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Nr. 103. 24. Jahrgang. 3. KnlM des Amiirls" Kcrlim KllrsM Sonnabend, 4. Mai 1907. Verkaufserlöse und Löhne im Bergbau. Interessante Zahlen über Verkaufserlöse und Löhne pro Tonne Förderung enthäll eine Eingabe die der Verein für die bergbau« lichen Jmeressen im Oberbergamtsbezirk Dortmund zur Begründung seines Prorestes gegen die Novelle zum Berggesetz, durch welche der Staat sich das Mutungsrecht reservieren wollte an den Landtag ge- richtet hat. In der Eingabe, wird nachgewiesen, daß der Fiskus in der Preisgestaltung und auch in der Plusmacherei dem Privatkapital noch überlegen ist. Den Angaben über Erlös und Lohnkosten fügen wir die Angabe über die Spannung zwischen diesen beiden Posten bei. Es betrug: Die Saarkohle ist demnach wesentlich teuerer, und ist bei ihp die Spannung zwischen Erlös und Lohntosten größer wie beim Kohlensyndikat. Bei der westfälischen Kohle ist die Spannung im Jahre 1905 aber wieder ziemlich nahe an die des JahreS 1991 heran» gekommen; die Differenz beträgt nur noch 22 Pf., während sich bei den Staatswerken eine Differenz von 191 Pf. ergibt. Demnach hat sich eine EntWickelung zuungunsten des Kohlensyndikats vollzogen. Die enorme Verteuerung der Kohlen zeigt diese Aufstellung, auS der auch zu ersehen ist, daß der FiskuS bei der Preisfestsetzung den Fiskus nicht bevorzugt. Für die von den preußischen Eisenbahn» Verwaltungen benötigten Kohlen wurden veranschlagt Seit 1896 ist die westfälische Kohle um 2,67 M. 39 Pro}., die Saarkohle um 3,49 M. 33 Proz. teurer geworden. Der Staat ist von dem höchsten Preisstande im Jahre 1993 etwas herabgegangen, da- gegen ist die preußische Kohle weiter im Preise gestiegen. Beide Ver- käufcr haben aber vom Staat höhere Preise genommen, als wie sie im Durchschnitt erzielten und für den Staat sind die Preise stärker hinaufgesetzt worden, wie für den Privatkonsumenten. Der vom Staat gezahlte Preis erhebt sich über den DurchschnittSerlöS 1396 1995 bei der westfälischen Kohle um... 9,27 M. 1,57 M. ,, Saarkohle um...... 0,58. 2,41, Selbst wenn man den vom Staat geforderten höheren Preis mit der von diesem beanspruchten Qualitäten rechtfertigen könnte, dann immer noch nicht die Steigerung deS Ausschlages. Weiter werden Angaben gemacht über erzielte Ausdeute nach Abzug der Zubuße. Pro Tonne Förderung wurden gezahlt: Ausbeute bczw. Dividende im OberbergamtS- bei den bezirk Staats werken Dortmund M. M. 1896..... 9.83 1,29 1897..... 9,99 1,46 1898..... 1,04 1,40 1899..... 1,10 1,74 1900..... 1,34 2,71 1901..... 1,35 2,69 1902..... 1,23 1,96 1903..... 1,18 1,44 1904..... 1,17 1,61 Hierzu wird bemerkt: «In Wirklichkeit wird die fiskalische Ueberschußwirtschaft durch die vorstehenden Zahlen noch nicht in ihrem vollen Um­fange illustriert. Die sämtlichen Kosten für Neuanlagen und Erweiterungsbauten entnimmt der Saarfiskus dem Betriebe, während der Ruhrbergbau die zu solchen Zwecken erforderlichen Mittel in der Hauptsache auf dem Wege der Kapitalbeschaffung aufbringen dürfte. Der tatsächliche Ueberschuß des staatlichen Saarbergbaues stellt sich daher wesentlich höher als der vor- stehend nachgewiesene rechnungsmäßige Gewinn." Ohne die Plusmacherei aus Kosten der Arbeiter verteidigen zu wollen, muß aber doch betont werden, daß die Ueberschußwirt- schaft des Staates viel mehr Berechtigung hat, als die des Privat- tapitals. Die Ueberschüsie der Staatswerke gehören