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Nr. 102. 24. Jahrgang.

Reichstag  .

1. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt.

48. Sigung, Mittwoch, den 1. Mai, nachmittags 1 Uhr, Am Bundesratstische: dowsky, Dr. Nieberding, Dernburg  .

Fürst   b. Bülow  , Graf Posa­Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Be­ratung des Etats für den Reichskanzlers und die Reichskanzlei. Zur Diskussion stehen die Fragen der inneren Politit. Hierzu liegen zwei Resolutionen vor, eine vom Zentrum auf Borlegung einer Denkschrift über die Erfolge des Erbbau rechts und die Förderung der allgemeinen Wohnungsfür­forge, und eine der Freisinnigen auf Beseitigung der Ve­timmung, wonach die Gewährung freier Lehrmittel, freier Me­dizin, Krankenhaus- oder Heilstättenbehandlung als Armenunter­ftübung angesehen werden kann und den Verlust des Wahlrechts nach sich zieht.

( Sehr wahr! Iints.)

Präsident Graf Stolberg( wütend aufspringend): Ich muß Sie bitten, nicht auf die private Tätigkeit des Herrn Reichskanzlers einzugehen.( Bravo  ! rechts.)

Abg. Göz v. Olenhusen( fortfahrend): Einem solchen Reichs­kanzler aus den Steuern des deutschen   Volkes auch noch das Ge­halt zu bewilligen, dazu bin ich nicht imstande.( Stürmisches Ge­lächter.) Tausende monarchisch gesinnte treue Untertanen weinen darüber, daß einem deutschen   Bundesfürsten sein Recht verweigert wird.( Gelächter.) Möge den deutschen   Fürsten   bald Erleuchtung zuteil werden.( Lautes Lachen.) Wir wollen deutsche Fürsten von Gottes Gnaden, nicht von Bülows und Ottos Gnaden! Sägen Sie nicht den Aft der Begitimität ab, auf dem Sie sitzen.( Stür misches langanhaltendes Gelächter im Hause und auf den Tri.

bünen.)

Freitag, 3. Mai 1907.

Abg. Dr. David( fortfahrend): Ich wollte mit diesen Worten auch nur kurz die veränderte Konstellation im Inneren beleuchten. Was wird nun wohl dem Zentrum dafür gewährt werden? Eins fann man wohl mit Bestimmtheit sagen: Dadurch ist die Garantie gegeben, daß es mit der liberalen Aera nichts ist.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es wird in Deutschland   keine liberale Politik geben, so lange Fürst Bülow   Reichskanzler ist. Was ist denn bis jetzt von liberalen Erscheinungen in unserer inneren Politik zu verzeichnen gewesen? Absolut nichts! Bor wenigen Tagen haben wir im preußischen Abgeordnetenhause die Debatte über die Schulaufsicht gehabt- das System Studt bleibt, dieses System, dessen Sturz die erste Forderung der liberalen Strömung war. Dies System Studt hat sich neuerdings noch neue Lorbeeren geholt, dadurch, daß es zu Charlottenburg   einen Kinder­garten verbot, nur weil dort nicht den Kindern die patriotischen und firchlichen Ammenmärchen gelehrt wurden, und dadurch, daß es in Kiel   den Lehrern verboten hat, Arbeitern die deutsche Sprache zu lehren. Leider ist ja die preußische Volksschule so schlecht, daß fie die erste nationale Pflicht, dem deutschen   Volfe die Beherrschung seiner Muttersprache beizubringen, in fo ungenügendem Maße er füllt, daß die Arbeiter genötigt sind, das nachträglich nachzuholen Stiel hatte es den Volksschullehrern erlaubt, in solchen Unterrichts. und deutsche Sprachkurse einzurichten. Die Lokalschulbehörde in fursen mitzuwirken, aber der Herr Kultusminister hat die Er laubnis zurüdgezogen.( hört! hört! bei den Sozialdemo traten.)

