ind Bmnlgscn bestanden, sondern in erster Reihe an dem Liderspruch Wilhelms I.. der inzwischen von einer Hofclique n ihrem Sinne bearbeitet worden war. Nachdem am ■1. Dezember 1877 Bismarck Herrn von Bennigsen zur Be- Prechung nach Varzin eingeladen hatte, schrieb am 2. Januar »578 Graf Herbert Bismarck an Herrn v. Bennigsen folgen- Hn Brief: „Varzin . 2. Januar 1878, Geehrter Herr Präsident, Mein Vater ist leider kränker geworden, als er bei Ihrer Abreise war, und außerdem in Folge der Nothwendigkeit. Schlaf durch Opiat zu gewinnen, sehr angegriffen. Außer Stande es selbst zu thun, beauftragte er mich, Ihnen Nachstehendes mit- zutheilen. Geschäftliche Besprechungen zwischen dem Vorsitzenden des Landtages und einem Minister wären in allen Ländern, wo es -tandtage gibt, gewiß etwas sehr natürliches: Das SensationS. jedürfniß unserer Parteipresse fände aber darin, daß gerade Sie und mein Vater über Fragen, welche demnächst parlamenta- cisch zu verhandeln wären, einen vorbereitenden Gedanken» austausch gehabt hätten, die Unterlage zu den übertriebensten Sensationsartikeln. Das wäre an sich nach unseren Preß- Verhältnissen noch nicht auffällig und ohne praktische Bc- deutung; letztere gewinnen solche Artikel aber dadurch, daß persönliche und politische Gegner sich ein Ge- schüft daraus machen, sie zusammenzustellen und auf Grund des Gesamtbildes Seiner Majestät ihre Ueberzeugung auszusprechen, daß doch etwas Mahres an jenen Gerüchten sein mühte, als hätten Sie mit meinem Vater hier die Ministerposten nun ver- theilt— sie möchten vacant sein oder nicht— und als hätte mein Bater sich vorläufig mit Ihnen persönlich wegen Uebernahme des Ministeriums des Innern geeinigt, ohne dem Kaiser auch nur eine Andeutung darüber zugehen zu laßen. Diese tendenziösen Unwahrheiten haben in- zwischen objectiv schon in mehreren Blättern Widerspruch ge- funden, aber scheinbar ohne daß die berichtigenden Organe sich über die Tendenz jener Erfindungen klar waren. Gerade in der tendenziösen Berechnung auf die Empfind- lichkeit, mit welcher jede Mißachtung der Rechte der Krone Seine Majestät den Kaiser bekanntlich berührt, sind diese Lügen erfunden, zu- sammengcstellt und benutzt: man hofft damit theilS meinen Vater dem Kaiser als rücksichtslos darzustellen, theilS . bei Seiner Majestät Mißtrauen gegen die nationalliberale Partei und deren Führer zu erwecken. Nachdem meinem Vater über dieses Treiben authentksche Mittheilungen zugegangen sind, hält er eS für nothwendig, Sie, geehrter Herr Präsident, davon zu be- nachrichtigen, und namentlich hinzuzufügen, daß nach den vorliegenden zweifellosen Tatsachen insbesondere der Mini st er Graf Eulenburg in ge- schickt berechneter Weise persönlich dazu mitgewirkt hat, bei Seiner MajestSt die Sorge und Verstimmung zu wecken, welcher der Kaiser meinem Vater gegenüber Ausdruck gegeben hat. Die Thatsache, daß Graf Eulenburg auf der anderen Seite bei manchen Liberalen und Radicalen Zugang und günstige Beurtheilung durch die ihm zugeschriebene Stellung zur Frage der inneren Reform gewonnen hat, läßt meinem Vater die obige Mittheilung als nützlich erscheinen, damit auch in diesen Kreisen zur Vorsicht und Kritik etwaigen Annäherungsversuchen gegen- über in discreter Weise ermahnt werden könne. In der Presse wird man Vorstehendes einstweilen garnicht oder doch nur so weit berühren können, als die Person dev Kaisers außer Spiel bleibt, denn mein Vater hat für den ganzen Hergang einen durchaus classischen, aber