«rklärte, datz der Kongreß auf dem wirtschaftlichen Gebiete bleibenmüsse und nicht anarchistische Politik treiben dürfe. Die von ihmborgelegte Resolution fordert eine Propaganda zur Aufklärungder Arbeiter im Waffenrock, daß sie auf ihre Brüder nicht schießendürfen. Dumoulin vom jungen Syndikat forderte eineErklärung für den AntipatriotiZmus und den Generalstreik im Kriegs-falle. B e u g n e t vom alten Syndikat erwiderte, die Frage seinicht wirtschaftlicher Natur und darum nach dem Beispiel der Nachbar-länder den sozialistischen Kongressen zur Entscheidung zu überlassen.Der AntipatriotiZmus sei eine anarchistische Kinderei. Im Interessedes Proletariates sei es, die Unabhängigkeit der Nationen gegen deneroberungslustigen Militarismus zu schützen. Bouchard> wies imSchlußworte auf den Unterschied zwischen sozialistischem Anti-Militarismus und anarchistischem Antipatriotisinus hin und erklärteden Generalstreik im Kriegsfalle nur dann für zulässig, wenn erinternational sei. Die angenommene Tagesordnung entsprichtdiesem Standpunkte.Zur Schlichtung des Konflikts im PaS de Calais hatte derKongreß ein Ehrengericht gewählt. Aber die Vertreter der beidenParteien vermochten sich über ihre Kompetenz nicht zu einigen. DieVertreter des alten Syndikats forderten, daß außer der Affäre derSammelgelder und dem Defraudationsfall Broutchoux auch alleübrigen Streitpunkte untersucht werden sollten, und stützten sich aufden diesbezüglichen einstimmig gefaßten Kongreßbeschluß.Die Delegierten des jungen Syndikats erklärten hingegen, sie seienüber die Tragweite des Beschlusses getäuscht worden und könntenauf eine Untersuchung anderer Affären als der zwei besonders ge-nannten nicht eingehen. Da keine der Parteien nachgeben wollte,ging das Ehrengericht ergebnislos auseinander.Die unmittelbare Folge war der neuerliche Ausbruch desoffenen Kampfes in schärffter Form. In der öffentlichen Ver-sammlung nach Schluß des Kongresses, in der nach ausdrücklichemBeschluß vom Konflikt nicht gesprochen werden sollte, richteten dieRedner des jungen Syndikats wütende Angriffe auf das alte undgegen die Köngreßbeschlüsse. Die Redner der Kongreßmehrheitwurden niedergeschrien und zum Schluß eine Resolution zugunstender syndikalistischen Gewerlschaft angenommen.In der Versammlung verlas aber auch ein Sprecher derSyndikalisten eine Erklärung, wonach acht Verbände aus dernationale» Föderation austreten und die«Unionföderale", die vor der vorjährigen Einigung bestand, wiederinS Leben rufen. Die„lJnite miniere", die Einigkeit der Berg-leute, ist also— gewesen.Bo« der„Romantik des Seemanns-lebens.Ein Gewaltsmensch schlimmster Sorte ist der böjährige Schiffs-kapitän Paul Gottlieb Schober aus Eimswarden bei Norden-Hamm a. d. W., de? sich am Freitagnachmittag vor der Straf.kammer 4 des Landgerichts zu Hamburg wegen schwerer Miß-Handlung, begangen an einem großen Teil seiner Mannschaft,grober Ueberschreitung seiner Disziplinarbefugnisse und FreiheitS-beraubung zu verantworten hatte. In der Verhandlung wurdenDinge zur Sssrache gebracht, wie sie beinahe nicht schlimmer aufden früheren Sklavenschiffen, befehligt von mit