m. l. Ktilqe Ks Lmiirls- Knlirn WIKsM«..»w.«k<.eickstag.83. Sitzung vom Donnerstag, den 25. April 1907,nachmittags 1 Uhr.Am Bundesratstische: Einem.Der schleunige Antrag Schräder(frs. Bg.) wegen Einstellungeines gegen den Abg. Dr. Potthoff schwebenden Strafverfahrenswird debattelos angenommen.Die vom Bundesrat unter dem 19. Juni 1906 erlassenen Aus-führungsbestimnlungen zu§ 35 deS Gesetzes über die Pensionierungder Offiziere— einschließlich der Sanitätsoffiziere— des Reichs-Heeres, der kaiserlichen Marine und der kaiserlichen Schutztruppenvom 31. Mai 1906 werden nach unwesentlichen Bemerkungen desAbg. Erzbcrger(Z.) angenommen.Es folgt die Fortsetzung der zweiten Beratung des EtatS für dieVerwaltung des Neichshecres.Abg. Roske(Soz.):Gestern sind geradezu unglaubliche Anschauungen über dieStellung der Sozialdemokraten zum Heere vorgetragen worden. Eswäre Pflicht der Gegner, sich über unsere wirklichen Anschauungenetwas besser zu unterrichten. Nicnials haben wir den Standpunktdes„Alles oder Nichts" in der Militärfrage vertreten, niemals habenwir verlaugt die sofortige restlose Verwirklichung unserer Forderungen.Wie sich bei jeder wirtschaftlichen Forderung, bei jedem Streik dieArbeiterschaft mit Abfchlagszahlungen begnügt, wiewir trotz unserer Forderung des Achtstundentages auch denZehn stunden- und Nenn stundentag nicht ablehnen,so ist es uns auch niemals eingefallen, eine plötzliche AbschaffungdeS Heeres zu verlangen; wohl aber fordern wir seine all-mähliche Umwandlung. Deshalb ist es folgerichtig, wenn wirständig Verbesserungen fordern, wie es speziell vom Abg.Bebel— und das wird nicht in Abrede gestellt werden können—mit Erfolg geschehen ist.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.)Herr Erzberger und Herr Müller-Mciningen haben an die vomReichskanzler versprochenen Ersparnisse erinnert und gefragt,wo sie geübt werden konnten. Am Dienstag hat der Herr Kriegs-minister gemeint, wenn die Bewaffnung und der Umbau derFestungen erfolgt sei, würde an eine Verringerung der Aus-gaben gedacht werden können. Ich würde seine Voraussicht sehrgering einschätzen, wenn er tatsächlich glaubt, daß in absehbarerZeit bei Festhaltung des gegenwärtigen Systems irgendwelche Er-sparnisse durchgeführt werden könnten. Daß mit der fortschreitendenTechnik das Heerwesen nicht billiger, sondern teurer wird, darübersind wir uns wohl alle klar.(Zustimmung bei den Sozialdemo-kraten.) Trotzdem muß auf Sparsamkeit gedrungen werden. Dieuns gestern abend zugegangene Resolution des Herrn Rogallavon Bieberstein, in welcher eine Erhöhung der Preise für Remonte-Pferde gefordert wird, scheint mir allerdings nicht ge-eignet, Ersparnisse vorzubereiten. Schon jetzt sind diese Preisehöher, als sie sonst für Pferde gezahlt werden. Eine NachioeisnngderNemonten würde schon jetzt zeigen, daß damit den ostelbischenJunkern eine erkleckliche Liebesgabe gemacht wird.(Zustimmung beiden Sozialdemokraten.) Herr Müller-Meinigen hat angedeutet, daßer wisse, wo Ersparnisse zu machen seien. Wo hat er allerdingsnicht gefagt, und zwar mit Rückficht auf die Geschäftslage desHauses. Die Finanzlage des Reiches, glaube ich. ist schlimmerals die Geschäftslage des Hauses, und wenn man ihr abhelfenkönnte, so wäre es geradezu eine Pflichtversäumnis, dieMittel nicht anzugeben. Ich bin überzeugt, daß schon jetzt nicht un-erhebliche Ersparnisse gemacht werden könnten, wenn man sich aufsolche Ausgaben beschränkte, die zur Erzielung der Kriegs-tüchtigkeit des Heeres nötig sind. Mit dem Geiste derallgemeinen Wehrpflicht ist die bevorzugte Stellung der sogenannten.Elitetruppen" und der besonderen Aufwendungen für sie nichtvereinbar.