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Nr. 127. 24. Inljrptig. 8. Keilme des Jonunttf Cctlintr öollislilntl. Dienstag, 4. Iirai 1907. KuiMche Beamtenuntreue in liiedtlenburg. (Telegraphischer Bericht.) Schwerin  , den 3. Juni. Ein Riesenprozeh wegen Durchstechereien und Unterschlagungen an der Irrenanstalt Sachsenberg bei Schwerin   nahm heute vor der ersten Strafkammer des Schweriner   Landgerichts seinen Anfang. Fünf Angeklagte werden aus der Untersuchungshaft vorgeführt, in der sich eine Anzahl von ihnen bereits seit Mai 1906 befinden; vier Angeklagte waren gegen hohe Kautionen aus der Unter- suchungshaft entlassen worden. Der eine der Hauptangeklagten, Hofschlächtermeistcr Wilck-Schwerin, hatte ursprünglich einen Teil der Kalbfleischlieferungen für die Irrenanstalt Sachsenberg  . Indem er dem zweiten Hauptangeklagten, dem Bctriebsinspektor Arnold Schulde, der heute als schwerkranker, gebrochener Mann auf der Anklagebank Platz nimmt, die freie Fleischlieferung für seinen Pri- vathaushalt während des ganzen Jahres in Aussicht stellte, hat Wilck den Schultze bewogen, ihm die anderen Submissionen der sich um die Lieferungen bewerbenden Schlächtermeister zugänglich zu machen, damit er seine Bewerbung so einrichten könne, daß sie für die Anstalt günstiger werde. Zugleich bewog Wilck den Schultze, seine Bewerbung bei dem Oberarzt der Anstalt zur Annahme zu empfehlen. Auf diese Weise gelangte Wilck in den Besitz der ge- samten Fleischlieferungen für die Anstalt. Mit Hülfe des An- geklagten Schultze und zweier weiterer in der Anstalt beschäftigten Angeklagten, des Bureauassistenten Brüdigam und des Privat- schrcibers Hinzpeter, hat dann Wilck seit dem Jahre 1899 der An- stalt viel höhere Fleischgewichtsmengen in Rechnung gestellt, als wirklich geliefert wurden. Schließlich hat Wilck auch der Anstalt minderwertige Sorten von Fleisch, Wurst und Schinken geliefert, die nachher als erstklassige Ware ig Rechnnug gestellt wurden. Für den Umfang der Betrügereien und des Nutzens, den der Haupt- angeklagte Wilck gezogen hat, gibt der Umstand einen Anhalt, daß er den beiden Mitangeklagten Bureauassistenten jährlich 1999 M. für ihre Beihülfe gezahlt hat. Der Betriebsinspektor Schultze hat natürlich wesentlich höhere Summen erhalten. Als fünfter war an dem Nutzen der mitunterrichtete Buchhalter des Angeklagten Wilck, Karl Heinrich Müller, beteiligt. In ähnlicher Weise ist die Anstalt durch die anderen vier Angeklagten, Kolonial- Warenhändler Will, Kohlenhändlerin Witwe Scharfenberg, Kauf- ninnn Bärwald und Gutspächter Barth, geschädigt worden. Die Anklage gegen diese neun Angeklagten lautet auf Beamten- bestechung(aktive und passive), Urkundenfälschung» Betrug und Untreue. Die Verteidigung stützt sich hauptsächlich auf die Tat- fache, daß die beiden angestellten Beamten der Irrenanstalt, Bu- rcauassistent Brüdigam und Schreiber Hinzpeter ein Jahrcsgehalt von 369 M. bezogen, obwohl sie viele Jahr lang in der Anstalt in verantwort- licher Stellung tätig waren. Angeklagter Betriebsinspektor Schultze gibt die Anklage in vollem Umfange zu. Er hat seit einer Reihe von Jahren Geschenke aller Art angenommen und dafür die Lieferanten begünstigt. Hofschlächtermeister Wilck gibt die gemeinschaftlichen Betrügereien zu, bestreitet aber die Bestechung. Aehnlich liegt es bei den An- geklagten Kaufmann Bärwald und