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Bürger zogen ihn heraus und trugen ihn zur Maire, ihn gegen weitere Angriffe schützend. Das Stadthaus war versperrt. Sie pochten an. Lange rührte sich nichts. Plötzlich wurde das Tor geöffnet, Soldaten stürmten hervor, und ein Offizier kommandierte Feuer! Die Soldaten jagten die fliehende Menge durch mehrere Strafien. Dabei wurde ein Bürger, der unter de» Rettern des Polizisten gewesen war, durch einen Bajonettftisch schwer verwundet. Besonders empörend aber ist die Geschichte des Todes des Genossen R a m o n: Ein Kürassieroffizier war in einem Cafö am Nachmittag erst nicht bedient worden und hatte dann vom Wirt laues Wasser zum Absinth bekommen. Am Abend schassen die Kürassiere durch die geschlassencn Rolläden deS Cafes! Ramon, der dort saß, bekam fünf Kugeln in den Kopf, seine Tochter wurde schwer verwundet und liegt im Sterben. Herr Clemenceau aber hat von einer..verirrten Kugel" gesprochen. Ist es schließlich verwunderlich, daß in den Regimentern des Landes der Geist der Meuterei umgeht und der Trieb hervorbricht, die an ihren Lieben verübten vielen Greuel zu rächen? Krieg gegen Kranke. Paris , 23. Juni. (Eig. Ber.) 15(XX) Mann halten Narbonne besetzt. Sie füllen die Plätze, die Straßen, die Gäßchen. Bor jedem HnuS steht ein Wachtposten mit aufgepflanztem Bajonett. Niemand darf passieren als die Liefe- ranten der Truppe. Ungeheuerlicherweise auch die Aerztc nicht! Der Aerzteverband hatte um Passierscheine ersucht, sie wurden ver- weigert, mit einer Begründung, die als Dokument militärischer Barbarei wiedergegeben zu werden verdient: Der Divisions- kommandant erklärt, das Begehren nicht erfüllen zu können.in Erwägung der fortdauernden Feindseligkeit der Bevölkerung, die den Offizieren und den Truppen Nachtlager und Nahrung verweigert. So- bald diese Feindseligkeit verschwindet, wird der Befehl geändert werden". Der edle Kriegsmann versagt also seinen Landsleuten, was die Genfer Konvention dem.äußeren Feinde" sichert: die Pflege der Verwundeten und Kranken! Er kühlt seinen Rachedurst an diesen Wehrlosen. Man kann sich in der Tat kaum eine wirksamere Be- lehrung über das Wesen des Militarismus denken, als diejenige, welche die Städte des französischen Südens dergestalt in diesen Tagen erhalten. Die Aerzte von Narbonne haben auf die Schändlich- keit mit dem in dieser Situation gerechtfertigten Beschluß ge- antwortet, auch den verletzten Gendarmen die ärztliche Hülfe zu verweigern. Ferner werden sie den monatlichen Einberufungen zu den Aushebungskommissionen nicht Folge leisten. Herr Clemenceau und seine Leute haben die revolutionierenden Weinbauern.Apachen" tituliert. Aber gegenüber den Rettern der Ordnung und des Gesetzes zeigen diese.Apachen" selbst in ihren leidenschaftlichsten Ausbrüchen eine menschlichere Gesinnung. Die entsetzlichenGrcneltaten", von denen die Regiernng berichtet hat, entpuppten sich hinterher zumeist als einige handgreifliche Roheiten, die durch die Dinge, die vorangegangen sind, wohl verständlich werden. Wenn man das hitzige Temperament der Südländer er- wägt, muß man sagen, daß die Winzer eine geradezu imponierende Selbstbeherrschung zeigen. Und wo wirklich einige Leute ihren grausamen Trieben die Zügel schießen ließen, fanden sich immer andere, die vermittelnd und begütigend eingriffen. Nicht eine einzige Tat ist bisher geschehen, die auf der Sache der Aufftändischen einen dauernden Fleck zurückließe. Herr Clemenceau aber kann das von seiner Gegenaktion nicht sagen. Lockspitzel als Journalisten. Am meisten haben unter dem Zorn des Volkes noch die Polizeiagenten zu leiden gehabt, die in Massen aus Paris nach dem Süden geschickt worden waren. Skandalöserweise hatte ihnen das Ministerium«couxs-fils" ausgestellt, Passierscheine, wie sie