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Nr. 129. 24. IahrgavK. Z. KnlM i>esDmw" Kerlim KIKsM Donnerstag, 6. Juni 1907. Sei' Prozeß Pöplau  . Neunter Verhandlungstag. Der Prozeh Pöplau ist am Mittwoch nach langwierigen, neun Tage hindurch dauernden Verhandlungen zu Ende ae- kommen. Das Ergebnis war die Verurteilung PöplauS zu drei Monaten Gefängnis. Den Schluß der Beweisaufnahme sollte am Mittwoch die Per- nehmung jenes unbekannten Kriminalschutzmanns bilden. auf bestenBeobachtungen" sich die Behauptung stützt, dem An- geklagten sei vom Sekretär Schneider Material geliefert worden. Diesem Beamten hat seine Dienstbehörde, wie vorauszusehen war, die Erlaubnis zur Zeugnisablegung verweigert. Zu Beginn der Sitzung verlas der Vorsitzende Landgerichtsdirektor Langner ein Schreiben, durch das der Polizeipräsident mitteilt, er müsse es ablehnen, die Genehmigung zur Vernehmung dieses Zeugen zu erteilen. Einen Grund für seine Weigerung anzugeben, hatte der Herr Polizeipräsident unterlassen. Zugleich hatte er es sich erspart, auch nur den Ramen jenes Schutzmannes zu nennen. Das Beweismaterial war hiermit erschöpft, weitere Anträge wurden von keiner Seite gestellt, die Beweisaufnahme konnte daher geschlossen werden. Nunmehr ergriff Staatsanwalt Lindow das Wort zur Schuldfrage und führte folgendes auS: Fast ein Jahr ist vergangen, als grobe Indiskretionen aus der Kolonialabtcilung des Auswärtigen Amtes großes Aufsehen erregten. In der Sache Puttkamer wurden ganz geheime Akten- stücke sofort veröffentlicht, nachdem die betr. Verfügungen usw. kaum erlassen waren. Es war Pflicht der Behörde, den Spuren dieser Indiskretionen nachzugehen, und die Spur führte auf den Angeklagten Pöplau. Es stellte sich heraus, daß Pöplau tatsächlich bei den Indiskretionen seine Hand im Spiele hatte, aber es war damit noch nicht viel gewonnen, denn Pöplau war nicht mehr Beamter, er konnte die Mitteilungen aber nur von einem Beamten erhalten haben, und deshalb war es geboten, nach dieser Richtung hin weitere Nachforschungen anzustellen. Aber eS ist nichts ermittelt worden und es steht nicht fest, ob Pöplau in diesen Fällen als Anstifter oder Teilnehmer zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Diese Fälle scheiden also aus. In dem Verfahren stellte es sich aber heraus, daß Pöplau sich gegen den§ 353a in anderen Fällen vergangen hatte. Das jetzige Strafverfahren hatte von Anfang an großes Aufsehen erregt, aber bald trat eine gewisse Enttäuschung ein. Es hat sich nicht ergeben, daß der Angeklagte bedeutende Urkunden der Oeffentlichkeit   Preis gegeben, es handelt sich außerdem nur um wenige Fälle, die weit zurück und beinahe an der Grenze der Verjährung liegen. Da kam dann die Reaktion gegen die anfängliche Aufregung und man war geneigt, die ganze Affäre Pöplau als eine Rache der von Pöplau verlebten Bureaukratie hinzustellen und die Ansicht zu verfechten, daß es sich hier um Dinge handle, die doch überhaupt nicht verfolgt werden sollten. So liegt die Sache denn doch nicht. Die Justiz ist nicht dazu da, Sensation zu erregen, und da hier strafbare Handlungen vorliegen, mutzte die Anklage erhoben werden und diese lang- Ivierige Verhandlung stattfinden. Immerhin muß letztere größeres Interesse erregen, nicht wegen des Charakters der Urkunden, um die es sich hier handelt, auch nicht wegen der Person