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funden. Bei den Sachen lag ein Zettel mit seiner genauen Adresse. Die Leiche ist noch nicht geborgen. Diejenigen Personen, die gesehen haben, wie am Montagabend der zehnjährige Schüler Bauer von der Straßenbahn überfahren wurde, werden um Angabe ihrer Adresse an Bauer, Britzerstr. 10, gebeten. Feuerwehrbericht. In der letzten Nacht gegen 1 Uhr wurde die Feuerwehr wieder einmal böswilligerweise nach dem Wedding  - platz alarmiert. Der Täter ist unerkannt entwischt. Wegen eines Mchenbrandes erfolgte ein Alarm nach der Neuen Hochstraße 88. Möbel und anderes brannten dort. Durch Ueberkochen von Fett kam in der Reichenbergerstraße 53 und durch Entzündung von Mehlstaub in einer Bäckerei in der Greifswalderstraße 202 Feuer aus. Beide Brände konnten bald gelöscht werden. Ferner liefen noch Feuermeldungen aus der Kleinen Frankfurterstraße 8, Koblanckstraße 14a und anderen Stellen ein. Vorort- JVacbricbteth Schöneberg  . In der letzten Stadwerordnetenversammlung wurde Beschwerde darüber geführt, daß der an der Grunewaldstraße gelegene Platz Y, der ursprünglich zur Errichtung eines Theaters in Aussicht genommen war, immer noch nicht reguliert worden ist, sondern nach wie vor als Müllabladestelle benutzt wird. Der Vertreter des Magistrats erwiderte, das Theaterproiekt sei auch bis heute noch nicht fallen gelassen ivorden, jedoch werde bis zur Ausführung desselben eine provisorische Regulierung und Bepfkanzung des Platzes borgenommen werden. Von sozialdemokratischer Seite wurde darauf aufmerksam gemacht, daß schon vor mehreren Jahren, als der Platz zur Er- richwng einer Kirche in Aussicht geitoinmen worden war, die Sozial- demokraten die Bepflanzung des Platzes gefordert hatten; die Mehr- heit der Stadtverordnetenversammlung stand damals aber auf einem anderen Standpunkte. Längere Auseinandersetzungen brachte die vom Magistrat zur Kenntnisnahme vorgelegte Dien st Vorschrift für die Schul- d i e n e r an den Gemeindeschulen. Stadtv. Dr. Voßberg(Lib.) übte eine scharfe Kritik an dieser Dienstvorschrift, die in ihrer kautschukartigen Gestalt die Schuldiener der Willkür der Rektoren unterordne. Man verlange in derselben etwas, was sich bei den bestehenden Verhältnissen nicht ausführen lasse. Die Schuldiener würden in der Dienstvorschrift behandelt, als wenn man es mit Offizierburschen zu tun hätte. Redner empfiehlt, daß den Schul- dienern zur Verrichtung der ihnen aufgegebenen Arbeiten eine HülfS- kraft zur Seite gestellt werde. Auch die Stadtvv. K ü t e r(Soz.) und O b st lSoz.) wandten sich gegen die Dienstvorschrift, die ganz bureaukratisch zugeschnitten sei. Redner richten die Anfrage an den Magistrat, wie lang eigentlich die Arbeitszeit der Schuldiener bemessen sei. Bei dem größten Fleiße könnten die Schuldiener nicht das erfüllen, was in der Dienstvorschrift verlangt werde. Die Schuldiener hätten Ursache, mit neidischen Augen auf die Dienstmädchen zu blicken. Jeder müsse erkennen, daß die Dienstvorschrift gegen die guten Sitten verstoße. Bürgermeister Blankenstein suchte mit ein paar Worten dieser Kritik entgegenzutreten, ohne auf die einzelnen Beanstandungen einzugehen. Seiner Meinung nach gingen die Bestimmungen nicht zu weit. Die Schuldtener seien