die I o u r n a l i st e n erhalten, und die Herren Spitzel stellten sich überall alsJournalisten" vor l I Natürlich hatten, als die Sache ruchbar wurde, die wirklichen Journalisten unter dem Verdachte, zu der edlen Sippe zu gehören, empfindlich zu leiden, und sie sahen sich genötigt, das Komitee der Weinbauern um Armbinden zu bitten, die sie vor der Be- völkerung legitimieren. So ist das Komitee trotz aller militärischen und polizeilichen Diktatur noch immer die einzige vom Volke wirklich anerkannte Behörde im Winzerland. Uebrigens haben die Journalisten aller Parteien gegen daS be­leidigende Verfahren der Polizei Protest erhoben. Herr Clemenceau freilich wird ihn nicht verstehen. Er hat doch den Ruhm,.der erste Journalist Frankreichs " zu sein, aufgegeben, umle premier f 1 i 0", der erste P o l y y, zu werden I Die Polizisten haben aber das Land nicht nur als Spürhunde, sondern auch als gAsnts provocateurs durchstreift. Die.Humanitü" berichtete darüber: In Narbonne , auf dem Boulevard Gambetta, rief ein Jndividunm zur Revolte auf, riet, auf die Offiziere zu schießen und den Aufftand zur m ö g l i ch st e n Entfaltung zu bringen. Da niemand den Redner kannte, forderte man seine Papiere. Er weigerte sich, begann Geschichten zu er- zählen.... Aber die mißtrauisch gewordenen Zuhörer ergriffen ihn, durchsuchten seine Taschen und fanden in seinem Portemonnaie eine auf die Pariser Zentralpolizei lautende Eisenbahnfrcikarte und eine von der Polizcipräfektur ausgestellte Legitimation! Der Mann wurde halb tot geschlagen und dann auf den Rat ruhigerer Leute zum Sitz des Winzerkomitees gebracht. Daß man ihm und anderen seinesgleichen derart mitgespielt hat, ist wirklich zu begreifen. Ein Schlachteulenker. Als die Soldaten des 17. Regiments gegen Beziers Marschierten, trat ihnen der Brigadegeneral Lacroisade mit Truppen des 81. Infanterieregiments und mit einer starken Gendarmerieabteilung entgegen. Die Begegnung fand an der Kreuzung der Reichsstratzc und des Weges nach dem"Bahnhof von Billeneuve statt. Zwei Kompagnien der 81 er hielten auf der Straße, zwei andere hatten sich in Schützenketten aufgelöst. Die Rebellen vom 17. Regiment manövrierten unter der Führung von Korporalen mit einer bewunderungswürdigen Schnelligkeit und Sicherheit. Ein Teil entfaltete sich in Schützenketten, die anderen formierten sich als Reservekolonne, um im gegebenen Moment den entscheidenden Stoß zuführen. Und die Truppen des Generals Locroisade wurden richtig umgangen! lNach dem Eingeständnis von Offizieren", so schreibt die nationalistischeLibertö", hat der General , strategisch genommen, die Schlacht verloren, und wenn die Siebzehner gewollt hätten, wären seine Truppen ge- fangen genommen worden. Dieses Resultat mag den Hochmut militärischer Bonzen im In- und Ausland nützlich dämpfen, und am allerwenigsten werden die Gamaschenknöpfe Deutschlands eine Schaden- freude darüber empfinden dürfen, da jener Vorfall nur die ausgezeichnete Mannschaftsausbildung einer Armee beweist, der man es anscheinend nicht hat beibringen können, auf Vater und Mutter zu schießen." Die wahre Regierung. Eine pattiotische Heldengeschichte hat Clemenceau in der Freitagssitzung erzählt, würdig, sofort in die Lesebücher der Bolls- schule aufgenommen zu werden: General Bailloud. allein in die Mitte meuternder Soldaten tretend und sie durchdie Macht seiner Beredsamkeit" zur reuigen Rückkehr bewegend l in Wirklich- keit hat sich die Sache ganz anders zugetragen. Die Soldaten wären nämlich gar nicht zurückgekehrt, wenn man nicht ihre Bedingung erfüllt hätte, die in der Zu« sicherung bestand, daß keine individuelle Strafverfolgung eintreten werde. lind auch das wurde nicht durch den Vorgesetzten erreicht, sondern durch die Intervention der Leiter des neuen Winzerkomitees!I