BanIierZ, Schauspieler, alleZ Leute, die keine Rentiers sind, sondern ihre Beschäftigung haben. Wie sollen sich diese durch den Bau eines Kasinos einkapseln und von der Bevölkerung, mit der sie tag- lich verkehren, entfremden? Ich protestiere gegen die Behauptung, daß hier das Terrain zu billig verkaust wird.— In betreff des Jntendanturgebäudes bemerke ich Herrn Südekum, daß das Ge- bäude seine bestimmte Größe hat, aber wenn man Platz hat, so kann man es doch ein wenig verschieben. Abg. de Wendel(Elf.): Als ehemaliger Offizier protestiere ich gegen die Behauptung des Abg. Südekum, daß die Offiziere a, D. nicht politisch selbständig seien.> Abg. Dr. Hahn(B. d. L.) schließt sich diesem Protest an. Abg. Erzberger(Z.): Wenn wir die Vorlage ablehnen, wird da? Offizierskasino doch gebaut, nur auf einem anderen Platze. Abg. Lattmann(Antis.): In einer Richtung sind die Re- serveoffiziere politisch gebunden: jeder Offizier, der die Sozial- demokratie unterstützt, handelt ehrlos.(Lachen bei der? Sozial- demokraten.) Abg. Paasche(zur Geschäftsordnung): Ich ziehe meinen An- trag auf Zurückverweisung der Position an die Budgetkommission zurück. Die Position wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Freisinnigen angenommen.(Rufe: Der neue Block! Heiterkeit.) Der Rest des Militäretats wird debattelos angenommen. Darauf vertagt sich das Haus auf Sonnabend 11 Uhr. TageS- 'ordnung: Etat der Post- und Telegraphenverwaltung und der Neichsdruckerei, Novelle zum Reichsbeamtengesetz. Schluß 6 Uhr. parlamentanrcbes* Aus der Budgetkommissioa. (Sitzung vom 26. April.) Bevor die Beratung des Kolonialetats fortgesetzt wird, kommt endlich die Angelegenheit des neuen Reichsmilitärgerichts zum Abschluß. Die Anforderung ist schon ein paarmal zurück. gestellt worden, weil das Witzlebensche Grundstück zu teuer war. Zuletzt hat bine Exkursion stattgefunden, bei der auf Singers An- regung auch das Gelände des Botanischen Garten» besichtigt wurde. Das Gelände ist sehr passend, aber es ist wesentlich teurer als das Witzlebensche. Es wird beschlossen, nunmehr den Vorschlag der Regierung zu akzeptieren und die angeforderte Summe zu be- willigen. Abg. v. NichtHofen berichtet sodann über die Beratungen der Subkommission für Regelung der ReichSzuschllsse zu den Kolonien. ES war borgeschlagen worden, daß der Reichszuschuß subsidiär sein soll, d. h. daß Ueberschüsse an die Reichskasse zurückfließen sollen. Dieser Vorschlag fand keine Annahme. Die Regierung fürchtet von einer solchen Regelung nachteilige Folgen in bezug auf die Sparsamkeit der Gouverneure: Die Gouverneure würden sparsamer wirtschaften, wenn die Neberschüsse bei dem Etat der Kolonien bleiben. Die Subkommission hat sich auf folgende Be- schlüsse geeinigt: „Für diejenigen Schutzgebiete, die einen ReichSzuschuß nicht mehr bedürfen, ist ein Ausgleichsfonds aus den eigenen Einnahmen zu bilden, aus dem zunächst etwaige Fehlbeträge Deckung finden können." Nach längerer Debatte wird dieser Beschluß als Resolution zum Kolonialetat von der Kommission angenommen. Der nunmehr zur Beratung kommende Etat für Togo weist 2 073 340 M. Einnahme auf; davon entfallen auf Steuern 8S 000 M. und auf Zölle 1 672 000 M. Reichszuschuß erfordert Togo nicht; eS bleibt noch eine Summe von 11800 M. als Reserve- fonds übrig. Trotzdem die Zolleinnahmen erheblich gestiegen find, wird hier nicht mehr eingestellt, da das für den Etat zunächst ohne Bedeutung ist, weil ein Reichszuschuß nicht in Anspruch genommen wird. In der Besprechung wird dringend Einschränkung des Schnapsverkaufs gefordert. Arendt hat den Reichsadler nur in Verbindung mit Schnapsniederlagen gesehen! Weiter ver- langt Arendt bessere PostVerbindung und größere Umsicht des