als Militär- anwärter gewohnt, nur nach Instruktionen zu handeln; was nicht drin stehe, werde von ihnen auch nicht aus- geführt. Man müsse den Leuten alles, auch das kleinste, schwarz auf weiß geben, was sie zu tun hätten. Stadtv. Aich. Schneider sHauSbesitzerftaktion) war auch der Meinung, daß jede Kleinigkeit in der Dienstvorschrist geregelt werden müsse. In den Dienstanweisungen für die Staatsbeamten gehe man noch viel weiter. Es bestehe ja auch gar kein Mangel an Leuten, die sich zu einem derartigen Posten melden. Stadtv. Zobel sLib.) verlangte im Gegensatz zu seinen: traktionskollegen Dr. Voßberg eine noch weitere Belastung der chuldiener. Vor allem wünschte er, daß von den Schuldienern auch Reparaturen an Turngeräten usw. vorgenommen werden. Stadtv. L u l e y sFreie Fraktion) beantragte, die Reinigung der Fenster allmonatlich von einer Gesellschaft ausführen zu lassen. Stadtv. Val. Fröhlich meinte, die Schuldiener würden sich schon nicht zu Tode arbeiten, denn sie nähmen ja noch Privat- arbeiten an. Mit 13 gegen 17 Stimmen gelangte der sozialdemokratische Antrag auf Ausschuhberatung zur Annahme; diesem Ausschuß wurde auch der Antrag Luleh überwiesen. Ein Autrag der Liberalen, den Magistrat aufzufordern, auch die speziellen Anweisungen für die Schuldiener zur Kenntnis der Versammlung zu bringen, wurde gegen die Stimmen der Liberalen und Sozialdemokraten abgelehnt. Dem Antrage des Magistrats, die Kosten der Eisenbahnfahrt für die Teilnehmer an der Eröffnungsfeierlichkeit der Heim- stätte für Lungenkranke in Sternberg   zu übernehmen, wird zugestimmt. Ebenfalls zur Annahme gelangte ein Antrag, zwei weitere Vierfamilienwohnhäuser auf dem Rieselgute in Deutsch- Wusterhausen zu errichten. Mit der Unipflasterung der Torgauerstraße zwischen Cherusker- straße und Ringbahnbrücke und des Königsweges zwischen Tempel- hofer Weg und Torgauerstraße erklärte sich die Versammlung ein- verstanden. Der wichtigste Punkt der Tagesordnung betreffend Beschluß- fassung über die Anlegung des Stavtparkes wird auf Antrag der Mehrheit in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt. Die sozialdemokratische Stadtverordnetenftaktio» hat der Stadt« verordneten-Versammlung folgenden Antrag eingereicht, welcher auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung kommen wird: »Der Magistrat wird ersucht, die Interessen der Stadt überall wahrzunehmen, auch da, wo laut Beschluß der Baugeschäfte vom 10. Mai die Aussperrung der Maurer, Zimmerer und Bauarbeiter am 18. Mai auf den städtischen Bauten statt- gefunden hat. j Die Unternehmer sind aufzufordern, soweit sie sich den Aus- sperrungSbeschluß zu eigen gemacht haben, die ihnen laut Verträge auferlegten Pflichten sofort zu erfüllen. Geschieht das nicht, so ist der Magistrat verpflichtet, die Arbeiten auf Kosten der Unternehmer selbst auszuführen. Reinickendorf  -Ost. In der am 28. Mai stattgefundenen Mitgliederversammlung deS Wahlvereins hielt der Genosse Block einen überaus lehrreichen Vortrag über:»Unsere auswärtige Politik". Unter Vereinsangelegenheiten machte Genosse Schönberg von der erfolgten Gründung eines Wahlvereins in Zehlendorf   bei Lieben- walde Mitteilung und von der dadurch notwendig werdenden ander- weitigen Verteilung der Außenbezirke des