Gegen das alte Komitee hat man VerhaftSbefehle erlassen und eine Armee mobilisiert, und nun appelliert man an seine Nachfolger, welche die ungekürzte Durch- führung deS Programms des alten Komitees auf ihre Fahne ge- schrieben haben, um die Disziplin dieser Armee wiederherzustellen! Gestern waren die WinzerführerRebellen", heute find sie patriottsche Bürger. Nebenbei wurden die Soldaten des 17. Regiments auch sonst nicht als Aufrührer behandelt. Sie bekamen Erlaubnis, den Nach- mittag und die Nacht außerhalb der Kaserne zu schlafen. Diejenigen aber, die in die Kaserne eintraten, wurden vom Korpskommandanten General Bailloud mit einem Händedruck beehrt. Geradezu grotesk aber ist die Geschichte des Unterpräfetten L e u I l i e r. Er war in P o u l h a n, wo er die Beschädigungen der Bahngleise besichtigte, von den Bauern gefangen genommen worden. Diese verlangten zunächst von ihm, daß er:Nieder mit Clemenceau !" undTod den Fälschern l" rufe. Das letztere tat er, das erstere verweigerte er in löblichem Respekt vor seinem Chef. Daraus wurde er von einigen Hitzköpfen arg geschlagen und in Gefangenschaft zurückbehalten. Der Präfekt von Montpellier hätte feinen Beamten gern befteit, wußte aber keinen anderen Weg, als Herrn Leenhardt, Mitglied des WinzerkorniteeS, rufen zu lassen und um Intervention zu bitten I Leenhardt erwiderte, er habe nicht genug Autorität bei den Bauern; am besten würde es sein, die Intervention der gefangene« Komitee- Mitglieder anzurufen. Und so geschah es! Ter Präfekt ließ Leen- Hardt ins Gefängnis sichren, und dort unterzeichneten Ferroul, Cathala und die anderen Gefangenen den Freilassungsbefehl für den Unterpräfekten! Mit diesem ausgerüstet, fuhr Leenhardt im Automobil nach Pouchan, und so erwirtte er sofott die Befteiung deS Gefangenen. Marcellin Albert. Paris , 23. Juni. Der Führer der Winzerbewegung. Marcellin Albert, fand sich heute vormittag 10% Uhr im Ministerium des Innern ein. Er wurde sofort zum Ministerpräsidenten Clemenceau gebracht, der mit ihm eine dreiviertelstündige Unterredung hatte. Nach derselben verließ Albert das Ministerium durch eine Seiten- tür, um Berichterstattern aus dem Wege zu gehen. Paris , 23. Juni. (W. T. B.) In der Unterredung, die Minister- Präsident Clemenceau mit dem Führer der Weinbauern, Marcellin Albert, hatte, sprach ersterer anfangs sehr streng und hart, indem er Albert das Gewicht der Verantwortung klar machte, die dieser sich zugezogen habe. Albert setzte die Absichten, die er gehabt habe, unter Tränen auseinander und bat Clemenceau um Ratschläge, in- dem er ausrief:Mein Gott ! Wenn ich doch alles wieder gutmachen könnte!" Clemenceau erwiderte nur:Gehen Sie und stellen Sie sich dem Gesetz!" Er ließ dann Albert sich entfernen, ohne ihn der Polizei zu übergeben. Dem Präsidenten Falliere? erstattete Cle- menceau Bericht über den Besuch Alberts. Narbonne , 23. Juni. Die telegraphisch hier eingelaufene Nachricht von dem Besuche Marcellin Alberts bei dem Minister- Präsidenten sowie die Nachricht, daß letzterer davon Abstand ge- nommen habe. Albert verhaften zu lassen, riefen hier großen Ein- druck hervor und wurden von der Menge mit Beifallskundgebungen aufgenommen. Narbonne , 24. Juni. Marcellin Albert traf heute nach- mittag hier ein und reiste nach Argelliers weiter. Die Erregung dauert an. Toulon , 23. Juni. Mehrere tausend Weinbauern, die heute eine Versammlung abhielten, faßten einen Beschluß, in dem ausgesprochen wird, daß die Gemeindebehörden des Departements Var sämtlich vom Amte zurücktreten müßten. Perpignan , 23. Juni. Als ein Steuererheber im Ge- meindeamt von Torreilles erschien, um die Steuern einzutreiben, wurde vom Rathause Sturm geläutet, worauf die Bewohner cklit Waffen und sonstigen Instrumenten sich versammelten. Unter diesen Umständen zog