immerhin der Gesamtheit, die Gewinne der Privatgrubcn dagegen fließen in die Taschen einzelner Leute. Daß aber auch im Privatbetriebe erhebliche Mittel auS den Betriebseinnahmen entnommen werden, möchten wir aus den Geschäftsberichten der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft dartun. Diese Gesellschaft hat in der Zeit von 1898 bis 1994 rund 60 Mil- lionen Mark für Neuanlagcn aufgewendet. In derselben Zeit wurde das Aktienkapital aber nur um nominell 25 Millionen Mark erhöht. Wenn auch die Angaben nur einen Teil des wirklichen Ge- Winnes umfassen, lediglich die von den gesamten Unternehmern ge- zahlten reinen Ausbeuten, nach Abzug der Zubuße, die in der Hauptsache dem weiteren Ausbau der Anlage dienten, nach Abstoßung der Tantiemen, der Gewinnanteile, der Reserven, der Zinsen für Hypotheken und Anleihen, der Verwendungen zu Neuanlagen usw., so kommen auf den Kopf der Belegschaften doch schon ganz respektable Summen heraus. Im Oberbergamtsbezirk Dortmund entfallen auf den Kopf der Belegschaft(einschließlich Beamte) für das Jahr 1904 rund 250 Tonnen Förderung. Die erzielte reine Ausbeute wird in der Eingabe mit 1,17 M. angegeben, mithin pro Kopf eine Ausbeutesumme von 282,5 M. Für 1903 stellt sich die Gewinnsumme auf 298,1 M. Und das sind die beiden ungünstigsten Jahre seit 1809. Die Förderung der StaatSgruben im Saarrevier stellt sich für 1904 bei 45 963 Mann Belegschaft auf 363 720 Tonnen. Pro Köpf ergibt sich eine Fördermenge von 225,48 Tonnen. Da der erzielte Ueberschuß pro Tonne mit 1,61 M. ausgewiesen wird, ent- fällt auf den Kopf ein Gewinn von 363,02 M. Das ist jedenfalls eine ganz respektable Plusmacherei. Partei- Angelegenheiten. Zur Lokalliste! Auf Wunsch der organisierten Parteigenossen von Werder a. H. richten wir an die organisierte Arbeiterschaft das oringende Ersuchen, bei ihren Ausflügen zur diesjährige» Baum- blüte sowie zur dortigt» Ausflellung die Lokalliste streng beachten I zu wollen. Das einzige freie Lokal am Orte ist derSchwarze Adler", Inhaber Gen, Max Koch , Fischerstr. 98. Um nun bei dem starken Besuch der Baumblüte und der Ausstellung dies Lokal etwas zu entlasten und auch den Arbeiterradfahrern so weit als möglich entgegenzukommen, ist außerdem noch eine Fahrrad- auf Bewahrung mit Fruchtweinverkauf eröffnet worden, dieselbe befindet sich direkt an der Ausstellung, Werder , Unter den Linden 10, beim Gen. Bernhard Rettinger. Alle sonstigen Anfragen sind zu richten an Gen. Gustav Wüstenhagen, Brandenburgerstr. 36, Die Lokalkommission. Rixdors. Die Genossen, welche die Absicht haben, die Herren- Partie nach Beeskow mitzumachen, werden gebeten, sich am Montag­abend 8Vz Uhr zu einer Vorbesprechung bei Hoppe, Hermannstraße, einzufinden. Der Vorstand. Steglitz . Am Sonntagmorgen um 7 Uhr Flugblatt« Verbreitung zur Gemeindewahl m sämtlichen Bezirken. Zahl- reiche Beteiligung ist dringend nötig. Remickendorf-Weft. Am Dienstag, den 7. Mai, abends 8 Uhr, !mdet im Lokale von Franke, Eichbornstr. 