gewisser Hang zu» Leichtsinnihm nicht abgesprochen werden könne.Darauf wird die Beweisaufnahme geschlossen, und«A ergreift zurBegründung der Anklagedas Wort Kammergerichtsrat Dr. Kleine: Ich will unbeirrt durchder Parteien Haß und Gunst, gewissermaßen von einer höheren Warte,als der Zinne der Partei aus, die Verfehlungen des Angeklagtenschildern mit der ganzen Strenge, die mein Amt als Ankläger in diesemFalle erfordert, aber auch mit der strenge» Objektivität, diedem Richter ziemt. Man hat es nun dem Angeschuldigten zumBorwurf gemacht, daß er sich überhaupt mit der Ecke einließ. Abererst nach der Rückkehr aus Kamerun stellte sich heraus, daß die Eckeeine Hochstaplerin war. Sie logierte sich in Dresden unter adeligemNamen in verschiedenen Hotels ein und fälschte in ihrer Geld-Verlegenheit zwei Wechsel. Dafür tourde sie mit Gefängnis be-straft. Ich bin der Meinung, daß in bezug auf die Paßfnlschiingdem Angeschuldigten nicht das geringste nachgewiesen ist. Die Eckesollte garnicht nnt nach Kamerun konimen. sie sollte in Las Palmassich zu ihrer Gesundheit aufhalten. Es mochte ihr aber schmeicheln,die Geliebte eines Gouverneurs zu sein und eines Mannes, dermit Geld nicht knauserte, was ja solchen Leuten besonderssympathisch ist.(Heiterkeit.) Sie ließ sich infolgedessen nicht bo-wegen, in Las Palmas auszusteigen, sondern blieb auf dem Schiff.v. Puttkamer machte gute Miene zum bösen Spiel»nd als siein Kamerun ankamen, konnte er doch nicht gut die Ecke als seineMaitresse ausgeben und nannte sieseine CousineFreiin von Eckardtstein. Es dauerte nicht lange, da erkanntensie mehrere Marineoffiziere von Berlin her, ihr Wicderauftretenerregte Anstoß, und so tat der Angeschuldigte das, was er tunkonnte, er sorgte dafür, daß sie mit der nächsten Gelegenheit ausKamerun entfernt wurde. Er gab ihr den Laufpatz, aber dieserLaufpaß war falsch.(Heiterkeit.) Es mag ja verwunderlich er-scheinen, daß in den zahlreichen vertraulichen Stunden, die dieEcke mit dem Angeschuldigten zubrachte(Heiterkeit), sie nicht eineinziges Mal ihn über ihre wahre Herkunst aufgeklärt haben sollte.Das Auffällige dieser Erscheinung verschwindet aber sofort, wennman den Charakter und das Vorleben der Ecke in Betracht zieht.Sie war eine reisende Dirne, die mit Vorliebe frequentierte Bäderbesuchte, um sich dort an die vornehme Welt heranzumachen. Siewar eine gefährliche Hochstaplerin, die durch die Pracht der unbe-zahlten Toiletten es verstand, junge Leute und namentlich Offizierein ihre Netze zu locken und zugrunde zu richten. Das war geradeihre Trick, daß sie, die auf der Bühne nichts erreichte, in der Weltvorzüglich die Aristokratin zu spielen verstand. Leute aller Ständehat sie in dieser Beziehung zu täuschen verstanden. Da ist es keinWunder, wenn sie dem Angeschuldigten gegenüber, der sie aus-hielt, auch nicht den Schleier zerriß, den sie selbst über ihre Geburtverbreitet hatte. Weder in der Tropensonne Afrikas, noch inDeutschland hat sich ein einziger Mensch gesunden, der auftrat undsagte, der Angeklagte konnte über die wahre Natur der Ecke nichtim Zweifel sein. Selbst der lauteste Rufer im Streit, der Abge-ordnete E r z b e r g e r, hat nichts Positives aussagen können undmutzte schließlich auf Leute wie Pöplau und Wistubahinweisen. Aber auch Pöplau und Wfftuba konnten, als es sichdarum handelte, nicht blotz Klatschereien zu verbreiten, sondernver Wahrheit die Ehre zu geben, nicht eine einzige Tatsache dafüranführen, daß der Angeschuldigte die Person der Ecke genau kannte.Trotzdem bin ich der Meinung, daß der Angeschuldigte fahrlässiggehandelt hat. Solange er der Geliebte der Ecke war, brauchte ersich nicht um ihre