Nr. III. 24. Jahrgang. 2. KkilW des.Ärmels" Kerlim UsIdsM MM,. 15. iii IM. Lima» angenagelt! Ueber die Verhandlung des Prozesses L i m a v» Mehring, worüber wir bereits kurz berichtet haben, bringt die„Leipziger Volkszeitung" einen stenographischen Bericht. Er ist eine Folge interessanter Momentbilder. Wenn der Bourgeoifie nicht unterschiedslos jeder, sofern er nur auf die Sozialdemokratie schimpfen kann, als Verteidiger ihrer heiligsten Güter willkommen wäre, Liman wäre ein toter Mann. Der Bericht zeigt mit grausamer Deutlichkeit, daß die Verhandlungen ein wahres Spießrutenlaufen für ihn waren, eine moralische Stäupung schlimnister Art. Die Erklärungen des Genossen Mehring und Kressin, wegen derer Liman geklagt hat, erfolgten auf Grund der Tatsache, daß in einem vorhergegangenen Prozeß vom 18. April 1906 gegen den Genossen Kressin, in dem dieser zu einem Monat Gefängnis verurteilt wurde, Liman unter Eid erklärt hatte, er habe noch nie in seinen: Leben jemand beleidigt, sowie daß in einem diesen Prozeß behandelnden Artikel des Liman-Blattcs, der„Lcipz. Neuesten Nachr.", betitelt„Genossenton vor Gericht", abermals wüste Beschimpfungen gegen Kressin und Mehring geschleudert wurden. Liman hatte in erster Instanz zugegeben, daß er der Verfasser dieses Schimpfartikels sei. Jetzt bestritt er es in folgender, charakteristischen Weise: Der Artikel ist nicht von mir! Ich habe damals nur unter Eid gesagt, daß ich ihn geschrieben haben könne! Ich kann mich nicht mehr darauf besinnen! Bekannt ist, daß Liman auch seine Aeußerung im Kressin-Prozeß, er habe noch nie jemand in seinem Leben beleidigt, in erster Instanz be st ritten hat. Das wurde in der jetzigen Berufungsverhandlung fortgesetzt. Mehrere Zeugen haben indes in erster Instanz unter Eid er- klärt, daß Liman sich so geäußert hat. Dieses Moment wurde unter anderen auch bei der Vernehmung des Genossen Mehring berührt. Der stenographische Bericht darüber lautet: Mehring: Der Kläger hat mich, seitdem ich bei der„Leipziger Volkszeitung" angestellt bin, fortgesetzt und systematisch in schmäh- licher, verleumderischer und gemeiner Weise beschimpft. Ich kann Ihnen all die Artikel zum Beweise vorlegen! Aber nie ist mir da in den Sinn gekommen, dem Kläger auch nur einen Ton zu erwidern. Aber als er in der Verhandlung gegen meinen Kollegen Kressin sagte, er habe noch nie einen Menschen beleidigt, so ist mir denn doch die Galle übergelaufen! Das sagte ein Mann, der meine Parteigenossen ständig jahrelang in schmählichster Manier beschimpfte, der eS gewagt hat, die Frauenehre meiner Freundin Rosa Luxemburg anzutasten, einer Frau, die— man mag in politischer Hinsicht über sie denken wie man will— in ihrem Privatleben völlig makellos ist! Und nun kam noch jener Artikel des Klägers: Der Genossenton vor Gericht hinzu, und ich hatte die moralische Verpflichtung gegen Kressin, ihm hier Beistand zu leisten. Ich habe schon stüher gesagt, daß ich mich voll zu dem be- kenne, was ich schrieb. Es war zweifellos grob— aber hier hatte ich Pas moralische Recht dazu! Vorsitzender: Grob war eS aberdings l Mehring: Gewiß, aber bitte lassen Sie nur verlesen, was Liman jahrelang gegen mich geschrieben hat, ohne daß es mir gut genug war, darauf zu antworten. Vorsitzender: Sie sagen also, das hätte dem Faß den Boden ausgeschlagen, als Herr Dr. Liman äußerte, er habe noch niemals jemanden beleidigt? Mehring: Ja, denn das war eine empörende Aeußerung I Vorsitzender: Hätten Sie nicht vielleicht mit einem Irrtum rechnen können, ob Dr. Liman das wirklich so gemeint hat? Mehring: Die beschworenen Zeugenaussagen und das