Einzelbild herunterladen
 
  
durch die Spaltung ein Dienst erwiesen sein. Gewiß, der Partei sind verdiente und lüchtige Genossen verloren gegangen. Wir hoffen aber, daß der dornige Weg der Erfahrung einen Leone, einen Mazzoldi, einen de Giovanni wieder in unsere Reihen, wieder' an unsere Seite zurückführen wird. Ohne schwer erkaufte Erfahrungen c ht es nun einmal im Leben nicht ab. politifcbe(leberlicbt. Berlin  , den 8. Juli 1907. Die schneidige Regierung. Ans Hamburg   wird gemeldet:» Gegen den Polizeiassistenten Neuhaus in Altpna, der als ehemaliger Unteroffizier der Kilimandscharostation im Peters- Prozesse vernommen wurde, ist das Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weil er sich hinter dem Rücken seiner Vor- gesetzten mit Bebel in Verbindung gesetzt hatte. Also weil Neuhaus vor länger als einem Jahrzehnt einmal einen Brief an Bebel geschrieben hat, soll ihm jetzt noch der Prozeß gemacht werden! Die Liebert. Arendt und Konsorten läßt man nach Herzenslust Nichter und hohe Nechtsbehörden beschimpfen; einem Subalternbeamten aber, der vor vielen Jahren einmal als Schutztruppler in nur zu begründeter moralischer Entrüstung einem Reichstagsabgeordneten Mitteilungen über koloniale Bestialitäten machte, will man jetzt noch einen Strick daraus drehen! Man will wieder einmal em abschreckendes Exempel statuieren, denn es soll ja nichts mehr vertuscht werden! 3tus einem liberale« Stadtparlament. Die liberalen Gemeindebevollmächtigten in Augsburg   hatten sich, nachdem bereits die dortige ebenfalls liberale Handels- und Gewerbekammer die Forderung nach Sonntagsruhe im Handels- gewerbe ein e g o i st i s ch e s Verlangen genannt hat, ebenfalls mit der Eingabe der Handlungsgehülfen-Organisationen um Ein- führung der Sonntagsruhe zu beschäftigen. Der in diesem Stadt- Parlament sitzende Chefredakteur der führenden liberalen A u g s b u r g e r A b e n d z e i t'u bezeichnete die Forderung nach Sonntagsruhe als zu radikal; ihm schmecke am Sonntag das Mittagessen viel besser, wenn er zuerst einige Stunden gearbeitet habe. Ihm würdig zeigten sich die anderen Liberalen: Man müsse den Mittelstand halten, solange es möglich sei; unsere Zeit befinde sich auf einer schiefen Ebene; wenn man zurückblicke, sehe man,wie weit wir herunter- gekommen sind".(!) Auch die Hausbesitzer meinte ein anderer Liberaler würden durch Einschränkung der Sonntagsarbeit in den Ladengeschäften leiden. Bei der Abstimmung zeigte sich auch der von den Liberalen als Staffage mit ins Ge- memdeparlament gewählte liberale Arbeitervereinler Fröhlich, Mitglied der Gelben, als Gegner der Sonntagsruhe für die Handelsangestellten. Wenn man zurückblickt, sieht man, wie weit wir herunter- gekommen sind." Treffender kann man den heutigen Liberalismus nicht malen als eS der eine Liberale getan mit diesen Paar Worten. Zu einer Staatsaktion wächst sich in Baden   die von uns in der Donnerstagnummer erwähnte Matzregelung eines Arbeiters der Karlsruher Eisenbahn- Hauptwerkstätte durch die Generaldirektion der badischen Staats- �bahnen aus. Man hat es nicht mehr mit der einfachen Differenz eines Arbeiters mit seinem Arbeitgeber zu tun, sondern mit der staatsbürgerlichen Aechtung einer Partei, die bei der letzten Reichs- tagswahl in Baden   fast 100 000 Stimmen auf sich vereinigt hat. Der Karlsruher   sozialdemokratische Verein und die sozialdemo- kratische Bürgerausschutzfraktion haben