despotischen Macht-bcfugnissen ausgerüsteten Kapitänen, passiert sein können.Kapitän Schober befehligte in den Jahren 1002/1£K)3 nicht etwaeine chinesische Dschunke, sondern die Hamburger Bark„All»", mitder er Reisen nach Afrika, Australien und nach der Westküste vonSüdamerika machte. Seine damalige Mannschaft hat er zumgrößten Teil in London angemustert. Bald bekam-die Mannschaft das strenge Regiment und die harte Faust ihres stier-nackigen Despoten in unliebsamer Weise zu fühlen. Einen acht-zehnjährigen Leichtmatrosen, den er zum Aufwärter degradierte,regalierte er mit Backpfeifen, so daß der junge Mensch davonlief.Einen Matrosen zerrte er mit Gewalt aus der Koje, einen anderenMatrosen hat er in seiner Kajüte mit Füßen gestoßen. Einemvierten Schiffsmann verabfolgte er Hiebe mit einem Stock ausRhinozeroZhaut, so daß die eine Körperhälfte anschwoll. Einemfünften warf er von hinten ein heißes Plätteisen in denRücken usw.Die tollsten, etwas ulkig klingenden Dinge verübte er imHafen von Juiiin bei I q u i q u e(Chile), wo sein Schiff Kohlenlöschte. Außer 15 Leuten von seiner Besatzung waren beim Löschenauch sechs chilenische Schaucrleute tätig. Er verlangte, die Leutesollten pro Tag 75 Tons löschen. Doch brachten sie es am erstenTage nur auf 45, am zweiten auf 53 Tons. Der Kapitän glaubtenun ein probates Mittel anwenden zu sollen, um die Mannschaftgefügig zu machen; er ließ einfach acht Matrosen an Land bringenund ins Gefängnis setzen, wo sie sich bis zu siebzehn Tagen mitgefesselte» Verbrechern aufhalten mußten. Er behauptet nun, sichan den dortigen Hafenkommandanteu Kapitän Pordero gewandtzu haben, der nach Kenntnis der Sachlage die Leute ins Gefängnisgesteckt habe. Bei seiner kommissarischen Vernehmung hat Porderodies entschieden in Abrede gestellt. Er will dem auf ihn ein-redenden Kapitän nur das Gefängnis überlassen und dabei be-merkt haben, die Verantwortung müsse er, Schober, tragen. AlsKapitän Schober eines Tages sein Gefängnis in Junin revidierte.soll der Matrose Schonefeld vor dem Gefängnis gestanden haben,tveshalb der Kapitän ihm eine Ohrfeige versetzte. Für die Be-köstigung der internierten Leckte will der Kapitän gesorgt haben,der sie täglich fragte, ob sie mehr arbeiten wollten. Die Leuteerklärten, das sei ihnen nicht möglich, worauf der Schiffsthrannsagte:„Wir sprechen uns später." Vorsitzender:„Das sindja tolle Sachen. Sie sind ei» gewalttätiger Mensch."— Angeklagter:„Das ich nicht wüßte. Ich habe dem Leichtmatrosennur eine väterliche Züchtigung angedcihen lassen."— Borsitzender:„Sie meinen eine fürchterliche Züchtigung. Wiekommen Sic dazu, ins Gefängnis zu gehen, wo Sie doch gar nichtsverloren hatten und dort einen Mann zu mißhandeln, der dochnicht mehr Ihrer Botmäßigkeit unterstand? Was meinen Siewohl, was Ihnen passieren würde, wenn Sie in ein HamburgerUntersuchungsgefängnis kämen und einen Gefangenen miß-handelten?"— Angeklagter:„Chilenische Gefängnisse kannman nicht mit deutschen vergleichen. Schoncfeld stand vor demGefängnis und tanzte mit einer Köchin des Kommandanten. Ichsagte zu ihm, er solle sich hineinscheren, worauf er meinte, ichhätte ihm nichts zu sagen, weshalb ich ihn backpfeifte."