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dort verteilt worden sind/ ja dah die Wahltechnil deS Ver« b an d es bis ins klein sie dort zur Anwendung gelangt war? Sogar soweit, daß am Tage vor der Wahl die bürgerliche Presse die sattsam bekannte Warnung vor ge- fälschten Stimmzetteln brachte, die natürlich in Glauchau » Meerane genau sowenig existierten als wie in den anderen Wahlkreisen, von denen man dies bei den Januarwahlen behauptet hatte. DieVcrbands-Correspondenz" redet sich nun darauf hinaus, daß die Entsendung von Rednern allerdings auch gar nicht möglich gewesen wäre, weil die sozialdemokratische Wahl- kreisleitung beschlossen hatte, in den Versammlungen den Reichs» verbändlern da? Wort nicht zu erteilen. Das ist auch der einzig wahre Grund, weshalb die bekannte Schwindelgarde diesmal das Feld den Kollegen vomNationalen Ausschuß" überließ. Man behauptet, daß dies aus Angst vor den Reichsverbändlern geschehen sei. Was sich diese Sippe nicht alles einbildet! Nicht aus Angst vor den Virtuosen der Lüge ist dieser Beschluß gefaßt worden, sondern lediglich deshalb, weil man uns doch nicht im Ernste zu- muten kann, daß wir unsere Versammlungen zum Tummelplatz einer Anzahl Krakeeler machen lassen, die aus der Verleumdung der Sozialdemokratie ein Geschäft machen. Unsere Versamm- lungcn standen wie stets, so auch bei dieser Wahl, jedem Po» litischen Gegner offen, hat doch der nationalliberale Kandidat Dr. Clauß in jeder Versammlung, in der Molken- buhr sprach, das Wort ergriffen, und zwar wurde ihm stets un- beschränkte Redefreiheit eingeräumt. Nicht nur Dr. Clauß, auch die anderen nationalliberalen Redner bekamen das Wort, so A. B. der nationalliberale Generalsekretär Dr. We st ermann aus Leipzig . ES ist direkt erlogen, daß, wie die Schwindelkorre- spondenz behauptet, immer erst einige Sozialdemokraten das Wort nahmen, so daß der Gegner erst zu mitternächtiger Stunde zum Wort kommen konnte. Im Gegenteil, dem bei unS üblichen Ge­brauch folgend, sind stets nach unserem Referenten die Gegner eingeladen worden, das Wort zu ergreifen und sie haben davon auch den ausgiebigsten Gebrauch gemacht. Dagegen haben die Gegner uns in ihren Versammlungen keineswegs fteie Diskussion gestattet, vielmehr bot man dem ersten Redner eine Redezeit von einer halben Stunde an, jeder folgende Redner sollte nur eine Redezeit von zehn Minuten bekommen. Natürlich galt diese Einschränkung nur für sozialdemokratische Redner. Wie sehr der Reichsschwindelverband die Wahrheit haßt, das geht besonders aus einem Passus in dem Brandartikel hervor. wo in bezug auf denRedakteur" Müller gesagt wird:Und als dieser Herr wiederholt den Versuch machte, in dieser und jener sozialdemokratischen Versammlung zu Worte zu kommen, da mutzte er schließlich am letzten Tag in einer Versammlung in Hohenstein- Ernstthal am eigenen Leibe erkennen, wie die geistigen Waffen der großen Partei, die sich anmaßt, die Menschheit auf die höchsten Höhen der Kultur emporführen zu wollen, in Wirklichkeit beschaffen sind--- 7 Steinwürfe in den Rücken. Fußtritte gegen das Bein, so zwar, daß Herr Müller sich sofort in ärztliche Behandlung be» geben muhte." Um einer Legendenbildung vorzubeugen sei festgestellt, daß dieser angeblich so schwer verletzte Müller gleich nach dem an- gezogenen Vorgang im Wartesaal des Bahnhofespatriotische" Lieder mit brüllte. Um ärztliche Behandlung aufzusuchen, dazu hätte die Zeit, zwischen dem Schluß der Versammlung und dem patriotischen Krakeel auf dem Bahnhof gar nicht hingereicht--- die Geschichte mit dem schwer mißhandelten Müller ist also un- verfälschter