Einzelbild herunterladen
 
nur mit einer Geldstrafe bestraft sei. Sie sei in Wahrheit fünfmal bestraft worden, darunter einmal in Dresden   mit zwei Monaten Gefängnis. Ferner behauptete der ritterliche Herr von seiner einstigen Geliebten, daß sie sich in ihrer Erklärung selbst eines falschen Eides bezichtigt habe, denn sie habe seinerzeit vor dem Untersuchungsrichter beeidet, Herr v. Puttkamer   habe sie nie zu beeinflussen gesucht, während sie in zener Erklärung das Gegenteil behauptete. Außerdem stellte Jesco die wichtige Tatsache fest, daß das Kind der Frau v. Germar nicht das seine ist, denn es sei, als er sie kennen lernte, bereits drei Jahre alt gewesen. Schließlich führte er noch einen aktiven Offizier an. der durch ihn die jetzige Frau v. Germar im Englischen   Büfett kennen gelernt und gleich- falls unter Eid ausgesagt habe, daß auch er die Dame unter dem Namen v. Eckardstein kennen gelernt habe. Wegen dieses Artikels soll Frau v. Germar den JeSco und das «Kleine Journal" verklagen wollen. Auf diese Weise könnte manches ans Tageslicht kommen, waS im Disziplinarverfahren im Dunkeln bliebe und es könnte dieser Prozeß, dessen Vorgeschichte ein liebliches Licht auf die gentlimsnlilce Art und Weise wirft, wie ein Edelster eine unbequem gewordene Geliebte öffentlich preisgibt, politische Bedeutung gewinnen. Ob er aber wirklich stattfinden wird? Windthorst und das Unfehlbarkeitsdogma. Der ReckitSlehrer Professor v. Schulte veröffentlicht im Juniheft sex«Deutsch  . Revue" Erinnerungen an Ludwig Windthorst  . Charakteristisch für Windthorsts Verhältnis zum Unfehlbarkeitö- dogma ist folgende darin geschilderte Episode: _«Am 11. Juni 1870 war Windthorst   mit Tochter zu Mittag mein Gast, wir blieben den ganzen Nachmittag beisammen; am 13. fuhr ich mit den beiden Windthorst und meiner Frau in den Baumgarten, wo wir den Nachmittag zubrachten. Unser Haupt. gespräch drehte sich um das vatikanische Konzil. Windthorst er» zählte eingehend von dem bei Gelegenheit des Zollparlaments ge» machten Versuche, in Rom   gegen die Dogmatisierung der Jnfalli» bilität zu wirken, er fand nicht genug Worte der Entrüstung über die Art des Vorgehens der Kurie auf dem Konzil und sagte wörtlich, wie ich auf dem Ältkatholikenkongrcß zu Köln   am 22. September 1872 in der öffentlichen Versammlung mitgeteilt habe:Wenn das Dogma proklamiert wfrd, so werde ich in sechs Wochen exkommuniziert; das kann ich nicht glauben, und dos glaube ich auch nicht." Er meinte, daß alles darauf ankomme, ob Ketteler fest bleibe.«Steht der." so sprach er wörtlich,«fest, so werden die deutschen   Bischöfe ebenfalls fest bleiben, und dann wird auch der katholische Adel das Dogma abweisen, denn Ketteler ist von altem Adel, und was der tut, das nimmt der Adel an." Kaum war daS neue Dogma publiziert, kaum hatte Ketteler sich kläglich gebeugt, dessen Fußfall Pius IX.   nicht abgehalten hatte da fand auch Ludwig Windthorst   sich in daS ihm unbegreifliche Dogma. Freilich nicht, weil er daran glaubte das tat auch Ketteler nicht, daS tat die ganze Sippschaft der abgefallenen Bischöfe nicht sondern weil er nur als Führer des Zentrums die erste Geige spielen konnte; die? aber ging nicht, ohne daS Lacrikicio dell' intellctto zu bringen. Eines TageS, im März 1874, als wir im Foyer de» Reichstages miteinander auf und ab gingen, sagte ich zu ihm:Sie können mir doch nicht zumuten, daß ich wirklich glauben solle, daß Sie an diese neuen Dogmen glauben, daß Herr ... ich nannte ihm ein hervorragendes Mitglied des Zentrums. das bor 1848 notorisch