Präsident Graf Stolberg  : Diese Frage gehört in das preußische Abgeordnetenhaus, nicht hierher.( Sehr richtig! rechts.) Abg. Dr. David( fortfahrend): Ich habe diese Frage ganz speziell bom nationalen Standpuntte und von dem der libe­ralen Aera aus behandelt. Was hat auf politischem Gebiete

die liberale Aera"

Dann habe ich noch eine Sache zu erörtern, die den Reichs- interessant: das Zentrum stimmte der Absicht der Regierung zu, tanzler persönlich betrifft. Er hat in der Sitzung vom 26. Februar sich auf eine Diskussion der Abrüstungsidee auf der Haager Non­in diesem Hause gelegentlich der Vorlesung, die er meiner Partei ferenz nicht einzulassen! Ein schneidender Hohn auf das offizielle über ihre Kampfesweise und ihren Ton zu halten für gut fand, Christentum, das doch gerade von der Zentrumspartei   ganz speziell einen Fall erwähnt, der die unanständige Kampfesweise der Sozial- vertreten wird.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die demokraten zeigen sollte. Er verlas eine Notiz aus der Frank- Sozialdemokratie ist die einzige Partei, die dieses christliche Ideal furter Zeitung", wonach der Parteisekretär Dittmann in Frankfurt   des Weltfriedens noch vertritt. die Freisinnigen der schwere Vorwurf des Stimmenkaufs erhoben der inneren Politit; ich bitte, nicht weiter als unbedingt not. ein Flugblatt geschrieben habe, in der vollkommen zu Unrecht gegen Präsident Graf Stolberg: Wir behandeln heute die Fragen fei, und in der weiter erklärt wurde, daß dieses Flugblatt am wendig, auf die gestrige Debatte zurückzugreifen. Tage vor der Wahl, bei welcher der angebliche Stimmentauf statt. gefunden habe, gedruckt worden sei! Wir haben sofort darauf auf­merksam gemacht, daß die Frankfurter Zeitung  " bereits am Abend desselben Tages, an welchem sie diese Notiz veröffentlichte, eine Richtigstellung unseres Parteigenossen Dittmann gebracht habe. Dem Gewährsmann des Reichskanzlers war diese Richtigstellung entgangen sowie auch, daß die gesamte sozialdemokratische Presse Abg. Kämpf( frs. Bp.) begründet diese Resolution. Der von ihr Notiz genommen hatte. Weiter war ihm entgangen, daß jebige Rechtszustand, wonach Heilstättenpfleglinge und Kranke, die Dittmann, um die Sache flarzustellen, gegen den Redakteur der ohne Entgelt Krankenhausbehandlung genossen hätten, ihr Wahl-" Frankfurter Zeitung  " Klage erhoben hatte. Seit jenem Tage recht auf ein Jahr verlören, selbst wenn sie schon die Kosten zurüd- st der Reichskanzler hier noch nicht erschienen und hat auch keine gezahlt hätten, widerspreche dem allgemeinen Rechtsbewußtsein. Erklärung ergehen lassen, welche die schwere Ehrenkränkung gegen unseren Genossen Dittmann zurüdnimmt. Dittmann hat an den Staatssekretär Graf Bosadowsky: Der Reichskanzler hat unter Reichskanzler selbst ein Telegramm geschickt, in welchem er ihm dem 5. April 1904 ein Reftript an den Kriegsminister und den den Tatbestand mitteilte und ihn ersuchte, eine Ehrenerklärung ab­Minister des Innern gerichtet, daß sie darauf hinwirken sollten, zugeben. Auch das hat bis heute noch keinen Erfolg gehabt. daß sie für diese Zwede sich besondere Stiftungen verschaffen oder( Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die den Tatsachen wider­besondere Fonds anlegen. Ich habe jetzt eine Umfrage beran iprechende ehrverlebende Mitteilung des