durch die Spaltung ein Dienst erwiesen sein. Gewiß, der Parteisind verdiente und lüchtige Genossen verloren gegangen. Wir hoffenaber, daß der dornige Weg der Erfahrung einen Leone, einenMazzoldi, einen de Giovanni wieder in unsere Reihen, wieder' anunsere Seite zurückführen wird. Ohne schwer erkaufte Erfahrungenc ht es nun einmal im Leben nicht ab.politifcbe(leberlicbt.Berlin, den 8. Juli 1907.Die schneidige Regierung.Ans Hamburg wird gemeldet:»Gegen den Polizeiassistenten Neuhaus in Altpna, der alsehemaliger Unteroffizier der Kilimandscharostation im Peters-Prozesse vernommen wurde, ist das Disziplinarverfahreneingeleitet worden, weil er sich hinter dem Rücken seiner Vor-gesetzten mit Bebel in Verbindung gesetzt hatte.Also weil Neuhaus vor länger als einem Jahrzehnteinmal einen Brief an Bebel geschrieben hat, soll ihm jetzt noch derProzeß gemacht werden! Die Liebert. Arendt und Konsorten läßtman nach Herzenslust Nichter und hohe Nechtsbehörden beschimpfen;einem Subalternbeamten aber, der vor vielen Jahren einmalals Schutztruppler in nur zu begründeter moralischer Entrüstungeinem Reichstagsabgeordneten Mitteilungen über kolonialeBestialitäten machte, will man jetzt noch einen Strick daraus drehen!Man will wieder einmal em abschreckendes Exempel statuieren,denn— es soll ja nichts mehr vertuscht werden!—3tus einem liberale« Stadtparlament.Die liberalen Gemeindebevollmächtigten in Augsburg hattensich, nachdem bereits die dortige ebenfalls liberale Handels- undGewerbekammer die Forderung nach Sonntagsruhe im Handels-gewerbe ein e g o i st i s ch e s Verlangen genannt hat, ebenfallsmit der Eingabe der Handlungsgehülfen-Organisationen um Ein-führung der Sonntagsruhe zu beschäftigen. Der in diesem Stadt-Parlament sitzende Chefredakteur der führenden liberalen„A u g s b u r g e r A b e n d z e i t'u bezeichnete die Forderung nachSonntagsruhe als zu radikal; ihm schmecke am Sonntagdas Mittagessen viel besser, wenn er zuersteinige Stunden gearbeitet habe. Ihm würdig zeigtensich die anderen Liberalen: Man müsse den Mittelstand halten, solangees möglich sei; unsere Zeit befinde sich auf einer schiefen Ebene;wenn man zurückblicke, sehe man,„wie weit wir herunter-gekommen sind".(!) Auch die Hausbesitzer— meinteein anderer Liberaler— würden durch Einschränkung derSonntagsarbeit in den Ladengeschäften leiden. Bei der Abstimmungzeigte sich auch der von den Liberalen als Staffage mit ins Ge-memdeparlament gewählte liberale ArbeitervereinlerFröhlich, Mitglied der Gelben, als Gegner der Sonntagsruhefür die Handelsangestellten.„Wenn man zurückblickt, sieht man, wie weit wir herunter-gekommen sind."— Treffender kann man den heutigen Liberalismusnicht malen als eS der eine Liberale getan mit diesen Paar Worten.Zu einer Staatsaktionwächst sich in Baden die von uns in der Donnerstagnummererwähnte Matzregelung eines Arbeiters der Karlsruher Eisenbahn-Hauptwerkstätte durch die Generaldirektion der badischen Staats-�bahnen aus. Man hat es nicht mehr mit der einfachen Differenzeines Arbeiters mit seinem Arbeitgeber zu tun, sondern mit derstaatsbürgerlichen Aechtung einer Partei, die bei der letzten Reichs-tagswahl in Baden fast 100 000 Stimmen auf sich vereinigt hat.Der Karlsruher sozialdemokratische Verein und die sozialdemo-kratische Bürgerausschutzfraktion haben nämlich den ArbeiterSchäufele aufgefordert, sein Mandat niederzulegen.Er habe den bekannten Revers der Generaldirektion unterschrieben,wodurch er aus der sozialdemokratis chen Partei ausgetreten fei.Das Mandat wurde ihm aber vom Karlsruher