Nr. 153. 24. Jahrgang.1, KnlM Ks Lsmiirls" Serlisn AldsdlallDonnerstag, 4. Inli IM.Kuq InduftTte und HandelAussichten der amerikanischen Baumwollernte.Das landwirtschaftliche Bureau in Washington hat gestern seinenamtlichen Monatsbericht über den Stand der Baumwollsaaten der-üffentlicht, der, da die amerikanische Ernte über die Lage des inter-nationalen BaumwollmarkteS entscheidet, auch für die deutsche Textil-industrie von größtem Interesse ist. Dem Berichte zufolge hat sich-war der Saatenstand seit dem vorigen Moncit etwas gebessert, stelltsich aber immerhin noch beträchtlich schlechter als in den drei letztenIahren, denn das Bureau beziffert ihn nur mit 72,0, während sichzur gleichen Zeit des Vorjahres die Schätzung auf 83,3 und in denbeiden Jahren ISOö und 1904 auf 77,0 bezw. 88,0 stellte.Gewöhnlich sind die amtlichen Schätzungen des BaumwollstandeSetwas zu niedrig und das wird auch diesmal zutreffen; aber aufeine günstige Baumwollernte ist in keinem Falle mehr zu rechnen.Die Steigerung der Lebensmittelpreise und ihre Wirkungim Arbeiterhaushalt.In den.Mitteilungen des Statistischen Amte? der StadtDresden"<Heft 16) werden die Resultate einer Untersuchung ver-offenikicht, die sich auf die Kleinhandelspreise der wichtigsten Lebens»mittel in den Jahren 1903—1906 und deren Einfluß aus denHanshalt der Arbeiterfamilien erstreckt. Danach gestalteten sich diemittleren Kleinverkaufspreise im Jahresdurchschnitt wie folgt:Rindfleisch.. 123Kalbfleisch.. 164Schweinefleisch 135Hammelfleisch 146Blutwurst.. 158Leberwurst.. 177Geräuch. Speck 179Schweine-schmalz.Butter..Margarine.Milch..1903 1906+ob.—Bf. Pst in%140 4- 14179-- 16161--19169-- 16175 11192 8199.- 1118326215517Eier...Mehl...Brot...Eiernudeln.Bohnen..Erbsen..Linsen..Kartoffeln.Reis...Zucker..Kaffee.,1903 1906 4-od.—Pf. Pf. in%79 9487 4124 27112 11485 4140 4251 72299 29156 5760 45208 225++1911102194408225112,9 Proz.-- 8,4.8,8.- 8,4.--- 8,1.198 4- 8273-j-4152— 219-}-8Der amtliche Bearbeiter bemerkt dazu:»Die Ueberficht be-slätigt für Dresden im einzelnen, was ohnehin bekannt genug ist.daß fast die sämtlichen wichtigeren Volks-Nahrungsmittel in den letzten Jahren eine zumTeil erhebliche Preissteigerung erfahren haben."Wie hat diese Pre,ssteigerung nun auf das AuSgabenbudget derminderbemittelten Bevölkerung gewirkt? Diese Frage beantwortetdas Statistische Amt der Stadt Dresden an der Hand von 25 Aus-gabenverzeichniffen dortiger Arbeiterfamilien,.die unter dankens-werter Mitwirkung des Dresdener Gewerkschaftskartells angelegt undzu Ende geführt wurden". Diese 25 Arbeiterbudgets betreffen12 Familien mit 4 Köpfen, 6 mit 5 Köpfen, 3 mit 6 Köpfen und4 mit 7 Köpfen. Ueber das Durchschnittseinkommen der einzelnenFamiliengruvpen(») und die durch die Preiserhöhungen bewirkeSteigerung der Gesamtausgaben st») gibt folgende Tabelle Auskunft:» dDie dierköpfige Familie 1582 M. 46 M.m fünfköpfige# 1151, 89,m sechsköpfige» 1452# 47#, siebenköpfige, 1464. 56,, Familien mSgesamt 1476. 46.Wie ein Blick auf die durchschnittliche Einkommenshöhe zeigt,handelt eS sich bei den untersuchten Familien fast ausschließlich um.besser situierte" Arbeiter mit Einkommen von über 1200 M. Nurfünf Familien haben eine geringere Jahreseinnahme. Die tiefsteProletarierschicht ist also mit obigem Ergebnis nicht gefaßt. DieAusgabensteigerung beträgt im Durchschnitt dieser 25 Arbeiterfamilien46 M.; d. h. sie mußten im Jahre 1906 diese Summe mehr auf-wenden, wenn sie Nahrungsmittel in gleicher Menge und Qualitätwie 1903 konsumieren wollten. Manche werden sich statt bestenallerdings mit einer noch bescheideneren Ernährung begnügt