des An- geklagten �der Fall hat aber ein juristisches Interesse, denn H 363a ist eine Spczialbestimmung, die vor 33 Jahren erlassen ist und bis jetzt gar keine Anwendung gefunden hat. In der Praxis liegen Erfahrungen bezüglich der Anwendung des§ 353a nicht vor und der Verteidiger hat ja schon angedeutet, daß das Reichs- gericht sich mit diesem Fall zu beschäftigen haben wird, um eine maßgebende Interpretation des§ 353a zu erlangen. Heute muß das Gericht selbst diese Interpretation geben. Es kann nicht darauf ankommen, was dieser oder jener Abgeordnete bei der Bcratupg des§ 353 a gesagt hat; diese Ansichten des Einzelnen können nicht maßgebend sein. Gründe der Abstimmung werden nicht bekannt gegeben und das Gericht ist daher in der Lage, nach allgemeinen Grundsätzen seine Entscheidung zu treffen. Der Staatsanwalt geht hierauf dazu über, eine Analyse des § 353 a zu geben, den Begriff dieser Strafbestimmung zu erörtern und darzulegen, inwiefern der Angeklagte dagegen verstoßen hat. Als das Gesetz erlassen wurde, gab es noch kein Kolonialamt, dessen Beamte jetzt nicht mehr dem Auswärtigen Amte unterstehen und deshalb auch nicht mehr unter den Z 353 a fallen. Aber der Angeklagte war Beamter im Dienste des Auswärtigen Amtes. Der Staatsanwalt vertritt sogar die Ansicht, daß nicht nur ein aktiver Beamter unter das Gesetz fällt, sondern auch ein Beamter, der entlassen und außer Dienst ist. Es handelt sich hier nicht um Urkunden, die die Sicherheit des Reiches oder eines Bundes st aates gefährden können, sondern der§ 353a hat ganz allgemeine Urkunden ohne weitere Umgrenzung im Auge. Der Angeklagte hat ja angedeutet, daß er auch Urkunden der anderen Art besitze, die er vielleicht veröffentlichen könnte. Er würde dann einen Landesverrat begehen, der ihn ins Zuchthaus bringen würde. Hier handelt es sich um Veröffentlichung von Urkunden, deren In halt gleichgültig ist, deren Veröffentlichung unter Bruch der Amtsverschwiegenheit dem An- geklagten eine Gefängnisstrafe zuziehen mutz. Alle die Schrift- stücke, um die es sich hier handelt, waren, wie der Staatsanwalt des längeren ausführt, geheim zu halten, sie waren ihm teils amtlich anvertraut oder amtlich zugänglich. Der Angeklagte sagt, er habe sich das Material nicht gesammelt, es sei ihm zugeflogen und er habe keine Ahnung, wer der gütige Spender war. Es ist wunderbar, daß das Material nur an den Angeklagten kam und auch immer richtig war. Da liegt es doch nahe, daß er bei den anonymen Zusendungen seine Hand im Spiele hatte, die Schrift- stücke vielleicht selbst an sich schickte oder durch gute Freunde an sich schicken ließ. Aber er würde auch strafbar sein, wenn er die Urkunden auf dem von ihm angegebenen Wege bekommen hätte, denn er wußte, daß sie nur von einem Beamten stammen konnten. Der Staatsanwalt erörtert dann eingehend und unter Hervor- Hebung der einschlägigen juristischen Gesichtspunkte die einzelnen Fälle und kommt zu dem Schluß, daß sowohl in der Veröffent- lichung des Frantziusschen Gutachtens in dem Zivilprozeß, ferner in der Hingabe dieses Gutachtens an den Zeugen Schwinn und in der Hingabe der Schriftstücke an den Abg. Erzberger   alle Tat- bcstandsmerkmale des§ 353a liegen und der Angeklagte diese Mitteilungen widerrechtlich und unter Verletzung der Amtsverschwiegenheit gemacht hat. Was den Kampf um seine Gehaltsansprüche betrifft, so