BürgerauSschutznur als Angehöriger der sozialdemokratischen Partei übertragen.Durch seine Unterschrift habe er sich des Rechts begeben, im Namenzder sozialdemokratischen Wähler zu sprechen; er habe das Mandatsomit der Partei zur Verfügung zu stellen, von der er esempfangen.Nunmehr tritt aber die Regierung auf den Plan und sucht�daS Vorgehen der Generaldirektion zu decken. Erfreulicherweisechat die gesamte bürgerliche Presse Badens, vom demokratischen„Landcsboten" bis zur parteioffiziösen nationalliberalen„Landes-zeitung" die Matzregelung des Schäufele verurteilt. Nur dieZentrumspresse lätzt seit dem bekannten Landtagstvahlbündnis derSozialdemokratie mit dem liberalen Block auch diese Gelegenheitnicht vorübergehen, um ihr Parteisüpplein am Regierungsfeuer zukochen und sich als die berufene Staatsretterin aufzuspielen.Völlig in Schutz zu nehmen wagt aber auch sie das Vorgehen derGeneraldirektion nicht, denn in der Hauptwerkstätte sind vieleZentrumsarbeiter beschäftigt, denen es eines Tages nicht vielt besser gehen könnte, wie dem Sozialdemokraten Schaufele.In diese Situation platzt die Regierung am Sonnabend miteiner öffentlichen Erklärung hinein, die auch außerhalb Badenshinteresse erregen dürfte, weil sie die grotze Angst der leitendenStaatsmänner vor der beruflichen Organisation der Eisenbahnerlückenlos enthüllt. In dem Regierungsorgan,„KarlsruherZeitung", steht zu lesen:„Schäufele sollte als Vertreter derjenigen Partei gewähltwerden, deren Endziel der Umsturz der bestehenden Staats- undGesellschaftsordnung ist und in deren Reihen der allgemeine Aus-stand gerade auch der Eisenbahner als eines der wesentlichstenMittel zur Durchführung der politischen und wirtschaftlichenParteipläne betrachtet wird. So hat auf dem letztjährigen so-zialdemokratischen Parteitage in Mannheim der Reichstags-abgeordnete Legten erklärt,„daß die Sozialdemokratie, um dasGetriebe des Staates lahmzulegen, der Organisation der Trans-Portarbeiter, in erster Linie der Eisenbahner, bedürfe." DieStaatsverwaltung kann selbstverständlich Arbeiter, die für«inesosibe Partei tätig sind, in ihrem Dienst nicht dulden. DasEisenbahnministerium hat daher mit Erlaß vom 27. Juni d. I.Auftrag gegeben, dem Eisenbahnarbeiter Schäufele durch seinevorgesetzte Dienstbehörde zu eröffnen, daß ihm sein Dienst ge-kündigt werde, wenn er nicht alsbald jede Tätigkeit im Jnter-esse der sozialdemokratischen Partei einstelle und aus dieser austrete.Also politische Matzregelung in aller Form!Aus der Regierungserklärung weht preußischer Wind;preußische Unduldsamkeit, die man in Baden mit vollemRecht verpönt. Daß man es mit einer Regierungsaktionund nicht etwa nur mit einer Zufallslaune der Generaldirektionzu tun hat, beweist aber auch der Schlutzpassus der Erklärung:„Das Vorgehen des Eisenbahnministeriums hat die Zu-ftimmung des gesamten Staatsministeriumb gefunden."Somit ist die Matzregelung der Staatsarbeiter das Programmter Regierung! Diese Feststellung wird natürlich von der Sozial»demokratie entsprechend gewürdigt. Sie wird durch ihre Vertreteriip nächsten, im Herbst zusammentretenden Landtag die An-gelegenheit sofort zur Debatte stellen. Vorläufig hat die sozial-demokratische Partei von Karlsruhe auf Montagabend eineVolksversammlung einberufen, um der Arbeiterschaft undden Eisenbahnern die Stellungnahme zu dem bisher in Badeneinzig dastehenden Falle zu ermöglichen. Ganz nebenbei sei mit-geteilt, daß die Karlsruher Polizeidireftion Äufchlag derVersammlungsplakate verboten hat, weil in dcdEinladung das Borgehen der Regierung mit einem scharfen, aoerzutreffenden Worte bezeichnet tvar. Man hat ferner angekündigt,daß sich die vorerwähnte Versammlung— Baden kennt keinepolizeiliche Ueberwachung— großer Aufmerksamkeit der amtlichenOrgane zu erfreuen habe und eventuell der Staatsanwalt gegen denRedner einschreiten werde. Preußen in Baden voran!