doch nur den einen Zeugen, nämlich Seine Majestät den Kaiser Selbst und deßen Schreiben, und es kommt ihm für jetzt nur darauf an, diejenigen zu warnen, welchen Zumuthungen oder Mittheilungen gemacht werden pollten, die etwa direct aus Eulenburgscher Quelle st a m m t e n. Indem ich meines Vaters und meine Glückwünsche zum neuen Jahre freundlich aufzunehmen bitte, bin ich mit der vor- Zllglichsten Hochachtung Euerer Hochwohlgcboren gehorsamer Diener Graf Herbert Bismarck." Auf den Entwickelungsgang der Völker haben diese Hinter den Kulissen gesponnene Regierungsintrigen nur ge- ringen Einfluß: das Geschick der Völker wird von anderen Faktoren bestimmt. Aber zu der Art und Weise, wie in Preußen regiert wird, liefert der Brief eine neue Illustration. Er bestätigt die alte Erfahrung, daß stets das per- sönliche Regiment seine ErgänzllNg in der höfischen Intrige findet-.� Das Ilefe-Syndlkat gegen die Bädtergelellen. Im Kampfe, den die Bäckergesellen Groß-BerlinS um bessere Arbeitsbedingungen führen, hat das Unternehmertum einen Schlag geführt, dessen Abwehr alle Kraft der gesamten Arbeiterschaft erfordert. Das Syndikat der Hefefabrikanten ist tvn Bäckerinnungen beigesprungen— was die Meister aus eigener Kraft nicht vermögen, das soll die Macht vereinten Kapitals erzielen. Das Syndikat, die Unternehmervereinigung zu wirtschaftlichen Zwecken, dessen Ziel auf die Aus- beutung der Käufer gerichtet ist, verwandelt sich plötzlich in eine Kampforganisation gegen die Arbeiterschaft. Und die gewaltige Macht einer solchen Organisation der Kapitalisten tritt uns mit großer Deutlichkeit vors Auge. Die vereinigten Hefefabrikanten haben es in der Hand, durch einen Federstrich Hunderte von Bäckermeistern, Tausende von Bäckergesellen vors Nichts zu stellen, ihnen ein unentbehrliches Rohmaterial für den Betrieb ihres Gewerbes ohne weiteres zu entziehen. Sie Sitd Herren über Existenz und Nichtexistenz, wenn eS der rbeiterschaft nicht gelingt, ihren Anschlag abzuwehren I Das Kapital gegen die Arbeit I In furchtbarer Schärfe zeigt sich hier dieser große Gegensatz unserer Zeit. Aus unerträglichen. halb mittelalterlichen Zuständen drängen die Bäckergesellen empor. Zu den unfteiesten, aus- gebeutetsten Schichten der Arbeiterschaft zählen sie. Sie wollen loskommen aus Formen des Arbeitsverhältnisses, die in unsere Zeit hineinragen als Ueberbleibsel der Vergangenheit, die sie dreifach, als Arbeiter, als Staatsbürger, als Mensch bedrücken. Sie wollen heraus aus einer Abhängigkeit, die sie hindert, gleich ihren Klassengenossen anderer Berufe, sich als volle Bürger ihrer Zeit zu fühlen und zu betätigen. Mühselig, unter zahl- losen Opfern erwerben sie die Kraft zum Kampfe, sie brechen los, die Solidarität der Arbeiterschaft führt sie zu Erfolgen, dje Meisterschast weicht zurück- es mehrt sich vou Tag zu Tag die Schar der Meister, die die billigen Forderungen zugestehen— da saust das Fallbeil der Materialsperre hernieder! Die wankenden Jnnungsmeister haben ihre Verbündeten, das Großkapital, aufgerufen. Die Solidarität der Arbeiterfeinde bekundet sich. Die vordringenden Lohnsklaven sollen zurückgeworfen werden um jeden Preis. Der Gewalt der Masse, die den Streikenden zur Seite steht, wird die Macht des Kapitals entgegengestellt I Laut redet dies Schauspiel von der Macht der Organi- sation I Laut von der Notwendigkeit der Organisation I Lauter aber noch von der Macht des Kapitals und von der Verurteilung des Proletariers zu ewigem Sklavendasein, wenn