war dem Angeklagten nicht zu verdenken, daß das Scheitern seiner Aussichten ihn in eine gewisse Mißstimmung bringen konnte. Der Angeklagte hat aber seine Rechte in einer Weise geltend gemacht, die ihn in das Gefängnis bringen muß. Er sagte hier einmal, er gehe immer den geraden Weg; das ist aber wohl eine optische Täuschung, denn viele Leute werden der Ansicht sein, daß seine Wege sehr krumme waren und er sich durch das Beschreiten dieser krummen Wege selbst unendlich geschädigt hat. Was den Fall Erzberger   betrifft, so entbehrt die Schilderung, die Herr Erzberger von den Vorgängen gibt, nicht einer gewissen Komik. Herr Erzberger   suchte einen Stenographen, ließ den An- geklagten zu sich kommen; dieser konnte den Posten nicht annehmen, erklärte aber, daß er sich über das Auswärtige Amt zu beschweren habe und da war beiden geholfen; die Anknüpfung war ge- geben und der Angeklagte gab Erzberger   ein ganzes Faszikel von Schriftstücken. Ueber den Zweck des Vorgehens des Abg. Erzberger auf Grund dieser Schriftstücke sind Meinungsverschiedenheiten ent- standen. Es war behauptet worden, daß es darauf angekommen l sei, die Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen Pöplau zu erringen. Herr Erzberger hat dies energisch bestritten. Jeden- -falls war die Antwort, die er an matzgebender Stelle erhielt, eine derartige, daß er das Wiederkommen in dieser Sache vergaß. Aber die Verbindung war nun einmal angeknüpft und so hat denn Pöplau zu einer Zeit, als er noch im Dienste war, dem Abg. Erz- berger manches Material ausgeliefert, das, wie der Staatsanwalt weiter eingehend darlegt, von ihm nicht ausgeliefert werden durfte. Der Angeklagte konnte auch nicht glauben, daß er nicht rechts- widrig handelte. Der Angeklagte hat wiederholt damit gedroht, daß er sich an die Oeffentlichkeit und an das Parlament wenden würde. Was er angedroht hatte, stand nicht in seiner gesetzlichen Befugnis. Er durfte sich nicht dazu herablassen, einem einzelnen Abgeordneten Material zu geben. Der Angeklagte kann sich auch nicht damit schützen, daß der Abg. Erzberger von dem einen oder anderen der fraglichen Schriftstücke kraft seiner Stellung als Abgeordneter auf ganz legalem Wege hätte Kenntnis nehmen können. Auf diesem legalen Wege ist diese Kenntnis aber nicht gewonnen worden, sondern der Abg. Erzberger   ist durch einen Beamten unter Bruch der Amts- Verschwiegenheit erst darauf gestoßen worden. Was die Straf- abmessung betrifft, so ist zu erwägen, daß der Angeklagte un- bestraft ist. Andererseits aber ist der Angeklagte durch eine hohe Disziplinarstrafe gewarnt worden, man hat ihn auch auf Z 353a aufmerksam gemacht. Der Angeklagte hat aber auch gröblich gegen die Disziplin verstoßen. Ein Beamter muß seine eigene Person zurück st ellen; der Angeklagte stellte aber seine Person in den Vordergrund. Es ist nicht gerechtfertigt, auf eine Geldstrafe zu erkennen, sondern es muß eine Gefängnisstrafe ausgesprochen werden. Der Staatsanwalt beantragt 4 Monate Gefängnis und Einziehung der hier in Betracht kommenden Abschriften. Verteidiger Rechtsanwalt Bertram: Der Herr Staats- anwalt hat bereits hervorgehoben, daß der Fall Pöplau in den weitesten Kreisen Sensation hervorgerufen habe. Der Schwer- punkt liegt nicht in den Bagatellen, um welche es sich bei den hier in Frage stehenden Urkunden handelt, sondern in