Einzelbild herunterladen
 

Nr. 2.

Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin : Bierteljährlich 3,30 Mart, monat­lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit dem ,, Sonntags= Blatt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Post- Beitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3 bis 7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 6, tr. 4106.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Sonnabend, den 3. Januar 1891.

Expedition: Beuth- Straße 3.

"

Es bezifferte sich das Erträgniß des Jahres 1890 Die verhängnißvolle Interessenpolitik, die unter dem Es hilft nichts. um 26 Millionen, dasjenige der europäischen Weizenländer eisernen Kanzler" ihre Orgien gefeiert hat, nahm keine Eine der angesehendsten Fachzeitungen, die Londoner um nicht weniger als 56 Millionen Hektoliter größer, als Rücksicht auf die allgemeine Wohlfahrt, sondern gab als Losung für die herrschenden Klassen dieselbe Parole aus, ,, Evening Corn Trade Lift", veröffentlicht seit einer Reihe dasjenige des Vorjahres. Nichtsdestoweniger," schreibt die Köln . Volksztg.", wie einst der bocksteife Bourgeoisdoktrinär Guizot: Be­von Jahren vor Schluß des Kalenderjahres auf Grund amtlicher und sonstiger vertrauenswürdiger Ermittelungen, ist der Preisstand im Allgemeinen nicht niedriger, sondern reichert euch, bereichert euch auf Kosten des Gemeinwesens", zumeist etwas höher, als um die gleiche Zeit des Jahres auf Kosten, aus den Taschen der armen Frohndenden, über die Welternte in Weizen. 1889." Guter heimischer oder gleichwerthiger verzollter steuerzahlenden Plebs, ein Vorgang, der die Gleichheit fremdländischer Weizen kostet heute, im Vergleich zu den der Tendenz in allen kapitalistisch organisirten Staaten Preisen, die um die Mitte Dezember 1889 bekannten, z. B. in gar herrlich offenbart, mag die Philister- Glückseligkeit im Antwerpen 15,20 M.( 1889: 13,60 M.), in Odessa Anbeten eines Louis Philippe 'schen Parapluie's oder eines 12,80 M.( 1889: 11,60 m.), in London 15,20 M. gut, sehr gut, mit Geschenken und Dotationen geschmierten ( 1889: 14,40 M.), in New York 15,60 m.( 1889: Kürassierstiefels bestehen. 13,20 m.) die 100 Kilogramm.

Die Berechnung für das laufende Jahr ist kürzlich er­folgt, und die Köln . Volksztg." bringt nach derselben folgende Uebersicht, welche die 1890er Ernte- Ergebnisse mit den jenigen der zwei Vorjahre vergleicht:

Desterreich. Ungarn

Frankreich Deutschland Griechenland

Holland Italien Norwegen

2 030 000

1889 Heftoliter

13 572 000 33 570 400

1 812 500 113 825 000 30 812 500

1888

Hektoliter 18 270 000

49 685 700

6 090 000

13 050 000

#

Und wie liegen die Verhältnisse in Deutschland Nach den amtlichen Angaben, wie sie die Dezemberhefte 1 392 000 der Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs" ver­99 812 200 öffentlichen, kostete Weizen in Berlin :

33 358 700

3 625 000

36 627 000

1890 Hektoliter 17 400 000 57 202 500

Belgien ..

6 960 000

6 960 000

Bulgarien . Dänemark .

13 050 000

12 760.000

116 000 000 33 350 000

4 350 000

3 987 500

2 175 000

2 175 000

1 740 000

44 587 500

36 482 000

145 000

Portugal

2 900 000

Rumänien

21 750 000

2 900 000 15 767 300

Rußland

75 690 000

3 625 000

24 650 000 1 305 000 870 000 13 050 000 27 550 000 468 640 000

18 050 000 27 506 500 412 513 400

465 832 800

Serbien

Spanien

Schweden

Schweiz

.

Türkei

Großbritannien

Europa

145 000

145 000

2 465 000

20 300 000 66 120 000 108 750 000

2175 000

26 680 000 1 342 700 870 000

3117 500

23 838 000

1886

·

15,13 Mart

1887

1888 1889

.

16,44 17,22 18,77

"

"

"

die 100 Kilogramm. Im Jahre 1890 aber betrug der Berliner Großhandelspreis für 100 Kilogramm Weizen nach der Evening Corn Trade List" 19 M.

Daß auch die Preise für Weizenmehl stetig in die 1 339 800 Höhe gegangen sind, ergiebt sich gleichfalls aus der Reichs­725 000 statistit. Es kostete Weizenmeht 100 Kilogr. mit Sack in

14 500 000 27 001 900

Von den bedeutenderen außereuropäischen Erzeugungs­gebieten haben nach der Evening Corn Trade List" ge=

erntet in Hektolitern:

Australien

Canada

Cap- Colonien

1888 7.960 500

4 350 000

9 497 500

13 050 000

Breslau München M.