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Im Kapitel 21unter 1 werden 118 000 M. für 12 Adjutanten des Kailers gefordertund unter Titel 2 350 000 M. für 65 persönliche Adjutanten bei dendeutschen Fürsten und Prinzen. Daß diese rein repräsentativenStellungen im Interesse der Kriegstüchtigkeit des Heeres not-wendig sind, das wird uns kein Mensch versichern können.Vereinfachungen und Verbilligungen sind möglich auch durchdie Einschränkung der Militärkapellen. Mt klingendem Spielerückt heute keine Truppe ins Feuer; die Militärkapellen gehören imwesentlichen zum dekorativen Beiwerk. Zugleich wäre ihre Ein«schränkung eine Tat von sozialpolitischer Bedeutung, indem sie bei-tragen würde zur Verbesserung der traurigen Lage der Berufs-musiker, welche unter dieser Konkurrenz sehr zu leiden haben.Indirekt haben sie auch dadurch unter dem Bestehen der Militär-kapellen zu leiden, daß die Lehrlingszüchterei in ihrem Gewerbegerade in Rücksicht auf die Militärkapellen ausgeübt loird� Ich binmir darüber klar, daß man die Ausgaben für die Militärkapellennicht mit einem Male streichen kann, aber man kann sie doch sehrerheblich einschränken.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Außerordentlich bezeicbnend erscheint es mir, daß die Freisinnigentn so großer Sorge um die bewucherten Offiziere sind. In bezugauf das OsfizierkorpS sollte unser liberales Bürgertum doch wohlandere Forderungen stellen als die inöglichsten Schutzes gegen Be-Wucherung. Ich kenne eine ganze Reihe anderer Mißstände, diebeim OsfizierkorpS hervorgetreten sind, deren Beseitigung dringendererscheint. Das beste Mittel dagegen wäre eine Demokratisierung deSOsfizierkorpS, für die seit langem ja auch die Herren von der bürger-lichen Linken eingetreten sind. Es ist charakteristisch, daß sie jetztnichts davon hören lassen! Es scheint, daß sie mit Rücksichtaus die Gefühle, welche dadurch bei den Herren der Rechtenausgelöst werden könnten, davor zurückscheuen, ihre altenForderungen zu erheben.(Zustimmung b. d. Soziald.) Wie oft istnicht von ihnen über die Bevorzugung des Adels bei den höherenKommandostellen geklagt worden sowie darüber, daß das Offizier-korps sich voni Bürgertum abschließt. Zu einem liberalen Regimentgehört unstreitig, daß eine Demokratisierung des Heeres vor sichgeht. In der Theorie hat wohl auch der Gemeine denMarschallstab im Tornister. In der Praxis wiffen wir sehr wohl.daß der Mann ans dem Volke über den Feldwebel nicht heraus-kommt. Wie sehr sich da« Offizierkorps auch gegen gewisse zahlungs-fähige bürgerliche Kreise abschließt, beweist ein charakteristischerFall: In Sachsen wurde ein junger Mann in drei Regimentern vomOffizierkorps zurückgewiesen, aus keinem anderen Grunde, als weilsein Vater neben einem Kolonialwarengeschäft engros auch noch einoffenes Ladengeschäft betreibt! Nach den Ausführungen des Herrnv. Oldenburg soll ja an diesen überlebten Anschauungen nach wieVor festgehalten werden.Selbstverständlich stimmen wir Sozialdemokraten den Liberalendarin zu, daß in den rechtlichen Einrichtungen eine modernere An-schauung Platz greifen muß. Ich gebe Herrn Müller.Meiningen recht, daß besonders schnell eine Aenderung derrechtlichen Bestimmungen für die Mannschaften des Be-urlanbtenstandes notwendig ist. Es ist geradezu ein Unding.daß für Leute, welche nicht gedient haben, bei Kontrollversammlunaendie drakonischen Bestimmungen des Militärstrafgesetzes platzgreifen,über welche sie niemals belehrt sind. Das übliche Herunterschnurrender Beftinimungen bei der Kontrollversammlung kann doch mcht alswirkliche Rechtsbelehrung angesehen werden.