nämlich den Arbeiter Schäufele   aufgefordert, sein Mandat niederzulegen. Er habe den bekannten Revers der Generaldirektion unterschrieben, wodurch er aus der sozialdemokratis chen Partei ausgetreten fei. Das Mandat wurde ihm aber vom Karlsruher   BürgerauSschutz nur als Angehöriger der sozialdemokratischen Partei übertragen. Durch seine Unterschrift habe er sich des Rechts begeben, im Namen zder sozialdemokratischen Wähler zu sprechen; er habe das Mandat somit der Partei zur Verfügung zu stellen, von der er es empfangen. Nunmehr tritt aber die Regierung auf den Plan und sucht �daS Vorgehen der Generaldirektion zu decken. Erfreulicherweise chat die gesamte bürgerliche Presse Badens, vom demokratischen Landcsboten" bis zur parteioffiziösen nationalliberalenLandes- zeitung" die Matzregelung des Schäufele verurteilt. Nur die Zentrumspresse lätzt seit dem bekannten Landtagstvahlbündnis der Sozialdemokratie mit dem liberalen Block auch diese Gelegenheit nicht vorübergehen, um ihr Parteisüpplein am Regierungsfeuer zu kochen und sich als die berufene Staatsretterin aufzuspielen. Völlig in Schutz zu nehmen wagt aber auch sie das Vorgehen der Generaldirektion nicht, denn in der Hauptwerkstätte sind viele Zentrumsarbeiter beschäftigt, denen es eines Tages nicht viel t besser gehen könnte, wie dem Sozialdemokraten Schaufele. In diese Situation platzt die Regierung am Sonnabend mit einer öffentlichen Erklärung hinein, die auch außerhalb Badens hinteresse erregen dürfte, weil sie die grotze Angst der leitenden Staatsmänner vor der beruflichen Organisation der Eisenbahner lückenlos enthüllt. In dem Regierungsorgan,Karlsruher Zeitung", steht zu lesen: Schäufele   sollte als Vertreter derjenigen Partei gewählt werden, deren Endziel der Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung ist und in deren Reihen der allgemeine Aus- stand gerade auch der Eisenbahner als eines der wesentlichsten Mittel zur Durchführung der politischen und wirtschaftlichen Parteipläne betrachtet wird. So hat auf dem letztjährigen so- zialdemokratischen Parteitage in Mannheim   der Reichstags- abgeordnete Legten erklärt,daß die Sozialdemokratie, um das Getriebe des Staates lahmzulegen, der Organisation der Trans- Portarbeiter, in erster Linie der Eisenbahner, bedürfe." Die Staatsverwaltung kann selbstverständlich Arbeiter, die für«ine sosibe Partei tätig sind, in ihrem Dienst nicht dulden. Das Eisenbahnministerium hat daher mit Erlaß vom 27. Juni d. I. Auftrag gegeben, dem Eisenbahnarbeiter Schäufele   durch seine vorgesetzte Dienstbehörde zu eröffnen, daß ihm sein Dienst ge- kündigt werde, wenn er nicht alsbald jede Tätigkeit im Jnter- esse der sozialdemokratischen Partei einstelle und aus dieser austrete. Also politische Matzregelung in aller Form! Aus der Regierungserklärung weht preußischer Wind; preußische Unduldsamkeit, die man in Baden mit vollem Recht verpönt. Daß man es mit einer Regierungsaktion und nicht etwa nur mit einer Zufallslaune der Generaldirektion zu tun hat, beweist aber auch der Schlutzpassus der Erklärung: Das Vorgehen des Eisenbahnministeriums hat die Zu- ftimmung des gesamten Staatsministeriumb gefunden." Somit ist die Matzregelung der Staatsarbeiter das Programm ter Regierung! Diese Feststellung wird natürlich von der Sozial» demokratie entsprechend gewürdigt. Sie wird durch ihre Vertreter iip nächsten, im Herbst zusammentretenden Landtag die An- gelegenheit