Witwe Scharfenberg. Sie de- streiten, dem Schultze Geschenke gegeben zu haben, um ihn zu Pflichtwidrigkeiten zu verleiten. Der Angeklagte Schultze gibt aber zu, von ihnen Geld genommen zu haben, um ihnen die Seifen- lieferung bezw. Kohlenlieferung zu verschaffen. Der einzige Angeklagte, der alles bestreitet, ist der Gutspöchter Barth. Äib ihm zur Last gelegten Taten reichen allerdings bis 1893 zurück. Barth leugnet, sich in unrechtmäßiger Weise bereichert zu haben. Seine Butterlieferungen seien durchaus preiswert gewesen. Bors.: Sie sollen aber auch an dem verstorbenen Betriebsinspektor der Irrenanstalt Behlsheim bei Rostock   sehr erhebliche Geschenke gemacht haben. Vor allem haben Sie sich auch überhöhte Rechnungen zahlen lassen. Sie haben doch bei weitem nicht so viel geliefert, wie Sie bezahlt er- hielten. Angekl. Barth: O doch! Vors.: Wir verhandeln ge- trennt fünf Fälle, getrennt nach den fünf Lieferanten: Kolonial- waren, Kohlen, Seife, Fleisch und Butter, weil zwischen ihnen nur ein rechtlicher, aber kein tatsächlicher Zusammenhang besteht. Wir machen jeden einzelnen dieser fünf Fälle mit Beweisaufnahme und Zeugenverhör vollkommen spruchreif. Wir verhandeln also zu- nächst den Fall Will. Angeklagter Betriebsinspektor Schultze äußert sich zu dem Fall des Kolonialwarenhändlers Will. Schultze ist jetzt 66 Jahre alt, verheiratet und Vater von sechs Kindern im Alter von 16 bis 25 Jahren. Er war ursprünglich Guts- inspektor, später selbständiger Besitzer in Mecklenburg  , verkaufte aber, weil er nicht genug Geld hatte, um sein großes Besitztum be- wirtschaften zu können. Er kaufte sich dann eine kleinere Stelle im Holsteinischen. Kapitalsmangel zwang ihn auch da, zu ver- kaufen. Er trat dann für kurze Zeit als Bureauvorsteher in eine Hamburger Privatbriefbeförderungsanstalt ein. Diese Anstalt ver- krachte aber bald und Schultze wurde brotlos, bis er im März 1883 als Betriebsinspektor an die Irrenanstalt Sachsenberg   kam. Hier wurde er schon nach einem halben Jahr fest angestellt und vereidigt. DaS Anfangsgchalt betrug 8799 M. bei freier Dienst- Wohnung, Garten und Feuerung und stieg bis 4299 M. im Jahre 1991. Bors.: Davon wurden jedoch 19 Proz. für Wohnung und Feuerung abgezogen? Angekl.: Nein, 19 Proz. für Wohnung, außerdem 150 M. für Feuerung. Bar bekam ich 3639 M. Ich war viel schlechter gestellt als mein Kollege in Gehlsheim. Staatsanwalt: Der Angeklagte erhielt aber außerdem in den Jahren 1891 bis 1994 759 M. an Unterstützungen vom Kuratorium. Ja, er besaß sogar die Frechheit, im Dezember 1995, während schon die Untersuchung schwebte, noch einmal um Unterstützung cinzukommcn. 1 Bors.: Sie hatten damals 18 999 M. Vermögen, das verschwiegen Sie in Ihrer Eingabe, um sich Unterstützung zu verschaffen. Angekl.: Meine Frau war schwer krank, magen- leidend und nervös, meine Kinder kosteten viel Geld. Bors.: Ihre Tochter war Lehrerin am Seminar und Ihr Sohn studierte die Arzncikunde in Berlin  . Sie sollen außerdem zu Hause in großem Wohlstande gelebt haben. Trotzdem haben Sie sich noch ein solches Vermögen erworben. DaS Geschäft mit den Lieferanten musi also gut gegange» sein. (Heiterkeit.) Schon 1899 kauften Sie durch das Bankhaus Jaffe für 1999 M. Wertpapiere, 1993 aber durch die Dresdener Bank in Hamburg   für 7399 M- Sie waren mit dem Angeklagten Will sehr befreundet und besuchten ihn fast täglich, für eine Freund- schaft fast zu oft.