Voltairianer war und Herr... ich nannte ein anderes ZentrumSmitglied daran glauben." Ich führte dann auS dem Leben der ihm bezeichneten Herren Einzel- heiten an; feine Antwort lautete:Sie haben recht, aber sehenSie, man wird älter, demeinen st irbtsein Sohn, dem anderen die Tochter, man geht in si ch." Da konnte ich mich nicht enthalten zu erwidern:«Sagen Sie doch einfach wie der Student:JungeH..., alteBetschweste r." Was die Zentrumsbauern von ihrem Abgeordneten erwarten. Im bayerischen LandtagSwahlkreife Wasserburg  » T r o st b e r g ist der Zentrumskandidat Gilg bei der Wahl dem Bauernbündler unterlegen so schreibt die«Münch. Post" weil ein großer Teil der Zentrumsbauern an dem ursprünglich auf» gestellten, aber nicht wahlfähigen ultramontanen Kandidaten Diernreiter festhielt. Darüber jammert nun der in Rosenheim  irscheinendeWendelstein  ". Da« Blatt schreibt: Die Bauern bestanden eigensinnig auf der Wahl eines Bauern... Hauptursache war die Erhaltung der.Halb» schule" zur Ersparung von Dien st boten und besserer LuSnützung derKinder." Diese Mitteilung ist außerordentlich charafteristisch für die in ländlichen Kreisen herrschenden Anschauungen. DaS sind die Leute, für die sich die christlichen Arbeiterorganisationen beim Zolltarif so vor den Laden gelegt haben._ «ine Amnestie in Braunschwelg. Der neue Regent deS Herzogtums Braunschweig hat am Mitt- woch seinen Posten angetreten und sein» Tätigkeit mit einem Amnestieerlaß begonnen, wodurch die wegen Vergehen oder Ueber» tretungen verhängten Strafen bis zu sechs Wochen Gefängnis oder 150 M. Geldswafen erlassen werden. Kleine politische Nachrichten. Der Reichskanzler erläßt eine Bekanntmachung betreffend die Einfuhrbeschrävkpng wegen Gefahr der lkinschleppung der Sa» Jose-SchildlauS vom 2. Juni 1907. Danach finden die Vorschriften deS ß 1 der Verordnung vom 6. August 1900 auf die Einfuhr von Waren und Gegenständen der dort bezeichneten Art aus Australien   Anwendung. Diese Bestimmung tritt mit dem Tage ihrer Verkündigung in Kraft. Die Session des schwedischen Parlament» ist am Montag ge- schlössen worden._ Schweiz  . Eine sozialdemokratische Massenkundgebung ans dem Lande. Zürich  , 3. Juni.  (Eig. Set.) Im vorigen Jahre anläßlich der Streiks in der Stadt Zürich   drohten die Bauern, wie 1839 in die Stadt zu kommen, umOrdnung" zu schaffen, d. h. die Lohn» kämpfe der Arbeiter zugunsten de» Kapitals niederzuschlagen! Und sie kamen denn auch, in der Uniform, als aktive Teil» nehmer an dem Militäraufgebot, um wie die Kosaken zu Wirt» schaften. In diesem Jahre ist die Sache umgekehrt. Da ziehen die Arbeiter aus der Stadt aufs Land, um dort Ordnung zu machen, aber nur als einfache Bürger im bürgerlichen Kleid und nicht mit Säbel und Flinte, sondern mit dem freien Wort. In dem Städtchen Bulach im Kanton Zürich   überfielen verbündete Bauern und Handwerksmeister die ruhig versammelten etwa SO streikenden italienischen Bauarbeiter mit Gummischläuchen und mißhandelten sie in schändlicher Weise. Die Arbeiterschaft erklärte sich mit den vergewaltigten Italienern solidarisch und veranstaltete am heutigen Sonntag in Bulach selbst eine impo» sante Massenkundgebung, um auch den Dorfmatadoren gegenüber das Recht der Arbeiter zum Kampfe um ihre Existenz zu der» tcidigen. Drei Extrazüge von Zürich   und Wmterthur brachten ca. 2700 Genossen; zu ihnen gesellten sich noch zahlreiche Arbeiter au» der Umgebung des Versammlungsorte», so daß ungefähr S000 Per» fönen an der Demonstration teilnahmen. Der Gemeinderat von Bulach verbot nun die Benutzung von