Reichstanzlers hier im ftaltet, in welchem Umfange dieser Aufforderung Folge gegeben Haufe ist zur Bekämpfung der Sozialdemokratie benutzt worden. worden ist. Nach Eingang des Materials werde ich die Angelegen- Die Rede des Reichskanzlers mit dieser unwahren Erklärung ist heit im sozialpolitischen Geifte der Gegenwart prüfen; es scheinen bom Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie in da Härten vorzukommen. Eine definitive Antwort kann ich heute den Fall sofort richtig gestellt haben! Ich glaube, das ist ein Vor­Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet worden, obwohl wir noch nicht geben.( Beifall.) Abg. Göz v. Olenhusen( Welfe): Der Reichstanzler tritt für gehen, das zu charakterisieren es einen parlamentarischen die legitimen Rechte des Sultans von Marokko   ein; über die Rechte Ausdrud nicht gibt.( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) eines deutschen   Bundesfürsten geht er einfach zur Tagesordnung verband" beschwert fühlen, so ist das hier doch einmal ein Fall, Wenn Sie( nach rechts) sich durch den Ausdrud Reichslügen über. Fürst Bülow   will noch auf seinem Grabe der agrarische Reichstanzler heißen, aber feine Millionen legt er in römischem der unwiderleglich die Richtigkeit unserer Behauptung zeigt, daß es dem Verband bei der Bekämpfung der Sozialdemokratie an Villenbesiz an.( Lachen.) jeder Gewissenhaftigkeit mangelt, daß unwahrheiten verbreitet werben, obwohl fie öffentlich wiederholt richtig gestellt sind. Der Reichskanzler wird daraus die Ueberzeugung getoonnen haben, daß er auch seinerseits die Sache richtig stellen muß, damit der für Erscheinungen gezeitigt? Auf der einen Seite eine sehr große Lüge der Stopf zertreten wird.( Sehr wahr! bei den Sozialdemo: Weitherzigkeit, wie im Falle Buttkamer, wo festgestellt ist, daß traten.) Damit er eine Grundlage hierfür hat, will ich ihn auf die Gerichtsverhandlung hinweisen, die in dieser Sache in Frant man in Deutschland   falsche Bässe ausstellen und trotzdem Gouver furt am 23. April stattgefunden hat. Dort ist nachgewiesen worden, neur einer deutschen   Kolonic sein kann, und auf der anderen Seite daß der Verfasser des Flugblatts berechtigt war, von dem den engherzigsten Bolizeigeist, der es einem Sozialdemokraten sogar Versuch des Stimmentaufs zu sprechen. Der Redakteur ber verbietet, Mitglied einer freiwilligen Sanitätstolonne zu sein! Frankfurter Beitung" wurde zu 300 M. Geldstrafe oder zu zehn( ört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir haben weiter gehört, Tagen Haft verurteilt. In dem Urteil ist ausbrüdlich festgestellt, daß das tommende Vereins- und Bersammlungsrecht sich aufbauen daß die Verhandlung ergeben hat, daß das Flugblatt erst am Tage müsse auf dem Grundgedanken, daß die nötigen Garantien der Stichwahl entstand. Weiter heißt es in dem Urteil: Es ist für die Aufrechterhaltung der Ordnung gegeben würden. Ich bedauerlich, daß die Sache im Reichstage zur Sprache gebracht würde dem Herrn Reichskanzler empfehlen, einfach den Zustand, Seitdem ich an dieser Stelle stehe, habe ich mich gegenüber feite anerkennt, daß er bisher ruhig und fachlich gekämpft habe, sehen, es geht auch ohne dies. Oder haben Sie je gehört, daß in worden ist; denn dadurch ist der Kläger  , von dem auch die Gegen- mie er in essen besteht, auf das Reich zu übertragen. Dort gibt es überhaupt kein Vereins- und Versammlungsrecht, und Sie allen Mitgliedern des Hauses stets eines rein sachlichen Tones be in der breitesten Oeffentlichkeit bloßgestellt worden." Ich glaube fleißigt.