es der Steuererheber vor, den Ort schleu- nigst zu verlassen. Paris , 24. Juni. (B. H. ) Aus dem Süden liegen bisher keine neuen beunruhigenden Nachrichten vor. Die Deputierten Laferre und Bourrat, die sich vorgestern nach der Annahme des Weingesetzes endlich entschlossen, ihre Wahlkreise Beziers und Perpignan zu be- suchen, wurden von den Agitationskomitees schlecht empfangen, so daß sie sofort die Rückreise antraten. fln die Arbeiter aller Cänder! Als Nikolaus II. sich anschickte, die erste Friedenskonferenz ein- zuberufen, nahm seine Politik in Ostasien eine Richtung, die den Krieg mit Japan unvermeidlich machte. Im selben Augenblick, als er die Huldigungen der zweiten Haager Konferenz empfing, befahl er die Auflösung der zweiten Duma. Dies doppelte Zusammentreffen erhellt aufs beste die Komödie, die im Haag und in St. Petersburg gespielt wird. Der Hohn wird vollständig sein, wenn die dritte Konferenz in dem Palast tagen wird, der von dem Manne errichtet wurde, der als einer der ersten in den Vereinigten Staaten von Nordamerika bewaffnete Polizisten gegen die Arbeiterklasse gebrauchte und vor der Welt seine Auf- sassung vom sozialen Frieden kundgab, indem er die Arbeiter seiner Fabriken, die Schöpfer seines ungeheueren Vermögens, erschießen ließ. Seit langem hat das Proletariat die ttadittonelle Polittk der russischen Regierung, der Hauptstütze aller Reattion, aufgedeckt. Der äußere Friede, wie sie ihn versteht, das ist nicht die Unterdrückung des Krieges, das. ist die Schwächung der Gegner und die Hegemonie des Zarismus. Der innere Frieden, wie sie ihn ttäumt, das ist das vergewalttgte Volk, das ist die verewigte Autokratie. Nach der letzten Haager Konferenz ließ Nikolaus II. die Mandschurei verwüsten und die Greuel von Blagowetschensk verüben, Er brach den dem finnischen Volke geleisteten Eid und badete sich im Blute ganz Rußlands . Zu Riga stellte er die Tortur des Mittel- alters wieder her; er ließ die armen Bauern Georgiens von der Soldateska ungestraft plündern und massakrieren; er erlaubte den Sbirren des Gefängnisses von Akatoni, mit Bajonettstichen die politischen Gefangenen anzufallen und zu töten. Während des Aufstandes in Moskau ließ er die Sanitätsabteilungen beschießen und lange nach dem Kampfe töteten die Garden seiner Majestät ohne jeglichen Prozeß die Eisenbahnangestellten, die sie in ihrer Berufsarbeft über­raschten. Der Zar hat gegen seine eigenen Untertanen gewütet, wie er sich schämen würde, gegen feindliche Soldaten zu handeln. Und dieses Haupt der kapitalistischen und kolonialen Räuberei gibt sich vor der Welt als das Sinnbild und die Personifikation des Rechts, das der Gewalt vorgeht, des herzlichen Einvernehmens, das an die Stelle deS blutigen Kampfe? tritt, des ewigen Friedensvertrags, der den brudermordenden Krieg verdrängt: Und wollte man zugeben, daß er aufrichtig sei, so könnte er seine Friedensabsichten nicht verwirk- lichen, weil der Militarismus nichts anderes ist als die vom Staat organisierte Bewaffnung, um die Ärbeiterklasse unter dem Wirtschaft- lichen und politischen Joch der Bourgeoisttasse zu halten weil in der kapitalistischen Ordnung die Kriege zwischen den Staaten gewöhnlich nur die Folgen ihrer Rivalität auf dem Weltmarkte sind, weil jede Macht sich nicht nur bemüht, die Märkte, die sie befitzt, sich zu erhalten, sondern auch neue zu erobern und daS sehr oft durch die Unterjochung fremder Völker und die Beschlagnahme ihres Bodeus. Die m Haag lügende« Dchlomatea möge» ifö um» schauen. Sie werden dort die Herren WestaftikaS an der Seite der Beherrscher Indiens , die Eroberer von Madagaskar neben den Aus- beutern des Kongogebietes und die Sieger der Mandschurei neben ihren unglücklichen Gegnern finden. Die Kriege, die zudem die Vorurteile begünstigen, die von den