—Verletzung des Wahlgeheimnisses.Das Landgericht im Flensburg verhandelte jüngst über eineAnklage, die einen interessanten Beitrag zu den elenden Wahl-Praktiken liefert, deren sich bei der letzten Reichstagswahl die ehren-werten Patrioten zur Erzielung„nationaler" Wahlresultatc be-dienten. Wie die„Frankfurter Zeitung" berichtet, waren fünfdänischgesinnte Wähler vom Schöffengericht in Hadersleben zu jezehn Mark Geldstrafe verurteilt worden, weil sie im Wahllokal inLeert(Kreis Hadersleben) bei der letzten Reichstagswahl ruhe-störenden Lärm und groben Unfug verübt haben sollten. Die Ver-Handlung vor der Strafkammer ergab nun, daß der„Lärm" undder„grobe Unfug" in einem Protest der Angeklagten gegen einganz eigentümliches Wahlverfahren bestanden hat. Schon bei einerfrüheren Wahl in Leert waren die Wahlkuverts in eine als Urnedienende Pappschachtel genau so aufeinander gelegt worden, wiesie der Reihenfolge nach von den Wählern abgegeben worden waren.Wenn nun eine Liste nebenher geführt wurde, so konnte genau fest-gestellt werden, wer deutsch und wer dänisch gestimmthatte. Erst durch wiederholte Intervention wurde erreicht, daßeine andere„Urne" zur Verwendung kam. Bei der diesjährigenReichstagswahl im Januar bemerkte nun ein dänischer Wähler,daß die Namen der Wähler in der Reihenfolge, in der sie ihreStimme abgaben, wieder in eine Liste eingetragen wurden. DasErsuchen des Mühlenbesitzers Niesby, die Stimmzettel zu mischenund die Kontrolliste zu entfernen, wurde vom Wahlvor-st eher abgelehnt. Als die Urne nach Schluß der Wahlhand-lung geöffnet wurde, zeigte es sich, daß die äußerlich grotze Urnedurch eine sinnreiche Einrichtung so konstruiert war, daß dieKuverts mit den Stimmzetteln genau so aufeinanderlagen, wie siehineingelegt waren, und in derselben Reihenfolge wieder heraus.genommen werden konnten. Dem Landrat wurde hiervon tele-phonisch Mitteilung gemacht; er mißbilligte das Verfahren. DemLandmann Dall, der diese Botschaft dem Wahlvorstand überbringenwollte, rief der stellvertretende Wahlvorsteher zu:„H a l t e n S i edie Schnauze, ich tue, was ich will!"Bei der Zeugenvernehmung erklärte dieser stellvertretendeWahlvorsteher, der Hufner Thorö aus Leert, ganz naiv:„DieListen wurden geführt, damit wir bei der nach st enWahl wissen, wonach wir uns ungefähr zu richtenhaben." Der Verteidiger wies angesichts dieser Vorkommnisseganz richtig auf eine Personenverwechselung hin: nicht die fünfWähler, sondern der Wahlvorstand hätte auf die Anklagebankkommen müssen. Das Gericht schien der gleichen Meinung zu sein;es sprach alle fünf Angeklagte frei.Russisches aus Hamburg.Auf Grund der Stratzenordnung, die nur zur Aufrechter-Haltung der Ruhe und Ordnung sowie des Verkehrs geschaffenist, geht die Polizei der„Republik" Hamburg gegen die Staats-bürger in einer Weise vor, die an vormärzliche Zustände inPreußen erinnert. Mit Hülfe der Interpretation der Gerichteist der Polizei eben alles erlaubt, sie kann schalten und walten,wie es ihr beliebt. Der polizeilichen Anordnung zum Verlasseneiner Straße mutz unbedingt Folge gegeben werden, wennein Polizist von dem Betreffenden eine Störung des Verkehrsoder der Ordnung dortselbst befürchtet. Das subjektive Ermessendes Polizisten entscheidet in solchen Fällen. Auch wenn in