(Heiterkeit.) Sie lieferten also für die 899 Mann starke Belegschaft der Irrenanstalt Sachsenbcrg Zucker, Kaffee, Petroleum, Salz, Kartoffeln usw. Was hatten Sie davon für Vorteil? Angekl. Schultze: Bis 1991 bekam nur meine Frau gelegentlich Geschenke im Werte von 59 bis 199 M. jährlich. Im Jahre 1901 schlössen wir einen festen Vertrag, wonach ich 19 Proz. der bezahlten Gelder erhielt.(Heiterkeit.) Bors.: 19 Proz. ist ja enorm viel. Man wird ja den Kopf schütteln, wenn man das liest. Dabei ging Will mit den Preisen immer mehr herunter, um die Konkurrenz fern zu halten. Dafür steigerte sich seit 1991 der Verbrauch ganz un- geheuer. 1898 gebrauchte die Anstalt von ihm für 24 439 M. i Ware, 1994 aber für 42 999 M., also 18 999 M. mehr. Augen- ) scheinlich hat Will viel zu wenig geliefert und viel zu viel bezahlt bekommen. Sie haben das alles geduldet, weil Sie selbst großen Vorteil davon hatten. Angekl.: Ich war fast ohne Kontrolle. Dex Angeklagte Will hat sein Geschäft 1993 an seinen Neffen verkauft und ist jetzt Rentier. Er ist verheiratet, kinderlos und in guten Vermögens- Verhältnissen. Bors.: Ihr Haus ist fast schuldenfrei, Sie haben 69 999 M. Vermögen, allerdings haben Sie nur ein Zinseinkommen von 1929 M. jährlich deklariert. Angekl.: Ich hatte auch manch- mal nicht mehr. Bors.: Nun, lassen Sie nur gut sein, ich will das nur als Streiflicht benutzen. Wegen Steuerhinterziehung wollen wir ja hier nicht gegen Sie verhandeln.(Heiterkeit.) Sie hatten also die Lieferungen für Sachsenberg   seit Gründung Ihres Geschäfts im Jahre 1875 und legten darauf großen Wert? Angekl.: Ja, vom Ladengeschäft allein konnte ich nicht leben. Vors.: Sagen Sie doch offen, Sachsenberg   war ihr einziger Kunde, dafür allerdings auch ein guter Kunde. Wie kamen Sie denn zunächst dazu, der Frau Schultze Geschenke� zu machen? An­geklagter: Ich habe ihr zum Geburtstag und zu Weihnachten Ge- schenke von 29 bis 25 M. gemacht. Wir waren doch befreundet und jeder Kaufmann mutz der Kundschaft gegenüber aufmerksam sein. (Heiterkeit.) Bors.: Nun, ich bin doch auch einer vom Fach. Mein Vater war auch Kaufmann und ich habe nie davon gehört« daß er solche Aufmerksamkeiten erwiesen hätte. Angekl.: Ja, das war damals in der guten alten Zeit! (Große Heiterkeit.) Vors.: Die Haushaltsrechnungen hat Frau Schultze auch stillschweigend unbezahlt gelassen? Angekl.: In. den letzten Jahren wurde alljährlich über 559 M. quittiert. Bors.: Aber bezahlt wurde nichts, denn Sie haben ja nichts davon aus der Kladde ins Memorial übertragen. Angekl.: Dazu hatte ich zu viel zu tun.(Heiterkeit.) Bors.: Sie hatten ja gar keine Privatkundschaft. Von 1991 an zahlten Sie also ständig 19 Proz. des Wertes der Waren an Schultze. Wie kamen Sie dazu? Angekl.: Eines Tages schrieb Schultze, wenn es nicht anders würde, niüßte er den Geschäftsverkehr mit mir abbrechen. Vors.: Früher haben Sie das deutlicher gesagt: Schultze habe geschrieben, wenn Sie ihm nicht entgegenkämen, würde er das Geschäft auf- geben. Dann forderte er, als Sie sich einmal auf der Straße ge- troffen hatten und Sie dann in die Kneipe gingen, 19 Proz. Das ist doch ein unerhörtes Ansinnen. Sind Sie nicht zuerst sehr er- schrocken darüber? Angekl.: Nein, Schultze sagte zu mir, er sei schon so lange auf Sachsenberg   und käme zu nichts, jeder andere Be- amte in