(Sehr wahr! bei denSozialdemokraten.) Auf den Fall des Magdeburger RechtsanwaltsSchmidt will ich nicht eingehen. Aber der Herr Kriegsminister hates leicht gehabt, besonders auf der rechten Seite des Hauses Heiterkeitauszulösen, als er diesen Fall mit ziemlich billigen Witzchen behandelte.Andere Leute haben über diese Dinge doch eine andere Auffassung undglauben nicht, daß das Bürgertunr sich nach den veralteten Anschamingendes Militärs zu richten habe.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo-J'raten.) Gewiß kann man meinen, daß man gewisse Dinge übersich ergehen lassen muß, wenn„Stillgestanden!" kommandiertist. Aber wer nicht gedient hat, kann doch nicht zugleich alles der-gessen, was ihm sonst als einem sauberen Menschen so selbst-verständlich ist, daß er eS unwillkürlich tut. Wenn er sich so auf-führt, wie der Kriegsminister gestern verlangte, so würdedas eine unglaubliche Schweinerei fein(Lebhaste Zu-stimmung bei den Sozialdemokraten), und gesittete Menschenwürden mit einem Mann, der sich so aufführt, nicht verkehren. Es mußdarauf gedrungen werden, daß gesittete Anschauungen ganz all-gemein im Heere zur Geltung gelangen.(Zustiimnung bei denSozialdemokraten.) Es gibt eine ganze Anzahl Offiziere, die beiKontrollversammlungen mit Verhängung von Arreststrafen sehr schnellbei der Hand sind; sie bedenken dabei nicht, daß der Reservist, Land-wehrmann oder Ersatzreservist von der Strafe härter getroffen wirdals der Soldat; denn für ihn bedeutet der Arrest auch einen Verlustan Arbeitsverdienst, unter Uniständen auch einen Verlust seinerStellung. Es tritt hier also doppelte Bestrafung ein.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Bei weitestemEntgegenkommen gegen die militärischen Anschauungen wäre esallenfalls zu verstehen, daß die Mannschaften des Beurlaubten-standes während der Dauer der Kontroll-Versammlung ganz wie Soldaten behandelt werden und fürVergeben nach militärischem Rechte bestraft werden. Aber ganzwidersinnig ist eS, diese Bestimmungen auf den ganzen Tagder Kontrollversammlung auszudehnen. Die Regel ist doch, daß dieLeute nach der Versammlung gar nicht mehr daran denken, daß sieSoldaten sind. Es wird vielmehr nachher getrunken, und kommt esdann zu Ausschreitungen, so werden die Leute in einer unerhörtenWeise bestrast, die in gar keinem Verhältnis zu der Ausschreitungsteht. Mit der Disziplin haben solche Strafen doch gar nichts zutun. Sie sind zwecklos, und sie beizubehalten ist geradezu un-sinnig— auch vom Standpunkte des Militärs; denn sie erweckennicht Kriegsfreudigkcit und Opfersinn, sondern lediglich Erbitterung.(Sehr wahr I bei den Sozialdeniokraten.) Ich will nur eineneinzigen Fall anführen: Ein Reservist in Berlin wurde zu vierJahren Gefängnis verurteilt ivegen einer geringfügigen Aus-schreitung, die ihm vor dem Zivilgericht vier Tage,' und wenn essehr schlimm gekommen, vier Wochen Gefängnis eingebracht hätte.Noch schlimmer liegt ein Fall in Sachsen: Aus einer Werkstattloaren drei Holzarbeiter zur Kontrollversammlung gegangen. Nachder Versammlung zankten sie sich um Borkommnisse, die früher inder Werkstatt passiert waren, und kamen schließlich zum Prügeln.Da nun einer der drei ein Unteroffizier war,ivurdcn die beiden anderen wegen tätlichen Angriffes auf einenVorgesetzten der eine zu zwei Jahren, der andere zu sechs MonatenGefängnis verurteilt!