Kreises. Zum Zwecke einer intensiveren Agitation in den Außenbezirken sollen die Kosten hierfür vom Bezirk getragen werden. Aus Anlaß der Erhöhung der Beiträge vom 1. Juli ab sollen die einzelnen Orte einen höheren Beitrag an den Bezirk abführen. Eine von Wilhelmsruh   zu wählende dreigliedrige Kommission soll die ständige Ver- bindung mit dem neuen Wahlverein aufrecht erhalten. Au Stelle des verzogenen Bezirksführers Genossen Haude vom 4. Bezirk wurde Genosse Fischer bestätigt. Genosse Zeglin macht auf die Bau- arbetteraussperrung aufmerksam und ersucht die nicht ausgesperrten Bauarbeiter Töpfer, Maler usw., volle Solidarität zu üben und Streikarbeit abzuweisen. Der Vorsitzende macht Mitteilung von einem gegen Genossen Zeglin eingeleiteten Schiedsgerichtsverfahren und dessen dem Genossen Zeglin günstigen Ausgange. Zum Schluß wurde vom Vorsitzenden noch auf den am 22. Juni imSchönholzer Tivoli" stattfindenden Lichtbildervortrag des Genossen Greinpe über »Rußlands Freiheitslämpse" aufmerksam gemacht. Billetts zu dem Vortrage zum Preise von 25 Pf. sind schon jetzt bei den Bezirks- führern zu haben. Wilmersdorf  . In der letzten Mitgliederversammlung des Wahlvereins hielt Genosse Stern einen sehr beifällig aufgenommenen Vortrag über: Die Religion im Lichte der Kulturgeschichte". Zur Kreis-General- Versammlung wurden die Genossen Henkel, Goddäus und Gladigow entsandt. Zum Schluß richtete der Vorsitzende an die Versammelten die Aufforderung, die Bäcker in ihrem Kampfe tatkräftig zu unter- stützen. Nieder-Schöneweide. Neber Alkohol, Schule und Kirche referierte Genosse Hein ig in der letzten Versammlung des Wahlvereins. Mehrere Genossen sprachen im Sinne des Referenten, worauf Genosse Hofmann einen kurzen Bericht über die Generalversammlung von Groß-Berlin gab. Zur Kreis-Generalversammlung wurden die Genossen Elias, Gold- mann und Bengsch bestimmt, als Ersatzmann fungiert Genosse Töllner. Nieder-Schönhausen. Unsere hiesigen Bäckermeister scheinen der Meinung zu sein, sie hätten es nicht nötig, die Forderungen der Bäcker anzuerkennen, die Kundschaft bleibe ihnen doch; sie werden sich aber irren, wenn die Genossen beim Bezug ihrer Backware sich die Leute ansehen, die bisher bewilligt haben. Es sind dies: Zugwurst, Blankenburger- straße 2, Höhne, Blankenburgerstr. 13 und Krüger, Beuthstr. 11. Mahlsdorf   a. d. Ostbahn. In der letzten Mitgliederversammlung des Wahlvereins referierte Genosse Räber über»Sozialdemokratie und Mili- tarismus". In 1s4stündiger Rede erörterte der Referent an der Hand der Geschichte das Entstehen der Militärmacht Preußen- Deutschlands  . Er legte klar, wie die herrschende Klasse es stets verstanden habe, ihre Macht ständig zu vergrößern und der breiten Masse des Volkes die ins Ungeheure steigenden Lasten aufzu- bürden. Redner kam zu dem Schluß, daß es Aufgabe der Sozial- demokratie sein müsse, durch ständige Kritik und Aufklärung unter der heranwachsenden Jugend die heutigen Mißstände abzuschaffen und schließlich die Umwandlung des heutigen Militärshstems in das Milizsystem mit allgemeiner Wehrpflicht herbeizuführen. Der lebhafte Beifall und die Diskussion bewies, daß das Thema gut gewählt war. Nach Erledigung einiger Vereinsangelegenheiten wurde das Verhalten der sogenannten