18, eine öffentliche Ver- ammlung statt. Tagesordnung:«Wofür zahlen wir Steuern". Referent Genosse Fellwock. Die Handzettelverteilung hierzu erfolgt am Sonntag früh. Die Genossen werden ersucht, für diese Versamm lung lebhaft zu agitieren. Zu der am Himmelfahrtstag veranstalteten Agitationstour werden die Genossen, die daran teilnehmen wollen, ersucht, sich beim Genossen Dolata, Llugusta Viktoria-Allee 33, 1. Hof. 2 Treppen zu melden._ Berliner JNaebnebten. Der Unterricht im Deutsche « in de» Berlmer Gemeindeschulen. Wir haben schon öfter Gelegenheit gehabt, auf die mehr als mangelhasten Leistungen der preußischen Volksschule hüv zuweisen. Die Rückständigkeit derselben zeigt sich vor allem auf dem Gebiete des Unterrichts im Deutschen . Selbst die Berliner Gemeindeschulen, die doch wohl nicht zu den schlechtesten des preußischen Staates gehören, weisen in diesem Unterrichtszweige nur recht kümmerliche Leistungen auf. Wie wenige der abgehenden Schüler unserer Gemeindeschule sind imstande, einen von groben orthographischen, Rektions- und Zeichenfehlern fteien Brief zu schreiben! Und da hat man die Kinder acht Jahre lang in der deutschen Sprache unterrichtet. Rur in den wenigsten Fällen sind für diese jammervollen Zustände die Lehrer selbst verantwortlich zu machen. Auch hier trifft wie für alle Mißstände des preußischen Kulturlebens dem herrschenden System die Hauptschuld. Was kann man von einer Schule erwarten, in der man auf der Oberstufe zw«r sieben Stunden wöchentlich zur Erzeugung christlich preußischer Gesinnung aber nur sechs Stunden zur Pflege der deutschen Sprache verwendet! Von diesen sechs Stunden werden noch dazu zwei zur Behandlunggehaltvoller, sittlich religiösbildender" Lesestücke und mindestens zwei weitere zur Anfertigung von Paradcheften für die Herren Aufsichtsbeamten verwendet, so daß glücklich zwei Stunden für den eigentlichen Sprachunterricht übrig bleiben. Neben der geringen Stundenzahl tragen auch noch andere Umstände dazu bei, daß das Ziel des Unterrichts im Deutschen , die volle Sicherheit im mündlichen und schriftlichen Gebrauche der Muttersprache, nicht erreicht wird, so vor allem der, daß die städttsche Schuldeputation den Lehrern bisher die erforderlichen methodischen Hülfsmittel versagt hat. Von allen Methodikern wird zum erfolgreichen Betriebe des Unterrichts im Deuffchen ein Sprachbuch ge- ordert. Der Grundlehrplan der Berliner Gemeindeschule ver- langt denn auch, daß von der siebenten Klasse an die sprachlichen Uebungcn und Belehrungen nach fester Ordnung unter An- lehnung an ein Sprachbuch auftreten, das den Stoff auf die einzelnen Jahrgänge verteilt. Nach dem neuen Grund- lehrplan wird seit dem Jahre 1902 in unseren Gemeinde- 'chulen unterrichtet, aber bis heute, also nach Verlauf von ünf Jahren, hat es die Schuldeputation noch nicht für nötig gehalten, ein Sprachbnch einzuführen. Die Gründe für dieses eigenartige Gebaren sind uns nicht bekannt. Ein Mangel an brauchbaren Sprachbüchern ist keineswegs vorhanden. Die ganze Angelegenheit erscheint in sehr eigenartigen! Lichte, wenn man erwägt, daß die städtische Schuldeputation in anderen ähnlichen Fällen sehr schnell gearbeitet hat. Für den Religionsunterricht der evangelischen Gemeindeschulen hat sie schon im Jahre 1904 das nach dem neuen Lehr- Plane bearbettete Lehrbuch von Fischer und Scholz ein- arführt. Es entspricht zwar dem neuen Preußischen Kurs, den Religionsunterricht, denwichtigen" Unterrichts- zweig, in allererster Linie zu versorgen, daß ihn aber gerade die steisinnige Schulverwaltung Berlins einschlägt, ist jeden- falls etwas Neues. Vielleicht erinnern sich die hochmögenden Herren im Rathause eines Tages auch einmal des Unterrichts im Deutschen : so lange kann die Schule getreulich warten. Daß sie nicht von ungestümen Mahnern an ihre Pflicht er- innert werden, dafür hat ja ihr