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Das Obcrkriegsgericht har das Urteil zwar aufgehoben,(Rufe rechts:Na also l> ja, aber eS bat doch eine einfache Beleidigung einesVorgesetzten(Hört I hört l bei den Sozialdemokraten) für vor-liegend erachtet und die Leute zu sechs Wochen mittleren Arrest ver-urteilt. Daß solche Bestrafungen Begeisterung siw militärische Einrichtungen nicht wecken, ist wohl selbstverständlich. Die Schlag«fertigkeit des Heeres würde nicht die geringste Vermindening erleiden, Ivenn solche total veralteten Strasbestimmungen aufgehobenwürden.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) DaßForderungen, wie sie der Abg. Bebel seit einer Reihe von Jahrenhier vorgetragen hat, eine agitatorische Wirkung ausüben, ist dochnicht Schuld der Sozialdemokraten, sondern der Regierung und derbürgerlichen Parteien, welche die gerügten Uebelstände weiter bestehenlassen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Herr v. Oldenburg sagte gestern, er und seine Partei werdenunserm Antrage auf Erhöhung des Soldes nicht zustiinmen, weilwir mit ihm lediglich eine agitarorische Wirkung beabsichtigen. Wirbestreiten das. Die Leute, die unter den Mißständen zu leiden haben,sind Fleisch von unserem Fleisch, eS sind unsere Verwandten, und eSist selbstverständlich, daß wir Verbesserungen für sie zu erreichensuchen. Dazu treibt uns auch die Rücksicht auf die Hunderttausendearmer Familien, die von ihrem kärglichen Einkommen noch fürdie Soldaten abgeben müffen, welche mit 22 Pfennigen unmöglichihre Bedürfnisse bestreiten können. Wollen wir nrit diesem AntragAgitation treiben, so haben Sie ja die Möglichkeit, dem die Spitzeabzubrechen, indem Sie den Antrag so schnell wie möglich in dieTat umsetzen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wenn dieSozialdemokraten nach dem Muster der Herren Kreth, v. Liebert undv. Dirksen Verfahren wollten, so hätten wir das Recht, in endloser Reihenfolge die schlimmsten Fälle von Soldatenmißhandlungenhier vorzutragen. Wenn die Herren rechts es für eine verdienst-volle Tat halten, stundenlang Fälle von sogenanntem„TerroriSnius"vorzutragen und für jeden solchen Fall uns verantwortlich machen,so hätten wir daS Recht, in gleicher Weise denTerroriSmuS in der Kaserne,wie er in den Soldatenschindereien von Unteroffizieren und Offizierensich darstellt, hier vorzutragen. Die ungerechtfertigten Beschuldi-gungeu sind gestern von Herrn v. Liebert auf die Spitze getriebenworden, der für Soldatenquälereien die sozialdemokratische Agitationverantwortlich macht. Diese Rede des Herrn v. Liebert zu beant-Worten hieße ihr zu viel Bedeutung beilegen.(Sehr gut I bei denSozialdemokraten.) Der sächsische Militärbevollmächtigte hat sieschon im voraus widerlegt. Sachsen hat eine sehr starkesozialdemokratische Bewegung. Nach Herrn v. Liebert müßtendort also die schlimmsten Mißhandlungen vorkoinmen. Tat-sächlich sind dort aber weniger Mißhandlungen festgestelltals im übrigen Deutschland. Eine schlagendere Widerlegung derBehauptungen des Herrn v. Liebert kann gar nicht gedacht werden.