unparteiischen Presse an- läßlich der Lohnbewegung im Bau- und Bäckergewerbe beleuchtet und die Genossen aufgefordert, die Konsequenz hieraus zu ziehen, und dafür zu sorgen, daß diese Blätter aus den Arbeiterwohnungen verschwinden und an deren Stelle das Organ unserer Partei, den Vorwärts" zu halten. Lichtenberg  . Keine direkte Gefahr soll für das neue Elektrizitätswerk vor­liegen, wie die eine Untersuchungskommission begutachtet. Wohl schwanken die Giebelwände, dem könne aber durch Abtragung des massiven Aufbaues der Mittelfcnster abgeholfen werden. Dazu seien auch nicht die in der vorletzten. Sitzung der Gemeindevertretung bewilligten 8000 M. nötig, sondern 1000 M. seien ausreichend. Der frühere Leiter des Gemeindebauamtes und jetzige Gemeindevertreter Schütte beklagte sich in der letzten Sitzung der Gemeindevertretung darüber, daß Berliner   Zeitungen der ganzen Sache einen fenfatio- nellen Anstrich gegeben hätten, während der jetzige Gemeinde- baumeister sich über die entstellte Wiedergabe seiner Ausführungen im hiesigen Ortsblatte beklagte. Unsere Genossen verlangten eine eingehende fachmännische Untersuchung, die bisherige genüge keines- Wegs. Der Antrag wurde aber abgelehnt. Den Betriebsfonds der Gemeindewerke von 45 000 M. auf 300 000 M. zu erhöhen verlangt der Gememdevorstand. In Rück- ficht auf den Geldmarkt vertagt die Vertretung eine Beschlußfassung. Eine Anleihe in Höhe von 800 000 M. zu 4'/« Proz. soll auf- genommen werden. Hoherlehme-Wilda«. Zum ersten Male ist eS gelungen, bei der am Dienstag statt- gefundenen Gemeindevertretcrwahl einen Sozialdemokraten durchzu- bringen. Man glaubte unseren Sieg dadurch verhindern zu können, indem die Gegner den Betriebsdirektor des Wildauer Werkes zun, Kandidaten der dritten Abteilung erklärt hatten. Die Rechnung, daß sich die Arbeiter des Werkes durch diese Kandidatur abschrecken lassen würden, ihrer Ueberzeugung zu folgen, war eine verfehlte; eS nützte auch nichts, daß der Beamten- und Mcisterapparat das Wahllokal besetzt hielt, um die Arbciterwähler des Werkes zu kontrollieren, alles war umsonst I Die Arbeiter waren sich bewußt, daß ein Be- triebsdirektor ihre Interessen nicht vertreten kann. Will der Mann durchaus in die Gemeindevertretung, muß er sich schon in die zweite oder erste Abteilung flüchten; die dritte gehört der Sozial- demokratie. Spandau  . Wiederum mit einer Acndernng der Einteilung der Bezirke für die Stadtverordnctenwahlen der 3. Abteilung wird sich die nächste Stadtverordnetenversammlung zu beschäftigen haben. Diese Aende- rung soll nötig sein wegen der Vermehrung der Stadtverordneten- zahl von 42 auf 43. Sericbts- Leitung. Ein Wieberaufnahme-Berfahren beschäftigte gestern die 8. Strafkammer. Am 23. Mai 1902 ist der GefängniLinspektions-Assistent Heinrich Tim- mermann in Plötzensee wegen Unterschlagung im Amte zu fechs Monaten Gefängnis und zur Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Acmter auf die Dauer von fünf Jahren verurteilt worden. Die 8. Strafkammer nahm damals folgenden Tatbestand an: Der Angeklagte war Assistent am Untersuchungsgefängnis Hierselbst. Die in Untersuchungshaft genommenen Personen werden bei ihrer Aufnahme im Untersuchungsgefängnis zunächst nach dem Expoditionszimmer geführt und hier werden