier haben Sie solcheGesetze zum Vorteil des neuen Mittelstandes und der Arbeiter.(Sxhr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Greifen Sie zu, verlangenSie vom Staatssekretär, daß er Ihnen das Gesetz bringt, das dersozialdemokratische Antrag seit zwei Jahrzehnten verlangt, undbringen Sie eS dann im Haufe zur Annahme.(Lebhafter Beifallbei den Sozialdemokraten.)Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Erwägungen betreffend dieBeseitigung der Konkurrenzklausel im Reichsjustizamt dauern nochfort. Die Unterstellung des Abg. Stadthagen, daß nur einseitigdie Interessen der Unternehmer wahrgenommen werden,(weise ichzurück.Abg. Basscrmann(natl.): Mein Freund Frhr. v. Heyl wirdauf die gegen ihn gerichteten Angriffe antworten, wenn er wiederim Hause sein kann. Bei der Beratung des sozialdemokratischenAntrages auf Einschränkung der Konkurrenzklausel werden wirausführlich darlegen, daß und wieweit die Konkurrenzklausel ein-geschränkt werden kann.Abg. Dr. Hcckscher(frs. Vg.) tritt für die sofortige Revisionder Bestimmungen über die Konkurrenzllausel ein und verlangtfür die Seeleute Seeschöffengerichte zur schnelleren Erledigungihrer Prozesse.Staatssekretär Dr. Nieberding erkennt diese Ausnahmestellungder Seeleute an.Der Titel wird bewilligt, ebenso— ohne Debatte— der Restde? Etats.*' Es folgt derEtat der Verwaltung des NeichSheeres.Beim Titel»Gehalt deS KriegsministerS' führtAbg. Erzberger(Z.) aus: Der Reichskanzler hat unS inAussicht gestellt, daß Ersparnisse am Heeresetat gemacht werdenkönnten, und dabei zeigt dieser Etat gerade an den vom Reichs-kanzler genannten Punkten starke Erhöhung der Posten, so beimAusbau der Landesbefestigung und bei der Umbewaffnung. Imübrigen erkläre ich, daß das Zentrum stets bereit gewesen ist, not-wendige Mittel zu bewilligen. Aber Protest muß ich einlegengegen die Nicht-Etatisierung deS sog.»dreizehnten Hauptmanns",weil dadurch das Budgetrecht des Reichstages verletzt wird. Icherkenne an, daß der Kriegsminister sich sofort bereit erklärt hat,diese von seinem Vorgänger übernommene Unstimmigkeit zu beseitigen. Ebenso sollte er aber auch dafür sorgen, daß in derRangliste nicht mehr Offiziere geführt werden, als Stellen vomReichstage bewilligt worden sind.Die Militäranwärter beklagen sich mit Recht darüber, daß dasMilitärpensionsgesetz verschiedene Härten enthält, die sich einer-scits zeigen in ihrem Verhältnis gegenüber den Zivilanwärternund andererseits in dem Verhältnis der verschiedenen Arten vonMilitäranwärtern untereinander.Weiter halte ich die Einführung der Portofreiheit für dievon den Soldaten abgesandten Briefe für durchaus wünschenswert.Dem sozialdemokratischen Antrag auf Erhöhung der Löhnungwerden wir zustimmen, trotzdem bei einer Erhöhung um nur10 Pf. pro Tag sich eine Mehrausgabe von 18 Millionen ergebenwürde. Schließlich verlangen wir eine stärkere BerücksichtigungHandwerkergenossenschaften bei den Submissionen der Heeresverwaltung.(Bravo! beim Zentrum.)Abg. Graf v. Oriola(natl.): Die Klagen, die Herr Erzbergerüber die Zurücksetzung der Militärinvaliden und Militäranwärtervorgebracht hatte, hätten nicht vorliegen können, wenn der Reichs-tag die nationalliberalen Anträge zu dieser Materie angenommenhätte. Ein neues Reliktengesetz wird hoffentlich bald kommen.