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Auch sonst ist es eine be-kannte Tatsache, daß in Sachsen mit seiner entwickelten industriellenBevölkerung iveniger Roheitsdelikte vorkommen als in anderenGegenden, besonders in den Gegenden OstelbienS, wo die Herrenvon der rechten Seite ihre erzieherische Wirkung geltend machen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Nach Herrn v. Liebertmüßten ja die Soldatcnschindcr verkappte Sozialdemokraten sein, diedas Heer in Mißkredit bringen wollen.Weiter glaubt Herr Liebert. daß die Roheiten in der Familiezunehmen. Wer im Volke lebt, der weiß, daß tatsächlich in derArbeiterschaft die Gesittung beständig zunimmt. Freilich wirdes damit noch besser werden, wenn Wohlstand und Bildung denArbeitern mehr zugänglich gemacht werden.(Sehr wahr I bei denSozialdemokraten.) Freilich kann nicht verkannt werden, daß schonversucht worden ist, die heiligsten Pflichten der Kinder gegen dieEltern in Abrede zu stellen. Roheiten der Kinder gegen die Elternscheinen mir das Abscheulichste, was ich mir denken kann. AberSozialdemokraten waren es nicht, die den Söhnen zugemutet haben,auf Befehl auf Vater und Mutter zu schießen.(Zuruf bei denSozialdemokraten: Sehr gut I Ruf rechts: Olle Kamellen I)Aufgefallen ist mir. daß unter den wegen Mißhandlung bestraftenSoldatenpeinigem besonders viele ehemalige Unteroffiziers-s ch ü l e r anzutreffen sind. Das scheint auf einen Mangel in derAusbildung hinzudeuten. Für die Häufigkeit der Soldatenschindereienist auch die milde Bestrafung der Soldatenpeiniger verantwortlich zumachen. Ein Unteroffizier, der einem Rekruten, welcher daS linkeAuge nicht schließen konnte, einen Papierstreifen mit heißem Siegel-lack auf das Auge klebte, wurde nur wegen vorschriftswidriger Be-Handlung bestraft; das Kriegsgericht nahm nicht Mißhandlungan, sondern nur einen„Scherz".(Hört I hört I bei den Sozial-demokraten.) Auch daS sogenannte.Rekrutenschästen", die Miß-Handlung der Rekruten durcb die älteren Jahrgänge, ist noch immerin Uebung. Diese Mißhandlungen führen zuweilen zum Selbstmordder betroffenen Rekruten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Wie wenig die Klagen und Beschwerden, die wir hier vorbringen.fruchten, sehen wir daran, daß bei den Verhandlungen vor demMilitärgerichtdie Oeffentlichkeit geradezu ausgeschlossenist. Herr Müller-Meiningen hat schon vorgebracht, wie man daszum Teil durch Verheimlichung der Termine zu erreichen sucht; derdirekte Ausschluß der Oeffentlichkeit erfolgt aber auch sehr häufiggerade bei ganz gewöhnlichen Soldatenschindereien.(Sehr richtig!bei den Sozialdemokraten.) In Schikanen gegen die Berichterstatterwt sich besonders der Kriegsgerichtsrat Dr. Franke in Cheinnitzhervor. Ich hoffe, daß hierin eine Aenderung geschaffen wird.Würde man aus die Klagen und Beschwerden der VolksvertretungRücksicht nehmen, so würde auchdie Frage des Militärboykottslängst erledigt sein. In Sachsen wird der Militärbohkott jetztetivas milder ausgeübt als früher. Und in der Budgetkommissionhörten wir, daß auch der preußische Kriegsminister die mildereHandhabung für Preußen gelten lassen will. Ich lege Wert darauf,das hier auszusprechen, weil von dieser Ansicht des preußischenKriegsministers in der Oeffentlichkeit noch nichts bekannt ist. Aberauch in Sachsen wird nach wie vor boykottiert, obwohl man derSozialdemokratie damit am wenigsten schadet.