seiner Stellung würde ein reicher Mann werden. Vors.: Und für diese 19 Proz. haben Sie dann der Anstalt Waren von ge- ringerem Gewicht und schlechterer Qualität geliefert? Angekl.: Nein, niemals. Vors.: Das Zeugenverhör wird ja noch Tat- fachen ergeben, die Ihre sittliche Entrüstung wenig angebracht er- scheinen lassen dürften. Ist Ihnen denn das fabelhafte Anwachsen des Konsums nicht aufgefallen? Angekl.: Nein, ich dachte, ich hätte die anderen Lieferanten verdrängt. Vors.: Sie haben also mit allen Waren nach dem Jahre 1991 am Gewicht 19 Proz. auf- geschlagen. Angekl.: Nicht mit allen Waren. Vors.: Nun ja, ich weiß, an Sachen, die Sie alle Jahre einmal lieferten, wie an Anchovis, nicht, dafür an Kartoffeln, Petroleum. um so mehr. Sie sollen sogar auf einzelne Waren bis zu 45 Proz. aufgeschlagen haben. Angekl.: Niemals, ich habe immer nur 19 Proz. heraus- geholt. Vors.: Jedenfalls haben Sie der Anstalt falsche Rech- nungen aufgestellt. Angekl.: Ja, aber das war doch nicht meine Schuld.   Vors.: Aber die Schuld Sachsenbergs auch nicht. Verteidiger Oppenheimer: Der Angeklagte sagte mir, daß er ein- sehe, Unrecht getan zu. haben. Ich möchte, daß-er-daS doch auch dcnr Gericht offen sagt. Vors.: Verteidigen wird er'sein Vo?- gehen wohl schwerlich können. Aber sagen Sie, Angeklagter Will, wie kam bloß Schultze dazu. Ihnen ein solches Angebot zu machen, wenn Sie nicht schon vor 1991gemuschelt" hätten? Angekl.: Das hatte ich nicht, aber vielleicht hatte Schultze es mit den anderen Lieferanten getan. Vors.: Die Aussagen Schultzes, daß Sie seiner Frau schon große Geschenke gegeben hatten, sind doch glaub- hafter, weil er sich durch sein offenes Geständnis ja selbst schwer belastet Er wird sich doch nicht selbst Verbrechen an den Hals lügen. Wieviel haben Sie dem Schultze übrigens später ge- geben? Angekl.: Durchschnittlich 1999 M. jährlich. Vors.: Sie sind dabei reich geworden, Schultze auch. Aber das ging alles auf Kosten des Anstaltskuratoriums und was noch schlimmer ist, auf Kosten der Anstaltsinsasscn. Der Angeklagte Schultze be- streitet, daß er den Mitangeklagten Will durch Drohungen be- stimmt habe, ihm 19 Proz. zu geben. Es wird dann erörtert, wie die Angeklagten die SubmisfionSanträge und Submissionsbedingungen so eingerichtet haben, daß Will die ganze Konkurrenz verdrängte und schließlich alleiniger Bewerber blieb. So reichte z. B. Will eine Liste über 16 Kaffeesorten, 13 Reissorten usw. ein, während Schultze dem Anstaltsleiter nur die billigsten Sätze vortrug, so daß es den Anschein gewann, als ob tatsächlich Will ein ganz besonders billiger Lieferant wäre. Außerdem wurden statt der etwa ge- brauchten 29 999 Pfund Kaffee nur 19 999 Pfund aufgeschrieben, so daß die anderen Bewerber, die den wirklichen Bedarf nicht kannten, nicht so billig kalkulieren konnten wie Will. Bors, zum Angeklagten Will: Sie haben in den Kontrakten oft Preise gefunden, die Sie bei der Submission gar nicht ge- fordert hatten, und zwar höhere. Angekl.: Auch niedrigere Preise. Vors.: Das hätte doch gar keinen Zweck gehabt. Sie wußten doch, was diese höheren Preise zu bedeuten hatten. Schultze war doch am Gewinn beteiligt. Wenn Ihnen z. B. 1,19 M. für ein Pfund Kaffee bewilligt wurden und Sie hatten nur 1 M. ge­fordert, haben Sie dann Kaffee zu 1,19 M. oder für 1 M. ge­liefert? Angekl.: Immer die bessere Sorte. Bors.: Sie haben 16 Kaffeesorten bei der Submission eingereicht; gibt es denn überhaupt soviel Kaffeesorten?