— Vor-sitzender:„Sie hatten ihm doch nichts zu sagen. Dais ist dochkaum glaublich, wenn Sie es nicht selbst sagten."— An-geklagter:„Er hat meinen Befehlen zu folgen."(Die Richtersehen sich gegenseitig lächelnd an.) Der Angeklagte behauptet,der deutsche Konsul habe gesagt, die Leute säßen im Gefängnisso gemütlich wie in einem Hotel.— Vorsitzender:„Aus denAkten geht etwas anderes hervor. Es befanden sich auch gefesselteVerbrecher im Gefängnis, und zwar in demselben Raum. DieLeute sollen erst nach 14— 16 Tagen Freiheitsberaubung aus demGefängnis gekommen sein, nachdem sich des Konsuls Sohn insZeug gelegt hatte."(Der Konsul hat seinen Sitz in Jquique; erwußte zunächst gar nicht, um was es sich handelte.) Der Angeklagte,der sein Verhalten teils zu beschönigen suchte, teils als etwasganz Selbstverständliches bezeichnete, gab zu, die Leute könnenetwa elf Tage im Gefängnis gewesen sein. Der Vorsitzende be-tonte, daß der Hafenkommandant eidlich erklärt habe, er sei an derGefangensetzung der Schiffsleute unschuldig. Die Aussage desAngeklagten, daß die Matrosen sich elf Tage, aber jedenfalls längerals eine Woche im Gefängnis befunden haben, wurde protokolliert,worauf der Staatsanwalt wegen Unzuständigkeit des Gerichts, weilein Verbrechen vorliege, die Aussetzung der Verhandlung und dieUeberweisung der Angelegenheit au das SchwurIrricht beantragte.Der Angeklagte gab nochmals die Erklärung ab, sich im Rahmenseiner Machtbefugnisse gehalten und sich nicht besonders vergangenzu haben.Das Gericht beschloß im Sinne des Staatsanwalts. Der An.geklagte, der seit 33 Jahren Seemann und seit 17 Jahren Schiffs-kapitan ist, will am 1. Mai d. I. einen nach Brasilien verchartertenDampfer dorthin überführen.Bemerkt sei noch, daß der Kapitän in Abrede stellte, einTrinker zu sein, während die Mannschaft das Gegenteil behauptet.Wie der Vorsitzende durchblicken ließ, sind die Aussagen derkommissarisch vernommenen Seeleute, die erst im Schwurgerichts-Prozeß zur Verlesung kommen, äußerst gravierend gegen den An-geklagten._Prinzessin und Kammerfrau.Die Angeklagte ist freigesprochen.Zu Beginn der gestrigen Sitzung protestierte die Angeklagte insehr energischer Weife gegen die in der gestrigen Verhandlung auf-getauchte Behauptung, sie habe sich, als sie die Tanzschule des Tanz-lehrers Meißner in Charlottenburg besuchte, schon vor mehrerenJahren als Freifräulein oder Gräfin ausgegeben. Sie beantragt,den Tanzlehrer zu laden. Es wird bejchlossen, den Tanzlehrer tele-phonisch zu laden.Hierauf wird die kommiissarische Vernehmungdes Herzogs Ernst Günther von Schleswig-Holsteinverlesen, die dieser auf Schloß Primkcnau abgegeben hat. Nacheinem Spezialgesetz braucht der Herzog sowie ein regierender Fürstvor deui Gerieht nicht zu erscheinen, sondern ist in seiner Behausungzu vernehmen.Der Zeuge hat angegeben daß die Prinzessin Amalie, seineTante, ihm gegenüber einmal erklärt hat, daß jene fraglichen dreiReihen römischer Perlen von Anfang an unecht gewesen seien. DiePrinzessin habe, soweit ihm bekannt sei, auch niemals unechtenSchmuck getragen, auch habe sie ihm niemals mitgeteilt, daß sie derMilewsli irge-udwelche Schmuckgegenfiände geschenkt habe. Zu ihmselbst habe sich die Prinzessin miede rholt in einem sehr ungünstigenSinne geäußert. Die letzte Bemerkung der Prinzessin über die M.soll gewesen sein: O, diese Lügen, diese Lügen.