(Sehr richtig!bei den Sozialdemokraten.) Die milderen Bestimmungen sindauch lediglich der Saalbesitzer halber erfolgt, die sich wegender Geschäftsschädigung beschwert haben. Trotzdem wird aus denverschiedensten Gründen der Boykott weiter verhängt. In einemFalle z. B. deswegen, weil in dem betreffenden Lokal auch einsozialdemokratisches Blatt ausliegt I(Heiterkeit bei den Sozial-demokraten.) Ich kann mir nichts Lächerlicheres denken; dadurch dieSoldaten vom Lesen sozialdemokratischer Blätter abhalten zu wollen,ist einfach ein Unding. In Sachsen kommen jetzt mindestens täglichin 200 000 Familien sozialdemokratische Zeitungen. Kommt einSoldat auf Urlaub, so findet er bei seinem Vater oder in einerbefreundeten Familie sozialdemokratische Blätter und liest sie dort,wenn er lesen will, während er in die Kneipe geht, um sich zuamüsieren.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) DerBoykott wird verhängt, um die Wirte zu schädigen, ausbloßer Schikane. Ein drastisches Beispiel dafür ereignete sich inWaldheim, wo der Wirt des„Schweizertal" Einquartierung bekam,und ebenso der Konsumverein. Da dieser sie nicht unter-bringen konnte, wollte er sie beim Wirt im„Schweizertal"unterbringen. Dies war anfangs zugestanden, wurde dann aberverboten. Die Soldaten, für deren Verpflegung der Wirt bezahltwerden sollte, durfte er nicht behalten! Drastischer kann kaum ge-zeigt werden, daß es lediglich auf die wirtschaftliche Schädigung,nicht auf die Vehütung der Soldaten vor sozialdemokratischem Ein-flutz beim Boykott ankommt.Außer den Verbesserungen fordern wir auch eine andere Heeres«organisation. Herr v. Oldenburg und der Kriegsminister taten so,als verlangten wir die Abschaffung des Heeres. Weil wir sagen, derZukunftsstaat ist der Friede, schließt der Minister, daß wir das Heerjetzt abschaffen wollen. Freilich erwarten wir, daß die fortschreitendeKultur die Völker dahin bringen wird, den Rüstungen ein Ende zumachen, und es ist wohl niemand im Hause, der diesen Wunschnicht hegt.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Aber waswir im Gegenwartsstaat für notwendig halten, kann derMinister nicht init einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitatbeweisen, sondern das muß er aus unserem Programm ersehen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dort heißt eS:„Erziehung des Volkes zur allgemeinen Wehrhaftigkeit."Ich kann mir nicht denken, daß der KriegSmiiuster— auch vonseinem Standpunkt aus— daran was auszusetzen hat. UnsereStellung zum Militär ergibt sich aus unserer Auffassung desNalionalitätsprinzips. Wir wollen die Unabhängigkeit und dasSelbstbestimmungsrecht aller Nationen. Das bedeuiet aber, daß wirselbstverständlich auch alle Mittel für die Unabhängigkeit der eigenenNation aufwenden wollen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.)Zum Ausdruck haben wir Sozialdemokraten von jeher nur gebracht,daß wir Gegner von Eroberungskriegen sind. Und wennnun auch gestern der Abg. Licbermann v. Sonnenberg darauf hin-gewiesen hat. daß derjenige ein Verleumder sei, der die Friedens-absichten Deutschlands in Zweifel ziehe, wenn also von Eroberungs-kriegen abgesehen werden soll, dann ist nicht einzusehen, was Siegegen die von der Sozialdemokratie befürwortete Einführungvon Volksheeren einzuwenden haben. Es soll nicht eineArt Krähwinkler Landsturm sein, was wir wollen, aberdie von Ihnen verlangte bessere Ausbildung