es ihm nicht gelingt, dieser Macht eine ebenbürtige, eine größere entgegenzusetzen! Von der Notwendigkeit, den Klassenkampf mit aller Kraft zuführen, wenn die Arbeiterschaft nicht verelenden will unter dem Joch der übermütigen Kapitalisten! Alle Kraft der Arbeiterschaft muß aufgeboten werden, den Bäckergesellen zu Hülfe zu kommen. Der entschlossene Wider- stand einiger Tage kann die Schlacht entscheiden. Und wenig ist's, was die Bäckergesellen Berlins von der Arbeiterschaft fordern. Ein wenig Selbstüberwindung, der Verzicht auf eine Annehmlichkeit! Nicht das Brot wird uns fehlen— nur ein Gebäck. Wer sollte seinen Gaumen nicht zu einem Opfer zwingen können, wer sollte es nicht wollen, wo es sich um die Zukunft einer Arbeiterschicht handelt I Die Opferwilligkeit der Berliner Arbeiterschaft hat schweren Prüfungen stand gehalten— möge sie sich auch hier be- währen, wo es der Zurückweisung eines gefährlichen An- griffs gilt! Arbeiter und Arbeiterfrauen Berlins I Der Hefering will Eure Klassengenossen unters Joch der Väckerinnungen beugen. Laßt eS nicht zu— kommt ihnen zu Hülfe l Ueber die Situation wird uns des Näheren geschrieben: Bisher hat der Streik in Verbindung mit dem Boykott recht erfreuliche und befriedigende Erfolge für die streikenden Bäcker ge- habt. Der Widerstand der starrköpfigen Jnnungssührer gegen die gerechten Forderungen der Bäckergesellen war gebrochen. 723 Meister, die zusammen 1334 Gesellen beschäftigen, hatten nach den Senauen Feststellungen der Streikleitung bis Freitagabend die orderungen des Bäckerverbandes anerkannt. Auch im Laufe des gestrigen Tages sind noch zahlreiche neue Bewilligungen erfolgt, sodaß eS zurzeit wenigstens 30(1 Betriebe sind, in denen die Forde- rungen des Verbandes anerkannt werden und zu den neuen Bc- dingungen gearbeitet wird. Nur noch wenige Tage, und die dünkel- hasten Führer der Jnnungsmeister hätten allein gestanden, ver- lassen von ihrer Gefolgschaft, und der Streit wäre siegreich beendet gewesen. Jetzt tritt den Bäckerinnungen ein Bundesgenosse zur Seite, der zu einem wuchtigen Schlage ausholt, um die wirtschaftliche Existenz derjenigen Bäckermeister zu vernichten, die so einsichtig waren, in ihrem eigenen Interesse die Forderungen des Bäcker- Verbandes zu bewilligen. In der Nacht lwm Freitag zum Sonn- abend hat eine Versammlung der Hefe Händler beschlossen, dem Verlangen der Bäckermnungen zu entsprechen, welches dahin geht, daß denjenigen Bäckermeistern, die bewilligt haben, vom Sonnabend(gestern) ab keine Hefe mehr geliefert wird. Die Lei- tung des Bäckerverbandes hat diesen Schlag zu parieren gesucht, indem sie Schritte tat, um den von dem Hefesyndikat gesperrten Bäckermeistern H'efe zu liefern, und zwar durch Vermittelung der GroßeinkaufS-Genossenschaft. Die Hefesabrikanten und-Händler haben sich bei einer Konventionalstrafe von IN WMI SN. für jeden Einzelfall verpflichtet, auch denjenigen Teil ihrer Abnehmer, der nicht unter die Sperre fällt, kein Gramm Hefe üllkr seine» bis- hrrigen Bedarf zu liefern. Auch im Hausgeschäft soll für die Dauer des Boykotts keine Hefe abgegeben werden, ebensowenig an Mehl- Händler, Kaufleute und Niederlagen. Hierdurch ist es der Streikleitung unmöglich gemacht, die Bäckermeister mit Hefe zu versorgen. Die Sachlage ist nun die, daß es diesen Bäckermeistern nicht möglich ist, solche Ware herzu- stellen, zu der Hefe verwandt werden muß. In denjenigen Backe- reien, welche von der Hefesperre betroffen sind, kann also einstweilen