Gemeindeboden, und von der Regierung verlangte er das Verbot der Versammlung! Diese dreiste Zumutung wurde aber abgelehnt und statt des Ge- meindcbodcns ward ein Privatgrundstück benutzt. Genosse Greulich sprach in ausdrucksvoller Weise über das Recht des Arbeiter» im Kainpfe um seine Existenz und eine in diesem Sinne gehaltene Resolution fand einstimmige Annahm«, Die Schlagfertigkeit und Disziplin der organisierten Arbeiter- schaft hat sich wieder aufs beste bewährt und die imposante Kund- gcbung durfte auch auf dem Lande eine nachhaltige Wirkung haben, jedenfalls die gewerkschaftliche und politische Bewegung der Arbeiterschaft auf den Dörfern mächtig anregen und fördern. Italien  . Ein Biedermann. Rom  , 2. Juni.  (Eig. Ber.) Genosse M o r g a r i hat in einer bewegten Kammersitzung der vorigen Woche den Abgeordneten für Anversa  , Giuseppe Romano, beschuldigt, der Anführer und Zuhälter des organisierten Verbrecher- tum» in seinem Wahlkreise zu scin l Der Angegriffene begnügte sich, seine Unschuld zu behaupten und nach dem Skandal im Parlament die ihm nicht mehr bekömmliche Luft dieses Hauses zu meiden. Morgan hatte ihm damals auch versprochen, seine Taten der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Da nun aber die zu- ständige Behörde dasselbe Gericht ist, das Morgan in der Kammer als Kloake bezeichnet hat, so schien es doch zweckmäßiger, den Ab- geordneten Romano zu zwingen, gegen Morgari einen Be- leidigungsprozetz anzustrengen. Nun kann aber kein Ab- geordneter gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden für das, waS er im Parlament sagt. Um es also dem biederen Romano leicht zu machen, wiederholt Morgari in dem Neapolitaner Parteiblatte, derPropagande  ", alle Än- schuldigungen mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig läßt. Wir wollen die Blütenlese wiedergeben: Romano wird beschuldigt: 1. Ausdruck und Anführer de? organisierten Verbrechertums von Anversa   zu sein; 2. unlauter» Verdienst auS den von ihm bekleideten öffentlichen Semtern zu ziehen; S. einen Erpresfungöbersuch gegen die Firma Magnani unternommen und eine bedeutende Summe für die Gewährung des Oktrois in Submission gefordert zu haben; 4. 500 Lire von einem Wohltätigkeitsinstitnt, in dessen Auf- sichtSrat er ist, unterschlagen zu haben; 5. mit gefälschten Oktroischeinen Wein eingeführt zu haben; 0. aus dem Garten eines Wohltätigkeitsinstituts, dessen Prä­sident er ist, Pflanzen gestohlen und in den Garten seiner Villa verpflanzt zu haben. Ob der Herr Abgeordnete nun klagen wird 7 Cnglancl. Eine dunkle Antwort auf eine klare Frage. London  , 5. Mai..(Unterhaus.) Macdonald(Arbeiterpartei) fragt, ob die Regierung über einen Vertrag oder eine andere Form einer Verständigung mit der russischen Regierung verhandle und ob sie, bevor sie Englandaus ein solcheS Abkommen verpflichte, die Gefühle der organisierten Arbeiter und derjenigen in Bettacht ziehen werde, die hinsichtlich der Beziehungen der russischen Regierung zu den russischen Staatsangehörigen liberale Anschauungen vertreten. Unter- staatSsekretär Rune im an erwidert: Staatssekretär Grey könne zurzeit über den Gegenstand keine Mitteilung machen, aber er könne nicht zugeben, daß innere Angelegenheiten Rußlands   in Betracht kommen für irgendwelche Erörterung von Fragen, betteffend die Grenzen der beiden Länder nach der Richtung, daß Schwierigkeiten vermieden werden sollen, die sonst zwischen ihnen entstehen könnten. Wenn sich der Herr U n t e r staatSsekretär schon so dunkel ausdrückte, wie unklar würde wohl erst die Antwort