—Die Militärstrafprozeßreform wird hoffentlich mit der allgemeinenReform des Strafprozesses folgen. Was die Oeffentlichkeit desVerfahrens anlangt, so wünschen wir sie als Regel. Ausnahmensollen nur gemacht werden im allgemeinen Interesse, nicht ausbesonderen Rücksichten auf den Angeklagten. Schärfere Bcstim-mungen gegen das Schuldenmachen der Offiziere, wie sie einAntrag Ablaß verlangt, halten wir nicht für notwendig; gegensolch leichtsinniges Schuldenmachen wird bereits heute sehr strengvorgegangen.— Dem Antrag der Sozialdemokraten auf höhereLöhnung für die Mannschaften und Unteroffiziere stimme ich zu.Freilich ist dieser Antrag nicht im Garten der Sozialdemokratiegewachsen und es wird einen merlwürdigen Eindruck im Landemachen, wenn nachher, wo es sich um die Bewilligung der Mittelfür diese Forderung handeln wird, die Herren Sozialdemokratensitzen bleiben werden.(Sehr gut! bei den Nationalliberalcn.)Redner tritt des weiteren für die Besserstellung der Kapell-meister ein. Herr Bebel wird ja nun morgen wieder scharfe An-griffe gegen unsere Heeresverwaltung richten. Wir aber habendas Vertrauen, daß unser Kriegshcer wohlgerüstet dasteht gegenüber allen Eventualitäten.(Bravo I bei den Nationallibcralen.)Abg. Kobelt(wildlib.) wünscht, daß das Kriegsministerium im§~nteresse der Stadt Magdeburg das Terrain der ehemaligenestungsw.älle verkaufen möge.Abg. Fürst zu Tohna-Schlobitten(k.) wünscht Auskunft überden Stand der Entfeftigung von Königsberg i. Pr.Abg. Hug(Z.) bringt Wünsche für Konstanz zum Ausdruck,bleibt aber im Einzelnen auf der Tribüne unverständlich.Preußischer Kriegsminister v. Einem:Herrn Kobelt erwidere ich, daß, nachdem jetzt die Eisenbahnihre Ansprüche geltend gemacht hat, ich alles tun werde, um dieSache zum Schluß zu bringen. Dasselbe kann ich vom Königs-berger Fall sagen. Den Abg. Hug muß ich wegen der Linien-führung der Rheinbahn an das RcichSeisenbahnamt verweisen.Die Umbewaffnung und den Neubau einer Landcsbefcstigungwerden wir hoffentlich durchführen können, ehe wir zu einemKriege kommen. Ein schnelleres Tempo einzuschlagen habe ich ausfinanziellen Rücksichten und im Vertrauen darauf abgelehnt, daßwir auch mit unserer heutigen Landesverteidigung einen Krieggetrost unternehmen könnten. Aber der deutsche Soldat muß daSBeste an Waffen haben, was es gibt. Wir müssen zu einer Herab-scbnng der Militärausgaben kommen, aber kein Abgeordneter wirdwollen, daß wir zu Zuständen kommen wie Frankreich vor zweiJahren, wo hunderte von Millionen schleunigst aufgewendet werdenmußten, um Kriegsfertigkeit zu erzielen.(Beifall rechts und beiden Nationalliberalen.)Darauf vertagt das HauS die Weiterberatung auf M i t t w o ch1 Uhr.Schluß W Uhr._parlamentanfcbeö»Aus der Vudgetkommission.(Sitzung vom 23. April.)Vor Eintritt in die Tagesordnung teilt Wernburg mit, daßer Vorsorge getroffen habe, um Anfragen des Abg.Ledebour über die hohe Sterblichkeit unter den ge-fangcnen Eingeborenen rechtzeitig zu beantworten. Weiter wirdmitgeteilt, daß die Verwüstungen durch den Taifun auf den Karo-linen nicht so schlimm sind, wie es anfänglich schien. Immerhinhaben die Eingeborenen auf zwei Jahre keine Nahrungsmittel.Die Beratung beginnt bei dem angcsochtenen Beitrag für diesogenannte»K o l o n i a l s ch u l e" in H ü n f e l d. Der Kolonial-direktor empfiehlt Bewilligung der 10 000 Mk. Die Schule be-stehe zwar nicht in Hünfeld, sondern in Engelbord, gehöre aber derHünfeldcr Missionsgesellschaft. Eine