(Heiterkeit.) Angekl.: O ja. Ich ließ mir vielfach zum Zweck der Bewerbung Proben von aus- wärts kommen. Vors.: Wurden die Preise nicht erst nach der Lieferung vielfach geändert? Angekl.: Nein! Vors.: Sie haben es ja aber selbst in der Voruntersuchung zugegeben. Angekl.: Dann ist es möglich. Vors.: Wurden oft Sachen ins Kontobuch eingeschrieben, die Sie überhaupt nicht geliefert hatten? Angekl.: Es sind höchstens 19'Proz. mehr angeschrieben worden, damit ich keinen Schaden hatte. Die Waren waren immer gut und an- gemessen. Bors.: Waren nicht im Reis Würmer? Angekl.: Niemals. Bors.: Und war der Käse nicht oft verdorben? Angekl.: Er ist bei mir gar nicht alt geworden. Bors.: Nein, aber Sie haben ihn alt bezogen. Die Zeugen werden uns ja sagen, daß vielfach frisch angekommener Käse weggeworfen werden mutzte, weil er total verdorben war. Schickten Sie nicht auch öfter Waren hinaus, die gar nicht bestellt waren? Angekl.: Ja, Schultze sagte mir, ich könnte ihm alle Sachen hinausschickcn, die mir im Wege standen. Wir wohnten nämlich fehr'beschränkt.(Heiterkeit.) Vors.: Schultze schrieb oft Waren in Rechnung, die Sie gar nicht geliefert hatten. Angekl.: Ich nehme an, daß es Waren waren, die ich aufzuschreiben vergessen hatte. Bors.: Durften Sie nicht viel einfacher annehmen, daß es sich um ein verschmitztes Ma- növer handelte, um die Rechnung und Ihren Anteil zu vergrößern? Schultze hatte doch auch Rechnungsformulare mit Ihrer Firma draußen in Sachsenberg.   Angekl.: Ja, er hatte mir gesagt, er müsse manchmal Rechnungen verbessern, wenn etwas falsch an- geschrieben sei. Angekl. Schultze: Ich hatte Rcchnuugssorinu- lare von fast allen Firmen. Vors.: Das läßt doch tief blicken. Die Ausrede ist fauler Zauber. Was ging es denn Sie an, wenn der Lieferant einmal zu wenig anschrieb? Vor allem verstehe ich eins nicht: Bei so riesigen Lieferungen von Hunderttausenden hätte doch die staatliche Verwaltung direkt beim Großhändler kaufen können statt sich an Zwischenhändler zu wenden. Das war doch eine un« verantwortliche Wirtschaft; damit hat man viele Zehntausende von Mark dem Staate aus der Tasche gestohlen.(Große Bewegung.) Sie haben nach Ihren Fakturen für Ihr ganzes Geschäft bei weitem nicht soviel Ware bezogen, wie Sie nach Sachsenberg  lieferten. Angekl. Will: Die Waren, die ich geliefert habe, habe ich auch bezogen.(Stürm. Heiterk.) Vors.: Das ist nur halb wahr. Sie haben eigentlich viel mehr hinausgeliefert, als Sie bezogen haben. Aber Ihre Kladden fehlen ja meist. Nach Ihrer Angabe hat Ihre Frau die Kladden verbrannt. Angekl.: Ja, beim Umzug. Bors.: Sie sind zuletzt 1991 umgezogen, aber die Kladden sind bis 1994 verbrannt. Ein anständiger Kaufmann ver- brennt vielleicht alte Scharteken, aber doch nicht die Bücher der letzten Jahre. Angekl.: Sie haben vielleicht meiner Frau im Wege gelegen.(Heiterkeit.) Vors.: Soweit Bücher gefunden wurden, sind sie aber höchst verräterisch. Wenn alles richtig addiert ist und darunter steht: Zum Ausgleich erhalten z. B. 319 M., so steht dahinter in Klammern: per Kasse 399 M. Angekl.: Viel­leicht hatte ich etwas vergessen und Schultze es hinzugeschriebcn. Vors.: Darauf wollte ich gerade auch hinaus. Diese schöne Sitte, daß der Zahlbetrag höher ist als der Rcchnungsbc-trag, zieht sich durch Ihre ganzen Bücher.   