sofort zur Debatte stellen. Vorläufig hat die sozial- demokratische Partei von Karlsruhe   auf Montagabend eine Volksversammlung einberufen, um der Arbeiterschaft und den Eisenbahnern die Stellungnahme zu dem bisher in Baden einzig dastehenden Falle zu ermöglichen. Ganz nebenbei sei mit- geteilt, daß die Karlsruher   Polizeidireftion Äufchlag der Versammlungsplakate verboten hat, weil in dcd Einladung das Borgehen der Regierung mit einem scharfen, aoer zutreffenden Worte bezeichnet tvar. Man hat ferner angekündigt, daß sich die vorerwähnte Versammlung Baden kennt keine polizeiliche Ueberwachung großer Aufmerksamkeit der amtlichen Organe zu erfreuen habe und eventuell der Staatsanwalt gegen den Redner einschreiten werde. Preußen in Baden voran! Verletzung des Wahlgeheimnisses. Das Landgericht im Flensburg   verhandelte jüngst über eine Anklage, die einen interessanten Beitrag zu den elenden Wahl- Praktiken liefert, deren sich bei der letzten Reichstagswahl die ehren- werten Patrioten zur Erzielungnationaler" Wahlresultatc be- dienten. Wie dieFrankfurter Zeitung  " berichtet, waren fünf dänischgesinnte Wähler vom Schöffengericht in Hadersleben   zu je zehn Mark Geldstrafe verurteilt worden, weil sie im Wahllokal in Leert(Kreis Hadersleben) bei der letzten Reichstagswahl ruhe- störenden Lärm und groben Unfug verübt haben sollten. Die Ver- Handlung vor der Strafkammer ergab nun, daß derLärm" und dergrobe Unfug" in einem Protest der Angeklagten gegen ein ganz eigentümliches Wahlverfahren bestanden hat. Schon bei einer früheren Wahl in Leert waren die Wahlkuverts in eine als Urne dienende Pappschachtel genau so aufeinander gelegt worden, wie sie der Reihenfolge nach von den Wählern abgegeben worden waren. Wenn nun eine Liste nebenher geführt wurde, so konnte genau fest- gestellt werden, wer deutsch   und wer dänisch   gestimmt hatte. Erst durch wiederholte Intervention wurde erreicht, daß eine andereUrne" zur Verwendung kam. Bei der diesjährigen Reichstagswahl im Januar bemerkte nun ein dänischer Wähler, daß die Namen der Wähler in der Reihenfolge, in der sie ihre Stimme abgaben, wieder in eine Liste eingetragen wurden. Das Ersuchen des Mühlenbesitzers Niesby, die Stimmzettel zu mischen und die Kontrolliste zu entfernen, wurde vom Wahlvor- st eher abgelehnt. Als die Urne nach Schluß der Wahlhand- lung geöffnet wurde, zeigte es sich, daß die äußerlich grotze Urne durch eine sinnreiche Einrichtung so konstruiert war, daß die Kuverts mit den Stimmzetteln genau so aufeinanderlagen, wie sie hineingelegt waren, und in derselben Reihenfolge wieder heraus. genommen werden konnten. Dem Landrat wurde hiervon tele- phonisch Mitteilung gemacht; er mißbilligte das Verfahren. Dem Landmann Dall, der diese Botschaft dem Wahlvorstand überbringen wollte, rief der stellvertretende Wahlvorsteher zu:H a l t e n S i e die Schnauze, ich tue, was ich will!" Bei der Zeugenvernehmung erklärte dieser stellvertretende Wahlvorsteher, der Hufner Thorö aus Leert, ganz naiv:Die Listen wurden geführt, damit wir bei der nach st en Wahl wissen, wonach wir uns ungefähr zu richten haben." Der Verteidiger wies angesichts dieser Vorkommnisse ganz richtig auf eine Personenverwechselung hin: nicht die fünf Wähler, sondern der Wahlvorstand hätte auf die Anklagebank kommen müssen. Das Gericht schien der gleichen Meinung zu sein; es sprach alle fünf Angeklagte frei. Russisches aus Hamburg  . Auf Grund der Stratzenordnung, die nur zur Aufrechter- Haltung der Ruhe und Ordnung sowie des Verkehrs geschaffen ist, geht die Polizei derRepublik  " Hamburg   gegen die Staats- bürger in einer Weise vor, die an vormärzliche Zustände in Preußen erinnert. Mit Hülfe der Interpretation der Gerichte ist der Polizei eben alles erlaubt, sie kann schalten und walten, wie es ihr beliebt. Der polizeilichen Anordnung zum Verlassen einer Straße mutz unbedingt Folge gegeben werden, wenn ein Polizist von dem Betreffenden eine Störung des Verkehrs oder der Ordnung dortselbst befürchtet. Das subjektive Ermessen des Polizisten entscheidet in solchen Fällen. Auch wenn in der ganzen Straße weder Wagen» noch Menschenverkehr vorhanden ist, mutz einer solchen Anordnung Folge geleistet werden, entschied vor einer geraumen Reihe von Jahren die höchste Instanz, das hanseatische Oberlandesgericht. Allerdings steht einem gewöhnlichen Zivilmenschen das Recht der Beschwerde zu wie einem uniformierten Staatsbürger, die er bei der Poli­zeibehörde anzubringen hat. Dieserprinzipielle" Entscheid des Höchstgerichts bietet nun der Polizeibehörde eine Handhabe zum schneidigsten Vorgehen gegen Streikposten oder sichzwecklos auf der Stratze aufhaltende Personen". Früher entschied der einzelne Beamte ganz souverän in solchen Fällen, weil man es doch noch nicht wagte,Ausführungsbcstimmungen" zur Streikposten- pardon I Stratzenverordnung zu erlassen. Das ist im Jahre 1907 anders geworden. Die Polizeibehörde hat, wie wiederholt vor Gericht von polizeilichen Zeugen ausgesagt wurde, eine Instruktion an die Stratzenpolizei erlassen, zwecklos auf der Stratze sich aufhaltende Personen oder auSge- sperrte und streikende HafenarbeiterLeute, di? nicht arbeiten", sagte ein Polizist aus dem ganzen Hafengebiet fortzuweisen. DiesesJortweisen" gilt für die ganze Dauer der Aussperrung oder des Streiks. Gegen diesen unerhörten Zustand hat, wie seinerzeit berichtet, das Hamburger Geldsacksparlament nichts einzuwenden, weil es sich ja nur umarbeitsunlustige Elemente" handelt, die beim Kragen genommen werden, und noch keine Beschwerden von zwecklos" auf der Stratze sich aufhaltenden Pflastertretern aus den besser gekleideten Schichten gegen rigoroses Vorgehen abseiten der Polizei vorlagen. In den letzten Tagen hat ein Schöffengericht, das sich mit einer aus der Aussperrung der Schauerleute herge- leiteten Anklage zu beschäftigen hatte, die Ansicht ausgesprochen, daß die Polizeibehörde befugt sei zum Erlatz von Präventivmatz- regeln(gemeint ist das Verbot für Ausgesperrte),um so Ruhe- störungen vorzubeugen". Der Amtsanwalt hatte ganz kühl er- klärt, die Polizeibehörde sei völlig berechtigt,Leute aus der Hafengegend zu schaffen, Leute, die dort nichts zu tun hatten, namentlich Leute aus dem Arbeiter stände." Und das Gericht geht noch weiter, indem es der Polizeibehörde das Recht" konzediert, den Ausgesperrten das Betreten des Hafens während der Dauer des Kampfe? ein für alle Mal zu v erbieten,um Ruhestörungen vorzu- beugen". Das alles wird aus der Stratzenordnung hergeleitet, die anstatt verkehrsfördernd vcrkehrsstörend wirkt. Ein recht feines Gefühl haben dagegen die Hamburger Ge- setzgeber für andere Dinge. Handelt es sich um Polizeigesetze, von denen ihre Klassengenossen betroffen werden können, dann weitz man recht scharfe Töne gegen polizeiliche Reglemen- tierungs- und Bcvormundungssucht