des Staats- sekretärs gelautet haben? Warum übrigen» kann Herr Brey.zurzeit über den Gegenstand keine Mitteilung machen??" ES ist doch gar zu merkwürdig, daß, wenn irgendwo die Beziehungen zu Rußland   in Frage kommen, die Herren Diplomaten die Sprache völlig verlieren, und zwar die Repräsentanten von Republiken und konstitutionellen Monarchien nicht minder als die von Staaten a la Türkei   und Deutschland. Amerika. Zum Prozeß gegen die Arbeiterführer. Am S. Juni ist eS endlich gelungen, die Auswahl der zwölf Geschworenen, die am 9. Mai begann, zu Ende zu bringen. DaS Verfahren gegen William D. Haywood  , den Sekretär der Vereinigung der Bergleute der Weststaaten, wird zuerst durchgeführt werden. Die russische Revolution. Die Bohrwürmer. Kiew  , 6. Juni. Der hiesige reaktionäre Arbeitgeberverband beschloß in einer im kaufmännischen Klub abgehaltenen Versamm» lung, an den Zaren die telegraphische Bitte zu richten,die revo- lutwnäre Duma aufzulösen". Gleichzeitig forderte der Verband die Dumamitglieder der Rechten auf, nicht mehr an den Sitzungen der Duma teilzunehmen! Einangebliches" Dementi. Petersburg, 5. Juni.  (W. T. B.) Die Unruhe im Leibhusaren- Regiment ist angeblich(! I) beigelegt worden. Die Belvegung ttng keinerlei politischen Charakter. Die 4. Eskadron hatte vor einiger Zeil  einen neuen Esladronchef erhalte», der die Disziplin strenger handhabte als sein Borgänger. Die Mannschaften lehnten sich gegen die von dem Chef ausgesprochenen Disziplinarmaßregeln auf, die Rädels- führer wurden verhaftet und werden vor das Kriegsgericht gestellt. Gewcrfcrcbaftlicbes, 16 Jahre Entwickelung der gewerkschaftlichen Zentralverbände. Die Generalkommisston versendet soeben an die Zentralvorstände zur Jnformatton und auch zur Verwendung bei der Agitation ein umfangreiches Tabellenwerk, in welchem die EntWickelung der zentra- listerten Gewerkschaften seit dem Jahre 1890 veranschaulicht wird. Danach haben sich die Zenttalverbände von 1390 bis zun, Jahre 1905 um zwei auf 64 vermehrt. Inzwischen haben sich aber eine Reihe Verbände aufgelöst oder sie sind in andere verwandte Berufs- organisattonen übergegangen; es sind das die Verbände der Masseure, Former, Holzhülfsarbeiter, Goldarbeiter, Flößer, Korb- macher, Bergarbeiter Sachsens  , süddeutschen Müller, Seiler, Bürstenmacher, Drechfler, Stellmacher, Tischler, Plätterinnen, Berg- arbeiter im Saarrevier, Zenttalverein der Frauen, Posamentierer, elbständigen Barbiere, Fabrikarbeiter, Ziegler, Musikinstrumenten- macher, Lohgerber, Weißgerber, Schlosser. Maler in Bayern  . Mechaniker und süddeutschen Zimmerer. In den 15 Jahren ist die Mitgliederzahl der Gewerkschaften von 277 659 auf 1 844 803 gesttegen. Einige Gewerkschaften haben für die Jahre von 1891 bis 1897 der Generalkommission noch keine Angaben über ihre Kasscnverhältnisse gemacht, Nach den Berichten aber von 55 Gewerkschaften stiegen die Einnahmen in der Zeit von 1890 bis 1905 von 1 116 588 M.(pro Kopf der Mitglieder 6.63 M.) auf 27 312 257 M(pro Kopf 20.68 M.) und die Ausgaben von 1606 534 M.(pro Kopf 9.62 M.) auf 25 024 284 M.(pro Kopf 18,61 M.) Der Vermögensbestand jedoch stieg von 427 058 M.(pro Kopf 2.56 M.) auf 19 635 850 M.