Anzahl Redner sprachengegen die Position, andere sind zwar dafür, wollen aber imnächsten Jahre Anträge stellen, auch evangelisch« MissionS-schulen zu unterstützen. Ein Antrag, den. Zuschuß für Hünfeldzu streichen, wird gegen die' sozialdem. und freis. Stimmenabgelehnt.Die Budgetkommission geht nun zur Beratung des Budgetsder Kolonien über:Der Etat für das ostafrikanische Schutzgebietweist eine eigene Einnahme von rund 6 Millionen Mark auf.Gemäß einer Anregung DernbucgS wird vom Referenten be-antragt, die Einnahme aus den Zöllen um 600 000 Mk. höher an-zusetzen: statt 1300 000 also 2 400 000 Mk. Dernburg gibt dazuErläuterungen und bittet auf Grund neuerer Nachrichten ausder Kolonie nur 4 00000 Mk. mehr einzusetzen.— Die Ein-nahmen aus Steuern belaufen sich auf 1068 700 Mk., wovon818 000 Mk. auf die Häuser- und Hüttensteuer, 162 700 Mk.auf Gewerbe st euer, 68 000 Mk. auf Salz st euer und20 000 Mk. auf Erbschaftssteuer entfallen. Erzbergerwendet sich gegen die Hüttensteuer: sie würde brutal ein-getrieben und führe zu Aufständen, außerdem sei sie der kultu-rellen EntWickelung direkt entgegen; denn für ein nach euro-päischer Art erbautes HauS müsse doppelt soviel bezahlt werdenals für eine Eingebornenhüttel— Neben den Steuernfür den Staat werden Kommunal steuern erhoben, undzwar in der gleichen Form mit zirka 700 000 Mk. Hüttensteuer,66 000 Mk. Gewerbesteuer.ES wird angefragt, wo die Kontrolle über die Verwendungdieser Gelder sei, denn eine Gemeindeverwaltung gebe eS dochnoch nicht!—Arendt ist von der Hüttensteuer sehr begeistert! Er möchtesie lieber verdoppeln; die Steuer fei Kulturhebel; sie zwingendie Eingeborenen zur Arbeit! Die Kommunalstcuern fänden Ver»Wendung für Straßenbau und landwirtschaftliche Kulturanlagen.Redner erklärt sich gegen Gewerbesteuer und Salzsteuer.Paasche singt auch ein Loblied auf die Besteuerung derEingeborenen; ihm hätten Eingeborene jubelnd ihren Steucrzcttelgezeigt, um damit zu zeigen, daß sie jetzt Deutsche seien! DerSteucrzettel sei hier die Legitimation des Deutschtums ge-worden! Redner kritisiert Mißstände, die sich bei der Konzessions-Vergebung an Bergwerksgcsellschaften herausgestellt haben; erwünscht Untersuchungen dieser Zustände.— Dernburg verteidigt die Gesellschaften. Was die Steuern anlange, so seiein einfaches Steuersystem das beste; ein solches scheine diefranzösische Kopfsteuer zu sein, neben der dann derZoll bestehen bleiben müsse. Die Kolonie sei in sehr guter Eni-Wickelung, es fehle aber an Arbeitern, da die Neger für kompli-ziertere Arbeiten nicht gut brauchbar seien. Das werde besser werden,wenn das Bahnnetz ausgebaut sei. Die Kontrolle über die Ver-Wendung der kommunalen Steuer liege bei dem Gouverneur.Genosse Bebel setzt berechtigte Zweifel in die SchilderungPaasches von der Begeisterung der Eingeborenen über das Steuer-zahlen. Wenn die Eingeborenen ihre Steucrzettel swlz herum-gezeigt haben, dann vielleicht, weil sie die parlamentarischen Ver-gnügungsreisenden für eine StrafcLpcdition hielten und nun zeigenwollten, daß sie ihre Steuern schon bezahlt haben.(Heiterkeit).Die Hüttensteuer habe zweifellos zu Aufständen geführt, auchscheine sie viel zu hoch zu sein. Jedenfalls sollten wir unshüten, französische Gebräuche zu übernehmen.