( Bautes Lachen   bei den Sozialdemokraten.) Ich werde wohl, daß der Reichskanzler daraufhin Veranlassung nehmen sollte, die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten wird, ist durch das Straf­Hessen deshalb besondere Unruhen entstanden seien? Dafür, daß baher auf die persönlichen Angriffe des Vorrebners nicht in dem auch seinerseits ein Wort der Ehrenerklärung zu sprechen.( Sehr gleichen Lone antworten.( Bravo  ! rechts.) Sachlich habe ich über richtig! bei den Sozialdemokraten.) Um Ihnen zu zeigen, in gesetzbuch genügend gesorgt.( Sehr wahr! bei den Sozialdemo Die Braunschweiger Frage folgendes zu sagen: Bestimmend für welcher Weise derartige Fälle, wenn fie einmal in die Deffentlich- fraten.) meine Haltung ist nur der Bundesratsbeschluß vom 2. Juli 1885, feit geworfen sind, festhaften, will ich mitteilen, daß ein Teil der Der Herr Reichskanzler hat neulich das feierliche Gelöbnis abs deſſen tatsächliche Grundlagen auch nach der Ueberzeugung des gegnerischen Presse über die Gerichtsverhandlung in Frankfurt   gelegt, daß er Bundesrats heute noch fortbestehen. Eine Vermittlung zur Auf- einen Bericht bringt, worin es heißt, daß ein sozialdemo- wolle. Als neuer Stern am Himmel der agrarischen Politik find agrarisch leben und sterben hebung dieses Beschlusses mußte ich ablehnen, weil die Regierungs  - tratischer Redakteur einem freisinnigen zu Unrecht den übernahme Gr. Kgl. Hoheit des Herzogs v. Cumberland für mich Borwurf des Stimmentaufs gemacht habe, deswegen angeflagt aufgetaucht die Mühlenumfassteuer und die Schiffahrtsabgaben. nach diesem Beschluß überhaupt nicht bistutabel war. Der tühle und zu 600 M. Gelbſtrafe verurteilt fei!!!( Sört! hört! bei den Auf diese Fragen muß ich hier eingehen, soweit ber Herr Reichs Ton meines Ablehnungsschreibens sollte die Gefühle der braun Sozialdemokraten.) In dieser Weise werden die Dinge auf den tanzler dafür berantwortlich ist. Seit zwei Monaten bereitz läuft schweigischen Bevölkerung nicht verlegen. In der Sache ist daran Kopf gestellt. Ich möchte den Wunsch aussprechen, daß der Reichs- über die Grubenunfälle. Inzwischen ist im preußischen Abgeord eine Interpellation in dieser Frage übrigens auch eine andere festzuhalten, daß das Reich eine Agitation nicht dulden kann, die tanzler seine Kampfesweise gegen uns überhaupt nicht nach der gegen seine zu Recht bestehende politische Struktur gerichtet ist. des Reichsverbandes einrichtet. Wenn er von dieser Kampfesweise netenhauſe unsere Interpellation durch den Minister Breitenbach ( Bebhafte Bustimmung.) Daß die Sinfeßung des Herzogs den Sieg erhofft, so ist diese Hoffnung durch den Ausfall der Nach bereits beantwortet in einer Weise, die zeigte, daß die preußische b. Cumberland in Braunschweig   ein Wiederaufnehmen der wel- wahl in Glauchau  - Meerane   wohl etwas erschüttert worden. Bei Regierung in diesem Falle im Widerspruch zu den klaren Be­fischen Agitation bedeuten würde, ist ohne weiteres klar. Es ge- dieser Nachwahl hat sich selbst der Stanbibat ber bürgerlichen ſtimmungen der Verfassung vorgegangen ist und daß hier nügt nicht, wenn der Herzog v. Cumberland erklärt, daß er sich Parteien durch die Methode des Reichsverbandes geniert gefühlt auf den Boden der Reichsverfassung stelle. Er muß für sich und und ihn verleugnet! Die Nachwahl hat gezeigt, daß auf die Dauer fein ganzes Haus rückhaltslos ein für allemal auf Hannover   ver- diese niedrige Kampfesweise nicht zieht, sondern am gefunden Sinn zichten, und die Führer der welfischen Agitation müssen veranlaßt unseres Volkes zugrunde geht.