derganzen Straße weder Wagen» noch Menschenverkehrvorhanden ist, mutz einer solchen Anordnung Folge geleistetwerden, entschied vor einer geraumen Reihe von Jahren die höchsteInstanz, das hanseatische Oberlandesgericht. Allerdings stehteinem gewöhnlichen Zivilmenschen das Recht der Beschwerde zuwie einem uniformierten Staatsbürger, die er bei der— Polizeibehörde anzubringen hat. Dieser„prinzipielle" Entscheiddes Höchstgerichts bietet nun der Polizeibehörde eine Handhabezum schneidigsten Vorgehen gegen Streikpostenoder sich„zwecklos auf der Stratze aufhaltende Personen". Früherentschied der einzelne Beamte ganz souverän in solchen Fällen,weil man es doch noch nicht wagte,„Ausführungsbcstimmungen"zur Streikposten-— pardon I Stratzenverordnung zu erlassen. Dasist im Jahre 1907 anders geworden. Die Polizeibehörde hat, wiewiederholt vor Gericht von polizeilichen Zeugen ausgesagt wurde,eine Instruktion an die Stratzenpolizei erlassen,zwecklos auf der Stratze sich aufhaltende Personen oder auSge-sperrte und streikende Hafenarbeiter—„Leute, di?nicht arbeiten", sagte ein Polizist— aus dem ganzenHafengebiet fortzuweisen. Dieses„Jortweisen" giltfür die ganze Dauer der Aussperrung oder desStreiks. Gegen diesen unerhörten Zustand hat, wie seinerzeitberichtet, das Hamburger Geldsacksparlament nichts einzuwenden,weil es sich ja nur um„arbeitsunlustige Elemente" handelt, diebeim Kragen genommen werden, und noch keine Beschwerden von„zwecklos" auf der Stratze sich aufhaltenden Pflastertretern ausden besser gekleideten Schichten gegen rigoroses Vorgehen abseitender Polizei vorlagen. In den letzten Tagen hat ein Schöffengericht,das sich mit einer aus der Aussperrung der Schauerleute herge-leiteten Anklage zu beschäftigen hatte, die Ansicht ausgesprochen,daß die Polizeibehörde befugt sei zum Erlatz von Präventivmatz-regeln(gemeint ist das Verbot für Ausgesperrte),„um so Ruhe-störungen vorzubeugen". Der Amtsanwalt hatte ganz kühl er-klärt, die Polizeibehörde sei völlig berechtigt,„Leute aus derHafengegend zu schaffen, Leute, die dort nichts zu tun hatten,namentlich Leute aus dem Arbeiter stände." Unddas Gericht geht noch weiter, indem es der Polizeibehörde das„Recht" konzediert, den Ausgesperrten das Betretendes Hafens während der Dauer des Kampfe? einfür alle Mal zu v erbieten,„um Ruhestörungen vorzu-beugen". Das alles wird aus der Stratzenordnung hergeleitet, dieanstatt verkehrsfördernd vcrkehrsstörend wirkt.Ein recht feines Gefühl haben dagegen die Hamburger Ge-setzgeber für andere Dinge. Handelt es sich um Polizeigesetze,von denen ihre Klassengenossen betroffen werden können,dann weitz man recht scharfe Töne gegen polizeiliche Reglemen-tierungs- und Bcvormundungssucht anzuschlagen, wie das in derExtrasitzung der Hamburger Bürgerschaft vom Freitag nachmittagder Fall war. Zur Beratung stand der Antrag auf Erlatz einesGesetzes gegen den unerlaubten Verkehr mit Ge-fangenen. Mit Geldstrafe bis zu 00 M. oder mit Haft biszu 14 Tagen sollte bestraft werden können, wer den Insassen derGefängnisse und polizeilichen Arrestlokale— sowohl wenn solcheGefangene sich innerhalb der Anstalten wie auch wenn sie sich aufTransporten oder Vorführungen oder bei der Autzenarbeit befinden— ohne ausdrückliche Erlaubnis der mit der unmittelbaren Auf.ficht betrauten Beamten Mitteilungen macht oder Gegenstände,insbesondere Genutzmittel, zukommen lätzt.— Ganz zutreffendwurde von bürgerlicher Seite ausgeführt, datz manch Unschuldigerin die Maschen dieses vom Polizeigericht erfüllten Gesetzes ge-raten könnte. Die Ueberschrift des Gesetzes wurde einstimmigabgelehnt, womit das gavze GejsK gefallkv war!Eine gestürzte Ordnungssäule.Wieder einmal ist ein frommer Mann, ein echter Ordnung?