— Dem Zeugenselbst war es bekannt, daß die Milewski häufig Schmucksachen derPrinzessin trug. Bei sämtlichen Familienmitgliedern sei es auchkein Geheimnis gewesen, daß sich die M. wiederholt den gräflichenTitel zulegte und sich als Gräfin Arnim, Gräsin Michalawska usw.ausgab.„Dies habe sich allmählich so herumgesprochen," so erklartder Zeuge weider,„daß meine Tante von den übrigenFamilienmitgliedern fast gemieden wurde, da sichzeder weigerte, mit derselben Person, die früher am Dienstboten-tisch gesessen habe, nunmehr an einem Tische zu sitzen und mit ihrwie mit seinesgleichen verkehren zu müjsen." In der ungünstigenBeurteilung der Angeklagten seien sich alle Familienmitgliedereinig gewesen und wiederholt wären an ihn, als Familienoberhaupt,Ersuchen gelangt, die Prinzessin dem Einfluß der Angeklagten zuentziehen. Er habe dies aber zunächst stets abgelehnt, auch als dieKaiserin selbst Einspruch gegen' das fernere Zusammenleben derPrinzessin mit ihrer Kammerfrau erhob. Auch die PrinzessinHenriette, jetzige Frau GeHeimat v. ESmarch in Kiel, die PrinzeisinFeodora, die Prinzessin Handjery, die Prinzessin Friedrich Leopoldvon Preußen u. a. hatten sich wiederholt an ihn gewendet mit demErsuchen, die Prinzessin dem ungünstigen Einfluß der Milewskizu entziehen, ehe möglicherweise ein öffentlicher Skandal darausentstehe. Es sei unwahr, daß er, der Herzog, mit seiner Tanteirgeirdwie aus gespanntem Fuße gelebt habe. Im Gegenteil habezwischen ihnen ein herzliches Verhältnis bestanden; sie habe ihnzum Universalerben eingefetzt und in ihrem letzten Testament als„ihren lieben Neffen" bezeichnet. Unter Tränen habe ihm die Tanteihr Bedauern darüber ausgedrückt, daß die letzte Phase ihres Lebensin.solcher Disharmonie verlaufen müsse und sie solche Trauer überdie Familie gebracht habe. Was die Angeklagte von Verfolgungenseinerseits bchaupte, entspringe ihrer freien Phantasie. Erst alsdas Auftreten der Angeklagten, ihre unwahren Angaben über ihrHerkommen, ihren Anspruch auf den Titel„Gräfin" usw. zumöffentlichen Skandal wurde und diese Vorspiegelungen zu� denärgerlichsten Verwickelungen geführt hatten, seien einige Familien-Mitglieder mit der Aufforderung an ihn hercmgeteten, die Prin-zessm von der Angeklagten zu befreien. Die Vermutung, daß dieAngeklagte die Geisteskräfte der Prinzessin durch Narkotika geschüoäckffhabe, um sie sich ganz willsähvig zu machen, werde auch von derKaiserin, der Prinzessin Friedrich Leopold und der PrinzessinFeodora geteilt.Hierauf wird der inzwischen erschieneneTanzmeister Meißnervernommen. Er bestätigt der Angeklagten, daß diese in denTanzstunden sich nie anders als Anna Milewski bezeichnet habe.Sie habe sich nie fälschlich das Adelsprädikat oder den Grafentitelbeigelegt.Ein Fräulein, das 18Sg bis ILMKammersrao bei der Herzogin Ernst Güntherin Primkenau gewesen ist, bekundet: Sie hat seinerzeit ihre Stellungaufgekündigt, sei aber sofort entlassen worden und hat mit demHerzog eine Prozeß geführt, der beendet ist. Nach rhrer Be-hauptung hat die Prinzessin Amalie inPrimkenau wiederholt ihre Schmucksachen ge-zählt und der Angeklagten einige davon ge-s ch e n k t. Die Angeklagte habe sie nicht annehmen wollen. DiePrinzessin habe aber gesagt, sie solle es nur annehmen, aber garnichts den Verwandte» der Prinzessin sagen. Die Angeklagte wirfthier dazwischen, daß sie diesen Rate auch gefolgt sei und auch demDienstpersonal von diesen Schenkungen nichts gesagt habe, um nichtderen Neid zu erregen. Aus der weiteren Bekundung der Zeugingeht hervor, daß ihr gegenüber diePrinzessin Amalie kckwn damals von einem Perlenkolliergesprochenhabe, welchesaus römischen Perlen�bestände. Sie habe noch hinzugefügt: sie wünschte, die Perlenccfyt.Auf Antrag de« Rechtsanwalts Dr. Graefc werdenzwei Briefeverlesen, die die Angeklagte im Jahre ILM an Fräulein Sch.gerichtet hat. Siebeklagtsich schon damals darüber, daß sie derHerzog Ernst Günthermit Gehässigkeiten verfolge und sie mit Gewalt von ihre liebenguten Prinzessin trennen wolle. Ter Herzog solle sich sogar dahingeäußert haben, daß er nicht ruhen wolle, bis er dieses Ziel erreichthabe. Sie tue aber nichts Böses und ihr könne nichts passieren.Der Herzog wisse doch ganz genau, daß die Prinzessin von ihr Geldgeliehen habe. Ihr Vater werde, obgleich er nur ein einfacherBürgerSmann sei, von dem Herzog Rechenschast verlangen usw. usw.Die Zwillingsschwester der Angeklagten. Frau Ida Glowegeb. Milewski, macht von dem ihr zustehenden Recht der Zeugnis-Verweigerung keinen Gebrauch. Ihr Vater sei nicht mittellos, ge-Wesen, denn sie selbst habe eine sehr anständigeAussteller im Werte von 10(WO bis 12 000 M.erhalten. Ihre Schwester habe ein Vermögen von 3L0M M. de-scssen.— Präs.: Woher stammte denn dieses ganz bedeutendeVermögen?— Zeugin: Das weiß ich nicht.— P rast: Dasist doch sehr ausfällig, daß Sie danach gar nicht gefragt haben.—Zeugin: Meine Schwester hat ja auch jetzt wieder ein sehr be-deutendes Vermögen.— Präs.: Danach habe ich Sie nicht gefragt.Alst»: Sie meinen, schon bor Eintritt Ihrer Schtvester in den Dienstder Prinzessin hat sie ein großes Vermögen besessen?—Zeugin: Im Juni 1898 hat meine Schwester meinem Manne80 0M M. gebracht, damit er das Geld anlege. Die Anlage unter-blieb aber wegen ausgebrochener Zwistigkeiten; die Schwester nahmdas Geld, welches in lauter Tausendmarkscheinen bestand, wiederan sich juid trgt bald daraus ihre StfMuß to der.Prinzessin an,Sie habe das Geld gewöhnlich auf der Brust getragen. DiePrinzessin Amalie habe, wenn sie in Berlin war, sie und ihrenMann mit der Schwester wiederholt besucht. Sie seien mehrfachzusammen gewesen, unter anderem auch im Monopol-Hotel. DieSchwester habe auch einmal mit der Prinzessin im königlichen Schloßgewohnt, als die Kaiserin ihre Tante eingeladen hatte. Bei einersolchen Zusammenkunst mit der Prinzessin habe diesezugegeben, daß sie der Schwester bereits 16 066 M. schulde.Als die Schwester das erste Mal die Stellung bei der Prinzessinaufgegeben hatte, habe