Urteil in der ersten Instanz haben ja meine Auffassung völlig be- stätigt I Vorsitzender: Das kann aber doch Dr. Liman nicht so dreist behaupten! Mehring: Warum nicht? Ich traue ihm diese Dreistigkeit zu. Ich möchte noch hinzufügen, daß auch in den Artikel Limans: Genojsenton vor Gericht vom 21. April 1906 ebenfalls mein Name ohne jeden Grund hineingezerrt wurde. Wenn der Kläger auch heute die Autorschaft bestreitet— früher hat er sie unter Eid zugegeben! Borsitzender: Mir will eS doch so scheinen, daß Dr. Liman in der Tat diesen Artikel nicht verfaßt haben mag. Man vermißt hier eigentlich das sonstige lebhafte Temperament Dr. Limans. Mehring: Es ist meine feste Ueberzeugung, daß ihn nur der Privatkläger geschrieben haben kann. Aus Limans Antivort seien folgende Stellen herauf gehoben: Nach den Ausdrücken, die Dr. Mehring soeben gegen mich ge- braucht hat. fällt es mir schwer, zu antworten. Ich gebe alles zu. was ich geschrieben habe, aber der Artikel: Genossenton usw. ist nicht von mir...- Wenn mein Gegner nun sagt, ich verlemnde ihn seit Jahren, so erweckt er den Anschein, als ob ich ihn als meinen Konkurrenten betrachtete. Ich habe über ihn erst geschrieben, als er seit dem Dresdener Parteitage eine gewisse Nolorietät er- langte. Ich habe ihn nicht— hm— kaum— selten persönlich angegriffen. Niemals habe ich verleumderische Worte gebraucht, die dock eine unwahre Tatsache voraussetzen. Wenn ich geschrieben habe:„Mehring erfreue sich am Skandal wie die Made im Speck", so kann ich dabei fast auf die ganze sozial- demokratische Führerschaft verweisen. Ich habe das Protokoll vom Dresdener Parteitag mitgebracht, wo Bebel von der„problematischen Natur" Mehrings sprach. Den Artikel vom 23. Januar 1906: Der stille Sonntag(wegen dessen Dr. Mehring Widerklage erhob) habe ich geschrieben. Vorsitzender: Sprechen Sie sich bitte einmal über die Ausdrücke vom„Maul aufreißen" und vom„Mauseloch" aus. Liman: In jener Zeit hatte die Sozialdemokratie das Be- streben, durch Straßendemonstralionen auf die öffentliche Meinung im Sinne derGewährung des allgemeinen freien Wa hlrcchtS auch für dieLaud- tage ciuzuwirleu. Man zog Vergleiche zur rulsischen Revolution, sprach vom Blutfließen, daß man auf die Straße gehen werde usw. Das konnte man überall hören, wo nur einer von den Herren in einer Kneipe eine Rede hielt! Auch die hiesige Polizei hatte ja Vorbereitungs- aktionen getroffen. Auch bei Mehring und seinem Blatte war davon zu spüren, und bekanntlich ist ja auch ein Redakteur wegen sechs Artikeln wegen Aufreizung verurteilt worden. Unter diesen Um- ständen war es die selbstverständliche Pflicht eines Publizisten der bürgerlichen Anschauungen, dagegen in schärfster Weise Front zu machen und— wie bei den inkriminierten Aeuße- rungcn mit der Waffe der Ironie dagegen zu kämpfen. Wenn von sozialdemokratischer Seite damals von den„Preisfechtern des internationalen Proletariats" gesprochen wurde, so war damit gemeint, daß man eben mit den Armen aktiv werden wollte! Nur zwei Möglichkeiten gab es: Entweder renommierte man, und dann hat man eben—- wie das Volk sagt— das Maul zu weit auf- gerissen,— oder es ernst gemeint, dann ist man eben im letzten Augenblick ins Mauseloch gekrochen! Vorsitzender: Haben Sie mit den„Herren" auch Dr. Mehring gemeint? Lima «(stottemd): Nein--hm»-nichtdirekt--, aber ich gebe das an sich zu. Genosse K r e s s i n erklärte in seiner Vernehmung, daß cz die inkriminierte Erklärung in der Empörung über die von Liman gegen ihn geschleuderte Beschimpfung„Sitzredakteur" geschrieben habe. In Genosse S e g e r s Vernehmung wurde