habenals vorher, um ihre Ausgaben mit den Einnahmen in Einklang zuhalten._Der Saatenstand im Schwarzerdedistrikt Rußland« hat sich zwarim Juni etwas verbestert, doch sind keinerlei Aussichten für eineeinigermaßen günstige Ernte vorhanden. Der Saatenstandsberichtaus den Schwarzerdcgouvernemenls vom 23. Juni besagt: DerSaatenstand ist im wesentlichen seit dem letzten Monat unverändert.Das Wintergetreide.steht unbefriedigend oderschlecht in den Gouvernements Wolhynien. Podolien, Bessarabienund Cherson, außer in zwei Kreisen, sowie schlecht in drei Kreisendes Gouvernements Orel. Das Wintergekeide ist größtenteils unter-gepflügt und die Felder sind mit Sommergetreide bestellt worden.Mittelmäßig steht das Wmtergekeide in den Gouvernements Kiewund Tschernmow, wo es kotz des Mairegens niedrig, dünn und ver-unkrautet ist, zufriedenstellend und gut in den GouvernementsRjäian, Tula, Tambow, Kursk, Woronesch, Charkow, im Dongebiet.in Saratow, Pensa, SimbirSk, im nördlichen Samara, in Ufa undin Orenburg. Das Sommergekeide ist gut aufgegangen, hattedarauf unter Kälte und Trockenheit zu leiden, hat sich aber, außerim Dongebiet, erholt. Die Heuernte ist noch unsicher.Spucknäpfe war in vielen Fällen nicht ausreichend. Es zeugt jedochvon wenig hygienischem Verständnis, wenn von einigen Maschinen-sälen berichtet wird, daß die Becken täglich umgestoßen und deshalbabgeschafft wurden. Die Reinigung der Spucknäpfe ließ viel zuwünschen übrig. Oftmals erfolgte diese in so langen Zwischen-räumen, daß sie entweder nicht benutzt werden konnten odergeradezu ekelerregend waren. Die Ansteckungsgefahr, welchedurch den Gebrauch dieser Spucknäpfe verhindert werden sollte, wirddurch diesen Umstand nur größer, die Näpfe werden zum Herdvon Erkrankungen. Von einigen Betrieben wird über unzu-reichende Garderobenverhältnisse geklagt, indem die Kleidungsstückenicht immer vor Staub geschützt sind. Die Zahl der vorhandenenSchränke ist zu klein und der Raum in vielen Fällen zu gering, beizwei Firmen waren die Garderoben für weibliches und männlichesPersonal nicht einmal getrennt. Um den Aushang derbundesrätlichen Schutzvorschriften bekümmertensich 18 Firmen überhaupt nicht. In 49 Betriebenfehlte jedwede vorgeschriebene Arbeitsordnung.Es mutz beftemden, daß d:e Angestellten nicht mehr auf die Durch-fiihrung der BundeSratsvarschriften drängten, gleichzeitig beweisenaber auch die vorgenannten Mängel die Notwendigkeit einer schär-feren Aufficht der Gewerbeinspektton.Soziales.Durchführung von Schutzvorschriften in Bnchdruckereien.Eine interessante Statistik veröffentlicht der Verein BerlinerBuchdrucker und Schriftgießer über die Durchführung der bundes-rätlichen Schutzvorschriften in den Berliner Buchdruckereien. Dieim Juni 1906 versandten Fragebogen beantworteten 244 Firmen.Danach waren bei 62 Firmen mit 2330 Personen die Arbeitsräumenicht ausgemesten(in bezug auf den Lauftraum). Anlaß zu Klagenüber unzureichende Lüftung durch Fensteroffnen gaben 12 Setzereien,9 Maschinensäl« und 4 Stereotypien. Besondere Ventilatoren,Exhaustoren, Luftschächte und«Klappen waren vorhanden in136 Arbeitsräumen. Gegen die behördlichen Borschriften wurdenDecken und Wände seit drei Jahren bei 90 Firmen nicht geweißt,seit zwei Jahren war dies bei 53 Firmen nicht geschehen. Rur50 Proz. der in Betracht kommenden Druckereien sorgte für ab-waschbare Bekleidung der Wände oder Oelanstrich. Das Ausblasender Schriftkästen sBefreien von Staub) wird noch immer nicht durch-weg in abgeschlossenen Räumen vorgenommen. 