Gouverneurs, damit nicht der Reis, der in Togo gebaut wird, erst nach Hamburg geht, um von da nach Kamerun transportiert zu werden!! Der Regierungsvcrtreter erklärt, daß die Regierung die Absicht habe, den Verkauf des Branntweins in gewissen Bezirken ganz zu verbieten, um die Gegenden, in denen die Branntweinpest noch nicht herrsche, frei zu halten. Aber man müsse vorsichtig sein, weil die Haupteinnahmen der Kolonie auS den Branntweinzöllen kommen!! Bei den Ausgaben, Titel 1„Gouverneur", fiagt Ledebour an, ob den Eingeborenen das ihnen von den Landgesellschaften zu viel abgenommene Land zurückgegeben worden sei; den Eingeborenen habe man so wenig Land gelassen, daß es nicht mehr zur Fristung der Existenz ausreicht. Hier sei obendrein das Reichs- interesse im Spiel; denn es stehe fest, daß die Baumwollproduktion in eigenen Kulturen der Eingeborenen vorteilhafter sei als bei den Anlagen der Gesellschaften. Ein Regierungsvertrcter gibt Auskunft dahin, daß eine Kommission eingesetzt sei und Zählungen und Schätzungen der Ein- geborenen stattfänden, nach deren Ergebnis die Rückgabe erfolgen soll. Die Angelegenheit sei noch in der Schwebe.— Ledebour ist mit dieser Auskunft nicht zufrieden und schildert, wie die Ein- geborenen direkt beschwindelt worden seien, indem man ihnen den Hektar Land für 10 Pf. abnahm. Dernburg gibt Ledebour zu, daß sich die EntWickelung Togos nur auf der Eingeborenen-Kultur aufbauen kann. Aber eben deswegen sei von dem Gouverneur zu erwarten, daß er die Interessen der Eingeborenen wahrnimmt. Auch könne er nicht zugeben, daß in der Sache zu langsam ge- arbeitet worden sei. Abg. S t o r z beschwert sich über die Strenge des Gouverneurs und legt einen Beamten-Anstellungs- vertrag vor, der ziemlich rigoros ist. S e m l e r aber ist damit sehr zufiieden: wir sollten uns freuen, einmal einen Gouverneur zu haben, der nach kaufmännischen Grundsätzen verfährt. S t a u d y beschwert sich ebenfalls über die Behandlung, die der Gouverneur den Beamten angedeihen läßt; vor allem sei die einnwnatige Kündigung zu verwerfen, und auch die Bezahlung soll ungenügend sein. Ein Regierungsvertreter gibt an, daß es sich in dem von Staudy erwähnten Fall um einen Beamten handele, der in der unteren Stelle nicht bleiben wollte, für eine höhere sich aber nicht eignete.— Bei den Militärausgaben fragt Ledebour an, aus welchen Stämmen sich die Polizeitruppen rekrutieren. Die Regierung er- klärt, daß in Togo wie in Kamerun Leute aus westafrikanischen Stämmen und aus den Eingeborenen genommen werden. Ledebour möchte, um Reibungen zu verhindern, möglichst nicht ganz stammes- fremde Leute angeworben Wissen._ � Für Entschädigung an Beamte, die aus dem Kolonmldienst ausgeschieden, sind 6000 M. eingestellt. Hierzu hat Spahn eine Resolution beantragt, welche Unterstützung aller derjenigen ver- langt, deren Gesundheit im Tropendienst gelitten hat. Die Resolution wird einstimmig angenommen. Die Regierung sagte wohlwollende Prüfung zu. Alle Ausgaben und Einnahmen werden im übrigen ohne Aenderung bewilligt. Der Etat für Neu-Gninea weist an Einnahmen 1616 226 M. auf(Steuern 55 000 M., Zölle 245 000 M.). Ein Rcichszuschuß ist nicht notwendig; es bleiben 4000 M. im Reservefonds. Erzherger wendet sich gegen die Ausfuhr von Arbeitern durch Ansiedler; die Regierung sagt Berück- sichtigung zu. Ledebour fiägt an, wie der Betrieb der Ansiedler organisiert ist: ob es sich um Farm- oder bäuerlichen Betrieb handelt. Nach der Erklärung der Regierung ist es gemischter Betrieb; die Ansiedler arbeiten selbst mit, halten sich aber schwarze Hülfskräfte.