besonders festgenagelt, welche bodenlose Unanständigkeit des Journalisten Liman in dem Umstände liegt, daß er neben den Verfassern und Unterzeichnern der beiden Erklärungen auch noch den verantwortlichen Redakteur der betreffenden Nummer der„Leipziger Volkszeitung", eben den Genossen Seger, verfolgte. Liman und sein Rechtsanwalt, denen diese Annagelung sichtlich unangenehm war, suchten sich durch die traurige Ausrede weiß zu waschen, Seger sei nicht als verantwortlicher Redakteur, sondern als Mittäter verklagt worden. Besonders interessant ist die Blütenlese aus den Schimpfartikeln des Liman, die Rechtsanwalt Dr. Hübler in der Begründung seiner Beweis- antrüge gab. Er sagte: „... Am 28. Oktober 1903 geht es mit den persönlichen Schmähungen gegen Dr. Mehring los, die jahrelang fortdauerten. Möge eine kleine Blütenlese folgen: Am 28. Oktober 1903 � wird Mehring mit Mnrat verglichen, wie er über Leichenhaufen auf seinen Redaktionsschemel klettert: in einem Artikel vom 13. Januar 1903 heißt es, Dr. Mehring habe einmal in einem Anfall von Wahrheitsliebe geschrieben; ferner schrieb Liman, Mehring sei ein moralisch verkommener Poseur, ein blutrünstiger Phrasen- macher, der seine Feder verlauft, der jeden Gegner beschimpfe und im entscheidenden Augenblick zu feige sei... Im Leit- artikel Limans vom 23. Oktober 1903 wird er als Schmock be zeichnet, der um ein Linsengericht seine sozialdeinokratische Gesinnung verkauft habe, der den glatten Weg der Eitelkeit und der Gesinnungslosigkeit gehe. Am 3. Juni 1904 schrieb Liman, Mehring lebe vom Skandal wie die Biene vom Honigseim und die Made im Speck. Der Artikel vom 23. September 1904 trägt die Ueberschrist: Wie Siidekum meckert und Mehring grollt. Darin schrieb Liman, Mehring sei ein Marat in Duodezformat, dessen geflissentlich zur Schau Täßcheu Bliemchenkaffee gelöscht von abgeschnittenen Köpfen sei. und den reinen Hcmdkragen Einpfindungen eines Hungernden, getragener Blutdurst durch ein werden kann, der ein Liebhaber Er betrachte die geputzten Stiefel des Herrn Südekum mit den der vor dem Schaufenster eines Wurstladens steht; Mehring habe einen gehässigen Ansturm gegen Südekums reine Hemdkragen aufgenommen, er wälze das Lexikon der unfeinen Tonart. Am 11. Dezember 1904 schrieb Liman, daß Mehring an Schimpsworten reich wie ein Kröslls sei, in dessen Schatzkammer wohlgehäufl und wohlgeordnet Injurie neben Injurie ruhe, er werde nur hineingreifen, und wo er's packe, ist es eine Roheit. Er sei der„Prophet der Injurie", das abscheulichste Mittel heilige seinen Zweck, seine politische Moral sei gleich Null; Mehring speie die Früchte seiner Erziehung von sich.— Noch unzählige weitere Zitate kann ich anführen. Ueber Singer schreibt Dr. Liman: Singer hat aus seinem früheren Beruf die Vorliebe für das Schachergeschäst in das politische Kontor hinüber genommen.„Aus dem schlichten Kleiderhändler, der die Mäntel der Liebe nähte, mit denen sein Kompagnon Rosenthal seine Sünden bedeckte, ist er(Singer) ein gemachter Mann geworden der als M. d. R. aus der 1. Klasse mitleidig herabblickt auf das wimmelnde Volk der 4. Garnitur... bis Singer den Beruf in sich spürte, die Sorgen für die Konfektioneusen seinem Kompagnon zu überlassen und dahinzuschwimmen auf den Wellen des Proletarier� tumS.".Singerleben" usw. Ueber Stadthagen heißt eS:... fein unwahres Pathos täuscht nicht darüber hinweg, daß. ihm die Sache der Arbeiter innerlich gleichgültig ist, daß sie ihm nur dazu dienen soll, seinen Ehrgeiz zu befriedigen... Stadthagen gelte als unausstehlicher Stänker... StadthagenS Angriffe zeichneten sich stets