dem Umstände, daß ein preußischer Gerichtshof zum erstenmal in die Lage kommt, den A r n i m- P a r a g r a p h e n zu interpretieren. Ich kann die Versicherung geben, daß man an den maßgebenden Stellen, auch selbst außerhalb der schwarz-weitz-roten Grenzpfähle, dem Ergebnis der Verhandlung gegen Pöplau mit großer Spannung entgegensieht. Soweit man in das Gebiet der Jurisprudenz eindringt, wird man keinen An- Haltspunkt dafür finden, was der Gesetzgeber mit dem Arnim- Paragraphen gewollt hat. Es ist deshalb notwendig, auf die Motive, die diesem Paragraphen unterlagen, näher einzugehen. Der Verteidiger verliest die Motive zu dem Gesetz und trägt aus den Verhandlungen vom 3. Dezember 1875, an denen sich der da- malige Reichskanzler Fürst Birsmarck und die Abgg. Dr. Laster und Dr. v. Schwarze beteiligten, einzelne Reden wörtlich vor und zeigt an der Hand derselben, daß es sich bei dem Vergehen, die durch den Arnim-Paragraphen getroffen werden sollen, nur um Urkunden hochpolitischen Charakters handelte, daß Vorsorge gegen Indiskretionen in solchen hochpolitischen Dingen seitens der diplomatischen Agenten getroffen werden sollte,da- mit der Staat keinen Schaden leide". Um solche Urkunden handelt es sich hier aber ganz und gar nicht, sondern nur um Angelegen- heilen der mneren Verwaltung der Kolonialabteilungen, und Ur- künden dieser Art fallen keinesfalls unter den Arnim-Paragraphen. An eine so extensive Interpretation des tz 353a, wie sie hier in diesem Falle gegeben werden soll, hat kein Mensch gedacht. Sollte der Paragraph so weit interpretiert werden, so würde jeder Boten- meister bestraft werden müssen, der etwa sagt:Heute haben wir 50 Eingänge gehabt." Auch folgende Konsequenz würde entstehen: Der Etatsentwurf des Auswärtigen Amtes ist ein sehr geheimes Aktenstück. Wenn ein Beamter des Auswärtigen Amtes aus diesem Etat irgendeine Mitteilung macht, würde er bestraft werden; einem Beamten des Reichs-Schatzamtcs würde aber unter gleichen Um- ständen dieses Schicksal nicht beschieden sein. Der Verteidiger erörtert sodann ausführlich die Frage der Amtsverschwiegen- h e i t an der Hand der Bestimmungen des Bcamtengesetzes und der Erläuterungen dieser Bestimmungen durch die Redner im Parlament. Er sucht nachzuweisen, daß die Beamten an die An- Ordnungen ihrer Vorgesetzten nur in soweit gebunden sind, als sie den Gesetzen gemäß sind. Er führt weiter aus, daß der Staats- sckretär des Auswärtigen Amtes nach der ganzen Stellung des letzteren zu den Schutztruppen überhaupt nicht befugt war, dem Angeklagten eine generelle Schweigepflicht aufzuerlegen bezüglich solcher Urkunden, deren Verantwortung nicht der Staatssekretär trug, sondern das Oberkommando der Schutztruppcn. Im übrigen ist hervorzuheben, daß das erste Schweigegebot am 31. Dezember 1902 erfolgt war, die Publikation des Frantziusschen Gut- achtens aber spätestens schon am 28. Februar 1902. Der Angeklagte steht auf folgendem Standpunkte: Was den Fall Kannenberg betrifft, so kennt die Reichsverfassung kein Be- gnadigungsrecht des Kaisers. Der Kaiser kann das Äegnadigungs- recht nur ausüben auf Grund besonderer Titel, wie z. B. des 8 118 des Beamtengesetzes und der§8 484 und 485 der Strafprozeß­ordnung. Der Angeklagte war daher der Ansicht, daß die Pensio- uierung des Herrn Kannenberg nicht nur ungesetzlich, sondern auch etatswidrig war