Schutz- und Schirmvogt, Herr v. Studt, gesorgt, indem er die Schuldeputationen vor der sozialdemokratischenVerseuchung" väterlich behütet hat. Gegen die Kinematographen macht schon seit längerer Zeit sich eine Mißstimmung bemerkbar, die aus der Sorge um das Wohl der Jugend entstanden ist. Es wird als bedenklich angesehen, daß durch die Kinematographen und ähnliche Schau- stellungen besonders Kinder angelockt werden, daß rber die dort ge» zeigten Szenen manchmal ganz und garnichtsürKinder geeignet sind. Ein Versuch, gegen die den Kindern von dort aus drohenden Gefahren die Oeffentlichkeit zur Gegenwehr auf- zurufen, wird durch denVerein der Interessenten der 46. Ge- meindeschule" unternommen, der im Südosten der Stadt besteht und Lehrer wie Eltern zu Mitglieder» hat. In voriger Woche hat dieser Verein, der die Beziehungen zwischen Schule und Haus zu fördern sich bemüht,»ine öffentliche Versammlung ver- anstaltet, um über dieKinematographen ",Bioskope".Theater lebender Photographien" und wie diese Institute sonst noch sich nennen, eine Aussprache herbeizuführen. In dem einleitenden Referat eineS Herrn Julius Hildebrandt wie in den Ausführungen der meisten Diskussionsredner wurde anerkannt, daß Kinemato- graphen usw. ein wertvolles Bildungsmittcl sein können. Es wurde aber einmütig beklagt, daß durch manche Darbietungen dieser Institute die KindeSseele geradezu vergiftet werde. Als Beispiele hierfür wurden Liebesabenteuer, Verbrechen und ähnliche für ein Kindesauge ungeeignete Szenen angeführt, die man in Kinematographen usw. leider ebenfalls sehen könne. Ein allgemeines Verbot solcherSehenswürdigkeiten" wurde nicht ge- fordert. Wohl aber wurde es als dringend notwendig bezeichnet, daß sie wenig st ens den Augen der Kinder vorent- halten werden. Durch die Unternehmer und eventuell durch die Polizei solle dafür gesorgt werden, daß Kinder nur dann Zutritt erhalten, wenn die dargebotenen Szene» für sie geeignet sind. Von anderer Seite wurde betont, daß man die Polizei überhaupt nicht zu Hülfe rufen solle, und daß im übrigen von den Unternehmern ein Verzicht auf ihren Profit nicht erwartet werden dürfe. In Schule und Haus müsse die Jugend über den Unwert gewisser Dar- bietungen der Kinematographen usw. belehrt werden. Der Rektor der 46. Schule teilte mit, daß anscheinend die Schulbehörde eingreifen wolle; der Schulinspektor seines Schulkreises habe sich von ihm Bericht über diese Versammlung ausgebeten. Ein Redner warf der Lehrerschaft vor, daß sie sich viel zu gleich- gültig verhalte. Einer der anwesenden Lehrer suchte das daraus zu erklären, daß ihrem Einfluß auf die Schuljugend zu enge Grenzen gezogen seien. Welche Schwierigkeiten Arbeitern gemacht werben, wenn sie einmal die Landesversicherungsanstalt in Anspruch nehmen wollen, geht aus einem Fall hervor, der uns dieser Tage vorgetragen und durch vorgelegte Zeugnisse und Atteste bestätigt wurde. Der Maurer W. in Schöneberg ist 61 Jahre alt und leidet an starken Magen- Beschwerden. Er kann die Nahrung nicht mehr zerkleinern, weil ihm die Zähne nach und nach ausgefallen sind. Zur Verhütung dieser Beschwerden benötigt er eines Gebisses. Die Krankenkasse schickt den Mann zum Arzt, der den Uebelstand auch erkennt und die Beschaffung eines Gebisses für dringend notwendig erklärt. Mit diesem Attest geht der Maurer zur Kasse, die ihn nunmehr zum Zahnkünstler schickt. Dieser erachtet ein Gebiß mit 26 Zähnen a 3 