durch Wüstheit und hinterhaltige Feigheit aus. Stadthagen ist der Habitus der Berliner Nachtcafss,„der Löwe von Inda". Stadthagen sei der schwarzbärtige Herr, der die weibische Hysterie in das Ewigmännliche übersetzte... Ueber Bebel schrieb Liman:„Bebel- Maherero, Bebel habe eine woral iusanitv, eine Art von sittlichem Wahn sinn... Bebel ist frivol unwahrhaftig; er spricht von Bebels Verzweiflungskampf mit der Wahrheit. Bebel wird Schamlosigkeit vorgeworfen... Ueber Ledebour äußerte sich Liman in einem Leitartikel unter der Ueberschrist: Ledebourero: ein Bursche wie Ledebour, Ledebourero, auch Ledebourski genannt Thersites— er sei von einer Art DippoldiSmus der Phantasie behastet. Ueber die Genossin Luxemburg , die zunächst Liman nicht anders als die„blutige" oder„bittere" Rose bezeichnet: „Päpftin Johanna. Ledebour ist nicht nur den Ethisch Aesthetischen ein Greuel, sondern sogar die blutige Rosa, die doch keineswegs lecker ist, hat ihm gegenüber Empfindungen, wie Gretchen gegenüber dem Mephisto.....Weiber werden zu Hyänen und beschämen selbst die blutige Rosa.... Das ist die feine Taktik, die man von der Heldin des„Vorwärts", der Polin Rosa Luxemburg lernte, die ja in blutrünstigen„Vorwärts" Artikeln den russischen Aufrührcrn Beifall kreischt, sich aber wohl hütet, die sicheren Mauern Berlins mit dem heinnschen-russischen Boden zu vertauschen, an die Stelle des RateS die Tat zu setzen. Dr. Hübler bemerkte hier, daß dieser Artikel zu einer Zeit geschrieben wurde, als Frau Luxemburg sich bereits nach Rußland begeben hatte und im Gefängnis saß. Am 22. November 1903 schrieb Limkm über Frau Zetkin , die zierliche Mignon— zu einer Zeit, als diese nahe a m E r- blinden war. Am perfidesten aber sind die fortgesetzten Verleumdungen Limans, daß zwischen Rosa Luxemburg und Stadt- Hägen ein ehebrecherisches Verhältnis bestehe. Am 22. November 1903 heißt es in einem Leitartikel Limans Stadthagen und Rosa bei Pilzen und Fleischabfällen von Stadt Hagen : Horch, der Wilde tobt schon an den Mauern, der Löwe von Inda, der mit grimmiger Miene umherzieht, zu suchen, was er verschlinge. Minniglich hat sich Rosalie Lübeck zu ihm gesellt. Und am 13. Januar 1903 heißt es in dem Leit- artikel Limans: Das Spielen mit dem Feuer:... Dieweil sie nach dem Zeugnis der eigenen Freunde hinter der Linie in sicherem Vcr- steck verschwinden, dieweil auch Stadthagen mit seiner Rosa lieber ein Schäferslündchen verleben, als in der kritischen Stunde auf dem Schloßplatz erscheinen werden. Fortwährend wird in dieser Weise Stadthagen mit der Frau Dr. Luxemburg in Zusammenhang gebracht, um bei dem Leser den Glauben an ein anstößiges Verhältnis hervorzurufen! Der Verteidiger stellte noch einen weiteren Antrag auf Verlesung des Urteils in einer Privatklagesache Dr. Limans mit Dr. Lohan, in dem der Kläger 1894 wegen Beleidigung bestraft wurde. Darin wird der Beweis erbracht, daß Limans Vater Jude war. Es sollte damit der Beweis erbracht tverden, wie charakterlos der Kläger , der, selbst Jude, fortwährend jüdische Sozialdemokraten als Juden in höhnischer Weise beschimpft. Liman und sein Rechtsbeistand baten um Ablehnung der Anträge, oder um vollständige Ber- lesung der Artikel und der vorhergehenden Artikel der „Leipziger Volkszeitung", damit man den Zusammenhang erkenne. Liman sagte u. a.: „ Die von mir gebrauchten Ausdrücke haben auch einen Anlaß, den man dann auch prüfen müßte. Ein großer Teil jener Worte sind auch— Zitate aus der„Leipziger Volkszeitung " oder Aeußernngen von Sozialdemokraten über sie. Ich muß eventuell darum bitten, das Protokoll des Dresdener