und auch durch einen Gnadenakt die Pensionierung des Kannenberg nun und nimmermehr erfolgen durfte. Deshalb hielt sich der Angeklagte nicht für verpflichtet, diesem Schweigegebot Folge zu leisten. Was den Fall Brandeis-Kiem betrifft, so handelt es sich um Verbrechen und Vergehen des Brandeis, die von dem jetzigen Staatssekretär Dernburg   im Reichstage schon zugegeben worden sind. Der Angeklagte war der Ansicht, daß die zuständige Behörde die Sache nicht einfach zu den Akten nehmen durfte, son- dern sie sofort ex okticio behandeln mutzte. Der Verteidiger ver- weist ferner darauf, daߧ 11 des Bcamtengesetzes von der Geheim- Haltung solcher Urkunden spricht, deren Geheimhaltung sich aus der Natur derselben von selbst ergibt. Der Verteidiger sucht nachzu- weisen, daß dies hier nicht der Fall. ist. Sollte sich der Gerichtshof diesen Ausführungen nicht anschließen, so erörtert der Verteidiger eingehend an der Hand der einzelnen Fälle die Frage, ob die in Frage stehenden Urkunden dem Angeklagten amtlich zuge- gangen oder ihm amtlich anvertraut waren. Er greift die rechtlichen Grundlagen der Anklage an und kommt im Gegensatz zu dem Staatsanwalt zu einer Verneinung der Frage. Der Staatsanwalt, so schließt der Verteidiger seine rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen, hat von dem von der Staatsanwalt- schaft manchmal ausgeübten Recht Gebrauch gemacht, die Person des Angeklagten anzuschwärzen, indem er auf dessen wiederholte Bestrafungen im Disziplinarverfahren hinwies. Demgegenüber möge der Gerichtshof die ganze Persönlichkeit dieses Angeklagten auf der einen Seite und die Verfehlungen, deren er sich schuldig gemacht haben könnte auf der anderen Seite in die Wagschale werfen und da ist es gar nicht zweifelhaft, auf welcher Seite die Wagschale sinken wird. Wohl selten ist ein Mann so tief ?e kränkt und gereizt worden wie dieser Ange- lagie, aber er ist immer frei von Schuld und Fehl seinen nicht mit Rosen bestreuten Weg gegangen. Ich verlange kein Mitleid für den Angeklagten, sondern nur das Recht. Sie mögen den An- geklagten der schwersten disziplinarischen Bestrafung für wert er- achten; ich verlange aber, daß die Scheidegrenze zwischen Disziplinarvergehen und einem nach dem Straf- gesctzbuch zu ahndenden Vergehen scharf gezogen werde. Sie, meine Herren Richter, stehen hier vor dem ersten Fall der Anwendung des Arnimparagraphen und wenn Sie nach Wür- digung aller vorgebrachten Momente anerkennen müssen, daß es sich um ein noch dunkles Gebiet handelt, so haben Sie die Pflicht, den Angeklagten frei zu sprechen, denn es ist eine Anforderung, die jede gesittete Nation an ihre Rechtspflege stellen muß, daß ein Angeklagter, der einem dunklen, ihm unverständlichen Gesetze gegenübersteht, niemals bestraft werden darf. Ich schließe mit den Worten, die seinerzeit Professor v. Holtzendorff als Verteidiger des Grafen v. Arnim dessen Richtern zurief, mit dem Wahlspruch, den die Stiftungsurkunde des preußischen Rechts enthält: Luum cuiquel Vor Gott und den Menschen kann dieser Wahrspruch in bezug auf diesen Angeklagten nur lauten: Nichtschuldig. Es folgt eine kurze Replik des Staatsanwalts und eine Dupli! des Verteidigers. Der Angeklagte selbst führt auch seinerseits aus, daß der Arnimparagraph auf die hier in Frage stehenden Schriftstücke un- möglich Anwendung finden könne. Der 8 3b3a