Reichsverbandsschwindel. Die Wahl in Malmedy -Montjoie - Schleiden findet am heutigen Freitag statt. Der Wahlkreis gehört zum bombensicheren Besitz deS Zentrums. Von 18 543 Stimmen fielen am LS. Januar 17 418 auf den Prinzen Arenberg, den Zentrums- kandidaten, 763 erhielten die Nationalliberalcn und 834 die Sozial- demokraten. Es wird auch jetzt wieder- ein Zentrumsmann ge- wählt, nur ftagt es sich, da zwei ultramontane Kandidaten vor- banden sind, ob Regiernngsrat FervarS, der Erkorene des Kreiswahlkomitees oder Graf S p c e, der Mann der Zentrums- bauern. Der Vorsitzende des ProvinzialausschusscS der rheinischen Zentrumspartei hat zu vermitteln versucht und den nach Köln be- rufenen Vertrauensmännern des Wahlkreises den Vorschlag ge- macht, beide Kandidaturen fallen zu lassen und sich auf eine neue Kandidatur zu einigen. Aber dieser Einigungsversuch scheiterte an dem Widerstande der Zentrumsbauern, die von dem Agrarier Grafen Spce nicht ablassen wollen. Der Vorsitzende deS Rheini­schen BaucrnvereinS, Freiherr von Loe, erließ am Mittwoch in der ..Rheinischen Volksstimme" einen Auftuf zugunsten der Kandidatur Spee, der mit den Worten schließt:Darum Eifclbaucrn, voran für Euer heilige? Recht und die Ehre der gesamten Landwirtschast, die es ablehnt, weiter zurückzuweichen." Wie es übrigens in diesen bombensicheren Zentrumswahl- kreisen zugeht, beweist der Umstand, daß das Kreiswahlkomitee aus sieben Personen besteht, trotzdem daS Parteistatut deren zwölf vor- schreibt. Und die Vertrauensmänner scheinen auf Lebenszeit ge- wählt zu sein, denn in einer Wahlversammlung erklärte ein Pfarrer, er amtiere jetzt zehn Jahre im Kreise, habe aber noch niemals etwas von einer Wahl der Vertrauens- männer gesehen. In derselben Versammlung erklärte Frei- berr von Loe, daß hier schwere Mißstände herrschten, welche die sonst zcntrumStreucn, braven Eifel bauern gar nicht zu Worte kommen ließen, über deren Kopf hinweg einfach ein nicht genehmer Kandidat aufgestellt würde, dem dann aus Partei- disziplin zum Siege verholken würde. Derartige Mißgriffe würden sonst treue und einflußreiche Freunde der Partei zu Geg- nern derselben machen; die sonst politisch ruhige Landbevölkerung ließe sich eine solche Behandlung auf die Dauer ebensogut nicht ge- fallen, wie eS die Arbcitcrbevölkerung der Jndustriebevölkcrung schon längst nicht getan haben würde. Es ist für die Politik von keinem Belang, ob heute in Mal- medy-Montjoie-Schleiden Regierungsrat Fervars oder Graf Spee gewählt wird und ein etwas mehr städtisch oder ein stark ländlich angehauchter ZentrumSmann in den Reichstag ci»zieht. Nur für di" innerparteilichen Verhältnisse des Zentrums sind diese Vor- gänge interessant; sie beweisen, wie viele und wie tiefe Gegensätze im Zentrum widereinander streiten. Die Maifeier. Aus verschiedenen Ortest und Gegenden de» Reiche» find uns noch Berichte zugegangen, die alle von erfreulichem Verlauf und fast durchweg von wachsender Beteiligung reden. Wir glauben indes von einer weiteren Berichterstattung Abstand nehmen zu können. Bauernrebellion gegen den demokratischen Schntzzöllner. Bekanntlich hat kürzlich der bemokratifche Volksparteiler Wicland im Reichstag das Lob deS Brot- und Fleischwucher» gesungen. Aber dieser eigenartige Demokrat hat damit bei seinen kleinbäuerlichen Wählern wenig Gegenliebe gefunden.