Parteitages zu verlesen. Der Artikel über Rosa Luxemburg und Stadthagen — hm— ist nicht von mir. Aber auf einem sozialdemolratischen Parteitag hat doch ganz offen Stadthagen Frau Luxemburg umarmt und geküßt I Ich glaube ja nicht, daß jene Neigung tatsächlich besteht und hatte auch dainals keine Ahnung, daß Rosa Luxemburg bereits in Rußland gefangen war. Ich habe ja auch nicht gewußt, daß Frau Zetkin nahe am Erblinden war— aber ich habe den Artikel ja nicht ge- schriebe». Ich habe nicht die Absicht gehabt, eine abwesende Dame zu beleidigen... Sonst aber gebe ich den größten Teil der Artikel zu... Besonders fatal war für Liman die Verlesung der beiden einander widersprechenden Artikel über den Journalistenbesuch in England, die er in der Londoner „Finanzchronik" und in der Beilage der„Deutschen Tageszeitung" als„Armer Jorick" geschrieben hat. Nach der Verlesung entspann sich folgende Szene: Vorsitzender: In der„Finanzchronik" schreiben Sie also einen angeblich mehr englandfreundlichen Brief, in der„Deutschen Tageszeitung" einen mehr englandfeindlichen? Liman(in höchster Verzweiflung): Aber das ist ja gerade, was mir vorgeworfen wird!(Durch Verlesen von Zitaten sucht er dann darzulegen, daß die„Grundtendenz" beider Artikel die nämliche sei. Ich muß noch bemerken, daß der Artikel englandfeindlichen Charakter hat. Man fällt über mich her, weil ich englandfeindlich sei I Aber, meine Herren, es gebietet doch die Höflichkeit, wenn man vom Tische aufsteht— da ist man doch nicht unhöflich. Der Artikel in der„Finanzchronik" ist nur in einer ganz anderen Form geschrieben. Dr. Hübler: Ich bin wirklich gespannt darauf, wie folgender Widerspruch zu erklären ist: In der„Finanzchronik" heißt es, daß die Feste glänzend verlaufen seien und ihren Gipfelpunkt in jener Rede gefunden hätten, die von der Stammesgemeinschaft germani- scher Völker gesprochen habe. Der Arme Dorick in der„Deutschen Tageszeitung" sagt aber, daß die Phrasen geschmackloser Art seien, die einem zum Halse heraushängen, wenn in den Artikeln anderer Blätter fortwährend von der germanischen Stammesverwandtschaft gesprochen werde! Also, was Dr. Liman in der Londoner „Finanz- chronik" schreibt, hängt dem Annen Dorick zum Halse heraus!(Heiter- keit im Saale,) Liman(in steigender Verlegenheit): Wenn ber Direktor der Universität Cambridge jene Worte von der Stammesgemeinschaft äußerte, so war das für mich nicht trivial, und ich bekenne mich dazu. Hier aber sind nur banale Redensarten der— englischen Presse gemeint. Nur im Ton ist ein Unterschied zwischen den Artikeln; dort wurde für Engländer, dort für Deutsche ge- schrieben und hier noch für die geistig ctwaS schwerfällige» Leser der„Deutschen Tageszeitung", Bauern und Agrarier. Der arme Dorick will doch bekanntlich den Narren markieren; er wählte die Form der Satire und Ironie. Darum die andere Tonart.(Nach einer Pause): Es wird immer bei der Politik vorausgesetzt, daß jeder Politiker einen ganz bestimmten Standpunkt haben muß. Ich bin je nachdem: cnglandfreundlich und englimdfcindlich— wie es gerade für mein Valerland gut oder schlecht ist— absolut aber keins von beiden.