— Ausgaben und Einnahmen werden unverändert genehmigt. Der Etat für die Karolinen balanziert mit 462 441 M.; Reichszuschuß ist nicht erforderlich, dem Reservefonds fließen 1361 M. zu; da aber 10 000 M., die für Ber- messung der Eingeborenengrundstücke angesetzt sind, auf Antrag des Referenten gestrichen werden, erhöht sich der Reservefonds um diesen Betrag. Der Etat wird im übrigen bewilligt. Der Etat für Samoa hat 736 694 M. Einnahmen ldaruntcr 146 660 M. Steuern, 320 000 Mark Zölle, 25 000 M. Ersparnis aus dem Rechnungsjahr 1906). Der Reichszuschuß beträgt 179 841 Mk. Er zb erger kritisiert die Verschwendung, die mit dem großen Beamtenapparat in dieser kleinen Kolonie getrieben wird. Außerdem habe man einen Polizeimeister, der Brutalitäten beging, befördert, statt ihn abzusetzen. Der Regierungsvertreter erklärt, daß Samoa schon eine ausgebildete Verwaltung hatte, als es in deutschen Besitz kam; man konnte also nicht viel machen. Der Polizeimeister ist Chinesenkommissär geworden, wozu er sich gut eignet.— Ledebour kritisiert die Einfuhr von Chinesen und hebt die Gefahren hervor, die das mit sich bringt. Nach einigen weiteren Bemerkungen über eine militärische Ehrengarde des Gouverneurs von Samoa und die samoanische Selbstverwaltung und nach ziemlich allgemeiner abfälliger Kritik an der teuren Ver- waltung, die umso mehr zu tadeln sei, als Samoa Reichszuschuß erfordere, wird der Etat nach der Vorlage bewilligt. Es steht nunmehr vom Kolonialetat noch aus Südwestafrika und Kiautschou._ Hua der parte!« Die Maifeier. Ein Verbot des Maife st Umzuges hat für dieses Jahr auch der Magistrat in Saalfeld an der Saale erlassen. Ebenso verweigerte die hochwohlweise Behörde auch die Genehmigung zur Abhaltung der Maifeier auf dem städtischen Schießhausplatz. Schon bor zirka 10 Jahren verbot der Saalselder Magistrat den Maifest- zug, doch hob das Ministerium in Meinmgen das Verbot mit der Begründung auf, daß ein solches sich nicht rechtfertige, solange keine Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung vorkomme. Der sozial- demokratische Verein hat gegen das diesjährige Verbot sofort Be- sch werde beim Ministerium eingelegt. Es wird sich nun zeigen, ob das Ministerium des„liberalen" Herzogtums den Mut der Konsequenz besitzt und eine Regel, die es vor einem Jahrzehnt auf- gestellt hat, auch jetzt noch den untergeordneten Organen gegenüber zur Geltung zu bringen gewillt ist. Noch ein Ungeeigneter. Von seinem Amt als Mitglied des Schulkollegiums enthoben wurde, wie jüngst in Stellingen - Langenfelde, jetzt auch in Eidelstedt ein der sozialdemokratischen Partei angehöriges Mitglied. Der sozialdemokratische Berein für den 12. sächsischen Reichstags- Wahlkreis(Leipzig -Stadt) hat sein im Volkshause eingerichtetes Heim eröffnet. Mit der am 1. April erfolgten Verschmelzung mit dem Leipziger Arbeiter-(Bildungs)-Verein hatte der Kreisverein dessen Aufgaben übernomnien und nunmehr im Volkshäuse Räume beschafft, in denen die bisher 2600 Bände zählende, durch die Einverleibung von sechs Gewerkschaftsbibliotheken auf 4300 Bände gestiegene Bibliothek untergebracht worden ist; ein schönes großes Lesezimmer bietet angenehmen Aufenthalt. Für die kürzlich errichtete Jugend« organisation sind am Saalbau mehrere Zimmer hergenchtet worden, die nach dem Garten hinaus liegen und den jungen Leuten eine an- genehme Stätte der Erholung bieten. Im Lesezimmer liegen sämt- liche Partei- und Gewerkschaftszeitungen aus. Dir Errichtung eines ArbeitersckretariatS beschloß am Mittwoch daS Gewerkschaftskartell in Erfurt . Dafür stimmten die Vertreter von 26 Gewerkschaften, dagegen 2, nicht vertreten waren 2 Gewerkschaften. Unter den dagegen stimmenden Gewerkschaften befand sich als stärkste der hiesigen Organisationen die Holzarbeiter, doch kann auch deren spätere Zustimmung noch erwartet werden. Als Zeitpunkt der Errichtung