- Jedenfalls wird ihm jetzt aus seinem eigenen Wahlkreise, und zwar von einem Kleinhandwcrker. der selbst Landwirtschaft treibt und schon ein Menschenalter unter den Kleinbauern lebt, in einer Zuschrift an den Stuttgarter Beobachter" nach- gewiesen, daß seine Behauptungen,;owcit sie die Lage der kleinen Landwirte und Handwerker seines eigenen Wahlkreises betreffen. auf einer durchaus unbegründeten optimistischen An- nähme beruhen. Der Kleinhandwerker weist darauf hin, daß die dortigen Kleinbauern sowohl im Tal wie auf dem Schurwald früher durch die Schweinezucht wenigstens einen Teil dessen erlöst haben, was sie zur Einlösung ihrer Verbindlichkeiten jähr- aus jahrein bedurften. Auch dieser Zweig der Landwirtschaft sei ihnen letzt aber durch die verteuerten Futtermittel erheblich abgeschnitten. Sie sind durch die Zollpolitik, die das Signal zur allgemeinen Preissteigerung wurde, ganz em- pfindlich geschädigt und so fügt der Kleinhandwerker hinzu Wenn Herr Wieland wieder einmal zu uns ins Remstal kommen wird, werden wir ihm dies in ausführlicherer Weise noch vor- rechnen können, und es wird sich dabei zeigen, daß Herr Wieland in unserer Gegend und auf dem Schurwald wenige wirkliche Kleinbauern finden wird, die seinem Lobe der Zollpolitik beipflichten." Es ist charakteristisch für die politische Rückgratlosigkeit der äußersten bürgerlichen Linken, daß demdemokratischen" Schutz- zöllner W i e I a n d erst jetzt von seinen kleinbürgerlichen Wählern die Leviten gelesen werden. Die Partei selbst hat bis jetzt ihren Fraktionskollegen seiner grotesken agrarischen Seitensprünge wegen nicht rektifiziert. Die Ursachen der Unruhen, in Kamerun . Kamerun gehört zu den Kolonien, in denen die Strafexpeditionen, trotzdem man von ihnen in der Oeffentlichkeit nur wenig hört, selten abreißen. Auch in den Jahren 19041906 sind wieder solche Expeditionen, deren Kunde freilich im südwestafrikanischen Kriegs- lärm verhallte, ausgeführt worden. Der Hauptmann Scheune- mann hat über diese Unruhen und Strafexpeditionen nunmehr Be- richt erstattet. Ueber die Ursachen der Unruhen bekundet der sicher eher zu rosig als zu schwarz färbende militärische Berichterstatter, daß dieHabgier" der Eingeborenen namentlich nach den G e- wehren und nach dem Pulver der Kaufleute ein Hauptmotiv deS Aufstandes der südlichen Stämme gewesen sei. Ebenso zweifellos erscheint aber auch, daß zahl- reiche Uclicrgriffr der farbigen Händler uud zum mindesten grobe Unvorsichtigkeit der weißen Kaufleutc in der Behandlung dieser sich ihrer Kraft bewußten kriegerischen Kannibalenstämme die Katastrophe gezeitigt haben. Keinesfalls kann sich die Unzufriedenheit dieser Stämme gegen die Maßnahmen der Regierung gerichtet haben. Es handelte sich tatsächlich um ein noch nicht unterworfenes Gebiet, das trotz wieder- Holter Warnungen lediglich vom Kaufmann betreten wurde." Die wackeren Händler, die ja auch zu einem erheblichen Teil den südwe st afrikanischen Aufstand verschuldeten, haben also auch die Kameruner Aufstände wesentlich mitverschuldet I Und das Ergebnis des Blutvergießen»? Hauptmann Scheunemann berichtet: Die zu bekämpfenden Stämme sind kriegerischer Natur und durch ewige Streitigkeiten untereinander k r i e g s- erfahren und im Waffenhandwerk geübt. Diese gegenseitigen Zwistigkeiten hinderten die Eingeborenen jedoch nicht, gegen ihren gemeinsamen Feind, den Europäer, gemeinsam vor zu- gehen. Dazu brachte der Handel daS nötige Kriegsmaterial ins Land. Die Angriffe der Njem bei hellem Tage auf stark befestigte Lager, da» erbitterte Handgemenge beim Sturm auf Bokamoneue bewiesen, daß die Zeiten vorbei sind, wo auch eine kleine Truppenabteilung unter Europäerführung in offenem Gefecht keine Uebermacht der Feinde zu fürchten hätte. ES wäre eine unverantwortliche Selbsttäuschung, wollte man sich der Erkenntnis verschließen, daß die Eingeborenen Kameruns gelernt