nur Brot gebacken werden. Die Streikleitung wird versuchen, von ausländischen Fabrikanten Hefe zu erhalten. Bis das gelingt, wird darauf gerechnet, daß das Publikum, welches die Bäckergesellen bis- her in ihrem gerechten Kampf unterstützt hat, für wenige Tage auf den Genuß von Schrippen, Knüppel, Milchbrot usw. verzichtet und sich mit Brot begnügt. Wenn die Arbeiterschaft Berlins diesen durch die Lage des Kampfes bedingten Wunsch der Streikleitung erfüllt, kann dieser neue Schlag des verbündeten Unternehmertums pariert werden. Die Absichten der vereinten Scharfmacher gehen noch weiter. Sie wünschen, daß auch die Mehlhändler die Sperre über die Bäckermeister verhängen, welche bewilligt haben. Dieser Wunsch ist bis jetzt allerdings noch nicht erfüllt. Weiter hat sich eine Ver- smnmlung der Vorstände der JnnungLausschuß vereinigten Innungen Berlins unter Führung des bekannten Herrn Rahardt mit den Häuptlingen der Bäckerinnungen solidarisch erklärt. Die Versammelten beschlossen, den Gewerbetreibenden und Handwerkern zu empfehlen, nicht bei Bäckermeistern zu kaufen, welche die Forde- rungen bewilligt haben. Es soll also dem Boykott durch die organi- sierte Arbeiterschaft ein Boykott durch das Burgertum entgegengestellt werden. ES ist jedoch nicht anzunehmen, daß ein derartiger Boykott in einem wirkungversprechenden Umfange durch- geführt wird. Der Bericht, welcher über jene Versammlung ver- breitet wird, sagt zwar, daß die Versammelten 25 000 Gewerbetreibende und Handwerker vertraten, aber daß diese dem Bc- schluß ihrer angeblichen Vertreter Folge leisten, glaubt wohl Herr Rahardt und seine Umgebung selber nicht. Außer den eben genannten Kampfmitteln gehen die Führer der Bäckerinnungen noch mit anderen terroristischen Maßnahmen gegen die Bäckermeister vor, welche bewilligt haben. Gestern teilten wir bereits mit, daß die Rixdorfcr Zwangsinnung sich herausnimmt, diejenigen ihrer Mitglieder, welche das bekannte Bewilligungsplakat im Fenster aushängen, mit einer Ordnungsstrafe von 20 Mark zu belegen. Wie inzwischen bekannt wird, wendet auch die Innung in Weißcnsee und anscheinend auch die in Charlottenb(£g dasselbe ungesetzliche Zwangsmittel gegen ihre Mitglieder an. In Charlottenburg sind sogar Leute, die sich als Mitglieder des Jnnungsvorstandes ausgaben, in die Bäckerläden gegangen, um das Plakat eigenhändig aus dem Fenster zu nehmen. Wo Scharfmacher und Arbeiterfemde aus den verschiedensten Lagern sich verbündet haben, um eine gerechte und leicht erfüllbare Forderung einer aufs äußerste gedrückten Arbeiterschicht niederzuzwingen, da darf die Polizei natürlich nicht fehlen, um eine Tätigkeit zu entfalten, die den Arbeitgebern zum Nutzen, den Ar- beitern aber zum Nachteil wirkt. Wir meinen das Verhalten von Polizeibeamten gegen die Streikposten. In der Hauptsache be- schränkt sich die Tätigteit der Streikposten auf die Beobachtung der Bahnhöfe und die Warnung der Arbeitswilligen, die etwa mit der Bahn ankommen. Sowohl die Gesellen wie die Meister haben ihre Bahnhofsposten ausgestellt. ES geschieht ja nicht oft, daß sie in Aktion treten, denn nur selten kommen einzelne Streikbrecher an. Wenn aber ein kleiner Trupp von Arbeitswilligen signalisiert ist, dann trifft kurz vor Ankunft des ZugcS«ine Kolonne von 10 bis 15 Bäckermeistern auf dem Bahnhofe ein, und sogleich ist auch eine Anzahl von Schutzleuten zur Stelle, die dafür sorgt daß die Meister ihre Arbeitswilligen möglichst ungestört in die Mitte nehmen und abführen