sei doch sicherlich nicht zu dem Zweck in das Strafgesetzbuch hineingebracht worden, um eine Verfolgung strafbarer Vergehen zu verhindern. Der An- geklagte schließt mit den Worten, die seinerzeit Fürst Bismarck   im Reichstage gesprochen:Ich schätze an dem ganzen Regime der neueren Zeit nichts so sehr als die absoluteste Oeffentlichkeit; es soll kein Winkel des öffentlichen Lebens dunkel bleiben und müßte nur selbst das gelbliche Dämmerlicht auS der Blendlaterne auf ihre Fäden fallen es ist immer besser, als daß sie unbeleuchtet bleiben, und hätte es auch nur die Folge, daß derFlug der hohen Mei- nung", womit die beste Verwaltung und Bureaukratie sich so leicht täuscht, einige Verminderung erleide." Hierauf zieht sich der Gerichtshof zur Beratung zurück. Den, auf drei Monate Gefängnis lautenden Urteil gegen den Angeklagten Pöplau schickte Landgerichtsdirektor Laugner eine längere Begründung voraus, in welcher etwa folgendes auS- geführt wurde: Der§ 353a gehört zu den eigentlichen Amtsdelikten und betrifft nur eine bestimmte Kategorie von Beamten, nämlich diejenigen des Auswärtigen AmteS. Zu dieser Kategorie hat der Angeklagte zweifelsfrei gehört. Ihm werden drei Fälle des Vergehens gegen Z 353 a zur Last gelegt. In dem einen Falle, wo es sich um die Mitteilung des Frantzius- scheu Gutachtens an den Justizrat G r ü n s ch i l d handelt, kommt die Frage der Verjährung iu Frage. Eine Ver- jährung liegt aber nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Es handelt sich um die Benutzung eines Gutachtens in einem Prozesse und da liegt eine fortgesetzte Handlung vor, die als nicht verjährt erscheint, wenn ein Teil noch nicht verjährt ist. Das Gericht hat ferner als erwiesen augesehen, daß der Angeklagte im Oktober 1905 sämtliche Schriftstücke zu den Fällen Kiem und Kannenberg dem Ab- geordneten Erzberger zur beliebigen Verwendung gegeben hat. Es handelt sich da um getreue Abschriften von Schriftstücken, die den Personalakten entnommen sind. Der Angeklagte behauptet, daß ihm dieses Material anonym zugestellt worden sei. Das Gericht nimmt nicht für erwiesen an, daß der Angeklagte anderes Material gesammelt hat. In dem einen Falle ist diftch die Aussage des Zeugen Schneider erwiesen, daß der Angeklagte das Schriftstück zugesandt erhallen hat, der Gerichtshof hält es auch für dargetan, daß dem Angeklagten noch nach seinem Ausscheiden aus dem Amte durch pflichtvergessene Beamte des Auswärtigen Amts Material zugesteckt worden ist. Im Falle Kannenberg hält es der Gerichtshof auf Grund der Beweisaufnahme für erwiesen, daß der Angeklagte selb st sich die Abschrift angefertigt hat, als ihm zur Bearbeitung dieser Angelegenheit die Personalakten zur Verfügung standen. Der Angeklagte hatte an diesem Falle schon wegen seines Streites mit dem Hoftat Tesch ein besonderes Interesse. Ferner hält es der Gerichtshof für erwiesen, daß der Angeklagte bei dieser Gelegenheit auch Kenntnis erhalten hat von dem Schreiben des Oberkommandos der Schutztruppe vom 2. Dezember 1900 und von dem Schreiben deS Militärkabinetts vom 11. Dezember 1900. Im Falle Kiem nimmt das Gericht für erwiesen an, daß der Angeklagte sich die fraglichen Schriftstücke selb st angefertigt hat. als er die Kiemschen Akten zum Zwecke der Anfertigung der Kassenorder erhalten hatte. Das geht gerade aus der Kiemschen Aussage hervor. Der Angeklagte