des Sekretariats ist der 1. Oktober d. I. bestimmt worden. Die Vorarbeiten wurden einer besonderen Kam- Mission übertragen. Mit diesem Beschluß haben die Erfurter Gewcrk- schaften einen'bedeutsamen, schon lange als notwendig erkannten Schritt getan, der seinen günstigen Einfluß auf die Fortentwickelung der Erfurter organisierten Arbeiterschaft nicht verfehlen wird. Dem GewerkschastSkartell find gegenwärtig über 5000 organisierte Arbeiter angeschlossen. Zum sozialdemokratischen Sieg in Zürich wird uns noch ge- schrieben: Im bürgerlichen Lager herrscht Jammer und Wehklagen. Mit voreiligem Siegesübermut höhnte am Abend vor der Wahl die „N. Züricher Ztg.":„Es wird am Sonntagabend Klage sein in Außersthl", d. h. in ber sozialdemokratischen Partei, und nun ist die Klage im bürgerlichen Lager in Außersihl wie in den übrigen vier Kreisen der Stadt, in ganz Zürich . Die Arbeiterschaft hielt gründ- liche Abrechnung mit dem brutalen Gewaltregiment, dessen Träger der nun aus der Strecke gebliebene liberale Stadtrat und städtische Polizeidirektor Welt: war und daS im vorigen Sommer anläßlich der Streiks seine blutigen Orgien von ent- setzlicher Roheit, Bestialität und Gewalttätigkeit gegenüber der Arbeiterschaft feierte. Es gab keine Schandtat der Züricher Polizei, die nicht in ihrem Chef ihren stets bereiten Verteidiger gefunden hätte. Die sozialdemokratischen Vertreter iin Großen Stadtrat mochten Klagen auf Klagen, belegt mit unwiderleglichem Beweis- material, gegen die Polizei vorbringen; Herr Welti bestritt alles, schwächte alleS ab oder beschönigte es und empfahl schließlich, be- gleitet von dem verständnisinnigen Beifall der kompakten bürger- lichcn Majorität, seine Polizei als das Kind, das reiner als ein Engel sei. Mit klarem Zielbewußtsein benutzten am Sonntag die Arbeitermasfen ihren Stimmzettel als mächtige Waffe und fegten damit den bornierten Polizeimenschen hinweg. Es ist ein Akt sühnender Gerechtigkeit, der da am Sonntag an dem Liebling aller Scharfmacher und Arbeiterfeinde vollzogen wurde und mit dem auch seine besondere Schutztruppe, der reaktionäre.Bürgerverband wahrhaft zürcherischer Leute", dem aber auch gleichgesinnte Ausländer angehören und der die schweizerische Ausgabe des deutschen Reichs- lügenverbandes ist, die verdiente Niederlage erlitt, denn er trieb eine unglaublich matzlose und gewissenlose Hetze und stachelte gerade da« durch die Arbeitermassen auf. Am Montagabend zogen 8000 Arbeiter in einem imposanten Demonstrationszuge mit zwei Musikkapellen und Vereinsbannern durch die Straßen der Stadt, um ihrer Freude über den errungenen Wahlsteg öffentlich Ausdruck zu geben. Vor dem Nedaktionslokal des„Volksrecht" in_ Außersihl fand die gewaltige Demonstration, deren Teilnehmer bis auf 10900 angewachsen waren, nach be- geisterten Ansprachen der Genossen Pfarrer Pflüger, Erismann und Greulich ihren befriedigenden Abschluß. Der 21. April 1907 eröffnet für die Weiterentwickelung der Züricher Sozialdemokratie die herrlichsten Aussichten-» es geht vorwärts I polfcetlicbes» gerichtliches utVc. Wahlkmnpfnachwehen. Wegen Beleidigung der Schutztruppe in Südwestafrika, begangen zur Zeit des Reichstagswahlkampfes. wurde von der Strafkammer in Elberfeld der Geschäftsführer des Verbandes der Handels- und Transportarbeiter, Genosse Dett- mering, zu 30 M. Geldstrafe verurteilt. Dettmerina hatte am 2. Februar m einer Wählerversammlung der Ehristlichsozialen und Bürgerparteien erklärt, die Schutztruppe habe in Südwestafrika Schand- und Greueltaten verübt. Derselben Straftat soll sichGenoffeBachmann in Chemnitz schuldig gemacht haben. Das Schöffengericht zu Schneeberg verurteilte ihn zu 75 M. Geldstrafe, weil er in emer Versammlung gesagt haben