haben, den Europäer mehr und mehr nach feine ni wahren Werte einzuschätzen, nicht aber das gottähnliche Wesen mehr in ihm zu sehen wie früher." Es stehen uns also auch in Kamerun hochwahrscheinlich bald genug neue Kämpfe bevor! JeskoS Rehabilitierung! Entgegen den Meldungen, Jesko svlle zu seiner Rehabilitierung und zur Stärkung deS Ansehens des Reiches(1) wenigstens auf kurze Zeit wieder als Gouvemeur nach Kamerun entsandt werden, hatte dieNord d. Allgem. Ztg." erklärt, daß ein solcher Entscheid noch nicht gefallen sei. Jetzt erklärt nun dieTägliche Rundschau", daß nunmehr, sicherem Vernehmen nach, bestimmt sei, daß Jesko wenigstens auf etliche Wochen wieder auf Kamerun als Gouverneur losgelassen werden solle! DieS also ist dereiserne Besen" DernburgSl Schweiz. Volksabstimmung über Proporz und LehrlingSschutz. Zürich , 27. April. (Eig. Ber.) Im Kanton Schwyz fand am Sonntag die Volksabstimmung über da» verbesserte Proporz- gesctz, das mit 2422 gegen 1915, und über das neue Lehrlings­schutzgesetz statt, das mit 3040 gegen 1264 Stimmen angenommen wurde. Im Bezirk Einsiedeln wurde mit 1957 gegen 744 Stimmen die Einführung der geheimen anstelle der bisherigen offenen Ab- stimmung für die Bezirkswahlen beschlossen. Im Kanton Schwyz beginnt die Stimmberechtigung für die jungen Bürger schon mit dem 18. A l t e r S j a h r, für die e i d- genöffifchen Wahlen und Abstimmungen nach dem Bunde ». gesetz mit dem 20. Lebensjahre. Das neue Lehrlingsgesetz bietet nichts Besonderes. Es verpflichtet u. a. den Lehrherrn, der Inhaber eines gefährlichen Betriebes ist, den Lehrling gegen Unfall zu versichern. In die für jede Gemeinde vom Gemeinderat zu bestellende Lehrlings- koiiiinifsion von 2 bis 5 Mitgliedern sind tüchtige Berufsleute beiderlei Geschlechts wählbar. Eine arge Rückständigkeit ist die Festsetzung der täglichen Arbeitszeit auf 11 Stunden, obwohl auch im Kanton Schwyz in Gewerbe und Industrie der Zehn- und Neunstundentag schon besteht! Wenn man den Lehrling schützen will, darf man kein Unternehmerschutzgesetz machen. ftonkreld). Der Tag des GrnselnS. Paris . 2. Mal.'(Eig. Ber.ss Die für den 1. Mai vorgemerkteRevolution" ist wieder ein- mal ausgeblieben. Alle Bemühungen der Kompagnie Clemen- ccau-Lepine erreichten gestern nichts weiter, als daß an 300 Leute verhaftet wurden, die man bis auf die Ausländer gleich wieder heimgehen ließ, weil sie nicht da» geringste angestellt hatten. Freilich, derTemps" bringt heute da» Zeugnis eine» hohen Polizeibeamten bei, der versichert, daß die Arretierten ganz das Zeug dazu gehabt hätten. Barrikaden zu bauen, wenn nun eben wenn man gestern Barrikaden gebaut hätte. Unter diesen von den kühnen Ordnungswächtcrn gefangenen und mangels einer Barrikadenrevolution wieder losgelassenen Uebeltätern gab ei etliche, die schon im Alter von 12 und sogar von 10 Jahren die verruchte terroristische Taktik deSNichtauSeinander- gehens" beherrschen. Wie im vorigen Jahre aber hatte eS die Polizei besonders auf die Ausländer abgesehen. Wpr in der Nähe der Arbeitsbörse russisch sprach oder auch nur russisch oder sonst exotisch aussah, der wurde festgenommen und möglichst un- sanft nach der Kaserne an der Place de la Räpubliguegeführt", wo eine Art Feldgericht etabliert war. Der amtierende Polizeibeamte fuhr die Arretierten in grober Weise an:WaS haben Sie sich in unsere Angelegenheiten zu mischen? (ES handelte sich ausnahmslos um Züsch au c-r.) Man wird Sie heimschasfen, damit Sie sich nur um die Ihrigen kümmern." Kein Wunder, daß sich die Russen bei diesem Benehmen lv der Republik wie zu Hause sühltSg, < Run hat ja die Polizei