-Held, dem Teufel ins Garn gegangen. In Neheim, einer fromm-katholischen Stadt Westfalens, ist der S t a d t r e n t m e i st e rBurgard wegen schwerer Unterschleife verhaftetund nach Arnsberg ins Amtsgerichtsgefängnis eingeliefert worden.Soweit bis jetzt ermittelt werden konnte, weisen die dem Burgardanvertrauten Kassen einen Fehlbetrag von 60000 M.auf. Vielleicht ist das Defizit noch größer, es werden die unglaub-lichsten Gerüchte verbreitet. Eine außerordentliche Stadtverord-netensitzung hat sich bereits mit der Sache befaßt. Der Bürger-meister gab beruhigende Versicherungen ab, der Fehlbetrag werdedurch Kautionen und Grundbesitz des Defraudanten gedeckt. Dochda wußte man auch erst von einem Fehlbetrag über 30 000 M.Jetzt herrscht helle Aufregung und größte Bestürzung in demStädtchen. Durchaus begreiflich. Man fragt sich: wie war esmöglich, datz bei dem Manne das passieren konnte? In der Tat:Burgard war ein Ordnungsmann, wie er im Buchesteht. Vor allen Dingen war er bemüht, das Gift des Sozialis-mus aus dem frommen Sauerlande fernzuhalten. Bei der letztenReichstagswahl hatten unsere Genossen in Neheim dieSchützenhalle für eine größere Versammlung gemietet, der Vertragwar in aller Form abgeschlossen und die Miete bezahlt worden.Es war also alles in Ordnung und die Versammlung konnte statt-finden. Doch da erfuhr Burgard davon und— e s war wiedernichts. Burgard war ein mächtiger Mann, dem sich alles beugte,und er wollte nun mal in Neheim keine sozialdemokratische Ver-sammlung haben. Burgard war also ein erfolgreicherLokalabtreibe r. Natürlich bekleidete der Herr Stadtrcnt-meister weiß Gott wieviel Pöstchen: als frommer Mann war erMitglied des Kirchenvorstandes, Hauptmann derSchützenbrüderschaft usw. Ein solcher Ordnungsheld konnte selbst-verständlich nicht unbeobachtet bleiben und so erlebte er noch kürz-lich die Freude, daß er in Anerkennung seiner Ver-dien sie um Thron und Altar dekoriert wurde.Und jetzt hat sich der fromme Mann, der Ueberpatriot, als De-fraudant entpuppt!_Die ausgesprochenste Vettcrilherrschaft bei Wahlen herrscht nochim dunklen Lande der Politik, im mit Pfaffen und Kapitalisten ge-segneten Lothringen. Im Bezirkstag für Lothringen,einer Verwaltungskörperschaft für den politischen Bezirk Lothringen,sind gegenwärtig infolge des Ablebens zweier Abgeordneter zweiSitze, je einer für den Kanton Metz und den Kanton Vigy erledigt.Die Neuwahlen sind bereits ausgeschrieben. Die tonangebenden und beiden Wahlen einflußreichen Notabeln wissen nun keine anderen Kan-didaten vorzuschlagen, als in dem einen Falle den Schwiegersohnund im anderen Falle den Sohn des Verstorbenen. Und die eines-teils von der Geistlichkeit, anderenteils von den Unternehmern sichabhängig fühlenden, politisch noch unaufgeklärten Wähler wagen nichtanders zu„wählen", wie es die Notabeln wünschen. Und dies ge-schiebt unter dem allgemeinen Wahlrecht zu den Bezirkstagen.Daraus kann man ermessen, welch schwiengeS Arbeitsfeld dieSozialdemokratie in Lothringen hat.—frankreick.FriedenSstimmung.Montpellier, 7. Juli. Der Gemcind'erat hat- gesternabend mit 16 gegen 8'sozialistische Stimmen alle Demissions-gesuche zurückgezogen. Das Votum hat in der Stadt großesAufsehen hervorgerufen.Italien.Revanche für Rom!Mailand, 8. Juli. Bei den gestrigen Gemeinderats«Wahlen erhielten die Katholiken die Mehrheit. Der Wahl-kämpf war äußerst heftig._Eine Konferenz sozialistischer Stadtverordneter.Rom, 4. Juli.