96 Firmen ließendie Staubentwickelung auf dem Treppenflur oder Korridor von-statten gehen, in 16 Druckereien wurde gar nicht oder sehr selten aus-geblasen. Viel zu wünschen übrig lassen auch die Abzugsvorrich-«Nlugen der Schmelzkestel für da« Lettern- und Stereotypnietall sowiean der Setzmaschine. Bei 5 Firmen sind solche vorhanden, funktio-nieren aber schlecht; 6 Firmen besitzen Fangtrichter und Abzugs-Vorrichtungen, sind jedoch in Ordnung. In den Schriftgießereien istüberhaupt in keiner Weife für Abzug gesorgt. In 8 Betrieben wirdKlage geführt über mangelhaften Abschluß des betreffenden Raumesbeim Legieren und Ausschmelzen des Metalls; die übelriechendenDämpfe wirken arg belästigend. Auch das Aufwischen und Oelen derFußböden geschieht nicht regelmäßig. Bei einer Firma wird nur vier-mal wöchentlich gefegt, weil an den beiden anderen Tagen die damit be»aufkagten Lehrlinge die Fachschule besuchen. Auch die Zahl derBrühlsche Schulpaläste.Der jämmerliche Zustand vieler Schulgebäude auf dem Landeist notorisch. Selbst von amtlicher Seite ist mehr al« einmal aufdie stiefmütterliche Behandlung der Volksschule in Preußen hingewiesen. Neue Beweise für die unglaubliche Vernachlässigung derSchulgebäude finden sich in der von der Medizinalableilung desKultusministeriums bearbeiteten Schrift über das Gesundheitswesendes preußischen Staates im Jahre 1905. Ist es nicht geradezuein Hohn auf den Titel Kulturstaat, wenn zum Beispiel inJohannisburg, Regierungsbezirk Allenstein, ein Schulgebäude vorhanden ist, von dem der Kreisarzt folgendeerbauliche Beschreibung gibt:»Die Schule ist in einein geradezuelenden Zustande, aus Lehm gebaut und mit Stroh gedeckt. Stallund Schule bilden ein Gebäude. Die Zimmer derWohnung find klein, in ihnen riecht es dumpf und niodrig und esherrscht eine grauenhafte Unordnung und Unsauberkeit. Der Fußboden ist sehr schlecht, in den Wänden sind große Risse und Löcher.Auf dem Gute gibt es kein JnsthauS, welches soelend ist wie die Schule." Ob solche Verhältnisse wirklich,wie die Denkschrift beschönigend hinzufügt, ganz seltene Ausnahmengeworden sind, bleibe dahingestellt. Selbst wenn das der Fall ist, werdendoch aus anderen Kreisen noch Schilderungen gegeben, die, wenn sienicht aus amtlicher Ouelle, sondern etwa aus sozialdemokratischenZeitungen stamnzten, sicherlich von der gesamten bürgerlichen Presseals Uebertreibungen bezeichnet würden. Im Regierungsbezirk Köslinkam eS vor, daß in zwei Schulhäusern die Giebelwand dem Einstürzen nahe war. In einer Schule desselben Bezirks schlief dieerwachsene Tochter des Lehrers mangels einesandern Raumes in der Schul st übe. Ländlich- sittlichscheint eS auch im Regierungsbezirk Oppeln zuzugehen, wo eine Gemeindeverwaltung sich weigerte, einen Ziegen st all aus demSchulhause z u entfernen.Abgesehen von solchen besonders erbärmlichen Zuständen fördertendie Untersuchungen der Kreisärzte auch sonst recht viele Mängel zu-tage. Es wird über Ueberfüllung der Klassen, überschlechte Belichtung und Lüftung, über u n z w e ck-mäßige Beschaffung der Schulbänke und auf dem Landehäufig über mangelhafte Trinkwasserbersorgungs-und Abortanlagen geklagt. Selbst im LandeSpolizeibezirlBerlin fanden sich in 124 Schulen, die durch die Kreisärzte besichtigtwurden, nicht weniger als 54mäl Mängel. In zwei Schulen desKreises Oels, Reg.