ihnen, so- weit dies nicht schon vorher, z. B. auf der Polizei, geschehen ist, Las Geld und alle sonstigen Wcrtgegenstände, die sie bei sich haben, abgenommen. Mit Liefen Sachen wird dann in genau vor- geschriebener Weise verfahren, sie werden ins Depositenjournal eingetragen und schließlich in Tüten gesteckt, die mit der ent­sprechenden Depositennummer versehen uitd in einen Schrank ge- legt werden« Am 15. September 1900 war aus Ersuchen des Ersten Staatsanwalts in Potsdam   gegen einen Rentier Karl Lowien aus Brandenburg   die Untersuchung verhängt. Unter den dem Lowien abgenommenen Sachen, die vorschriftsmäßig behandelt wurden, befand sich auch eine goldene Damen-Remontoir-Uhr, die Lowien seiner Braut, der unverehelichten Lina Bölke, geschenkt, von dieser aber kurz vor seiner Verhaftung zur Aufbewahrung wieder er- halten hatte. In der Nacht nach seiner Einliekerung machte Lowien im Untersuchungsgefängnis seinem Leben durch Erhängen ein Ende. Als dann die Bölke Schritte tat, um aus dem Nachlasse ihre goldene Uhr, deren Nummer bekannt war, wieder zu erhalten, stellte sich heraus, daß statt ihrer Uhr eine weit weniger wertvolle Uhr mit ganz anderer Nummer zur Stelle war.' Das Gericht hatte auf Grund einer umfangreichen Beweisaufnahme den Angeklagten trotz seines entschiedenen Bestreiten» für überführt erachtet, d i e goldene Uhr der Bölke an sich genommen und die wertlose Schlüsseluhr untergeschoben zu haben. Es hat sich herausgestellt, daß der Angeklagte   an. geblich, weil er einen Irrtum berichtigen wollte in dem Depositenjournal die Eintragung eines Kollegen eigen- mächtig geändert und die dort eingetragene Nummer der Uhr durch eine andere Nummer ersetzt hatte. Die von ihm Müi«igegebeneo Gvwde fiuufco ntä bat Bolundunaen. seiner Kollegen nicht für stichhaltig erachtet; sein ganzes Verhalten dem Direktor Sauer gegenüber, der Aufklärung über die Sachlage verlangte, war verdächtig und das Gericht hatte aus der ganzen Beweisaufnahme die Ueberzeugung gewonnen, daß die Uhr der Bölke nicht versehentlich in eine andere Asserbatendüte getan und die andere Uhr nicht einem Gefangenen abgenommen, sondern von einer anderen Person eingeschmuggelt worden ist. Diese Metamorphose konnte nur von einer Person vorgenommen worden sein, die mit dem Asservatenschrank zu tun und zu ihm einen Schlüssel hatte. Da auf zwei andere in Frage kommende Beamte keine Spur von Verdacht fiel, diese auch eidlich bekundet hatten, daß sie der Uhrenverwechselung gänzlich fern ständen, so blieb nur der Angeklagte als Täter übrig. Die Wiederaufnahme gründet sich auf folgenden Umstand: Am 12. November v. I. erschien in dem Direktionszimmer des Moabiter Untersuchungsgefängnisses der Gartenarbeiter Adolf Sauf und erklärte, daß der Angeklagte Timmermann die Uhr nicht unterschlagen habe, sondern er selbst habe sich die Uhr angeeignet, als er seinerzeit von dem Angeklagten mit Gartenarbeiten beschäftigt worden war. Er habe auch die Uhr im Juni 1902 schon anonym an die Gefängnisverwaltung einge. sandt. Tatsächlich war die seinerzeit verschwundene Uhr am 2. Juni 1902 in einem Einschreibebrief von einem unbekannten Absender in die Hände der Gefängnisbehörde zurückgelangt. In dem fraglichen Briefe teilte ein Anonymus mit, daß durch seine