(Liman liest in hellster Austegung noch einige Zitate mit stotternder Stimme vor): Ich weiß wirklich nicht, meine Herren, ob das england feindlich ist— ich weiß nicht— das kann auch englandfreundlich sein! Dr. Mittel st ädt: Ich beziehe mich noch auf Sachverständige, daß kein vorurteilsloser Journalist hier einen Wechsel der Gesinnung finden wird. Ich habe hier einen Brief von Horden an Dr. Liman, der mir das bestätigt. Borsitzender: Aber um diese Frage zu entscheiden, dazu brauchen wir doch keinen Sachverständigen! Dr. H ü b l e r: Ich kann es gar nicht verstehen, weshalb denn Dr. Liman nicht gegen die Artikel im„Leipziger Tageblatt " und in der„Frankfurter Zeitung " vorgegangen ist. Dort wurde er Schmock genannt, der rechts und links schreiben könne; das ließ Herr Liman auf sich sitzen, aber wegen der Formalien der„Leipziger Volks- zeitung" klagt er. Liman(am Ende seiner Kraft): Gewiß— der Artikel im „Tageblatt" hat mich sehr verletzt. Aber ich konnte ihn juristisch nicht fassen. Und dann wollte ich nicht gegen ein nationales Blatt klagen I! Ich wollte ein literarisches Schiedsgericht anrufen... Vorsitzender: Es steht jedenfalls fest, daß der Artikel im „Leipziger Tageblatt " zuerst erschien, der das feststellte! Darauf wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Versammlungen. Der Verband der Wäsche- und Krawattcnarbciter und -Arbeiterinnen Deutschlands , Filiale Berlin , hatte zum Montag eine öffentliche Versammlung nach dem„Schwcizergarten" einbc- rufen. P. Keller referierte über den Streik in Rathenow bei der Firma Buchholz, Wäschefabrik, und über das Verhalten der Berliner Unternehmer zu diesem Streik. In Rathenow wurde gestreikt, weil die Bezahlung dort um die Hälfte niedriger war als in Berlin ; ebenso galt es, eine Verkürzung der ungeheuer ausgedehnten Arbeitszeit herbeizuführen. Es gelang, viele streikende Mädchen in Berlin unterzubringen, als plötzlich die hiesigen Unternehmer dagegen mobil machten und dem Anschein nach schwarze Listen zirkulieren ließne. Am 26. April hatten die Unternehmer eine geheime Sitzung und am Tage darauf wurde den Rathenower Mädchen in allen Berliner Geschäften unter allerlei Vorwänden gekündigt. Im Jahre 1903 schloß der Verband mit den Unternehmern einen festen Tarifvertrag, nach welchem solche Praktiken unzulässig sein sollten. Der Tarif dauert drei Jahre und es scheint, als bereiten sich die Unternehmer mit dem Ablauf des Tarifes auf einen Kampf vor, zu dem der Verband beizeiten rüsten muß.— Welche Profite die Arbeitgeber aus ihren Angestellten ziehen, beweist der Geschäftsbericht ber Firma R i tt e r, Chausseestraße, Aktiengesellschaft. Fünf Mio- »äre teilten sich 1905 in einen Reingewinn von 140,-482 Mk. und im Jahre 1906 in 149 636 Mt. Die Zahl der Angestellten bei jener Firma beträgt etwa 320, so daß jeder Angestellte pro Jahr und Kopf 427 Mt. Reingewinn herausarbeiten muß.— Der Streik in Rathenow dauert fort. Die Versammlung nahm eine Resolution einstimmig an, in der erklärt wird, daß das Vorgehen der Berliner Unternehmer nicht den Tarifabmachungen entspreche und als Eingriff in das Koalitionsrccht der Rathcnower Kolleginnen zu betrachten sei. Die Versammelten machen sich in- heischig, für die Organisation mit allen Kräften zu arbeiten und alle fernstehenden Kollegen und Kolleginnen heranzuziehen, um im Jahre 1903 den Unternehmern stark und einig gegenübertreten zu können._ Berein der Lehrlinge, jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen Berlins und Umgegend.(Abteilung Wcißensce.) Mittwoch, den 13. Mal, abends 8 Uhr, bei G. Wall, Langhansstr. 143: MiigUederoersammlung. Lese- und Diskutierklub„Südost". Heute abend 8'/, Uhr bei Tolksdors. Görlitzerstr. 38: Vortrag. Deutscher Arbeiter-Absttnentenbnnd. Ortsgruppe Berlin . Mitt- wach, den 13. Mai, abends ili9 Uhr, im Englischen Garten, Alexander- straße 27o: Versammlung. Zentralverband der Konditoren. Donnerstag, den 16. Mal, abend» 8>/, Uhr, im Englischen Garten, Alexanderstr. 27o: Allgemeine Mitglieder- Versammlung.
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