M.

1886

22,7

28,2

1887

24,2

28,9

1888

25,5

29,3

1889

26,1

30,7

"

Der Plünderzug der Köckerizze, Lüderize, Jhenplize und anderer Edelsten und Besten", aller der Großgrund­besitzer, welche die nothleidende Landwirthschaft tragikomisch Darstellen, ist in ein System gebracht, das der landwirth­schaftlichen Schutzölle, und der Kartellreichstag von 1887 hatte nichts Eiligeres zu thun, als die Agrarzölle erkleck­lich zu steigern. Der Zolltarif vom 21. Dezember 1887 erhöhte bekanntlich auch den Zoll für Weizen von drei Mark auf fünf Mark für 100 Kilogramm; Mühlen­fabrikate, welche bisher 7,50 Mart Zoll zu tragen hatten, wurden mit 10,50 Mark belastet.

Was nügen also die erfreulichen Resultate der dies iährigen Welternte, was hilft uns die Aufspeicherung der gewaltigen Getreidevorräthe in Docks und Vorraths­magazinen, was für Heil bringt dem Proletariat die be­rauschende Statistik der Kornproduktion? Ist eine Miß­ernte zu verzeichnen, so steigen die Preise und die Schutz­zölle hängen den Brotkorb noch höher, ist die Ernte günstig,

Für 1890 sind augenblicklich die offiziellen Ziffern was verschlägt das gegenüber der Umwallung Deutschlands nicht zur Hand; natürlich ist Hand in Hand mit dem mit einer Stacheldrahthecke von Einfuhrzöllen, die einzig Aufstieg des Weizenpreises auch ein Aufstieg des Mehl- und allein der deutsche Konsument trägt? preises vor sich gegangen. Wir sehen, daß zu Gunsten einer kleinen Minderheit Wie viel Weizen ist in Deutschland produzirt worden? bevorrechteter Grundherren das Volk ernstlich geschädigt Die Gesammterntemenge betrug 1886: 2 666 423, 1887: wird. Der Reichstag , welcher am 20. Februar 1890 ge­1 380 400 2 830 804, 1888: 2530 842 Tonnen, wovon bezw. wählt worden ist, hat die Pflicht, mit der Schutzöllnerei 8294, 2840, 1112 und im Jahre 1889: 758 Tonnen reinen Tisch zu machen. Aber wie die Dinge liegen, ausgeführt wurden. Dagegen wurden eingeführt in

11 600 000

4 350 000

1890

1889

Algier

7 925 000

5 718 000

Argentinische Republik .

7 975 000

Klein- Asien

.

14 500 000 13 050 000 13 775 000

1 305 000

6 525 000

7 975 000 15 297 500 18 050 000 10 875 000 1.325 300 5 147 500

2 990 000

2 537 500

82 650 000

7 975 000

4 350 000

4 350 000

1886 1887.

273 280 Tonnen im Werthe von 39 899 000 m.

177 828 000 338 038 500

150 750 700 313 417 500

1888 1889

547 255 339 767 516 887

77 710 000

"

"

"

#

"

48 926 000

"

"

"

"

"

75 389 000

"

"

"

"

"

Chili

Aegypten.

Indien Persien Syrien . Vereinigte Staaten Nord­amerika's

145 000 000 Total 307 980 000

85-964 700 7 975 000

2300 000

94 383 400

8 120 000

5 075 000

Deutschland ist eben in hervorragender Weise Weizen­Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß die einfuhr- Land, es ist auf die ausländische Produktion zur Weizenernte in den wichtigsten Produktionsstätten dieser Deckung seines Bedarfs naturnothwendig angewiesen, und Getreideart sich im Jahre 1890 auf rund 776 Millionen die große Masse der Weizenkonsumenten hat das leb­Hektoliter belaufen hat, gegen 750 Millionen Hektoliter hafteste Interesse an möglichst wohlfeiler Lieferung dieses im Jahre 1889 und 779 Millionen im Jahre 1888. wichtigen Lebensmittels.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Bei Mama.

Roman von Arne Garborg .

( 2

Schuldigen Tisch und Bett theilen, was gewiß nicht der Fall ist bei Holmsen und irgend jemand von denjenigen, von welchen Sie annehmen, daß er mit ihnen zusammenlebe. Und was Maren Rasmussen betrifft-".

"

wird auch dieser Reichstag, in welchem die Schutzöllner eine geschlossene, starke Phalang bilden, die Aufhebung der Getreidezölle nicht beschließen. Konservative, Zentrum, Nationalliberale werden für Junker und Junkergenossen energisch sich ins Zeug legen. Eine Hand wäscht die andere.

Ja dennoch darf man nicht verzagen. Die Agitation unter den Massen wird nicht einschlafen. Zwei Dinge bewahren davor, die unermüdliche Wirksamkeit der Sozial­demokratie und die steigende Noth. Die Verhältnisse

Sie begann von Neuem zu weinen und zwar so gewalt­sam, daß auch Fanny aufmerksam ward.