anzuschlagen, wie das in der Extrasitzung der Hamburger Bürgerschaft vom Freitag nachmittag der Fall war. Zur Beratung stand der Antrag auf Erlatz eines Gesetzes gegen den unerlaubten Verkehr mit Ge- fangenen. Mit Geldstrafe bis zu 00 M. oder mit Haft bis zu 14 Tagen sollte bestraft werden können, wer den Insassen der Gefängnisse und polizeilichen Arrestlokale sowohl wenn solche Gefangene sich innerhalb der Anstalten wie auch wenn sie sich auf Transporten oder Vorführungen oder bei der Autzenarbeit befinden ohne ausdrückliche Erlaubnis der mit der unmittelbaren Auf. ficht betrauten Beamten Mitteilungen macht oder Gegenstände, insbesondere Genutzmittel, zukommen lätzt. Ganz zutreffend wurde von bürgerlicher Seite ausgeführt, datz manch Unschuldiger in die Maschen dieses vom Polizeigericht erfüllten Gesetzes ge- raten könnte. Die Ueberschrift des Gesetzes wurde einstimmig abgelehnt, womit das gavze GejsK gefallkv war! Eine gestürzte Ordnungssäule. Wieder einmal ist ein frommer Mann, ein echter Ordnung?- Held, dem Teufel ins Garn gegangen. In Neheim  , einer fromm- katholischen Stadt Westfalens  , ist der S t a d t r e n t m e i st e r Burgard wegen schwerer Unterschleife verhaftet und nach Arnsberg   ins Amtsgerichtsgefängnis eingeliefert worden. Soweit bis jetzt ermittelt werden konnte, weisen die dem Burgard anvertrauten Kassen einen Fehlbetrag von 60000 M. auf. Vielleicht ist das Defizit noch größer, es werden die unglaub- lichsten Gerüchte verbreitet. Eine außerordentliche Stadtverord- netensitzung hat sich bereits mit der Sache befaßt. Der Bürger- meister gab beruhigende Versicherungen ab, der Fehlbetrag werde durch Kautionen und Grundbesitz des Defraudanten gedeckt. Doch da wußte man auch erst von einem Fehlbetrag über 30 000 M. Jetzt herrscht helle Aufregung und größte Bestürzung in dem Städtchen. Durchaus begreiflich. Man fragt sich: wie war es möglich, datz bei dem Manne das passieren konnte? In der Tat: Burgard war ein Ordnungsmann, wie er im Buche steht. Vor allen Dingen war er bemüht, das Gift des Sozialis- mus aus dem frommen Sauerlande fernzuhalten. Bei der letzten Reichstagswahl hatten unsere Genossen in Neheim   die Schützenhalle für eine größere Versammlung gemietet, der Vertrag war in aller Form abgeschlossen und die Miete bezahlt worden. Es war also alles in Ordnung und die Versammlung konnte statt- finden. Doch da erfuhr Burgard davon und e s war wieder nichts. Burgard war ein mächtiger Mann, dem sich alles beugte, und er wollte nun mal in Neheim   keine sozialdemokratische Ver- sammlung haben. Burgard war also ein erfolgreicher Lokalabtreibe r. Natürlich bekleidete der Herr Stadtrcnt- meister weiß Gott   wieviel Pöstchen: als frommer Mann war er Mitglied des Kirchenvorstandes, Hauptmann der Schützenbrüderschaft usw. Ein solcher Ordnungsheld konnte selbst- verständlich nicht unbeobachtet bleiben und so erlebte er noch kürz- lich die Freude, daß er in Anerkennung seiner Ver- dien sie um Thron und Altar dekoriert wurde. Und jetzt hat sich der fromme Mann, der Ueberpatriot, als De- fraudant entpuppt!