-Bez. Breslau, herrschte der Schwamm so stark.daß auch die Holzteile der Türen und Fenster ergriffen unddie Wände überzogen waren. Im Kreise Soldin hatten in18 Schulhäusern 7 Schulzimmer bedeutende Wandfeuchtigkeit; imKeller einer Schule des KreiseS Luckau stand das Gnmdwaffer'/« Meter hoch, während keineswegs die Zeit höchsten Grundwasserstandes war. Im Kreise Kakau fand der Kreisarzt 28 mal bedeutende Mauerfeuchttgkeit. Im Kreise Kottbus standen mehrfachdie O e f e n so dicht an und zwischen den Bänken, daß dieseankohlten; dabei wurde noch während des Unterrichts in denOefen Heizmaterial nachgeschüttet, so daß die umsitzenden Kinder inunerkägliche Temperaturen kamen.Selbst die Reinigung der Schulräume wird hier und da ver-nachlässtgt. Die Unsitte, die Reinigung der Schulräumedurch Schulkinder vornehmen zu lasfen, ist noch immer weitverbreitet. In einigen Bezirken(Minden. Osnabrück) mußte sogarein besonderes Verbot dagegen von der Regierung erlassen werden.Wgfferversorgung und Abortanlagen sind vielfach mangelhast. AuSdem Regierungsbezirk Merseburg wird mitgeteilt, daß in den öst-lichen Teilen des Bezirks, wo der Gebrauch von Aborten noch nichtallgemein üblich ist, die Forderung ihrer Verbesserung auf unzu-reichendes Verständnis stieß.Nicht einmal die Turnhallen und Turnplätze, entsprechen denAnforderungen der Hygiene. Im Regierungsbezirk Breslau z. B.war ein Turnplatz in einen Entenpfuhl verwandelt worden, undhäufig waren die Turnplätze mangels geeigneter KieSbeschüttung sehrstaubig und bei Regenwetter pfützenreich.Es ist gewiß anzuerkennen, wenn einsichtige Kreisärzte solcheMißstände an die Oeffentlichkeit bringen. Aber damit allein ist»snicht getan. ES müssen energische Maßnahmen ergriffen werde», damitnicht die Kinder des Proletariats durch den Schulbesuch sich Krankheitenaller Art zuziehen, die ihre Erwerbsfähigkeit im spätere» Lebenbeeinträchtigen. Es sei nur daran erinnert, daß daS Schielen vielerKinder von den Aerzten mit der schlechten Beleuchtung der Schul-räume in Verbindung gebracht wird. So lange solche Zustände, wiesie hier geschildert sind, herrschen, hat der preußische Staat auf denNamen eines Kulturstoates keinen Anspruch. Ein verhängnisvollerIrrtum wäre es. wenn man die Schuld einzig und allein auf denbisherigen Kultusminister V. Studt schieben und sich demGlauben hingeben wollte, daß es unter Herrn Holle besserwird. Nein, schuld ist das System, die Knauserigkeitdes Staates und der preußischen»PolkSvertretung", die für Kultur»aufgaben kein Geld übrig haben. Zur Beseitigung dieser Zuständeist ein Bruch mit dem bisherigen System und vor allem eine Be-seitigung de« Dreiklaffenwahlunrechr« nötig, das die ganze Gesetz-gebung auf dem Gebiete des Boltsschulwesens in die Hände vonMännern gibt, die ihre Kinder aus höhere Schulen schicken, dagegendas Proletariat, dessen Kinder auf den Besuch der Volksschulen an-gewiesen sind, von der Gesetzgebung ausschließt.Der iadlsche Staat als Arbeitgeber.Im Februar 1890 fiel das kaiserliche Wort von den. Staatsbetriebe»,die Musteranstalten sein sollen". Im Gegensatze hierzu mehren sichdie Klagen über die LohnverhSltnisse der Eisenbahnarbeiterund ailderer staatlicher Betriebe, insbesondere der Bergbaubetriebe.Zur fchlechten Bezahlung gesellt sich die Wegnahme des Koalition»-rechts durch den Pater Staat. Svö den Musteranstalten sind ge-sinnungsriecherische AusbeulungSinstitute geworden. Bisher hatPreußen nno Sachsen sich auf diesem Gebiete die schönsten Lorbeerengeholt, während das freiere politische Leben im Süden und Süd-Westen Deutschlands auch den Eisenbahnarbeikrn einige Vorzugs-rechte gewährte. Je weiter aber der große Bruder Preußen der dervorgenommenen Tarifreform den kleinen süddeutschen Geschwisternauf den Leib rückt, desto rascher scheint cS auch mit der politischenund wirtschaftlichen Freiheit der Eisenbahnarbeiter bergab zu gehen.zurzeit im Großherzogtum Baden da»Ende voriger Woche wählte der Karlsruher Bürgerausschußan die Stelle eines