Person zu kümmern— der Liebe tut derName nichts zurSache. In dem Augenblick, wo er amtlichmit ihr zu tun hatte, und es sich darum handelte, eine öffentlicheUrkunde auszustellen, mußte er sich genau vergewissern. Das hater nicht getan. Es liegt eine Fahrlässigkeit vor. d. h. ein Ver-gehen gegen§ lv des Reichsbeamtengesetzes. Bezüglich der Be-günstigung hat sich nicht nur kein Anhalt für eine Schuld gefunden,sondern es ist der volle Beweis für die Unschulddes Angeschuldigten erbracht. Was schließlich denEingriff in die Rechtspflege anlangt, so mutz berücksichtigt werden.daß Lemmermann ein Neuling in kolonialen Dingen war? derAngeschuldigte konnte mit Recht befürchten, daß die Recht-sprechung Lcmmermanns eine schwere Schädigung der Kolonie mitsich bringen ivürde. Er war bei seinem Perhalten von den bestenAbsichten beseelt, dennoch mutz ihm vorgeworfen werden, daß erhier gegen klare Bestimmungen des Gesetzes verstoßen hat. Z 1des Gerichtsverfassungsgesetzes, der auch in den Kolonien gilt,bestimmt, daß die Rechtsprechung durch unabhängige Richter aus-geübt werden soll. Der Angeschuldigte kann sich nicht daraufstützen, daß er sich seines rechtswidrigen Verhaltens nicht b e-wüßt war. Er hatte durchaus das Recht, Lemmermann abzu-setzen. Die Unabhängigkeit des Richters ist zwar garantirrt, abernicht dieUnabsetzbarkeil.Wäre der Angeschuldigte mit strengeren Mitteln vorgegangen, sowäre nichts gegen sein Verhalten einzuwenden; so aber griff erin unzulässiger Weise in die Rechtsprechung ein. Was endlichdie Beeinflussung der Ecke anlangt, so mutz dem Angeschuldigtenvorgeworfen werden, daß er sich überhaupt während des schwebendenDisziplinarverfahrens mit ihr in Verbindung setzte, er mutzte vor-nehme Zurückhaltung bewahren. Andererseits mutz man aberberücksichtigen, daß die Ecke ihre Aussagen so häufig wechselte, wieihre Liebhaber.(Heiterkeit.) Bei der Strafausmessung kommtals mildernd das lebhafte Temperament des Angeschuldigten inBetracht und daß er zum besten der Kolonie zu handeln glaubte.Andererseits mutz man aber von einem Gouverneur verlangen,daß er vorbildlich wirkt. Es mutz auch mildernd in Betracht ge-zogen werden, daß die Angelegenheit 10 Jahre zurückliegt und daßdiese 10 Jahre für den Angeschuldigten reich an Arbeit und Er-folgen waren. Aus allen diesen Gründen beantrage ich aus Grunddes 8 73 Absatz 2 des Reichsbeamtengesetzes dieDienstentlassung.Vert. Justizrat S e l l o beschäftigt sich eingehend mit demCharakter der Ecke. Sie ist eine internationale Hochstaplerin derallerschlimmsten Sorte. Alle Welt täuschte sie über ihre Herkunft,und so auch den Angeklagten. Es ist ganz ausgeschlossen, daß derAngeschuldigte ihr noch einen zweiten Patz ausgestellt, d. h. sicheines schweren Verbrechens schuldig gemacht hat, wo doch die Eckegar keinen Patz, sondern einen Abzugsschein brauchte. DemManneswort des Angeklagten steht hier gegenüber die verblaßteErinnerung einer an den Pranger gestellten Prostituierten. Mandarf den Angeschuldigten nicht unter dem Gesichtspunkt der Putt-kamer-Hetze betrachten. So etwas von Haß und Bosheit, wie indieser Sache, ist noch nie vorgekommen. Im Reichstag wurde überden Angeschuldigten hergefallen wie über einen Mann, der für dasZuchthaus reif sei. Nachher mutzte man zugeben, daß man sich nurauf einen Mann wie Wistuba berufen konnte. AlleAbend kann man in Berlin sehen, wie der Mann, von dem derStaatsanwalt anerkannte, daß er 21 Jahre in Interessen desStaates tätig war, von einem blöden Janhagel mit Kot beworfenwird. Der Angeschuldigte hatte durchaus recht, sich von der Eckeeine Bescheinigung geben zu lassen, daß er sie als Freiin vonEckardstein gekannt