können, während die Streikposten der Arbeiter durch die Polizei, und BahnhofSbcamtcn ferngehalten, ja bei den gering- fügigsten Anlässen, wie nicht sofortiges Entfernen nach ergangener Aufforderung, sistiert werden. So begünstigt die Polizei in jeder Wsile bii Streikposten ia Meiste� iMreiÜ» sie io Streikposten der Arbeiter die Ausübung ihres Rechts unmöglich mach!. Be- sonders am Anhalter Bahnhofe ist nach diesem System gearbeitet worden. Man sieht also, daß die Macht des Unternehmertums, begünstigt durch die Organe der Staatsgewalt, sich mit voller Wucht auf die Bäckereiarbeiter wirft, um ihre gerechten Forderungen zurückzu- schlagen und die menschenunwürdigen, kulturwidrigen Verhältnisse, unter denen die Bäckergesellen arbeiten müssen, auch für die Zu- kunft zu erhalten. Unter diesen Umständen wird die Arbeiterschaft das kleine Opfer, welches die Bäcker jetzt von ihr forvern, gern bringen und dadurch den Streikenden zum Siege verhelfen. Das Vorgehen des Hefe-Syndikats ist übrigens, nach der geltenden Rechtsauslegung, wie sie gegen kämpfende Arbeiter beliebt wird. ein rechtswidriges und strafbares. Darüber wird uns von juristischer Seite geschrieben: Die Verpflichtung, die die Hefefabrikanten übernommen haben, Bäckereien nicht zu liefern, falls sie nicht den mit den Bäckerei- arbeiten, geschlossenen Vertrag brechen, ist nach der ständigen Recht- sprechung des Reichsgerichts nicht nur zivilrechtlich ungültig, sondern überdies strafbar. Wir haben erst kürzlich von der Erhebung einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft gegen Perlmutter- fabrikanten berichtet, die auf Grund dieser Judikatur hat er- hoben werden müssen, der erwähnte Beschluß der Hefe- fabrikanten ist unter Zugrundelegung der Reichsgerichtsjudikatur. wie sie nun einmal besteht, ein klarer Vorstoß gegen§ 153 der Gewerbeordnung. Es wird der nach diesem Paragraphen st r a f- bare Versuch unternommen, die tariftreuen Bäckermeister durch die Drohung, ihnen sonst keine Hefe zu liefern, zu bestimmen, der Vereinigung der anderen Bäckermeister beizutreten, ja ihr Folge zu leisten. Diese Handlung bedroht§ 158 der Gewerbeordnung mit Gefängnisstrafe. Die Hefefabrikanten und die Bäckermeister(als Anstifter) haben aber nicht nur durch die Anwendung dieser Waffe im Lohnstreit offen gegen die Strafgesetze gefehlt. Sie haben in noch viel schärferer Weise durch den anderen Beschluß, bei Vermeidung einer Kon- ventionalstrafe von 10000 M. nicht mehr Hefe als früher an die bisherigen Abnehmer abzugeben, gegen die Rechtsordnung— immer unter Beachtung der reichsgerichtlichen Judikatur— gefrevelt. Die Vereinbarung einer solchen Konventionalstrafe ist nach 8 826 B. G.-B. und nach§ 152 G-O. ungültig und das Verlangen einer solchen ungültigen Konventionalstrafe ein strafbarer Erpressungsversuch(Z 253 Str.-G.-B.). Auch in der Befolgung des ersten Beschlusses liegt ein ErpreffungS- versuch. ES wird versucht, die tariftreuen Bäckermeister durch die Drohung, keine Hefe zu liefern, zum Vertragsbruch zu nötigen, um den anderen Bäckermeistern den Vermögens- vorteil zu verschaffen, die Tarifvereinbarungen nicht einzugehen. DaS ist aber, da die Bäckermeister.einen klagbaren Anspruch", die Bedingungen deS Tarifs zu verwerfen, nicht haben, nach der von uns so häufig bekämpften aber vom Reichsgericht gegen Arbeiter ständig betätigten Spruchpraxis des Reichsgerichts ein.rechts- widriger Vermögensvorteil' der Bäckermeister im Sinne des Z 153. Wie hier ErpreffungS- Versuche