" Ich sagte es ihm hundert Mal." fuhr sie schluchzend fort, mit mir mag es gehen, wie es will.... aber Auch Eine von ihnen," schob Frau Holmsen ein, überlege doch... dent' an die Kinder!"- Frau Holmsen so hat Hans Evensen vom Desthoug sich selbst als den beugte sich über den Tisch und überließ sich ihrem Kummer; Vater ihres Kindes bezeichnet-" die ganze zarte Gestalt bebte. wofür er hundert Thaler kriegte, ja."

-

-

-

so

Es bebte um die Lippen der jungen Frau, die Thränen zu wollten hervor; aber sie bezwang sich. Ueberdies mußte ich an die Kinder denken", fuhr fie licher Anklage werden kann, so ist es Ihre eigene Sache, fönnen; Niemand ersetzt Vater und Mutter.

und hat das Aufgebot verlangt, um das Mädchen heirathen. Da einfache Unzucht kein Gegenstand öffent­Pfarrhof zu Volds. Anstalten zu treffen.

fort; wenn er auf die eine oder die andere Art mir das dagegen Leben nahm, wie sollte es dann ihnen ergehen, den Armen? Ich wußte so gut wie Jedermann, wie schlimm es sei, von seinem Mann sich zu trennen; aber es wurde unmöglich, aus ich durfte nicht anders.. Alle riethen mir ab, niemand

Brandt."

Fran Mühlberg blickte auf:" Sie Arme!" seufzte sie vollem Herzen. Frau Holmisen konnte nicht mehr, sie brach in Weinen wollte mir helfen. Der Stadtvogt wurde mir für immer aus. Ja wohl, niemand weiß, wie arg es für mich gram, als ich ihn zwang, zu Thea hinaufzugehen, um zu war!" schluchzte sie und hielt das Taschentuch vor ihr untersuchen.... Und Pastor Brandt! Sie sollen den Brief Gesicht. sehen, den er mir schrieb; bei ihm war auch kein Beistand Aber," fügte sie bei, als sie ihre Fassung einiger­maßen wiedergewonnen hatte, das, was heute geschehen ist .. daß ich nicht einmal Fanny behalten kann.... dies scheint mir doch... das ergste!"

zu holen."

Frau Holmsen warf die Arbeit von sich und ging zu der alten, blaubemalten Truhe, in welcher fie alle Lappen und Reste ihres schiffbrüchigen Lebens aufbewahrte. Sie fand den Brief in der oberen Lade, zwischen Papieren, Fezzenbündeln und zerdrücktem Hutaufput; sie kam damit herbei und bat Frau Mühlberg, zu lesen.

"

auch sie.

"

Frau Mühlberg schwieg; sie war dem Weinen nahe, Niemals hätte ich gethan, was ich that," fuhr Frau Solmsen fort, wenn ich nicht geglaubt hätte, die Kinder behalten zu können!- Nun habe ich zwei fortschicken müssen, " In Beantwortung Ihres Schreibens vom 24. d. M. weil ich keine Hilfe fand; soll nun auch Fanny weg, sie, erlaube ich mir zu bemerken, daß man Niemand wegen die so schwer zu behandeln ist, und soll ich ganz allein hier Ronkubinat angeben kann, ohne zu beweisen, daß die sitzen bleiben...

Frau Mühlberg las:

Fran Mühlberg trocknete sich die Augen und sagte mit natürlicher Stimme, als es ihr möglich war: " Ja, es ist hart, wenn die Kleinen nicht zu Hause sein besonders die Mutter." Famm war aufgestanden; sie betrachtete ihre Mutter mit Verwunderung.

"

R

,, Mama flimm," sagte sie plötzlich; Mama slimm, nit weinen! Mama bjav sein, Mama s'ön sweigen, nit sjeien!"

Nun brach auch Frau Mühlberg in Thränen aus. Frau Holmsen riß in einem Anfall von Zärtlichkeit das Kind zu sich empor und küßte es voll Leidenschaft.

Als Frau Mühlberg wieder zur Ruhe gekommen war, suchte sie ihre Geldbörse hervor und gab der Kleinen eine Silbermünze. Dann erinnerte sie sich, daß sie nach Hause und das Mittagessen bereiten müsse.

Die gutmüthige Dame war so bewegt und gerührt, daß sie wirklich schwer etwas sagen konnte. Arme Frau Holmsen, arme Fanny, was sollte denn aus ihnen werden?

-

Wahrhaftig, sie wollte jedenfalls Jungfer Thorsen mit etwas Speise herüberschicken, und zwar sogleich! Gott weiß, wie es um Frau Holmsens Küche stand, jetzt, da sie schon einige Zeit hindurch leidend und herabgekommen war.