(Eig. Ber.)Am 1., 2. und 3. Juli hat in R o m eine Konferenz sozialistischerStadtverordneten und Provinzialvertreter getagt. Da der Konferenzkeine genügende Vorbereitung vorhergegangen war, waren nur fünfzigOrtschaften oder Provinzen vertreten, obwohl die Zahl der Gemeinde-und Provinzialverwaltnngcn mit sozialistischen Mitgliedern in Italienmindestens das dreifache dieser Zahl beträgt.Mit Rücksicht auf diese ungenügende Beschickung der Konferenzund auf das Fehlen jeder Statistik über die Stärke der Partei inden Kommunal- und Provinzialverwaltungen wurde beschlossen, eineKommission zu beauftragen, die betreffenden Daten zu sammeln, einennationalen Verband der sozialistischen Vertretungen ins Leben zurufen und dann nach hinreichender Borbereitung den ersten Kongreßdieses Verbandes einzuberufen. Ferner beschloß man, mit denMitteln der Partei und den Zuschüssen der sozialistischen Stadt-Verwaltungen eine administrative Auskunftsstelle für sozialistischeStadt- und Provinzialverordnete zu schaffen, deren besonders diekleinen, ausschließlich in Händen von Arbeitern befindlichen Gemeindendringend bedürfen. Es ivurde den sozialistischen Gemeinden frei-gestellt, dem Verband italienischer Kommunen beizutreten oder nicht.Auf Antrag Lambianchi forderte dann die Konferenz allesozialistischen Stadrvcrwaltungen auf, sofort von ihrem Rechte, aushygienischen Gründen die Nachtarbeit im Bäckrrgcwcrbe zu verbieten,Gebrauch zu machen. ES ivurde weiter verhandelt über dieVerpflichtung der l o k a l e n V e r w a l t u u g e n, den Arbeitslosenund den Auswanderer» durch Information zur Seite z» stehen, undein Votum angenommen, das die Förderung von landwirt-schaftlichcn Genossenschaften, denen die Bearbeitung der Gemeinde«länder zu übergeben ist, empfiehlt. Ferner diskutiertedie Konferenz über die Bekämpfung der Malaria und Pellagra, überdas Fürsorgewesen und sprach sich für die Uebernahme des Elementar»Unterrichts durch den Staat aus.Die Konferenz hat gezeigt, daß auf kommunalem Gebiete fürdie Partei ungeheure Arbeit zu leisten ist und auch bereits geleistetwird, besonvers in den k l e i n e n Kommunen, auf die das öffentliche Interesse wenig gerichtet ist und deren Arbeit daher niemandgenauer verfolgt.—_GewcrkrcbaftUcbee«Der Terrorismus gegen die Gewerkschaften— ganz gleich ob freie oder christliche— treibt im B o y k o t kder Wirte, die ihre Lokalitäten den Arbeitern zur Ver-fügung stellen, die schönsten Blüten. Einem Vereinswirt derch r i st l i ch e n Gewerkschaften in Hayingen teilte derpatriotische Kampfgenossenverein, dem erals Mitglied angehörte, mit, daß er„laut Beschluß des Ver-eins nach den stattgehabten Vorkommnissen in den Listen undBüchern gestrichen" sei. Daß man aber auch versucht, denWirt wirtschaftlich zu ruinieren, geht daraushervor, daß ein Musikverein, der bei ihm lange seinVerkehrslokal hatte, ihm mitteilte, daß er beschlossen habe,sein Versammlungslokal zu verlegen. Laut§ 1 des Statuts dürfe sich der Verein mit keinerpolitischen Angelegenheit beschäftigen. DieStreikbewegung habe den Verein veranlaßt, die Musikprobefernerhin in keinem Streikbureau abzuhalten. Eine schöneGegend dieses Lothringen und nett sind seine patriotischenLeute. Jedenfalls aber werden durch derartige Schikanendie christlichen Arbeiter bald darüber aufgeklärt, daß in einemwirtschaftlich einheitlich kapitalistischen Staat auch nur eineeinheitliche Arbeiterbewegung, ohne Rücksicht auf Religionusw., mit Erfolg mit den Zuständen, die solche Wirkungegzeitigen» schnell aufräumen kann.