allerdings da» Glück, eftttge devaverkkche Vorgänge deS gestrigen TageS ausschlachten zu können: die Revolver- schüsse deS ganz offenbar verrückten russisch-amerikanischen Schneiders Law auf eine Kürrassierabteilung, und weiter ein paar ebenso harmlos verlaufene Schüsse auf Polizisten. Um die geistige Verfassung des Law zu charakterisieren, genügt die Tatsache, daß er hartnäckig darauf besteht, er habe auf Offiziere schießen wollen, während nachweislich überhaupt keine Offiziere in der Nähe waren! Hat der Mann etwa alle reitenden Soldaten für Offiziere angesehen? Auch im Augenblick nach der Tat hat er durchaus den Eindruck eines Geisteskranken gemacht. Die Leute, die ihn festnahmen, allerdings auch! Erschien Law wie ein Halluzinierter, so seine Lhncher wie Tollwütige. DaSPublikum", das auf das Omnibusverdeck emporkletterte und ihn hinunter» schleuderte, bestand zumeist aus Geheimpolizisten. Der ganz in Apathie versunkene Mensch wurde.üt Faustschlägen und Fuß» tritten schändlich zugerichtet, so daß er, als man ihn forttranS- portierte, nur eineblutigeFleifchmafse war. Man muß eS als ein Glück bezeichnen, daß sich zufällig auf dem Wagen keinö neugierigen Fremden befanden. Sie wären sicher al»Komplicen� mitgelyncht worden. So verdammenswert auch die anderen Gewaltakte bleiben, so kann man bei objektiver Beurteilung nur sagen, daß die Pariser Arbeiterschaft ein ganz erstaunlich ruhiges Blut hat. Wer da» un- aufhörliche Schauspiel vorübertrabender oder in die Menge hinein» reitender Kavallerie, die Gewalttätigkeiten der Detektivs, die provozierenden Polizeimanöver gesehen hat, der kann psychologisch begreifen, daß ein neurasthenisch veranlagter Zuschauer plötzlich alle Hemmungen verliert und in einem kaum bewußten Reflex eine Tollheit begeht. Man darf ruhig aussprechen, daß eS keine Weltstadt gibt, wo eine angesammelte Volksmenge allen nerven- erregenden Herausforderungen so widerstünde wie in der Haupt- stadt der doch als temperamentvoll geltenden Franzosen. Der im ganzen so ruhige Verlauf des gestrigen Tage» hat die Scharfmacher in ziemliche Verlegenheit gebracht. DerTemps " bemüht sich heute krampfhaft, die unumgängliche Anerkennung dieses friedlichen Charakters der Maifeier, die er allerdings auf die.Präventivmaßregeln' der Regierung zurückführt, mit der Forderung einer Fortsetzung der Gewaltpolitik gegen die Arbeits- konföderation zu vereinigen! Dabei drückt sich dieses Bourgeois- blatt gleich den anderen um die verdrießliche Tatsache herum, daß der gestrige Tag einen geradezu überraschenden Beweis von der Klarheit und Energie erbracht hat, mit der das französische Prole- tariat die Idee der sozialistischen Maifeier erfaßt hat. Die ArbeitSruhe bor allem hatte diesmal einen Umfang, den man seit 1890 und 1891 in Frankreich nicht gekannt hat! Die Mai- feier ist gestern fester Besitz der französischen Arbeiterschaft geworden. Bei dieser Gelegenheit sei auch anerkannt, daß die hiesigen ausländische n Arbeiter ihre sozialistische Pflicht musterhaft erfüllt haben. In vielen Werkstätten mit national gemischter Arbeiterschaft waren gerade sie es, die die Schließung durch- gesetzt haben. Wie in den letzten Jahren vereinigte ein Fest im Chateau du Peuple im Boulogner Wäldchen mehrere ausländische Organisationen. ES wurden deutsche, tschechische und magyarische Reden gehalten, und der deutsche Arbeiter-Eängerbund trug Chöre vor. Der Geist internationaler Brüderlichkeit waltete über der stattlichen Versammlung. Italien . Eine Interpellation über denAirnnti". Rom , 27. April. (Eig. Ber.) In der Sitzung der Kammer vom 26. April hat der konscr« bative