herrschenden Klassen systematisch genährt und unterhalten werden zu dem Zwecke, die Völker gegen einander zu hetzen, erscheinen dem Proletariat als das Wesen des Kapitalismus selbst und sie werden nicht verschwinden, denn mit der kapitalistischen Ausbeutung selbst. Die Arbeiterklasse ist dagegen die natürliche Feindin der Kriege, weil sie ihr Hauptopfer ist sie muß ihm Gut- und Blutsteuer zahlen und weil die Kriege dem Ziel des Sozialismus wiederstreiten, der die Schaffung einer neuen Ordnung ist, die sich gründet auf die Solidarität der Arbeitenden, auf die Verbrüderung der Nationen, aus die Freiheit der Völker. Als im Jahre 1871 Deutschland Elsaß-Lothringen annektierte, protestierten die Vertteter des sozialistischen ProletanatS, Bebel und Liebknecht, gegen den Krieg und die Annexion. Als im Jahre 1304 die Staaten Rußland und Japan Tausende junger Leben opferten, vereinigten sich zu Amsterdam die Vertreter des Proletariats Rußlands und Japans in brüderlicher Umarmung. Im Jahre 1870, als die Kanonen an den Grenzen donnerten, schriebe,! die deutschen Arbeiter den ftanzösischen Arbeltern: Wir werden niemals vergessen, daß die Arbeiter aller Länder unsere Freunde und daß die Despoten aller Länder unsere Feinde sind." Und die ftanzösischen Arbeiter antworteten den deuffchen: Arbeiter Frankreichs I Arbeiter Deutschlands I Arbeiter Spaniens ! Vereinigen wir unsere Stimmen in einem Schrei des Protestes gegen den Krieg I" Das war die Sprache der ersten Arbeiter-Jnternationale; und das ist noch heute die Sprache der neuen Arbeiter-Jnternationale! Ihre Führer haben trotz Verleumdung und Verfolgung die Idee des Friedens unter den Nationen durch Taten vertreten, in denen sie systematisch alle Militärforderungen verweigert haben, und man weiß, daß am Tage, da die Arbeiter die Herren der Armeen sind. der Krieg tot ist. Deshalb fordern sie ohne Verzug die militärische Entwaffnung der Bourgeoisie und die Bewaffnung der Arbeiter- klaffe durch die allgemeine Volksbewaffnung. Jedesmal, wenn eine drohende Wolke am politischen Horizont erschien, hat die Arbeiterklasse in den Parlamenten und auf den Straßen durch ihre Abgeordneten und Kundgebungen interveniert, und sie ist entschlossen, am Tage der Gefahr so weit zu gehen als sie vermag, um dem Kriege vorzubeugen und ihn zu verhindern. Ihre Politik wird keine Widersprüche zeigen, und wie die englischen Arbeiter gegen ihre Regierung während des Transvaalkrieges auftraten, so wird man nicht zwei Fraktionen des internationalen Proletariats in zwei entgegengesetzten Lagern stehen sehen. Stets hat die Arbeiter-Jnternationale den Grundsatz ver- teidigt, daß eine Regierung die Unabhängigkeit einer fremden Nation nicht bedrohen kann ohne Angriff auf die eigene Nation, ihre Arbeiterklasse und die internationale Arbeiterschaft. Deshalb kann die Fricdcnsidee nur Fleisch und Bein annehmen und siegen durch den Fortschritt und die Verwirklichung der sozialistischen Idee. Der Krieg findet dagegen seinen besten Boden in der Stärkung des Absolutismus . Die Auflösung der Duma bedeutet unter diesen Gesichtspunkten eine Gvfahr für ganz Europa . Sie hat niemand überrascht. Man ist gewöhnt, daß der Zarismus seine Verpflichtungen nicht hält, und an dem Tage, da er die Macht dazu besitzen wird, wird er gegen die anderen Völker handeln, wie er gegen das russische Volk gehandelt hat. Nikolaus II. hatte an einem Tage der Gefahr die Freiheit versprochen. Aber als ihm die Gefahr weniger bedrohlich er- schien, schickte er die erste Duma heim, die ihm nicht gelehrig genug schien. Er wollte ein Parlament von Lakaien. Die russische Regierung nahm vom Parlamenta- rismus das Wort, aber nicht das Wesen an. Um den Wünschen der Kamarilla und seines Herrn zu entsprechen, ließ Stolypin zu- nächst Unterdrückungsgcsetze