hat. Bezüglich der Begünstigung sei nichtsfestgestellt. Was schließlich den Eingriff in die Rechtspflege an-langt, so hat gerade das Beispiel Südwestafrikas gezeigt, wie auskleinen Fehlern der Verwaltung grotze Kriege entstehen können.Das hat der Angeschuldigte verhüten wollen und dafür gebührteihm der Dank des Vaterlandes. Der Verteidiger schließt mit demAntrage auf völlige Freisprechung des Angeklagten.Der Angeklagte v. Puttkamer gibt die Erklärung ab, daßer in 21iähriger Tätigkeit nur das Wohl des Reiches undderKolonien im Auge gehabt und niemals gegen deren Jnter-essen verstoßen habe.Darauf zog sich um 3 Uhr der Gerichtshof zur Beratungzurück.____Ukkimtwortlicher Redakteur: Hans Weber. Perlin. Für de»Nach mehr als einstündiger Beratung verkündete der Vor-fitzende Landgerichtsrat Dr. Ehrenberg folgendesUrteil.Der Angeschuldigte wird wegen dienstlicher Vergehen zu einemVerweise und zu einer Geldstrafe von tausend Mark verurteilt.In der Begründung führte der Vorsitzende aus: Ter Gerichtshofhat dem Angeschuldigten insoweit guten Glauben beigemessen, alser die wahre Natur der jetzigen Frau v. Germar nicht kannte.Man hat ihm nicht widerlegen können, daß er sie für die Freiinv. Eckardtstein gehalten habe. Ein so hochgestellter Beamter aber,wie Herr v. Puttkamer, durfte gar nicht soweit gehen, ein per-sönlichcS Verhältnis unter amtlichem Charakter mit einer Person,wie die Ecke es war, einzugehen. Er durfte ihr einen Paß nichtausstellen, er mußte sich sagen, daß dieser Patz späterhin eine er-höhte Bedeutung gewinnen konnte, und daß es von unabsehbarenSchwierigkeiten begleitet sein konnte, wenn sich herausstellte, daßdie Trägerin des Passes nicht die richtige war. Der Gerichtshofhat ein Dienstvergehen darin erblickt, daß der Angeschuldigte, bevorer den Patz auf den Namen der Freiin v. Eckardtstein ausstellte,nichts getan hat, um sich zu überzeugen, ob sie wirklich die Freiinv. Eckardtstein sei. Bezüglich der Ausstellung des zweiten Passeshat sich der Gerichtshof nicht überzeugen können, daß hier irgendein Vergehen des Angeschuldigten vorliege. Die Aussagen derFrau v. Germar, daß sie auch einen zweiten Patz erhalten habe,könne die Behauptung des Angeklagten nicht widerlegen, daß ereinen zweiten Patz nicht ausgestellt habe. Dagegen erblickte derGerichtshof in dem Schreiben des Angeschuldigten an die Eckeschon zur Zeit des Disziplinarverfahrens ein Vergehen und ver-mißte hierbei die vornehme Zurückhaltung, die ein Mann wie Herrv. Puttkamer üben mutzte. Die Begünstigung der Siedclungs-gesellschaft„Viktoria" hat der Gerichtshof verneint. Bezüglich desEingriffs in die Rechtspflege ist der Gerichtshof der Ansicht, daßein Gouverneur nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat,politischen Beamten in der Kolonie Weisungen zu erteilen, die nachseinem besten Wissen nötig erscheinen; denn er ist ja verant-wortlich für die Arbeiten in den Kolonien und für die EntWickelungdes ganzen kolonialen Besitzes. Dagegen darf der Gouverneurin die Tätigkeit eines Richters nicht eingreifen. Ein Eingriff indie Rechtspflege kann auch in den Kolonien zu den bedenklichstenErschütterungen des Rechtsbewutztseins führen. Der Gerichtshofräumt jedoch dem Angeschuldigten ein, daß ihm der Gedanke einesrechtswidrigen Eingriffs absolut fernlag, und glaubt auch, daßer nichts anderes im Auge hatte, als die wirksame Förderung derInteressen der Kolonie. Er wollte einen Mann, der nach seinerMeinung nicht für diese Arbeit geeignet war, eine Warnung undBelehrung zuteil werden lassen. Das alles haben wir dem An-geschuldigten zugute gehalten. Bei der Strafzumessung sind wirdavon ausgegangen, daß der Angeschuldigte 