verstorbene» sozialdemokratischen Stadtverordnetenden Former Max S ch ä u s e l e. Dieser ist seit über 20 Jahrenin der Karlsruher Eisenbahn-Hauptwerkstätte beschäftigt.Gleichwohl stellte ihn die Generaldirektion der badischen Staats-eisenbahnen fosort nach seiner Wahl vor die Alternative, entwederdas Amt des Stadtverordneten nicht anzunehmenoder sich als entlassen zu betrachten. Schäufele wolltenatürlich seine Arbeit nicht verlieren und erklärte sich bereit, vonder Annahme des Stadtverordnetenmandats abzusehen. DieserVerzicht schien im letzten Augenblick der Vertreterin staatlicher IIn-duldsam doch etwas bedenklich. Sie ließ Schäufele am nächstenTage einen Revers des Inhalts unterschreiben, daß er aus dersozialdemokratischen Partei austrete, das Stadt-verordnetenmandat aber als sogenannter Wilder ausübe.Damit glaubte die Generaldirektion zwei Fliegen mit einerKlappe zu schlagen: der sozialdemokratischen Karlsruher Bürger-ausschußsraktion hatte man ein Mitglied genommen und der ver-haßten Partei einen offenen Anhänger entzogen._ Den Plan mitdem wilden Stadtverordneten werden ihr aber möglicherweise dieParteiinstanzen zuschanden machen, und mit dem Revers kanndie Generaldirektion dem Schäufele die innere Zugehörigkeitzur Partei ebenfalls nicht absprechen. Praktisch ist alsomit dem staatlichen Unternehmcrstreich nicht viel erreicht. Aberinteressant ist eS immerhin, daß der badische Staat der Wtadt Karls-ruhe die kommunalen Vertreter dann versagt, wenn sie in sozial-demokratischem Gewände erscheinen. Man weiß auch sehr wohl, daßder geheime preußische Einfluß in den süddeutschen Eisenbahnver-Wallungen letzten Endes als feststehende Ursache solcher»staatlichenSozialpolitik" anzusehen ist und bewertet dementsprechend diepreußischen Eisendahnrtzformpläne. Gegeiz, einen solchen ungeheuer-lichen TerroriSmu« de« größten Arbeitgebers, der mehr oder wenigerdeutlich nach dem Vorstehenden Gesinnungslumperei verlangt, kannnicht entschieden genug protestiert werden.Der nachstehende Fallallgemeine Interesse:erregtHud der frauenbeivegung.Die sozialdemokratischen Frauen Berlinsnahmen am Dienstag in einer Versammlung im„Neuen Klubhaus"zum internationalen Sozialistenkongreß Stellung. GenossinOttilie Baader referierte über:«Der internationaleKongreß und das F r a u e n st i m m r e ch t". Sie wiesnach die Notwendigkeit des Frauenstimmrechts in ihrem ursäch-lichen Zusammenhange mit den wirtschaftlichen Umwälzungen undder durch sie bedingten Gestaltung der ganzen ökonomischen, so-zialen und politischen Verhältnisse der Jetztzeit. Wenn die prolc-tarischen Frauen sich politische Rechte erkämpfen wollten, so seider Zweck einerseits, einen größeren Einfluß zu gewinnen auf dieBesserstellung ihrer Lebensverhältnisse innerhalb der heutigen Ge-sellschaft, als Arbeiterin, als Mutter, als Erzieherin der Kinderund als Bürgerin des Staats�der sie zwar»ach jeder Richtunghin delaste, ihr aber keine Rechte gebe. Rednerin führt das näheraus. Die proletarischen Frauen wollten sich das aitive und passiveWahlrecht zu allen gesetzgebenden Körperschaften aber darüber hin-aus auch deshalb erkämpfen, um bessere Waffen zu haben imKampfe gegen die auf der Ausbeutung basierende kapitalistischeGesellschaft überhaupt, welche der Todfeind freien Menschentumssei.