Bert. Oppenheimer: Vielleicht fragen Sie einmal Schultze danach. Angekl. Schultze: Ich habe oft Waren auf Rechnungen nachgetragen, die nicht geliefert waren, soweit ich mich erinnern kann, aber erst seit 1991. Im übrigen habe ich die Waren nach der Rechnung abgenommen, ohne sie erst abzuwiegen. Vors.: Bemerkten Sie denn nicht ohne weiteres, daß das keine 199 Kilogramm Zucker und keine 59 Kilogramm Kaffee waren? Angekl. Schultze: Daß es weniger waren, wußte ich ohne Wiegen.(Heiterkeit.) Vors.: Schultze. bei Ihrer ersten Vernehmung in der Ihnen überraschend kommenden Disziplinar« Untersuchung im Dezember 1995 sagten Sie aus: Will habe 39 bis 59 Proz. aufgeschlagen. Angekl. Schultze: So war es auch. Bors.: Wie war denn die Ware? Angekl.: Nach der Probe war sie gerade nicht. Vors.: n der Voruntersuchung gaben Sie an, der Kaffee sei unrein; Sago  , Gries und Reis muffig gewesen und statt ganzen Reis hätten Sie Bruchreis bekommen. Angekl.: Es war vieAeicht Bruchreis bestellt. Vors.: Nein, gerade der jetzige Leiter der Irren- anstatt, Medizinalrat Martusch, hatte das System eingeführt, daß alle Klassen von Patienten gleiche Ware bekommen. Angekl. Will: Ich habe niemals schlechte Ware geliefert. Vors.: Aber warum sagt es denn Schultze? Warum sollte er denn seine Schuld ab- sichtlich noch größer machen? Er hat doch weiß Gott   schon genug auf seiner Seele. Angekl.: Ich kann nur sagen, daß ich nie schlechte Ware geliefert habe. Das weitere Verhör dreht sich um den Nachweis, daß o\e Muschelei" der Angeklagten spätestens 1898 begonnen hat. Der Vorsitzende hält dem Angeklagten Will entgegen, daß Schultze in der Voruntersuchung angab, ihre gemeinschaftlichen Betrügereien gingen schon 8 bis 19 Jahre, daß er auch damals schon sich Aktien gekauft und das gerade mit dem Jahr 1898 sich der Konsum der Anstalt bedeutend gesteigert habe, so z. B. für Kaffee auf das Dreieinhalbfache, für Zucker und Petroleum auf das Eineinhalb- fache, für Hering fast auf das Zweifache und selbst für Feuer- anzünder von 3359 Stück pro Jahr auf 7299 Stück.(Heiterkeit.) Im ganzen hat nach der Untersuchung der Sachverständigen der Angekl. Will für 18 798 M. Waren mehr nach Sachsenberg   ver- kauft, als er überhaupt je für fein Geschäft bezogen hat. Allein die beiden Angeklagten haben die Anstalt .SlfiOf«Su/lEl*.«' .........'' um 47 268 M.» geschädigt. Angekl. Will bleibt dabei, daß er 1893 dem AngeN. Schultze noch keine Vorteile gewährt habe, sondern erst nach dessen Drohungen im Jahre 1991. Bors.: Sie haben aber schon 1893 4790 Liter Petroleum mehr nach Sachsenberg   abgerechnet, als Sie selbst eingekauft haben. Angekl.: Es wurden viele Feueranzünder für Petroleum in Rechnung gesetzt.(Heiterkeit.) Schultze sagte mir, daß die Diener in Sachsenberg   ganze Pakete Feueranzünder in den Ofen steckten. Bors.: Sie waren aber doch mit Schultze sehr intim und alle Abende mit ihm zusammen. Sie haben ihm auch stets die Nachtdroschke nach Sachsenberg   bezahlt. Haben Sie nie darüber gesprochen, woher er plötzlich so viel Geld hatte? Angekl. Will: Geschäftlich haben wir nie miteinander gesprochen. Vors.: Das ist doch aber höchst unwahrscheinlich. Auf Befragen des Verteidigers Angekl. Will: Ich habe viele Waren ohne Faktura und ohne Rechnung sofort gegen bar gekauft, vor allem Kartoffeln. Damit ist das Verhör der beiden Angeklagten