sie, die Zeugin, sie gewarnt, wieder in dieseStellung zurückzukehren; denn die Schwester habe in schrecklicherWeise dieRachsucht des Herzogs Ernst Günthergeschildert. Bei einem Zusammensein mit der Prinzessin imMonopol-Hotel habe diese der Angeklagten eineBrosche geschenkt,mit dem Hinzufügen:„Das brauchen die Verwandten nicht zuwissen." Diese Brosche habe so ausgesehen, wie die eine, die sichunter den angeblich gestohlenen Schmucksachen befindetZeuge Bankbeamter Glawe, seit 18 Jahren im Bankgeschäftvon Fromberg u. Co., ist der Schwager der Angeklagten. Auch erweiß, daß die Angeklagte, ehe sie zur Prinzessin Amalie kam. einVermögen von 79 500 Mark besessenhabe, er habe sie aber nie gefragt, woher es stamme. Er bestätigt.daß er das Geld habe anlegen sollen, es aber wegen der Differenzenwieder zurückgegeben habe. Wenn die Prinzessin in Berlin war,seien sie fast täglich mit ihr zusammengewesen. Eines Tages imMonopol-Hotel hat die Prinzessin ihn gefragt: Wie gefällt Ihnendie Brosche, die ich Ihrer Schwägerin geschenkt habe?— Da Fräulein Milewski die Brosche nicht anhatte, hatte sie sie auf ihre Bitteanlegen müssen und wir haben sie bewundert. Wir haben uns dannnoch bedankt durch einen Handkuß. Es fehlte in der Brosche einStein, den die Prinzessin einsetzen lassen wollte. Sie wollte derAngeklagten auch noch eine andere Brosche, die sie selbst trug, zumGeburtstag schenken.Beide Brosche»scheinen sichunter den angeblich gestohlenenzu befinden. Die Prinzessin sagte auch, sie habe sich16 000 M. von der Angeklagten geliehen.die sie zurückzahlen wolle. Da die Angeklagte dann noch für diePrinzessin 36M M. Miete nach Pau schicken mußte, so sei die Schuldalso auf IL MO M. angeschwollen. Die Angaben seiner Frau be-züglich des Tecserviccs und der Kleider, die sich die Prinzessin aufdem Namen seiner Frau für 18M M. habe machen lassen, seienrichtig.Justizrat W r o n k e r: Halten Sie sich vielleicht gesagt, daß die80 ML M. aus Beziehungen herrühren tonnten, die es Ihnen ver-boten, indistreterweise nach dem Ursprung zu fragen?— Zeuge:Jawohl.— Bert.: Hat Ihnen Ihre Schwägerin jemals einegrößere Summe Geldes geschenkt?— Zeuge: Nein!— Bert.:Hat die Prinzessin nicht erklärt, daß sie der Angeklagten ihre ganzenSchmucksachen verpfändet habe bis zur Zurückgabe des Geldes?—Zeuge: Jawohl, diePrinzessinhat auch einmal einen Brief an meine Schwägerin geschrieben, indem sieum 20 Mark batfür die Wäsche, da sie keine Mark bares Geld besitze.Rechtsanwalt Dr. Gräfe überreicht einenBrief der Angeklagten aus Parisan ihren Schwager. Sie spricht darin von einer Perlennadel, diesie in Paris gekauft hat. Aus einer Depesche der Angeklagten, kurzvor ihrer Verhaftung, verliest der Verteidiger eine Stelle, die dahingeht, daß die Glowes keine Angst haben sollten, denn sie sei sichkeiner Schlechtigkeit bewußt. Der Verteidiger verweist ferner darauf.daß alle Briefe der Glowes an die Angeklagte an„Fräulein AnnaMilewski" adressiert seien.Zeuge Fritz Glawe, der Bruder des Vorzeugen, macht mitdiesem übereinstimmende Aussagen. Der Zeuge ist seit 14 Jahrenin einem ersten kaufmännischen Geschäft angestellt.Kammerherr