21 Jahre lang seinganzes Wissen und Können und seine Kraft in den Dienst desVaterlandes gestellt hat. Er ist niemals vorbestraft, wederkriminell noch disziplinarisch. Von den verschiedensten Seiten istseiner Arbeit Zustimmung und Vertrauen entgegengebracht worden.Deshalb hat der Gerichtshof die Strafe der Dienstentlassung weitvon sich gewiesen, denn das ist die härteste Strafe. Er hat esvielmehr für angezeigt erachtet, daß dem Angeschuldigten zunächstwegen der Aeutzerung gegenüber dem Richter Lemmermann einVerweis erteilt werde, weil die Form, in der die Aeutzerung geschah,nicht dasjenige Matz von Aufmerksamkeit erkennen läßt, welchesbei so wichtigen und einschneidenden Dingen erforderlich ist. Be-züglich der beiden Verfehlungen, die das Verhältnis des An-geschuldigten zu der Ecke betrafen, war der Gerichtshof derMeinung, daß. wenn sie auch 10 Jahre zurückliegen, derartigeVersehen doch durch eine härtere Strafe gebüht werden müssen.Er hat deshalb eine hohe Geldstrafe für angezeigt erachtet.Em der Partei.Die Maifeier-Paris, 23. April. Die„Humanitö" veröffentlicht den Auf-ruf der sozialdemokratischen Partei an die französischen Arbeiterbezüglich der Feier am 1. Mai. In dem Aufrufe wird derRegierung, die im Solde der Bourgeoisie stehe, der Prozeßgemacht, die Marottopolittk getadelt und werden alle Arbeiteraufgefordert, am 1. Mai den Massenausstand zu feiern.Verbotener Maifcstzug!' DaS Bezirksamt Fürth i. B. hat der vomStadlmagistrat erteilten Genehmigung des Maifestzuges dasVerbot prompt auf dem Fuße folgen lassen. Es wurde schon amTage nach der Magistratssitzung verfügt und zwar, wie es in derBegründung heißt, weil der Aufzug nach den begleitenden Umständentatsächlich als eine auS Anlaß der sozialdemokratischen Maifeier ver-anstaltete öffentliche, parteipolitische Demonstration zu erachten ist.welche im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung nicht zulässigerscheint".— Die Begründung ist wörtlich aus den Verboten frühererJahre abgeschrieben. Die Stadt Fürth wäre somit wieder einmalvor dem Umsturz bewahrt._Gemeindewahlsieg.Essen- Ruhr, 25. April.(Privatdepesche des„Vorw.")In Schonnebeck(Kreis Essen) siegten bei der heutigenGemeinderatswahl zum ersten Male unsere Genossen mit304 Stimmen gegen 266 der vereinigten Gegner.I« der Generalversammlung des sozialdemokratischen Vereinsfür den ReichstagSwahlkreis Frankfurt a. M. erstaltete der Partei-fekretär Genosse Dittmann Bericht von der Reichstagswahl sowieüber das vierte Quartal ISOg und das erste Quartal 1907.Die Gesamtausgaben für die Reichstagswahl betrugen 18 116,12Mark; durch Sammellisten und sonstige fteiwillige Zuwendungenwurden 16 734,34 Mark vereinnahmt. Es mußten dahernoch 1381.78 Mark dem Wahlfonds entnommen werden. AnFlugblättern und Laufzetteln wurde während der Wahldie immense Zahl von zwei Millionen Exemplare heraus-gegeben.— Der Mitgliedergewinn betrug im 4. Quartal 1906:443, im 1. Quartal 1907 726 Genossen, so daß am 1. April einMitgliederbestand von 5161 zu verzeichnen war. Dies sind nur17,6 Proz. der 28 S69 sozialdemokratischen Reichstagswähler vom25. Januar d. I. Wobei allerdings noch in Betracht zu ziehen ist,daß eine ganze Anzahl organisierter Parteigenossen nicht Reichs-tagswähler sind, was den angegebenen Prozentsatz sehr ungünstigbeeinflußt.DaS erste Quartal schließt mit einem Kassenbestand von492,65 Mark ab; die Einnahmen und Ausgaben bilanzieren mit5434,23 Mark.Bei dem Bericht über den Stand der Partcipresse konnteerfreulicherweise konstatiert werden, daß die„Volksstimme" weitere4000 AbonneMen gewonnen hat. Die Räumlichkeiten der Union-druckerei genügten nicht mehr. ES wurde daher