—Dietrich schildert die Komödie, die von dem Bezirks-amtmann mit den Eingeborenen aufgeführt worden ist, um denAbgeordneten zu zeigen,„wie gern sie Steuern zahlen"! DieEinnahmen werden sodann bewilligt, die Zoll-einnahmen um 400 000 Mk. höher angesetzt.Bei dem Posten„Zahlung der deutschen Kolonial-Eisenbahn-bau- und Betriebsgesellschaft zugunsten des Erneuerungs- undSpezialreservefonds der Usambarabahn" plädiert Arendt sehrlebhaft für die Fortführung der Bahn, ein Verlangen, daS beiDernburg natürlich eifrige Zustimmung findet. Aber über-st ü r z e n möchte er die Sache nicht. Im nächsten Herbst soll demReichstag nur eine Vorlage gemacht werden über den Bau vonweiteren 76 Kilometern der Usambarabahn. Von verschiedenenSeiten wird kritisiert, datz die Regierung jetzt den Baynbau aneine Privatgesellschaft gegeben hat; der Staat solle dieBahn bauen und selbst betreiben. Wenn man 400 Millionenhabe aufwenden müssen, um den Aufstand niederzuschlagen, müsseman auch Geld haben, Bahnen zu bauen.Auf Antrag Bebels werden alle diese Fragen sowie dieprinzipielle Erörterung von Kolonialfragen an den Schlußder Budgetberatung verwiesen.Zu Titel 1 der Ausgaben, Zivilverwaltung, beantragt Bebel,die Akten des Disziplinarverfahrens gegen Peters der Budget-kommission vorzulegen. Die Beschlußfassung wird bis zur Er-örterung der allgemeinen Fragen verschoben.Die italienische Sozialdemokratievor der Spaltung.Rom, 21. April.(Eig. Ber.)Die Leser sind schon telegraphisch von dem Entscheid des Partei-Vorstandes und der Stellungnahme der„Azione" zu ihm in Kenntnisgesetzt lvorden. So unerfreulich die ganze Affäre für unsere Parteiauäi ist, so ist es doch unerläßlich, einen zusammenfassenden lieber»blick über die vier Verhandlungstage des Parteivorstandcs zu geben,die für die italienische Partcigeschichte leider recht folgenschwer seindürften.Betrachten wir zunächst die sachlichen Ergebnisse des Verhörs,so ist zu bemerken, daß keinerlei neue Tatsachen zutagegetreten sind. Der Verdacht gegen die Geldquellen der„Azione" gründetesich auf die hier schon wiederholt dargelegten Erwägungen, nämlichauf die UnWahrscheinlichkeit, daß eine syndikalistische Zeitungals industrielles Unternehmen zum Zwecke des Geld-Verdienens ins Leben gerufen werde, aus die pekuniäreLage deS Geldgebers degli Ubertt, dessen Vermögen inkeinem Verhältnis zu dem der„Azione" gewährten Zuschuß zu stehenschien, und schließlich auf die Unglaubwürdigkeit des Vertrages zwischendegli Uberli und seinem Schwager Scarano. da Herr degli Ubcrtinicht der Mann zu sein schien, der in einem Jahre 84000 Lire, ohneSichersiellnng und ohne Zinsen, einem Verwandten zur Verfügungstellt. Gehört wurden vom Vorstand die Genossen Enrico Leone(Chefredakteur der„Azione"), Paolo Mantica und P. O r a n o(Redakteure desselben Blattes), zwei Herren, die über AeußerungenScaranos aussagten, ferner Genosse F r a n z a als Gewährsmanndes„Avanti" und die Redakteure des„Avanti", Sgarbt undR o m u a l d i.Was nun die formale Seite de» vom Parteivorstand an-gestellten Verhörs betrifft, so hat sie zu sehr heftigen Beschwerdenvon feiten der Syndikalisten geführt und die Redakteure der„Azione"schließlich bewogen, sich zurückzuziehen und den Partei«vorstand wegen Verdachts der Befangenheit ab«z u l e h n e n.Da alle 36 Mitglieder des Parteiborstandes der reformistisch»integralistischen Richtung angehören, war es nicht aus der Luft ge-griffen, wenn die Redaktion der„Azione" an der linbefangenheitdeS Vorstandes Zweifel hegte. Um