(pro Kopf 14,60 M.). In sämtlichen Jndustriegruppen wurden von 1890 bis 1905 ins- gesamt 11370 Stteik» und Aussperrungen durchgekämpft, woran 1401283 Personen oder 23,82 Proz. der Beschäftigten beteiligt waren. Für die einzelnen Jndustriegruppen ergaben sich für Streils und Aussperrungen folgende Ausgaben: Bau- gewerbe 11514 028 M.. Metallindustrie 8 050184 M.. Holz- industrie 5 651 344 M., Bekleidungsindustrie 2 107 541 M., Handels- und Transportgcwerbe 2 146 817 M., graphische Gewerbe und Papierindustrie 2 114 866 M., Nahrungs- und Genußmittel» industrie 1405 052 M., keramische Gewerbe 1863 842 M., Leder­industrie 575 474 M.. Bergbau 1209 613 M, Textilindustrie 2 606 633 Mark, Fabrikarbeiter 1 071 126 M.. Gärtner 25 896 M.. Barbiere 6685 M.. Gemeindearbeiter 6349 M.. Gastwirtsgehlllfen 1887 M. und Zivilberufsmysiker 457 M. Nach diesen Angaben wurden für Streiks und Aussperrungen insgesamt 37 052 794 M. ausgegeben. Berlin   und Nmgegend» K. d. W. Die Firma Jandorf scheint sich die erdenklichste Mühe zu geben, den besonderen Rnhm, den sie bereits für ihre übrigen Warenhäuser erworben hat, in noch gesteigertem Maße für das Kaufhaus deS Westens zu sichern. Und sie hat vollen, ungeteilten Erfolg! Wir ivollen hier jetzt nicht von der Ordnung" in dem organisierten Betriebe, auch nicht von sonsttgen geschäftlichen Angelegenheiten reden, vorläufig sei die merkwürdige Handlungsweise bei den Personalengagemcnts und den-Abschüben etwas beleuchtet. In voller Berück- sichtigung der Schwierigkeiten, mit denen ein so großes Unter- nehmen bei Eröffnung niit der Beschaffung des Personals zu rechnen hat, und den besonderen Umständen, die es mit sich bringen, daß die Geschäftstüchtigkeit der Angestellten vielfach hinter anderen Faktoren zurückgestellt wird, muß man doch sagen: was hier seitens der Leitung geschieht, läßt sich nicht verteidigen, das sträubt sich gegen den Begriff von Treu und Glauben und wird als unfein aufgenommen. Durch Redewendungen, Andeutungen und direkte Zusicherungen sind Leute veranlaßt worden, Stellungen, die sie jahrelang inne hatten, zu verlassen und in dasvornehme" Verkaufshaus ein- zutreten. Mancher von diesen hat dann aber schon nach kurzer Zeit, wenn alles eingerichtet war, die bösesten Arbeiten er- lcdigt waren, den Laufpaß bekommen. Man könnte zur Eni- schuldigung der Firma einwenden, daß sie sich sn ihren Dis- Positionen und Kalkulationen böse verhauen hat, deshalb ge- zwangen sei, das Personal zu verringern. Aber selbst dann hätte man in Berücksichtigung der Art der Engagements größere Rücksicht üben müssen. Da aber noch fortgesetzt neues Personal eingestellt wurde und von dem Hinauswurf sehr stark die höher besoldeten Angestellten bettoffen wurden, so wird die Auffassung der Betroffenen erklärlich, daß es sich um einen von vornherein angelegten Plan handelt, das heißt, auf Kosten eines tüchtigen, eingearbeiteten Personals den Betrieb in Gang zu bringen, dann auf die weitere Mitarbeit dieser Kräfte zu verzichten. WaS aus den durch das ganze Arrangement getäuschten Leuten wird, geht der noblen Firma ja nichts an, und für das feine Publikum sind schlechtbezahlte Angestellte gut genug. Am 1. Juni haben nun wiederum viele Angestellte den blauen Brief bekommen unter Begleitumständen, die mindestens Befremden erregen. Als noble Firma gibt man natürlich dem Personal auch Urlaub. Seit fast 14 Tagen wurde die bekannt gewordene Absicht als Ereignis besprochen. Mit großer Umständlichkeit wurden die Wünsche betteffend Zeit deS Urlaubs eingeholt. Und es herrschte Freude im Li. d. W. Für viele soll sie ein überraschendes Ende nehmen. Manche wünschten die freien Tage im Juli andere im August. Vielleicht war es bloß ein tückischer Zufall, aber die Welt ist heute sehr un» gläubig: eine Anzahl von denen. die für Jult Urlaub gewünscht hatten, und wiederum höher be- zahlte Angestellte bekamen am 1. Juni die Mitteilung, daß sie vom 