M. für notwendig, die einen Kostenaufwand von 78 M. ver- ursachten. Damit ging's wieder hin zur Kasse. Diese erklärte sich bereit, 20 M. zuzuzahlen, während den übrigen Teil die Landesversicherung der Provinz Brandenburg tragen sollte. Jetzt wanderte W. nach dem Bureau der Landesvcrsicherung der Provinz Brandenburg in der Mathäikirchstraße. Hier erklärte man sich bereit, drei Fünftel zu zahlen, aber die Papiere genügten noch nicht, obwohl W. ein Schreiben der Kasse vorlegte, in welchem diese den Anspruch anerkannte und ihre Bereitwilligkeit zur Zahlung des Teilbetrages aussprach, außerdem legte W. das ärztliche Attest und das des Zahnkünstlers vor. Also wieder hin zur Kasse, die dem W. eine ganz spezialisierte Kostenaufstellung mitgibt. Dann gehts noch mal zum Arzt. Der wundert sich über das Verlangen der Anstalt. Weil es aber ein armer Teufel ist, um den es sich handelt, läßt er es sich nicht verdrießen und stellte ein etwas umfänglicheres Attest als das erste aus. das aber natürlich auch nichts anderes enthalten konnte als das erste, nämlich, daß der Maurer W. als Heilmittel notwendig ein Gebiß brauche«zur Ver- dauung und zur Verhütung seiner starken Magenbeschwerden". Damit bewaffnet geht es wieder nach der Mathäikirchstraße. Mit Ach und Krach erkannte man jetzt die Kassenbescheinigung und auch das ärztliche Attest an, aber die Sache hatte noch einen Haken. Das Gutachten des Zahnheilkünstlers genügte nicht. W. soll erst noch ein Gutachten eines praktischen Zahnarztes bringen. Jetzt ging ihm die Galle über, er hatte es satt, das ewige Laufen. Schon der Arzt hätte von ihm für Ausstellung des Gutachtens einen erheblichen Betrag verlangen können, jetzt befürchtet er sicher, daß ihm für das von der Landesversicherung verlangte, von einem praktischen Zahnarzt ausgestellte Gutachten große Kosten entstehen und ist auch dann nach seinen Erfahrungen nicht sicher, ob er das Gebiß erhält. Er erklärte rundweg, daß er nach allem befürchten müsse, daß nächstens noch eine Zeichnung oder Photographie über sein Mundwerk verlangt werde, er gehe nun keinen Schritt mehr. Die Landesversicherung wird nunmehr von ihm nicht weiter be- hclligt werden. Dieser Vorfall zeigt, wie schwer es den Arbeitern heutzutage gemacht wird, von den Institutionen, die doch für sie geschaffen worden sind, die von ihrem Gelde erhalten werden und deren segensreiche Tätigkeit nicht laut genug gerühmt werden kann, irgend etwas nennenswertes zu erhalten. Der Bureau- kratismus macht auch die Erlangung der geringen Borteile viel- fach zur Tortur. Heber elektrischen Vollbahnbetrieb hielt Reac-Bauineister Pforr, Oberingenieur der Allgemeinen Elettrizitätsgesellschaft, in deren Sitzungssaale einen recht anregenden Vortrag, dem zahl- reiche Personen des Verkehrswesens anwohnten. Im Eingange seines Vortrags, den er au Lichtbildern erläuterte, gab Baumeister Pforr einen interessanten Ueberblick über die bisherigen Ergeb- nisse des Wettstreits zwischen� Dampf und Elektrizität und zeigte, wie die letztere sich endlich durchgerungen, nachdem man im Bahn- betrieb zum Wechselstrom übergegangen sei. Der von der A.-E.