dasjetzige Heim für 420 000 Mark käuflich erworben, undes soll durch Umbau entsprechend eingerichtet werden.Eine neue Rotationsmaschine, zwei Schnellpressen und eine weitereSetzmaschine sollen angeschafft werden. Um über die lokalen Bor-kommniffe in den umliegenden ReichStagSwahlkreisen der„Volks-stimme" ausführlicher berichten zu können, sind für H ö ch st undWiesbaden eigene Korrespondenten angestellt; für Hanauschweben noch Verhandlungen. Redakteur S. Grumbach scheidet amInseratenteil vermitw.: Th. Glocke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärt»1. Juli d. I. aus der Redaktion der„VollSstimme"; für ihn wirdErsatz gesucht.Zum Gedächtnis Jznaz Auers veranstalteten die NürnbergerParteigenossen am Mittwochabend in den Zentralsälen eine imposanteFeier, die vom Philharmonischen Orchester durch BeethovensLeonoren-Ouvertüre und„Siegftieds Tod" von Richard Wagner, so-wie vom Arbeitergesangvereiu„Union" durch den Chor„Ein Sohndes Volkes" eingeleitet wurde. Darauf hielt Genosse Kurt Eisnerdie Gedächtnisrede, in der er die Persönlichkeit des Verstorbenen undsein Wirken in der Partei schilderte. Es folgte der Gesangschor„Empor zum Licht!" Der„Einzug der Götter in Walhall" und dieRobespierre-Ouvcrtüre schloffen die Feier.Aus Schlesiens Hauptstadt.Wir erhalten folgendes Privattelegrarnm:Breslau, 23. April 1907.Soeben wurde das Gewerkschaftshaus Margaretenstraße imWege der Zwangsversteigerung vom sozialdemokratischen Verein undvom Gewerkschaftskartell für 353 400 M. angekauft.Em sozialistischer Senator gestorben.Paris, 23. April.(Eig. Ber.)Gestern ist in Saint-Leutaverny im Departement Puy-de-DSmeder 84 jährige Senator Jean Chantagrel gestorben, das einzigeMitglied des Oberhauses, das der geeinigten sozio«l i st i s ch e n Partei angehörte. Chantagrels Verhältnis zurfranzösischen Partei läßt sich etwa mit dem Johann I a c o b y Szur deutschen Sozialdemokratie vergleichen. Auch Chantagrel warein konsequenter Demokrat, der am Ausgang eines kampferfülltenLebens erkannte, daß eine Verwirklichung seiner Ideale nur vomorganisierten Proletariat zu erhoffen sei.Chantagrel, welcher Professor an der juridischen Fakultät vonClermont-Ferrand war, wurde 1835 als radikaler Kandidat in dieDeputicrtenkammer gewählt. Llls Mitglied der Kommission derPanamalotterie bewährte er eine Unbestechlichkeit, die den Zierdendes bürgerlichen Parlamentarismus fremd war. Eine Millionwurde ihm für seine Stimme geboten! Er wies sie verachtungsvollzurück. 1893 wurde Chantagrel in seinem Departement zum Senatorgewählt und behauptete das Mandat, diesmal als radikalsozialistischerKandidat, ebenso 1900. 1902 bekannte sich der Neunundsiebzig-jährige zum Programm der sozialistischen Partei I Als sichnach der Einigung der Partei die Föderation seines Departementskonstituierte, trat er in sie ein, und er ließ sich auch als Mitgliedder sozialistischen Fraktion einschreiben, zum Mißvergnügen seinerbourgeoisradikalen Wähler. Im Senat war er der einzige Vertreterder geeinigten Partei; denn die zwei anderen„Sozialisten",Flaissiöres aus Marseille und Delhon aus dem Departement Herault,gehören der„Partei" der„Unabhängigen" an. Das Senatsmandatin dem stark agrarischen Departement, das durch Chantagrels Toderledigt ist, ist natürlich für die Partei nicht zu halten. Das Wahl-shstem für den Senat macht ja die Wahl von sozialisttschen Kan-didaten überhaupt so gut wie unmöglich.Eine Konferenz der deutschen und der österreichischen Sozialistenin der Schweiz wurde am vergangenen Sonntag in Aar au ab«gehalten; vertreten waren 21 Orte durch 30 Delegierte. GenosseDr. Adler-Wien eröffnete die Verhandlungen mit einem warm-empfundenen