( Sehr wahr! bei den Sozialdemo­werden, sich einer solchen Erklärung ebenso rüdhaltslos anzu- fraten.) Wir verlangen vom Reichskanzler nicht, daß er Sozial­schließen.( Beifall.) In der jetzigen schwierigen Weltlage müssen demokrat   werde.( Seiterkeit.) Mag er uns nur bekämpfen, aber wir alles vermeiden, was den inneren Zusammenhang des Reiches doch mit einem gewissen Verständnis, mit einer gewissen Würdi­Iodern könnte.( Zustimmung.) Deutschland   hat in der Vergangen­Das kann heit durch innere gwiftigkeiten zu viel gelitten, als daß wir nicht gung der Forderungen und Ziele unserer Bewegung. man auch von einem Gegner verlangen.( Sehr wahr! bei den harauf Bedacht nehmen müßten, alles fernzuhalten, was zu einer Sozialdemokraten.) Ich verweise ihn nur auf den Professor Wiederholung solcher Zwiftigkeiten führen könnte. Ein regierender Schmoller. Fürst   darf im neuen Deutschen Reiche nur sein, der gewillt ist, mit freudigem Herzen und ohne jeden Hintergedanken sich in den es Der Herr Reichskanzler sagte, die Sozialdemokratie sei aus Bau des Reiches einzufügen.( Beifall.) Der Bundesratsbeschluß dem Haffe geboren, und er sprach von phantastischen, perfiden An­bom 29. Februar 1904 greift in feiner Weise in das Selbst- trägen", die wir gestellt hätten. Diese Wendungen standen im felt bestimmungsrecht des Landes Braunschweig   ein. Braunschweig   samsten Kontrast zu seiner heutigen Erklärung, daß er alle Bar­tann jeden zum Regenten wählen, der ihm genehm ist das teien dieses Hauses nur in fachlich unantastbarer Form bekämpfe. Reich und Preußen werden sich darauf beschränken, zu wünschen, Was sagt Schmoller über die Sozialdemokratie? Er schreibt in daß dem neuen Regenten eine gefegnete Regierung im Intereffe feinem Buche Grundzüge der Volkswirtschaftslehre":" Wir dürfen Braunschweigs und zum Wohle des Reiches beschieden sein möge. nicht vergessen, daß die Organisation der Arbeiter die Regierungen ( Lebhafter Beifall rechts, im Zentrum und bei den Liberalen.) und die Besißenden so nachdrücklich an ihre sozialen Pflichten er innerte, daß eine ernsthafte Sozialreform in Angriff genommen Abg. Dr. David( Soz.): wurde. Die fich geltend machenden Stimmen der Wissenschaft, der Kirche, der Humanität waren in den Tagen des Kampfes um das goldene Kalb viel zu schwach dazu! Die selbstbewußte Organi­fation des Arbeiterstandes ist der Ausdruck der weltgeschichtlichen Tatsache, daß die Menschheit eine Stulturhöhe erreicht hat wie nie früher, eine Kulturhöhe, die auch die unteren Klassen nicht mehr zum passiven Fußgestell der oberen, sondern zu einem selbstbewuß­ten attiven Glied des Gesamtorganismus machen will und tann." Wenn der Herr Reichskanzler sich zu dem Standpunkt dieses Gegners der Sozialdemokratie hinaufschwingen wollte, dann könnten die Auseinanderseßungen mit ihm fruchtbarer sein als seither.