Abgeordnete S a n t i n i den Schadminister interpelliert über die don der.Azioüe" während der jüngsten Polemik ans Licht gezogene Tatsache, daß derAvant i" zum Diskont an der B a n c a d' I t a I i a" zugelassen ist. Der Unterstaatssekretär F a s c e antwortete dem Interpellanten, daß Enrico Ferri am 2. Juli 1906 darum nachgesucht habe, zum Diskont der Banca d'Jtalia zugelassen zu werden; dieses Gesuch wurde bi» zur Höhe von, 20 000 Lire bewilligt. In der Folge wurden zwei Wechsel in der Höhe von insgesamt 17 000 Lire vorgelegt, die vom Verlag des Adanti" auf Ferris Namen ausgestellt und von diesem auf die Banca d'Jtalia giriert worden waren. Diese Effekten wurden je zweimal erneuert und bei jeder Erneuerung um 1000 Lire der- ringert. Der Generaldirektor der Bank hätte von der Zulassung zum Diskont nichts gewußt. Der Schatzminister und der General. direktor hätten jetzt Maßnahmen getroffen, damit in der Folge keine Operationen mehr vorgenommen werden, die durch die Stellung der Beteiligten einen politischen Charakter annehmen könnten. Der Interpellant antwortete lang und natürlich recht aus- fallend. Er wie» darauf hin, daß Enrico Ferri für eine Bank nicht ckls solvibel gelten könnte, da er nicht einmal den Schaden- ersatz an den Admiral Bettolo zu zahlen vermocht hatte.(Es handelt sich um die 90 000 Lire, die das Gericht dem Admiral Bettolo in dem bekannten BeleidigungSprozeß zugesprochen hatte.) Santini sprach unter häufigen Unterbrechungen, von dem Zentrum applaudiert und unter Protestkundgebungen der spärlich vcr- tretenen äußersten Linken. Genosse E. Ferri war durch eine AgitationStour verhindert, an der Sitzung teilzunehmen. Die Syndikalisten Italiens nnd dieAziane*. Rom , 27. April. (Eig. Ber.) Bis heute haben die syndikalistischen Gruppen von Mai- land, Turin , Florenz , Ferrara und einer Reihe kleinerer Städte zu der Frage derAztonc" und dem Beschluß des ParteivorstandcS Stellung genommen. Alle diese Gruppen haben derAzione" ihre unbedingte Solidarität ausgesprochen und Geldsammlungen beschlossen,»m die Zeitung in den Besitz der syndikalistischen Fraktion zu bringen. Auch die Partciabteilung von Peglia(Ligurien ) hat sich für dieAzione" und gegen den Partcivorstand ausgesprochen. Dagegen hat die zur Mehrheit aus Syndikalisten bestehende Parteiabteilung von Neapel eine Tages- ordnung L a b r i o l a abgelehnt, die M o r g a r i wegen der Art- seines Vorgehens tadelte, dem Parteivorstand den Vorwurf der Parteilichkeit machte und neben der Erklärung, daß ein Rücktritt der Redaktton wünschenswert wäre, eine Billigung der Haltung LeoncS und seiner Kollegen enthielt. Angenommen wurde in Neapel die folgende Tagesordnung: Die neapolitanische Parteisektion konstatiert, daß dieAzione" sich über die Herkunft ihrer Geldmittel nicht auszuweisen vermocht hat und beklagt die Haltung der Genossen, die sich weigern, aus der Redaktion auszutreten." Inzwischen dauern die Vorbereitungen zum Kongreß und für den Rückkauf derAzione" in den Syndikalistenkrcisen fort- Ueber Ort und Zeitpunkt des Kongresses wird eine Urabstimmung statt- finden, was jedenfalls nicht geringe Schwierigkeiten bereiten wird, da e» wohl MitgliedLlisten der sozialistischen Sektionen, nicht aber der syndikalistischen Mitglieder dieser Sektionen gibt. Für den Anlauf derAzione" sind bis jetzt 1985 Lire eingelaufen.-» Die russische Revolution. Außer Kraft. ' Petersburg , 3. Mai. Auf Grund des Artikels 87 der Staatsgrundgesetze treten heute eine Anzahl von Verord- nungen außer Kraft, weil die Borlagen, durch welche dieselben sanktioniert werden(oätend in her Aeichsduioa vicht ein»