-G. zwei Jahre lang durchgeführte Probebetricb auf der Spindlers- felder Staatsbahnstrecke habe so gute Ergebnisse geliefert, daß auch andere Firmen sich jetzt zum Bau von Wcchselstromlnotoren ent- schlössen hätten. Und da in Spindlersselde auch andere wichtige Fragen, so die Aufhängung der Arbeitsleltung, die Vielfachschaltung. die Sicherung der Starkftromlettung in den Wagen usw., gelöst worden seien, so eroberte sich dies Betriebssystem bald ein weiteres Eclb: zur Zeit feien 30 Bahnen mit einer Gesamtlänge von 1200 ilonietern teils im Betriebe, teils im Bau begriffen; sie arbeiten mit Spannungen zwischen 500 und 15 000 Volt und fahren mit Geschwindigkeiten bis zu 112 Kilometer pro Stunde. Um zu zeigen, daß der Wechselstrombetrieb in wirtschaftlicher Beziehung dem Dampfbetrieb mindestens ebenbürtig sei, ihm gegenüber aber ganz gewaltige Vorteile in Bezug auf Geschmindigkeit und Zugkraft biete, entrollte Redner ein kühnes Zukunftsbild, das nichts Geringeres zum Vorwurf hatte, als die Elektri » sierung des gesamten preußischen Staatsbahn» netzes, für die, nach Berechnung des Vortragenden, 30 Kraftwerke ausreichen würden. Die Energie könnte zum Preise von 3� Pf. pro Kilowattstunde am besten von dritten bezogen werben, die gleichzeitig nicht allein die Nobenanlagen der Staatsbahn(Krahne , Aufzüge, Werkstattmafchinen usw.) betreiben, sondern auch die Industrie und Laiwövirtschast mit Betriebskraft versorgen würden, da ja überall im Lande ein bequemer Anschluß ermöglicht würde. Was die Ersparnisse anbetrifft, die der elektrische Vollbahnbetrieb mit sich bringen soll, sei nur ein Beispiel angeführt: Auf 100 Dampf» lokomotwen wären nur 64 elektrische Motorwagen zu beschaffen, die stets dienstbereit seien, keiner Kohle, keiner Anfeuerung, keines Wassers usw. bedürfen. Die Beschaffungskosten beider Zug- Maschinen stellten sich allerdings wie 1: 1,7, dafür aber habe die Dampflokomotive 76, leer 57 Tons, die elektrische Lokomotive nur 42 Tons Gewicht; schon daraus ergebe sich eine Ersparnis von 133 Millionen Mark. Dazu falle die Ausgabe für Kohle, 75 Milli- onen Mark fort, ebenso die Wasserversorgung, die Entschädigungen für Waldbrände usw. Und wenn auch einzelne Ansgabeposten, z. B. Bahnunterhaltung und-be wachung, höhere wären, als beim Dampf- betriebe, so belause sich doch die Gesamtersparnis au frund 163 Millionen Mark. Das Anlagekapttal, 880 Millionen Mark, werde sich mit 5 Proz. verzinsen lassen. Würden nun noch diejenigen Bahnlinien ausscheiden, für welche der elektrische Betrieb zur Zeit sich nicht empfehle, so werde sich das Endergebnis noch günstiger stellen. Jedenfalls sei schon heute eine ganze Anzahl von Staatsbahnlinien reis für den eleftrischen Betrieb, der allein eine ErhöhnngderFahrgeschwindigkeit und eine S t e ig e» rung der Zugkraft ohne Beeinträchtigung der Wirtschaftlich- keit gewährleiste In anerkennenswerter Weise habe die Staats» bahnverwaltung die Schnellfahrversuche auf der Militärbahnstrecke gefördert und im Anschluß daran sich jetzt entschlossen, einen neuen, praktischen Probe betrieb auf der Strecke Altona -Kiel (105 Kilometer) einzuführen, aus welcher die elektrischen Züge mit 120 bis 130 und später mit 150 Kilometer Fahrgeschwindig» keit verkehren sollen. Wenn man rücksichtlich der Landes- Verteidigung darauf hinweise, daß man durch Abschneiden des Stromes den eleftrischen Betrieb leicht lahm legen könne, so habe dieser Nachteil im Frieden doch auch sein gutes: man habe da die Möglichkeit, bei Betriebsgesahr die elektrische Lokomotive von der Station aus zum Stehen zu bringe», was bei der Dampfloko- motive nicht zu erreichen sei. Im Krieg e würde die letztere vor der Fron} freilich nicht zu entbehre» sein, dahingegen werde der