verkünden, die Wählerliste fälschen, seine Gegner einkerkern und ritterlich erlaubte der große Minister den schwarzen Banden, Frauen und Kinder zu massakrieren. Die Ereignisse zerstörten seine ministeriellen Berechnungen. Trotz der Unterdrückung und der Gewalttätigkeiten der Behörden wurde die zweite Duma noch radikaler als die erste. Sie enthielt mehr als 100 Deputierte, die sich zu verschiedenen Nuancen des Sozialismus bekannten. Am Tage nach den Wahlen war es augenscheinlich, daß die Tage der zweiten Duma gezählt waren. Aber Stolypin wollte ein guter Kerl sein und war so freundlich, das Fortbestehen der Duma zu gestatten, jedoch unter der Bedingung, daß sie darein willigte, alles zu tun, was die Regierung wünschte. Die Kadetten waren schwach genug, diesen Einflüsterungen nur zu oft nachzu- geben. Sie stimmten gegen die Amnestie, sie weigerten sich, die amtlichen Mordtaten zu brandmarken, und sie wagten sogar nicht, ein Budget zu verwerfen, dessen Kontrolle man ihnen verweigerte. Sie baten die äußerste Linke himmelhoch, Herrn Stolypin jedes un- angenehme Wort zu ersparen und sich mit einem Lächeln auf den Lippen verfolgen und knuten zu lassen. Der Chef des Kabinetts hatte von nun an leichtes Spiel; er ließ bei den Abgeordneten Haus- suchungen veranstalten. Er ließ Telegramme fabrizieren, die im Namen des Volkes die Auflösung der Duma forderten. Er forderte Aufhebung der Oeffentlichkeit derjenigen Sitzungen, die der Prüfung des Heereskontingents gewidmet waren. Er legte Sympathie- erklärungen für die Polizei vor; er leistete sich den Luxus, Ver- schwörungen gegen den Zaren und gegen die Sicherheit des Staats zu entdecken. Er forderte Verfolgungen en bloc ohne Prüfung und auf der Stelle. Die Vertreter der Bourgeoisie hatten selbst nicht den Mut, auf diese Unverschämheit die Antwort zu geben, die sie verdiente und die Auflösung wurde ausgesprochen, ohne daß die Kadetten so glücklich gewesen wären, eine männliche Haltung ein- nehmen zu können. DaS organisierte Proletariat Rußlands hat die Aufgabe unter- nommen, die Antwort zu erteilen. Der Kampf gegen die Autokratie wird fortgesetzt werden ohne Waffenstillstand, und Sache der Ar- beiter aller Länder wird es sein, den russischen Genossen in ihrem Kampfe zu Hülfe zu kommen. Die sozialistischen Deputierten im österreichischen ReichSrat haben bereits ihre Absicht angekündigt, die Regierung über die Folgen einer Auflösung zu inter- pellieren, deren Verwickelungen man schon voraussehen kann und von denen den Interessen der fremden Nationen Gefahr droht. Die Sozialisten Frankreichs werden nicht ver- ehlen, ihrer Regierung die_ feierlichen Verpflichtungen ins Ge- zächtnis zurückzurufen, die sie in Sachen der Anleiheftage über- nommen hat. Die Sozialisten Großbritanniens , des Landes mit der parlamentarischen Tradition, werden am 14. Juli, dem Jahres- tage des Bastillesturmes gegen die Folge von Staatsstreichen manifestieren, die deren Urheber nur durch Heucheleien und Lügen zu rechtfertigen versucht haben. Die Proletarier der anderen Nationen werden es sich angelegen sein lassen, diese Bewegung zu unterstützen und ihren Mitgliedern ins Gedächtnis zu rufen, daß allein der Sozialismus der Friede ist, und daß unsere Parole jederzeit lautet: Nieder mit der Autokratie! Es lebe die russische Revolution! DaS Exekutivkomitee des internationalen sozialistischen Bureaus<Bclgien). Eduard Anseele. Emil Vanderveldc. Mamille Huhsmans, Sekretär- poUtifcbc Ueberficbt. Berlin , den 24. Juni 1907. Berichtigung. In dem ArsikelEine Thronrede" in de» SonntagSnummer desVorwärts" sind aus Versehen bei der Zu- sammenstellung des Drucksatzcs die Trennungszeichen fortgeblieben die den letzten Absatz:Die österreichischen Verhältnisse sind ander- geartet" usw. als ewe dem Bericht von der Redaktion des»Bor -