wäre auchbei einer kürzeren Dienstzeit möglich, denn lange Dienst-zeit bedingt noch nicht tüchtige Soldaten. Der KricgSminister hatmit Recht darauf hingewiesen, daß eS auf den Geist und die Opfer-freudigkeit des Heeres ankommt. Daß lange Dienstzeit nicht aus«schlaggebend für die Tüchtigkeit ist, dafür haben die Sachsen imJahre 1866 den Beweis erbracht, und auch die Soldaten in densogenannten Befteiungskriegen(Zuruf des Abg. Oriola:„Geschichteschwach!") hatten durchaus nicht lange gedient. Wir verlangeniniiner dieErziehung der Jugend zur Wehrhaftigkcit,also wir arbeiten nicht auf eine Wehrlosmachung des deutschenVolkes hin, auch wenn wir die Abschaffung des Gamaschendrills usw.fordern. Daß den ursprünglich von sozialdemokratischer Seiteerhobenen Forderungen in gewissem Umfange Rechnung getragenwerden muß und Rechnung getragen wird, das beweist ja dievon meinem Genossen Bebel seit vielen Jahren verlangte Um-Wandlung der Uniformen, die ja nun zur Tatsache iverden soll.In unserem Bestreben, daß für frühzeitige körperliche Ausbildung der Jugend möglichst viel getan werde, werden wir von denBehörden durchaus nicht immer unlerstiitzt. In Sachsen iverden denArbeiterturnern systematisch Schwierigkeiten gemacht, indem manihnen städtische Hallen und Plätze aus kleinlichem Parteigeist verweigert.Auch um der K o st e n willen fordern wir die Aenderung derHecresorganisation. Herr v. Oldenburg sagte. Frankreich und Eng-land zahlten viel mehr für ihr Heer. Das ist nur ein un-zureichender Trost; es kommt darauf an, wie man die Rechnungausstellt. Wenn wir Militärctat, Marinectat, PensionSctat undZinsen der Reichsschuld, soweit sie auf Militär und Marine fallen,derücksichtigen, so macht das zusammen gegen 1300 Millionen Markaus, also 22>/z M. pro Kopf der Bevölteniiig. England undFrankreich haben außerdem eine starke Kolonialarmee, die sehr teuerist.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Die Soldaten erhalten auchhöhere Löhnung!) Selbst wenn bei einem Volksheere die unmittel-baren Militärausgaben nicht geringer werden als beini jetzigenstehenden Heere, so würde doch für den Volkswohlstand außerordent»lich viel herausspringen, weil bei der Verkürzung der Dienstzeitgroße Beträge infolge des vermehrten Arbeitsverdienstes herausgeholt werden.Der Kriegsminister hat uns gestern zu unrecht den Vorwurfgemacht, wir wollten den Leuten den Heeresdienst verekeln. Nichtsozialdemokratische Reden, sondern die Z u st ä n d e. die wirkritisieren, verekeln den Leuten den Dienst. Wenn den Angehörigender einzelnen bürgerlichen Parteien im Hause ein Ausspruch einesMannes vorgehalten wird, der anscheinend zu ihrer Partei gehört.dann erklären sie mit Recht, daß die Partei nicht für die Aussprücheeines einzelnen verantwortlich sei. Aber ebenso können auch wirSozialdemokraten verlangen, daß nicht bei jeder Gelegenheit aus derDreimillionenpartei ein Rann herausgegriffen wird, dessen Ansichtdann als die Ansicht der Partei gelten soll.(Sehr richtig l bei denSozialdemokraten.) Wenn wirklich ein Sozialdemokrat von Ver-ekelung gesprochen hat, so halte ich dem entgegen, daß der Reihenach drei sozialdemokrattsche Parteitage einmütig und entschiedenjede Kasernenagitation abgelehnt haben. Das allein istinaßgebend. Da können wir doch verlangen, daß nicht ganz un-gerechtfertigte Anschuldigungen von den amtlichen Stellen immerwieder gegen uns erhoben werden. Die amtlicheu Stelle»