(Beifall). Rednerin kommt dann auf ihren Wahlrechts-antrag zu sprechen, den sie als Zentralvertrauensperson der Ge-nossinnen Deutschlands beim internationalen Bureau, das die pro-visorische Tagesordnung des internationalen Kongresses festsetzt,eingereicht hat. Der Antrag bezweckte nicht nur die Förderungder Bewegung zugunsten des Frauenwahlrechts, sondern verbundendamit eine allgemeine Bewegung für Demokratisierung der be-stehenden Wahlrechte überhaupt. Bei Stellung des Antrags sei,so führte Genossin Baader weiter aus. in erster Reihe erwogenworden, daß doch infolge der Agitation vieler Jahre, die für dasFrauenwahlrecht entfaltet sei und die auch schon zu parlamen-tarischen Aktionen sich verdichtet habe, in der Welt des ausge-beuteten Proletariats kein Zweifel mehr darüber sein könne, daßdas Fraucnstimmrccht als notwendig erobert werden müsse. Dazukämen die vielen Kämpfe der Männer, die sie um Verbesserung derbestehenden Wahlrechte in den verschiedenen Ländern führen mußtenund noch führen müssen. Auch erinnere sie daran, daß selbst dasgleiche, geheime und direkte Wahlrecht der Männer zum deutschenReichstag sich als ein sehr ungleiches erwiesen habe infolge derreaktionären Wahlkreiseinteilung. Aus allen diesen Gründen habeman es für das richtige gehalten, daß auf dem internationalenKongreß nicht bloß die Frage des Frauenstimmrechts, sondern mitihr vereint die der Demokratisierung des Wahlrechts überhauptzur Beratung und Beschlußfassung gestellt werde, Aber das inter-nationale Bureau in Brüssel habe den Antrag abgelehnt und nacheinem Antrage der österreichischen Genossinnen beschlossen, nur aufdie provisorische Tagesordnung zu setzen die Propagierung desFrauenstimmrechts. Sie halte das für unzweckmäßig. Wie demaber auch sei, so wäre doch zu erwarten, daß der internationaleKongreß— unter welcher Bezeichnung auch immer— Einigkeitschaffen werde in der Frage, wie am vesten praktische Propagandazu treiben sei für die Durchführung des Frauenstimmrechts, undzwar eines wirklich demokratischen Wahlrechts, das nicht etwa aneinen Zensus geknüpft fei. Unter großem Beifall schloß Rednerinmit einem Appell a» die Frauen, ihrerseits Hand anzulegen zumNutzen der gesamten Arbeiterbewegung, des gesamten Proletariats.Nach ausgiebiger Diskuffioi:. in der gegenteilige Ansichten in derHauptfrage nicht zum Ausdruck tamen, abgesehen von den«Be-fürchtungen" eine» Freisinnigen, wählte die Versammlung zuDclegicrtinnen sowohl für die internationale Frauenkonferenzals auch für den internationalen Kongreß die GenossinnenO. Baader. Clara Zetkin und Frau Stock.Die Frauen im Kommunaldicnst wurden in England jüngstgezählt und die Statistik ergab, daß ihre Zahl noch sehr geringist, obgleich man ihre Dienste wohl zu schätzen weiß. An Gemeinde-behördcn für BildungSzwecke mit zusammen 8162 Mitgliedernwaren nur 615 Frauen als Mitglieder tätig. In anderen Körper-schaften, die zusammen 24 613 Personen umfaßten, zählte mannur 1141 Frauen. Ein ähnliches Verhältnis zeigt sich noch beivielen Aufstellungen, nur vereinzelt stehen die Frauen den inallen Körperschaften dominierenden Männern gegenüber und zu-erst werden sie überall ungern gesehen und als Eindringlinge be-trachtet, bis die Männer einsehen lernen, daß sie manchen gutenRat und tüchtige Mitarbeit von ihren weiblichen Kollegen ge-Winnen können.ßericbts- Leitung.Erlebnisse auf der Polizeiwache.Wegen Widerstande» gegen die Staatsgewalt. Beamten.beleidigung und tätlichen Angriffs derselben sowie ruhestörendcnLärms sollte sich gestern der Damenschneidermeister Maier vordem hiesigen Schöffengericht verantworten.Vom Angeklagten wird der Hergang, aus dem die ihmzur Last gelegten Straftaten hervorgegangen find, in solacudcWeife geschildert: In der Nacht de» 14. März cr. sei er mit feinemGehülfen Lehmann, von einer Geburtstagsfeier kommend, rn einLokal der Hausburgstraße eingekehrt, um noch ein Glas Bier zutrinken. Dort habe ein anwesender Gast ihn beschimpft und habe