zugunsten der Bäckermeister vorliegen, so liegt in dem Bei- such, durch Konventionalstrafen die Hefesabrikanten zur Nicht- lieferung zu veranlassen, ein strafbarer Erpressungsversuch gegen die Hefefabrikanten untereinander vor. Diese Charakterisierung des Vorgehens der Bäckermeister und Hefesabrikanten als Vergehen gegen 8 152 der Gewerbeordnung und als ErpressungS- versuche ist die notwendige Folge der vom Reichs- gericht gegen Arbeiter ausgeklügelten Interpretation der angezogenen Paragraphen. Vor dem Gesetz sollen alle Staatsbürger gleich sein. Demnach muß erwartet werden, daß die zur Anklageerhebung verpflichtete Anklagebehörde gegen die Hefefabrikanten und Bäckermeister strafrechtlich einschreitet. An Privilegium für Erpressungsversuche haben die Fabrikanten nach dem Gesetz noch nicht. Auch die Staatsgewalt sucht den Bäckergesellen den Kampf zu erschweren: Davon ist die folgende Verfügung Zeugnis: �. Ober-Schöneweide b. Berlin , den 1. Juni 1907. In dem Schaufenster der in der hiesigen Tabbertstraße be- legenen und von Ihnen verwalteten Backereifiliale von Peter ist folgendes Plakat, das auf den in Groß-Bcrlin bestehenden Streik der Bäckergesellen Bezug hat. ausgestellt: „Hier sind die Forderungen der Bäckergesellen bewilligt." v Anschlagzettel und Plakate, welche einen anderen Inhalt haben, als Ankündigungen über gesetzlich nicht verbotene Ver» sammlungen. über öffentliche Vergnügungen, über gestohlene, ver- lorene oder gefundene Sachen, über Verkäufe oder andere Nach- richten für den gewerblichen Verkehr, dürfen nach§ 9 deZ preußischen Preßgesctzcs vom 12. Mai 1851 nicht angeschlagen, angeheftet oder in sonstiger Weise öffentlich, also weder im Schaufenster noch im Geschäftsladen, ausgestellt werden. Zuwiderhandelnde haben Bestrafung aus§ 41 a. a. O. zu gewärtigen. Zur Vermeidung des weiteren fordere ich Sie hiermit auf, die genannten Plakate s o f o r t zu entfernen., Ewardt An � den Leiter der Bäckcreifiliale von Peter hier Tabbertstraße. Das Vorgehen entbehrt natürlich der gesetzlichen Grund- läge und allen Bäckermeistern, denen ähnliche Verfügungen zugehen, ist zu raten, sich nicht einschüchtern zu lassen. Der Herr Amtsvorsteher führt sich in seinem Schreiben selbst ab, indem er ausdrücklich feststellt, daß Anschlagzettel und Plakate nftt„Nachrichten für den gewerbliche n Ver- kehr" erlaubt sind. Daß es sich hier um solche„Nachrichten für den gewerblichen Verkehr" handelt, wird der Herr Amtsvorsteher bei näherem Nachdenken selbst nicht be- streiten können. ** 9 Der Anschlag des Heferings ist abgeschlagen. In letzter Stunde geht uns noch die erfreuliche Nach' richt zu, daß eS der Streikleitung gelungen ist, den Sperre- beschluß des Hefesyndikats unwirksam zu machen! Es ist ge- lungen, Hefe in genügendem Maße für die tariftreucn Bäckereien zu beschaffen! Die bereits gelieferten und noch auf deni Versand begriffenen Quanten sichern die tariftreuen Bäckereien vor Materialmangel. Wenn die Arbeiterschaft die Bäckergesellen weiter uytex- stützt, wird der Kampf gewonnen werden! politilebe Gcberftcht. Berlin , den 1. Juni 1907. Karl Blind . Wie der Telegraph aus London meldet, ist gestern in Hampstead der von den deutschen Liberalen als großer Revolutionär und Acht- undvierziger gefeierte Schriftsteller Karl Blind infolge eines Herz- schlageS gestorben. Am 4. September 1826 in Mannheim geboren, nahm er schon als junger Student in Heidelberg und Bonn an der
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