Reichskanzler Fürst Bülow  :

Der Vertreter der Welfen wird nach den Darlegungen des Reichskanzlers wohl zu der Einsicht gekommen sein, daß seine Klagen teine praktischen Folgen haben werden, denn wenn in irgend einer Frage, so gilt hier der Sab:" Macht geht vor Recht!" Die Fürsten von Gottes Gnaden" haben von jeher, auf die Schwerter gestüßt, niemals Bedenken getragen, einen anderen Fürsten von Gottes Gnaden" vom Thron zu stoßen, sobald ihnen die militärische Gewalt die Möglichkeit in die Hände gab.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es ist uns ziemlich gleich gültig, ob ein Welfe oder ein Sproß aus einem anderen Fürsten  Hause auf dem Braunschweiger Thron sitt. Für die Bevölkerung Braunschweigs wird dadurch nichts geändert und für das Deutsche Reich   ebenfalls nicht.( Lebhafte Zustimmung bei den Sozial­demokraten.)

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ein Einbruch in das verfassungsmäßige Recht des Volkes vorliegt.( Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Frage der Schiffahrtsabgaben war eine der wichtigsten bei der inneren Gini. gung Deutschlands  . Man hat besondere Verträge zur Regelung der Frage abgeschlossen, man hat sie hereingenommen in die Reichs­berfassung, damit sie ein für allemal ausscheide aus der inneren deutschen   Politif. Als zuerst diese Frage von der konservativen Presse wieder angeschnitten wurde, hat der Herr Reichskanzler, um die daraus entstehende Beunruhigung in Süddeutschland   aus der Welt zu schaffen, im Reichstage eine Erklärung abgegeben, die flar und deutlich besagte, daß jede Abgabenerhebung lediglich für die Befahrung natürlicher Wasserstraßen Reichsjache sein müsse. Er fügte hinzu, daß, wenn ein Gesetz dieser Art täme, es die Bedingungen erfüllen müsse, die zu einer Verfassungsänderung gehören, d. h., daß weniger als 14 Stimmen im Bundesrat dagegen fein müßten.( Sört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Aber schon aur selben Zeit bestand im Schoße des preußischen Ministeriums die Absicht, den Paragraphen hinwegzuinterpretieren. Das Pro­duft der Interpretierungsfünfte haben wir im§ 19 der preußischen Ranalvorlage vor uns. Dieser Paragraph ist nach der Erklärung des Reichskanzlers vom Dezember 1904 eine flagrante Berlegung der Reichsverfassung. Freilich ist Fürst Bülow   preußischer Ministerpräsident im Hauptamt, deutscher   Reichskanzler nur im Nebenamt.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) So ist es denn nicht zu verwundern, daß er vor der Majorität des Klassen­parlamentes, bor Preußens herrschender Junkerschaft, zusammens geklappt ist wie ein Taschenmesser.( Lachen rechts, Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Die Verteuerung der Agrarprodukte ist eigentlicher Zweck und eigentliches Ziel der Schiffahrtsabgaben. Alles andere, was angeführt wird, ist Bemäntelung, die keinen Gin fichtigen täuschen wird.( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Liberale Optimisten erwarten vielleicht von der" Paarung" einen Bruch mit der Politik der Schiffahrtsabgaben. In Wirklichkeit Die erste Rede, in der der Herr Reichskanzler die Sozialbemo ist aber zu befürchten, daß das Wahlresultat dieser Politik nur fratie nicht angegriffen hat, war die gestrige. Da scheint ihm noch Vorsch ub leistet. Ganz Sachsen  , an seiner Spiße der eine Ahnung aufgegangen zu sein, daß die Sozialdemokratie doch sozialistenfeindliche Oberbürgermeister von Dresden  , Beutler, hat Zunächst einige Worte über unsere Stellung zu den Refolus fein so ganz zu vernachlässigender Fattor ist, wenn es sich um die ich gegen die Schiffahrtsabgaben ausgesprochen. Ich bin ge tionen. Der Resolution der Freisinnigen stimmen wir zu, ebenso auswärtige Politit Deutschlands handelt.