soll,„eS sei nur der Abschaum der Offiziere und Mannschaften nach Südwestafrika geschickt worden". Genosse Bach- mann bestritt die Aeußerung in diesem Sinne getan zu haben. Die von der Anklagebehörde geladenen Zeugen sagten jedoch im großen und ganzen zuungunsten des Angeklagten aus. Die russische Revolution. Kein liberales Kabinett! Petersburg, 26. April. Die Gerüchte von einer Um- gestaltung des Kabinetts in liberalem Sinne finden nirgend Glauben. Stolypin erklärte auf eine Anfrage, es liege garnichts vor, was diesen Gerüchten auch nur einen Schein von Glaubwürdigkeit verleihen könnte. Herr Stolypin brauchte sich mit diesem Dementi wirk. lich nicht zu bemühen. Man weiß, daß, solange er atmen kann, Reaktion Trumpf sein wird. Die Folterkammern. Petersburg, 26. April. (Reichsduma.) Die heutige Sitzung gilt der Interpellation wegen der Vorgänge in Riga . Zahlreiche Redner geben neue Schilderungen der in den Gefängnissen be- gangenen Mißhandlungen. Der Justizminister erklärt, daß eine Untersuchung bereits angeordnet sei und daß er weiter nichts zu bemerken habe; er sei indes erstaunt darüber, daß die Berichte über die Grausamkeiten keinerlei Angaben enthielten über die Quellen, wo die Beweise zu finden seien. In Erwideruung auf Einwendungen der Deputierten Hessen und Pergament ergreift der Minister dreimal das Wort. Die beiden Redner führen aus, die Duma habe die Regierung interpelliert, und dieser stehe nicht das Recht zu, Beweise von der Duma zu verlangen. Nach Schluß der Debatte wird ein Antrag der Sozialisten und Populisten angenommen: ob die Regierung die Absicht habe, einige Beamte vor ihrer eventuellen Rehabilitierung durch die gerichtliche Untersuchung zu entlaffen. Der Antrag wird mit aller gegen vier Stimmen angenommen. Die Sitzung wird darauf kurz nach sechs geschlossen. Gcheimsitzung. Petersburg, 26. April. Die Duma wird am Montag von 11 Uhr ab eine geheime Sitzung abhalten, um die RckrutierungS- ftage zu erwägen. Die öffentliche Sitzung wird um 2 Uhr wie gewöhnlich ihren Anfang nehmen. Ein strenger Herr. In Baku dauert der Ausstand der Schiffsbesatzungen fort. Der berüchtigte, überschneidige General Taube hat mit folgendem Erlaß in den Kampf eingegriffen: „Ich habe in den letzten Wochen alle Mittel angewandt, um zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern zu vermitteln und die Lage der Arbeiter zu verbessern.— Ich erkenne an, daß die durch erhebliche Zugeständnisse der Arbeitgeber erreichten Resultate für die Arbeiter durchaus befriedigend sind.(!) Da ich infolge- dessen weitere Besprechungen für unnötigen Zeitverlust halte, welcher die Arbeiter ihres normalen Lohnes beraubt, mache ich hiermit folgendes bekannt: Die Kapitäne, ihre Eehülfen und die Maschinisten haben sich am Freitag, den 28. April, um 5 Uhr abends, auf ihren Schiffen einzufinden. Zuwiderhandelnde verfallen einer Strafe von drei Monaten Gefängnis und 3960 Rubel Geldstrafe ober Verbannung nach entfernten Provinzen. Mannschaften, welche sich nicht zur angegebenen Zeit einfinden, werden aus- gewiesen. Arbeitgeber, welche die Ausführung der Artikel 1 und 2 dieser Verordnung verhindern, unterliegen einer Strafe von 3 Monaten Gefängnis, 3060 Rubeln Buße und Ausweisung. Alle Versuche des Widerstandes oder der Gewalttätigkeit werden un- nachsichtlich mit bewaffneter Hand unterdrückt werden." General Taube vergißt— wie es scheint—, daß die strengeo Herren meist nicht lange regieren— besonder? in Rußland . Stolypins schöne Worte und seine— Tatenlosigkeit. Der Hülfsverein der deutschen Juden erhält das nachstehende Telegramm, das überaus ernste Befiwchtungen zum Ausdruck bringt: Petersburg , 26. April. DaS Versprechen StolypinS das er einer Deputation gab: keine Pogrome zuzulassen, kann keine Be« ruhigung bringen, da gleichzeitig die Propaganda des Verbandes des russischen Volkes im steten Wachsen ist und Stolypin gegen diese Propaganda nichts tut. Die Verbandsfilialen in den verschiedensten Städten erklären offen, sie könnten alles nach ihrem Wunsche durch- setzen!