Nachruf für Genosien Auer. Dem Tätigkeitsbericht desLandesausschusses ist zu entnehmen, daß die Organisation 41 Ver-eine mit zirka 3000 Mitgliedern umfaßt. In den Bibliotheken derVereine befinden sich 11686 Bände, von denen im vergangenen Jahre5399 Bände ausgeliehen wurden. An sozialdemokratischen Schriftenwurden in den Organisationen für 6653 Frank verlaust. Für diedeutschen Reichstagswablen wurden über 3000 Frank gesammelt.Beschlossen wurde die Anstellung eines Sekretärs. Der Sitz derZentrale verbleibt in Zürich. Die nächste internationale Zusammen-lunft findet 1903 in Schaffhausen statt.Sozialistische Wahlsiege in Amerika. Wie die Partei in den Ver«einigten Staaten im kleinen tätig ist und manchen Erfolg dabeierzielt, zeigt sich wieder aus einer Reihe von Berichten über dieKommunalwahlen, die im April an vielen Orten stattfanden. Soerwählten die Sozialisten den Bürgenneister von TwoHarborSin M i n n e s o t a; er ist ein Skandinavier von Geburt, und seineLandsleute, die in jener Stadt zahlreich find, haben viel zu seinerWahl beigetragen. In South Glen Falls, New York,wurden zwei Sozialisten in den Ortsvorstand gewählt. In E o a lCreek in Colorado brachten die Sozialisten eine Mehrheit imGemeinderat durch. In Milwaukee, Wiskonsin, wurdenzwei Sozialisten als Schulräte und in South Milwaukee vierzu Stadträten gewählt. In Manitowoc, Wiskonsin,wählten die Sozialisten zwei Genoffen in den Stadtrat. InSt. Louis, Missouri, erzielten die Sozialisten bei derstädtischen Wahl 4313 Stimmen; für die Kandidaten zum Staats-Parlament wurden 4688 Stimmen abgegeben.polireilickes, GmcfmicheB ukw*Nachspiele zur Reichstagswahl. Aus Halle a. S. berichtetman uns:„Eine ganz exorbitante Strafe verhängte das Hallesche Schöffen«gericht gegen den Bergmann Christoph Sander in Amsdorf, derwegen Beleidigung eines Amtsdiencrs angeklagt war. Der Amts-diener hatte im Januar eine Wahlversammlung aufgelöst und dann„kraft seines Anites" Ruhe geboten. Darauf hatte ihm Sanderdie Worte zugerufen:„Na, Du hast hier gar nichts zu sagen; Dubist blotz Nachtwächter I" Das Gericht verhängte deshalb gegenSander eine Gefängnisstrafe von 10 Tagen!»»Während des Wahlkampfes in Naumburg-Zeitz war in Beziehungauf den Kandidaten, Genoffen Redakteur Thiele das Gerücht verbreitet worden, er sei wegen Sittenverbrechens, begangen mitSchulkindern, zu Zuchthaus verurteilt worden I Da diese Ge-meinheit an mehreren Orten gleichzeitig verbreitet wurde, vermuteteman dahinter einen Trick der Helden des ReichslngenverbandeS.Auch ein Führer des Freisinns, Gärtnereibesitzer Loof in Tauchern,hatte das Schandgerücht mit verbreitet. Genosse Thiele klagte undließ Milde walten gegen Loof, indem dieser vor Gericht die Be-leidigung als jeder Begründung entbehrend mit Be«dauern zurücknahm und die Kosten trägt.Eue der Frauenbewegung.Versammlungen— Veranstaltungen.Berein für die Interessen der Hausangestellten. Oeffentliche Ver>fammlung, Sonntag, den 28. April, Anfang 6 Uhr, in„BeckersFestsälen", Kommandantenstr. 62. Vortrag, Herr S. Katzen-stein: Arbeiterfchutz und Arbeiter-Versicherung für HauS-angestellte.Schöneberg. Sonnabend, 27. April, 9 Uhr, bei Obst, MartinLutherstr. 51. Lichtbildervortraa. Genosse Roth:„DaS Lebenund Treiben im Bergwerk".eingegangene Drudtfcfmften.BierteljabreSbcricht des Internationalen BergarbeiterverbandeS.1. Quartal 1907. 22 Seiten.Jahresbericht 1905 und I90G des Verbandes der BergarbeiterDeutschlands. 194 Seiten. Selbstverlag, Bochum.Süddeutsche Monatshefte. Hest 5. Herausgegeben von P. N. Coß-mann. Quartal 4 M., Einzclhest l,50 M. Selbstverlag in München.wchdruckerei u. BerlaasanstaltHaul Singer äTCo.. Berlin SW,