beendet. Es wird in die Zeugenvernehmung eingetreten. Sachverständiger Oberarzt Dr. Wilhelmi gibt sein Gutachten über den Gesundhmts- zustand des Angekl. Will ab. Will fei etwas apoplektisch, er habe vor längerer Zeit einen Schlaganfall erlitten und sei infolgedessen im Denken etwas verlangsamt; sonst sei er aber geistig vollständig gesund und imstande, den Verhandlungen zu folgen. Hierauf wird die Weiterverhandlung auf morgen, Dienstag, vertagt. Eingegangene Dnickfcbinftcn. Von derReuen Zeit«(Stuttgart  . Paul Singer) ist soeben das 35. Hcst des 25. Jahrgangs erschienen. Es hat solgenden Inhalt: Die Gärung in der Fabian Society  . Von M. Beer. Freie Konkurrenz und industrielle Organisation. Studien zur kapitalistischen   Organisation. Von Pius Julmann. Die industrielle Entwickclung und die Konzentration des Besitzes in den Vereinigten Staaten  . Von Jakob Winnen(Chikago). Zur Maiscicrsrage. Von Emil-Fischer iHamburg). Literarische Rundschau: G. Maier, Soziale Bewegungen und Theorien bis zur modernen Arbeiter- beivegung. Aus Natur und Geisteswelt. Von r. h. Julius Deutsch  , Die Kinderarbeit und ihre Bekänipsung. Von ad. br. Ricarda Huch  , Die Geschichten von Garibaldi. Von Carl Korn. Vauvenargues, Gedanken und Grundsätze. Von Hermann Wendel  ..,_, Die.Neue Zeit" erscheint wöchentlich einmal und ist durch alle Buch- Handlungen, Poslanstallen und Kolporteure zum Preise von 3,25 M. pro Quartal zu beziehen; jedoch kann dieselbe bei der Post nur pro Quartal abonniert werden. Das einzelne Hest kostet 25 Pf. Probenummern stehen jederzeit zur Versügung, Berliner   Marktpreise. Aus dem amtlichen Bericht der städtischen Markthallen-Direktion.(Großhandel.) Rindsteisch la 66-68 pr. 100 Pfd., IIa 60-65, nia 55-58, Bullcnfleisch la 6266, IIa 5260, Kühe, sett 5258, do. mager 4250, Fresser 5062, Bullen, dän  , 0,00, do. Holl. 0,00. Kalbfleisch, Doppcllendcr 100125, Mastkälbcr la 8894, IIa 7684, lila 0,00, Kälber gcr. gen. 5065, do. Holl. 6065, dän.�0,00. Haininelfleisch Mastlämmer 7074, la 6570, IIa 5865, Schafe 5358. Schweinefleisch 4552, Rehwild la per Psund 0,600,73. IIa 0,40-0,56. Rotwild, Abschuß 0,50-0,59. Damwild, Abschuß 0,00. Wild. schweine 0,00. Frischlinge 0,00. Kaninchen per Stück 0,60. Hühner, alte, per Stück 1,60-2,00, Ha 1,301,50, do. junge 0,60-1,40, Wolga  « Hühner 0,00. Tauben 0,350,62, italienische 0,00. Enten per Stck. 1,39 bis 2,70, dito Eis- per Stück 0,00, do. Hamburger per Stück 2,004,25 Gänse per Pfund 0,00, do. per Stück 1,505,00, do. Hnm- burger per Psund 0,901,05, per Stück 0,00. Chalonshühner 0,00. Hechte per 100 Psund 92106, groß und mittel 0,00, do. matt 91, do. groß 7071. Zander 0,00. Schleie, Holl. 8594, do. groß 7892, do. 86102. Aale, groß 129134, do. klein und mittel 0,00, do. mittel 122128, do. unsortiert 84114. Plötzen 0,00, do. klein 0,00, do. matt 0,00. Karpsen 40 er 0.00, do. 0,00. Bleie 0,00. Bunte Fische 53-55. Barse 0,00, do, matt 57. Karauschen 40-71. Bleisischc 0,00. Wels   0,00. Aland 0,00. Quappen 0,00. Amerikanischer Lachs la neuer Per 100 Psd. 110130, do. IIa neuer 90100, do. lila neuer 75. Seelachs 1520. Sprotten, Kieler, Wall 0,00, Danzigcr, Kiste 0,00. Flundern, Kieler  , Stiege la 35, do. mittel ver Kiste 12, Hamb. ~ liste 1,00-2,00. Bücklinge. Kieler per Wall 1,50-2,50, Stiege 46, halbe Kiste Stralsunder 1,592,50. Aale, groß per Psd. 1,10-1,50, mittelgroß