eigene Tat großes Unglück entstanden sei und er keine Ruhe mehr habe. Dies war zwei Tage nach der Verurteilung des Timmermann. Gegen Sauf war inzwischen die gesetzliche Verjährung eingetreten, so daß seine 'Selbstbezichtigung keinerlei strafrechtliche Wirkungen mehr haben konnte. Der Staatsanwalt stand dieser eigenartigen Selüss- bezichtigung des S. skeptisch gegenüber und hielt die ganze Ge- schichte, die Sauf von seinem Diebstahl erzählte, für vollständig aus der Luft gegriffen, um den Angeklagten Timmcrmann hcrauszu- reißen. Auch nach der Vernehmung des Sauf in der gestrigen Ver- Handlung beantragte der Staatsanwalt wiederum 6 Monate Ge- fängnis gegen den Angeklagten. Da der Angeklagte auch beschul- diat ist, das amtliche Depositenverzeichnis gefälscht zu haben, erklärte sich das Gericht für unzuständig und verwies die Sache an das Schwurgericht._ Ei» vom Reichsgericht korrigiertes Gesetz. Es ist im Reichstage wiederholt von sozialdemokratischer Seite auf die Flüchtigkeit hingewiesen, mit der von der Mehrheit des Reichstags und der Regierung bei der Fabrikation und Publikation von Gesetzen vorgegangen wird. Ein Beispiel hierfür bot auch nach- stehender am Dienstag vor dem Reichsgericht verhandelter Fall. Vom Landgericht Bautzen   sind am 11. Dezember v. I. wegen Vergehens gegen§ 82, 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 2 0. April 1892 der Braumeister Karl Oswald Kunze in Ostwitz und der Händler H e n s e l zu Geldstrafen verurteilt worden. Kunze hat im Einverständnis mit Hensel fälschlich dem Gerichte angezeigt, daß Hensel 1250 M. in die Kasse der be- treffenden Gesellschaft m. B. H. eingezahlt habe. Kunze war Ge- schästSführer, Hensel Mitglied. Beide sind auf Grund deS 882,1 verurteilt, welcher Geschäftsführer und Mitglieder, die hin- sichtlich der Einzahlungen auf die Stammeinlagen dem.Gerichte wissentlich falsche Angaben machen, mit Strafe belegt. Gegen das Urteil hatten beide Angeklagte Revision eingelegt. Der Reichs« an w alt führte dazu aus: Die Verurteilung Kunzes ist un» bedenklich; dagegen ist es zweifelhaft, ob Hensel verurteilt werden durfte. Die Worteund Mitglieder" sind im Gesetze irrtümlich stehen geblieben, wie die Revision richtig be« merkt. Nur die Geschäftsführer sollen die Anmeldepflicht haben und für falsche Angaben bestraft lverden. Ursprünglich war bei der ersten Anmeldung die Anmeldepflicht auch den Mitgliedern zugedacht. Dies wurde aber in§ 7 gestrichen. Bei§ 82 ist dann vergessen worden, die Aenderung ebenfalls vorzunehmen. Die Reichsanwaltschaft ist aber der Ansicht, daß der Wortlaut eines Gesetzes so lange un« bezweifelt sein muß, als er klar ist. Deshalb beantragte der Reichsanwalt Verwerfung auch der Revision Hensels. Das Reichsgericht verwarf nur die Revision Kunzes, hob dagegen auf die des Hensel das Urteil auf und verwies die Sache insoweit an d as Landgericht zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Senat ist der Ansicht, daß es sich bei der Fassung des§ 82 um ein Redaklions- versehen handelt, daß es nur übersehen Ivorden ist, die Worteund Mitglieder" zu streichen, da der Wille der gesetzgebenden Faktoren offensichtlich dahin ging, nur den Geschäftsführern, nicht auch den Mitgiiedern die Anzeigepflicht aufzuerlegen. Wo es sich