hatte ein lebhaftes Interesse an diesem Falle und hatte dem Kiem gesagt, daß er dessen Sache in Fluß bringen wolle. Richtig ist, daß er das betreffende Schriftstück zu leiner Arbeit nicht brauchte, dadurch ist aber nicht bewiesen, daß er es nicht doch gesehen hat. Er hat ferner behauptet, daß die Sachen über- Haupt nicht bei den Akten gewesen sind; das ist aber nicht zutreffend. Was die rechtliche Würdigung anlangt, so besteht die strafbare Hand- lung in einer Verletzung der Amtsverschwiegenheit. Den Umfang dieser Schweigepflicht bestimmt der 8 11 des Reichs­beamtengesetzes. Der Beamte hat danach Stillschweigen zu be- obachten über alle ihm dienstlich bekannt gewordenen Sachen, die ihrer Natur nach geheim zu halten sind oder für die ein Schweige- gebot ergangen ist. Ein solches Schweigegebot ist in den hier behandelten Fällen ergangen und der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes war zu einem solchen Schweigegebot berechtigt. Sämtliche qu. Schrift- stücke waren ihrer Natur nach geheim zu halten. Es kommen in dieser Beziehung nicht nur Schriftstücke in Frage, deren Bekanntgabe gegen das Interesse des Staatswohles wäre, sondern auch solche, die sich auf interne amtliche Verhältnisse beziehen. Der Gerichtshof hat auch die Frage bejaht, ob das weitere Erfordernis, nämlich, daß die Schriftstücke dem Angeklagten amtlich anvertraut oder zugänglich waren, erfüllt ist. Die Handlungsweise des Angeklagten wird nun aber erst straf- bar, wenn die Mitteilungen an einen anderen rechtswidrig gemacht worden sind. Auch dies ist der Fall. Herr Erzberger   hatte auch als Reichstagsabgeordneter keinen Anspruch auf diese Mitteilungen und auch der Angeklagte konnte leinen Zweifel haben, daß er widerrechtlich handelte, als er Herrn Erzberger das Material gab. Der Augeflagte ist deshalb wegen des Falles Kannen- berg-Kiem, wo eine einheitliche Handlung vorliegt, zu bestrafen, da alle Tatbestandsmerlmale des§ 353a vorliegen. In Sachen des Frantziusschen Gutachtens nimmt der Gerichtshof zwar an, daß die Hingabe des Gutachtens an den Justiz- rat Grünschild und an den Zeugen Schwin objektiv rechtswidrig war, verneint aber, daß der Angeklagte in diesem Falle subjektiv das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit hatte. In diesen beiden Fällen erfolgte daher die Freisprechung, dagegen mutzte der Angeklagte wegen Vergehens gegen§ 353 a in einem Falle(Erz- berger) verurteilt werden. Bei der Strafabmessung hat der Gerichtshof berücksichtigt, daß der Angeklagte unbescholten ist und geglaubt hat, daß er durch die Neuordnung der Beamtenverhältnisie schwer ge- schädigt sei. Andererseits hat der Gerichtshof erwogen, daß der An- geklagte nicht aus Rechthaberei vorgegangen ist, sondern lediglich persönliche Zivecke verfolgte, nämlich: Rache zu nehmen au denen, denen er die Schuld au der Schädigung seiner Interessen beimessen zu sollen glaubte. Bei dieser Sachlage war eine Geldstrafe von vornherein ausgeschlossen, und der Gerichtshof hat auf drei Mo- nate Gefängnis erkannt und, auch die Einziehung der in Frage stehenden Abschriften ausgesprochen. WttternngSüberNcht vom S. Juni 1U07,»lorgenv»»he. SlaNoNtn I 76333 763 SSW herlin 76 t WNW Franks, n M.!76t SW München i764NO Wie»! 76t WNW Stvincmbc. Hamburg  verlin H &= £ I «f ElaNonen SS 1! 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