von Blumcnthalergänzt noch seine gestrigen Bekundungen dahin: Die Angeklagtesei bei ihrer Wegbeförderung aus Kairo mit aller Rücksicht bc-handelt worden. Er habe auchkeinerlei Absicht gehabt, Strafanzeige zu erstatte»,um die 73 jährige Prinzessin nicht aufzuregen. Auch nach demTode der Prinzessin habe er nicht diese Absicht gehabt, trotz der Un-Wahrheiten, die die Angeklagte in den Zeitungen verbreitete. Alser festgestellt hatte, daß die Perlen in dem Kollier falsch waren.habe er die Prinzessin gefragt, wo die echten hingekommen seinmögen. Die Prinzessin habe sich erinnert, daß sie die Pcrlenschnüreeinmal bei einem Juwelier zum Neuaufziehen der Perlen gegebenhabe. Da es sich um ein Haus ersten Ranges handelte, sei jederVerdacht nach dieser RiDstung hin hinfällig. Dann seien die Ge-danken der Prinzessin wieder zur Mielewski hinüberaeschweift undsie habe gesagt:„Sie war ja furchtbar leichtsinnig, aber so schlecht.daß sie die Perlen vertauschte, war sie doch nicht!"Als Zeuge undSachverständigerwird der Hofjuwelicr Dr. Leopold Schröder vernommen. Ererklärte, er selbst wisse persönlich nichts, ein Angestellter habe ihmerzählt, daß die Prinzessin Amalie von Schleswig-Holstein jenesBrillant-Rubinschlotz zum Umarbeiten geschickt habe.— Die Angeklagte bemerkt hierzu, sie habe mit diesem Wertstück absolut nicht-zu tun. Es sei ihr allerdings bekannt, daß die Prinzessin einmalein derartiges Schloß habe umarbeiten lassen. Der Zeuge Schrödermüsse sich aber daraus besinnen, daß dieses umgearbeitete Wert-stück an die Prinzessin selbst nach Kiel in einem Einschreibebriefnachgesandt worden sei. Der Z�uge kann sich jedoch hierauf nichtmehr besinnen. Als Sachverstandiger erklärt Dr. S.. nachdemihm die Schmucksachen vorgelegt worden sind, daß wenige Schmuck-fachen einen größeren Wert haben. Jenes Perlenhalsband, welchesangeblich aus der dänischen KönigSfamilic stammensollte, sei eine sogarziemlich schlechte Imitation,die so gut wie wertlos sei. er selbst wolle sie nicht geschenkt haben.Er sei sehr erstaunt darüber, daß nicht die Prinzessin selbst diesehr plumpe Imitation erkannt habe. Gänzlich ausgeschlossenerscheine es ihm, daß der Schmuck, so wie er jetzt vorliege, einPräsent der Königin von Dänemark gewesen sein, und daß diesejedem Laien erkenntliche Imitationen aus einem königlichenFamilicnschatz stammen könnten.In eingehender Weise plädiert derStaatsanwaltfür eine Gefängnisstrafe von einem Jahre undsechs Monaten. DieVerteidigerverlangen Freisprechung. DieAngeklagtezum legten Wort verstattet, bemerkt noch: Alles, was gegen sievorgebracht werde, sei unhaltbar und beruhe teilweise auf Er-fiuduna. Wenn die Prinzessin Amalie nur noch 6 Wochen längergelebt hätte, würde sie. die Angeklagte, nicht hier sitzen. Der früheTod der Prinzessin habe sie der Möglichkeit beraubt, nur eineinziges Mal sich in Gegenwart der Prinzessin zu verteidigen.Sie habe Herrn von Blumenthal gegenüberwiederholt betonte daß sie der Prinzessingegenüber gestellt werden möchte. Daß diesnicht geschehen, sei Schuld der ägyptischen Re.gierunq und des Kammerherrn von Blumenthal.Sie sei vollständig unschuldig,