1. Juli, auf dauernd beurlaubt seien; sie waren gekündigt und können am 1. Juli ihr Bündel schnüren. Ob wohl am 1. Juli ein Teil von denen, die im August Ferien machen wollten, die gleiche Urlaubs  "benachrichtigung erhalten? So gibt die Firma nobel Urlaub und eS kost' nikS! Mit solchen Proben hat die Firma einen Befähigungsnachweis erbracht, der hoffentlich ein Privileg Jandorf bleibt. Der Tarifvertrag der Zuschneider nnd Zuschneiderinnen der Herren- und Kuabenkanfektion ist(nun endgültig abgeschlossen. Er enthält allerdings eine Bestimmung, wonach der Tarif außer Kraft tritt, wenn bis zum 1. September d. I. nicht mindestens 70 Prozent der handelsacrichtlich eingetragenen Firmen der Branche, die mindestens drei Zuschneider oder Zuschneiderinnen beschäftigen, ihn anerkannt haben. ES wird jedoch nicht schwer fallen, diese Bedingung zu er» füllen. Von den 52 Firmen, die dem«Verbände Berliner Herren» und Knabenkonfektionsfirmen engroS" angehören, haben bis letzt 31 den Tarif anerkannt. Dazu kommen 20 Firmen, die schon vor Ab« schluß der Verhandlungen zwischen den Organisationen die Forde- rungen bewilligten. Uebrigens hat sich auch der Verband der Konfeklionäre verpflichtet, seinerseits für die Anerkennung des TarifcS Sorge zu tragen, und wird demgemäß solchen Firmen, die sich weigern, den Tarif anzuerkennen, keinerlei Schutz gewähren. Das haben die Kommissionsvertreter der Arbeitgeber ausdrücklich erklärt. Die wichtigsten Bestimmungen des Tarifvertrages hat der Vorwärts" am Freitag voriger Woche mitgeteilt. Die weiteren Verhandlungen, über die K ä m i n g am Dienstag in einer gut be- suchten Veriammlung der Zuschneider und Zuschneiderinnen berichtete, haben darin keinerlei Veränderungen gebracht. Einen paritätischen Arbeitsnachweis zu schaffen, lehnten die Arbeitgeber ab, sie ver« sprachen jedoch, den bestehenden Arbeitsnachweis der Zuschneider im weitesten Maße zu benutzen. Der Redner bemerkte hierzu, daß e» nun vor allem auch Sache der Kollegen und Kolleginnen sei, statt nach Annoncen zu laufen, sich auf dem Nachweis zu melden und ihn dadurch mehr als bisher zur Anerkennung zu bringen. Hinsichtlich der Abschaffung der Konttollbücher, mit denen von einzelnen Firmen Mißbrauch getrieben wird, ist eine Entscheidung noch nicht getroffen worden. Die Frage soll demnächst m der Tarifüberwachungs­kommission erledigt werden. Diese Kommisston, die über die Inne- Haltung des Tarifs und über Beschwerden zu entscheiden hat, wird aus je drei Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen­gesetzt, die neben ebenso viel Stellvertretern von den Parteien ge« wählt werden. Die Gültigkeitsdauer de« Tarifs vom 1. Juni 1907 bis zum 31. Mai 1910 verlängert sich auf ein Jahr, falls er nicht 3 Monate vor dem Ablaufstermin gekündigt wird. Die kündigende Partei ist verpflichtet, gleichzeitig neue Tarif» Vorschläge einzureichen und. falls innerhalb sechs Wochen keine Einigung erzielt wird, das EinigungSamt des Geiverbe- gerichts anzurufen. Der Tarifverttag wird auf dem Gewerbe« gericht niedergelegt. AuS den übrigen Bestimmungen des Tarif» Vertrages ist noch zu erwähnen, daß die Zuschneideräume geräumig, hell und täglich vor Beginn der Arbeit gereinigt sein sollen. Zu- schnciderutenstlien sind frei zu liefern. Maßregelungen wegen der Tarifbewegung dürfen selbstverständlich nicht stattfinden. Den Firmen, die sich noch ablehnend verhalten, wird in den nächsten Tagen die Aufforderung zugehen, den Tarif anzuerlennen. Die in Bettacht komn, enden Kollegen und Kolleginnen erhalten bis Sonn­abend weitere Mitteilung.