ihr diese zu benehmen, um denzur Rechenschast gezogenen Genossen die Gewißheit zu geben,daß eS sich um ciuen von Leidenschaft und Gehässigkeit freien Ver-such handelte, die Wahrheit aufzudecken, hätten vor allen Dingendie Personen während des Verhörs zurücktreten müssen, die demLaufe der Dinge nach nicht unparteiisch sein konnten, wie Ferriund M o r g a r i. Dann hätte die Berichterstattung über dieSitzungen Genossen anvertraut werden müssen, die beiden TeilenGewähr der Unparteilichkeit boten. Die Presse im allgemeinen wollteman nicht zulassen, die Veröffentlichung eines stenographischenProtokolls bietet bei dem Format der italienischen Tageszeitungenunüberwindliche Schwierigkeiten; unter diesen Umständen schien eSuns eine Forderung elementarster Gerechtigkeit, entlocder neben derBerichterstattung deS„Avanti" die der„Azione" zuzulassen oder vonden Parteien gemeinsam die Berichterstatter wählen zu lassen.Statt dessen wurden die Berichterstatter der„Azione" a u ö«geschlossen mit dem Bemerken, daß man sie nicht zulassenkönnte, ohne die Presse im allgemeinen zuzulassen, unddie gesamte offizielle Berichterstattung wurde dem Ge«nassen Enrico Ferri übertragen. Allerdings war Leoneaufgefordert worden, den Verhandlungen ständig beizuwohnen, aberes liegt auf der Hand, daß ein Mann, der dem fast ununterbrochenenKreuzfeuer von einigen 30 Personen ausgesetzt ist, noch dazu in einerihn eminent intercisierenden Angelegenheit, unter solchen Verhält«nissen keine Berichterstattung zu geben vermag.DieseS Verhalten des ParteivorstandeS gab den Syndikalistenden Anlaß, sich am Abend des dritten TageS zurückzuziehen, welchenEntschluß sie in folgender Tagesordnung bearlindetcn:„Gegenüber der offenkundigen Parteilichkeit des Parteivorstandesin der heutigen wie in der gestrigen Sitzung, in der alle seine Mit«glieder, unter Darangabe jeder Zurückhaltung ihre Voreingenommenheitgezeigt haben, gegenüber der Leidenschaftlichkeit einer Versammlung.die die Berichte des„Avanti" ertrügt, die absichtlich von Ferri ver-faßt werden zum Zwecke, die moralische Gestalt der Redakteureder„Azione" durch Weglassungen, Verschiebungen und Umände-rungen zu beeinträchtigen. verzichten die Unterzeichneten,hierzu aufgefordert von allen Seiten de» ehrlichen Publikumsaller Parteien, darauf, weiter den Sitzungen des Vorstände» dersozialistischen Partei Italiens beizuwohnen." gez.: Leone, Mantica,Renda, Pucci, Gregori.Da die Presse zu den Sitzungen nicht zugelassen war, könnenwir die Objektivität deS Berichtes des„Avanti" nicht nachprüfen.Den Eindruck der UnVoreingenommenheit machte uns der Berichtnicht; schon in den Titeln kommt eine Abneigung gegen die„Azione"zum Ausdruck, wie z. B.:„LeoneS Unsicherheit"—„Bezahlt dieRegierung? Vielleicht"—„Leone unter Kontrolle" usw. Die Ge-nosien deS Parteivorstandcs mögen die innere Gewißheit gehabthaben, ohne Voreingenommenheit an ihre schwere Aufgabe zu gehen.ES wäre wohl wünschenswert gewesen, sie hätten durch wettgehendeZugeständnisse an die Genossen der„Azione" ihre llnparterlichkeitauch äußerlich dokumentiert. Der Partei iväre dadurch mancheserspart worden, und es wäre vielleicht nicht zum äußersten ge-kommen.Waö daS Urteil selbst betrifft, so zerfällt eS in drei Teile. Zu»nächst wurde das Vorgehen Morgaris geprüft, und hier bildeten sichzwei Ansichten: 17 Genossen billiaen dleseS Vorgehen bedingungslos,