— Es sind auch in der Provinz, wie feststeht, Proskriptions- listen bereits zusammengestellt, die dem Verwaltungsrat des Vor- bandes nach Petersbu rgeingeschicktiwerden. Daraus werden die vom Ver- band fiir gefährlich erklärten Pensionen verhaftet oder ausgewiesen! Beamte der Provinzialbehörden, welche dem Verbände unangenehm sind, werden versetzt. Die Mitglieder des Verbandes mißbrauchen den kaiserlichen Namen mit Hinweis auf geschehene Begnadigungen und behaupten, es sei ihnen alles erlaubt!— Stolypin wird öffentlich in dar schwarzen Presse für einen Verräter erklärt. Gestern veröffentlichte„Rußkoje snamja" ein Gesuch an den Kaiser, das mit folgenden Worten schloß:„Kaiser , auf Deinem Gewissen lastet große Verantwortung vor dem Volke, das Dich liebt, Dir traut. Kaiser, versäume keinen Tag; löse die Duma auf, oder es wird zu spät sein. Nimm auf Dein Gewissen nicht Blut, das unabweislich fliehen muß, wenn Du zögerst."— Diese unbehinderte, öffentliche Aufreizung zum Blutvergießen steigert die Beunruhigung im höchsten Grade.— Ein sozialdemokratischer Abgeordneter zum Duell gefordert. Während der Debatte über den Regierungsantrag, drei sozial- demokratische Deputierte aus der Duma auszuschließen, weil sie „wegen Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei Rußlands " unter Anklage gestellt worden seien, unterwarf Genosse N a l i w k i n, früherer Vize-Gouperneur des Fergan-GebieteS, die russischen Gerichte einer strengen Kritik und schloß mit den scharfen, aber zutreffenden Worten, daß die russische Justiz sich „meistbietend öffentlich versteigern lasse". Einer der Petersburger Prokurorsgehülfen berief daraufhin eine Versammlung seiner Kollegen, an der gegen 20 Personen teilnahmen und die den Beschluß faßte, Naliwkin aufzufordern, seine Worte öffentlich zurückzunehmen, widrigenfalls er gefor» dert werden würde. Es wurde gelost, wer die Forderung über. nehmen sollte. Das Los fiel auf den Prokurorsgehülfen S. Da dieser aber als Familienvater sich der Gefahr nicht aussetzen mochte, so erklärte einer seiner Kollegen, Ruban, daß er an seine Stelle trete. Als Antwort auf die Forderung erklärte Genosse Naliwkin. daß er erstens prinzipieller Gegner des Duells sei, zweitens als Volksvertreter im Namen der sozialdemokratischen Fraktion gesprochen habe und daß er nur seinen Wählern und seiner Partei für seine Worte verantwortlich sei. Die Fraktion erklärte sich mit der Stellungnahme Naliwkins vollständig einverstanden._ Sind Unterhaltungen ohne polizeiliche Genehmigung in Prentzen gestattet? Zu einer Verneinung der in der Ueberschrift gestellten Frage müßte man auf Grund eines Kammergerichtsurteils gelangen, das am Dienstag gefällt wurde, wenn das Urteil vor objektiver Kritik standhalten würde. Der Sachverhalt ist folgender: Eines Sonntags, kurz vor der vorjährigen ReichstagSnach- Wahl im Kreise Beuthen -Tarnowitz , erschienen drei Männer im Orte Nallo, um Flugblätter zu verbreiten. Unter ihnen der Reichstags- kandidat der Sozialdemokratie. Arbeitersekrctär Scholtyssek. In dem Orte herrscht nun(nach richterlicher Feststellung) die Sitte, daß die männlichen Einwohner sich an Sonntagen zu gewohnter Zeit auf der Straße treffen und sich unterhalten, daß sie besonders in der Nähe des Wirts- Hauses zusammenstehen. So war eS auch an diesem Sonn- taa. Als Scholtyssek sich gegenüber emem Bäckerlade» befand,
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