( Lachen rechts.) Die spannt, wie sich die konservativen und die nationalliberalen Ab. der Begründung, die hier Herr Kaempf gegeben hat. Wir 3% Millionen Wähler der Sozialdemokratie fönnen da nicht außer geordneten aus Sachfen zu der Frage stellen werden. Die National gehen aber noch weiter. Wir meinen, daß die Armutsklausel, die Betracht gelassen werden.( Buruf rechts.) Herr Pauli meint, wir liberalen, darunter Herr Jund, der neulich sehr liberal sprach, Bestimmung, daß unverschuldete Armut dem Betroffenen die möchten 2 Millionen von unseren Wählern abziehen, die nicht über haben hier ausgezeichnete Gelegenheit, sich zugleich national und öffentlichen staatsbürgerlichen Rechte entzieht, ein Sohn auf den zeugte Sozialdemokraten sind. Nun, wenn die konservative Partei liberal zu betätigen. Unter den Freisinnigen sind wohl nur noch christlichen Staat ist. Man sagt: Armut schändet nicht." Das ist prüfen wollte, wie viele ihrer Anhänger mit Bewußtsein und wenige, die an die Verwirklichung liberaler Hoffnungen unter eine unwahrheit, wie vieles andere. Unsere Wahlrechtsbestimmun- Ueberzeugung zu ihr gehören, dann müßte sie mindestens 90 Bros. der Aegide Bülow hoffen. Hier handelt es sich aber nicht um einen gen zeigen ganz offiziell, daß Armut allerdings schändet.( Sehr ihrer Wahler abziehen.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten. liberalen Fortschritt, sondern um die Verhinderung eines flagranten wahr! bei den Sozialdemokraten.) Was die Resolution des 8en Buruf rechts.) Daß nicht die Sozialdemokratie es ist, die auf die Rückschritts, um die Behauptung einer liberalen Errungen­trums betrifft: die Reichsregierung zu ersuchen, auf den ver- Dummheit der Massen spekuliert, beweist die Tatsache, daß wir schaft.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich hoffe, daß schiedensten Wegen die Wohnungsfrage einer befriedigenden Lösung stets und überall für höhere Wolfsschulbildung eingetreten find, hier das liberal- konservative Kartell mit Knall auffliegt.( Lachen entgegenzuführen, so stimmen wir auch ihr zu. Die Begründung während den Herren auf der Rechten die Kinder in der Volksschule bei den Konservativen und Nationalliberalen.) Die Zentrums. dafür ist von uns oft genug gegeben worden, so daß ich sie nicht noch immer viel zu viel lernen.( Sehr wahr! bei den Sozialdemo- partei wird wohl ihre zweifelhafte Stellung beibehalten. Im zu wiederholen brauche. In der Resolution wird die Reichsregie- traten.) Abgeordnetenhause tritt ihre überwältigende Mehrheit für die rung weiter ersucht, darauf hinzuwirken, daß überall Wertzuwachs Jah fagte also, gestern hat der Herr Reichskanzler zum ersten Schiffahrtsabgaben ein. Ein paar Abgeordnete aus dem Westen steuern eingeführt und sonstige Maßregeln zur Erschwerung Male die Sozialdemokratie etwas schonend behandelt. Auf der find ja dagegen, aber diese wenigen rheinischen Herren machen die mucherischer Grundstücsspekulation ergriffen werden. In dieser anderen Seite war es interessant, daß die Konstellation, die wir Bentrumssuppe nicht fett.( Seiterkeit.) Beziehung tann ich auf das verweisen, was mein Parteifreund zu Beginn der Session in diesem Hause hatten, sich gestern plötz- Wir haben in Deutschland   nach innen und außen feine deutsche, Ginger vor wenigen Tagen hier ausgeführt hat. Die Vorbedingung lich verschoben hat. Unsere Voraussage, daß die Feindschaft sondern eine dafür, daß auf diesem Gebiete etwas geschieht, ist, daß das Privileg zwischen Zentrum und Regierung nicht lange dauern würde, hat föniglich preußische Politik, der Hausbesitzer in den Städten befeitic wird.( Sehr richtig! bei sich gestern als richtig erwiesen. Nechte und Zentrum haben sich deren Leiter es meisterlich verstehen, den nichtpreußischen Deutschen  den Sozialdemokraten.) wiedergefunden, und was war die Morgengabe Auch das ist sehr die Freude am Reiche au bergällen. Diese Seiter der preußisch