nicht um einen von den gesetzgebenden Faktoren gewollten Inhalt des Gesetzes handelt, sondern um ein reines Uebersehen, hält sich das Reichsgericht für befugt, im Wege der Auslegung den wahren Willen der geletzgebenden Faktoren festzustellen, und ist der Meinung, daß die Bestrafung eines Mitgliedes auf Grund des§ 62,1 als Täte» ausgeschlossen ist. Die Zurückverweisung der Sache mußte erfolgen, weil noch zu prüfen ist, ob Hensel etwa der Beihülfe zu der Straftat des Kunze schuldig ist._ Wilderer oder Förster? Eine tragikomische Jagdgeschichte beschäftigte am Dienstag den Strafsenat des Reichsgerichts. Vom Landgericht Münster   i. W. ist am 19. Dezember v. I. der Forstgehülfe Alois Witt« kamv wegen fahrlässiger Körperverletzung zu hunvert Mark Geldstrafe verurteilt worden. Am 23. Oktober machte ihn der Zeuge B., der ihm begegnete, darauf aufmerksam, daß in dem Walde des Freiherrn   V. P. anscheinend Wilddiebe ihr Wesen trieben. Beide gingen nun in den Wald hinein. Bald darauf bemerkte Wittkamp zwei Gestalten im Mantel, die mit Gewehren bewaffnet zu sein schienen und die er für Wilddiebe hielt. In Wirklichkeit waren es aber der zum Jagdschutz ordinmgsinäßig berufene Förster und der von ihm mitgenommene P o l i z e i d i e n e r H., die ebenfalls in den Wald gegangen waren, um die bösen Wilddiebe zu fangen. Diese beiden Beamten hielten nun ihrerseits den An« geklagten und seinen Begleiter für Wilddiebe. Wittkamp, der auch bei näherem Herankommen die beiden Beamten noch immer für Wilddiebe hielt, versteckte sich hinter einer Hecke und rief, alS Förster und Polizeidiener über ein freies Stück Feld herüberkamen: Gewehre weg l Unmitlelbar darauf gab er einen Schrotschuß ab, der den Förster nicht unerheblich verletzte. In der Hauptverhandlung behauptete der Angeklagte, er habe den Schuß in der Notwehr abgegeben, da er gesehen zu haben glaubte, daß der Mann, der sich später als der Förster entpuppte. unter dem Mantel nach seinem Gewehre gegriffen habe. Das Ge- richt hat angenommen, daß der Angeklagte dadurch grob fahrlässig gehandelt hat, daß er, ohne den Erfolg seiner Worte abzuwarten, sofort losgeschossen hat. Die Revision des Angeklagten wurde vom Reichsgericht verworfen, da das Urteil einen Nechtsirrtum »iicht enthalte._ Versammlungen. Arbeiter-Tüngerbunb Berlins  »nb Umgegend. Die A u S« schußsitzung vom 2. Juni erledigte zunächst die Aufnahmen der VereineBrudergruß"(Storkow  ),Einigkeit"(Caputh  ) und die Wiederaufnahme des VereinsTextilia". Den Bericht über die Generalversammlung derLiedergemeinschaft der Arbeiter- Sängervereinigunaen Deutschlands  " gaben die Delegierten Schön- thal und Barowski. An diesen Bericht knüpfte sich eine lebhafte Diskussion. Die Vereine werden auf das Protokoll der General- Versammlung verwiesen, welches in einigen Wochen herausgegeben wird. Eine weitere Stellungnahme deS Bundes zu den Beschlüssen der Generalversammlung soll in einer der nächsten Ausschußsitzungen stattfinden. Sangesbrudcr Bartel gibt einen Bericht über das am 8. Juni in Brandenburg   a. H. stattfindende Provinzial-Sänger- fest. Zur Teilnahme sind über 1000 Sänger gemeldet und zur Unterbringung derselben die Vorkehrungen in jeder Weise getroffen. Die Fahrkarten zu dem Sonderzuge gelangen am Mittwoch, den