_ Die ausgesprochenste Vettcrilherrschaft bei Wahlen herrscht noch im dunklen Lande der Politik, im mit Pfaffen und Kapitalisten ge- segneten Lothringen  . Im Bezirkstag für Lothringen  , einer Verwaltungskörperschaft für den politischen Bezirk Lothringen  , sind gegenwärtig infolge des Ablebens zweier Abgeordneter zwei Sitze, je einer für den Kanton Metz   und den Kanton Vigy   erledigt. Die Neuwahlen sind bereits ausgeschrieben. Die tonangebenden und bei den Wahlen einflußreichen Notabeln wissen nun keine anderen Kan- didaten vorzuschlagen, als in dem einen Falle den Schwiegersohn und im anderen Falle den Sohn des Verstorbenen. Und die eines- teils von der Geistlichkeit, anderenteils von den Unternehmern sich abhängig fühlenden, politisch noch unaufgeklärten Wähler wagen nicht anders zuwählen", wie es die Notabeln wünschen. Und dies ge- schiebt unter dem allgemeinen Wahlrecht zu den Bezirkstagen. Daraus kann man ermessen, welch schwiengeS Arbeitsfeld die Sozialdemokratie in Lothringen   hat. frankreick. FriedenSstimmung. Montpellier  , 7. Juli. Der Gemcind'erat hat- gestern abend mit 16 gegen 8'sozialistische Stimmen alle Demissions- gesuche zurückgezogen. Das Votum hat in der Stadt großes Aufsehen hervorgerufen. Italien  . Revanche für Rom  ! Mailand  , 8. Juli. Bei den gestrigen Gemeinderats« Wahlen erhielten die Katholiken die Mehrheit. Der Wahl- kämpf war äußerst heftig._ Eine Konferenz sozialistischer Stadtverordneter. Rom  , 4. Juli.  (Eig. Ber.) Am 1., 2. und 3. Juli hat in R o m eine Konferenz sozialistischer Stadtverordneten und Provinzialvertreter getagt. Da der Konferenz keine genügende Vorbereitung vorhergegangen war, waren nur fünfzig Ortschaften oder Provinzen vertreten, obwohl die Zahl der Gemeinde- und Provinzialverwaltnngcn mit sozialistischen Mitgliedern in Italien  mindestens das dreifache dieser Zahl beträgt. Mit Rücksicht auf diese ungenügende Beschickung der Konferenz und auf das Fehlen jeder Statistik über die Stärke der Partei in den Kommunal- und Provinzialverwaltungen wurde beschlossen, eine Kommission zu beauftragen, die betreffenden Daten zu sammeln, einen nationalen Verband der sozialistischen   Vertretungen ins Leben zu rufen und dann nach hinreichender Borbereitung den ersten Kongreß dieses Verbandes einzuberufen. Ferner beschloß man, mit den Mitteln der Partei und den Zuschüssen der sozialistischen   Stadt- Verwaltungen eine administrative Auskunftsstelle für sozialistische Stadt- und Provinzialverordnete zu schaffen, deren besonders die kleinen, ausschließlich in Händen von Arbeitern befindlichen Gemeinden dringend bedürfen. Es ivurde den sozialistischen   Gemeinden frei- gestellt, dem Verband italienischer Kommunen beizutreten oder nicht. Auf Antrag Lambianchi forderte dann die Konferenz alle sozialistischen Stadrvcrwaltungen auf, sofort von ihrem Rechte, aus hygienischen Gründen die Nachtarbeit im Bäckrrgcwcrbe zu verbieten, Gebrauch zu machen. ES ivurde weiter verhandelt über die Verpflichtung der l o k a l e n V e r w a l t u u g e n, den Arbeitslosen und den Auswanderer» durch Information zur Seite z» stehen, und ein Votum angenommen, das die Förderung von landwirt- schaftlichcn Genossenschaften, denen die Bearbeitung der Gemeinde« länder zu übergeben ist, empfiehlt. Ferner diskutierte die Konferenz über die Bekämpfung der Malaria und Pellagra  , über das Fürsorgewesen und sprach sich für die Uebernahme des Elementar» Unterrichts durch den Staat aus. Die Konferenz hat gezeigt, daß auf kommunalem Gebiete für die Partei ungeheure Arbeit zu leisten ist und auch bereits geleistet wird, besonvers in den k l e i n e n Kommunen, auf die das öffent­liche Interesse wenig gerichtet ist und deren Arbeit daher niemand genauer verfolgt._ GewcrkrcbaftUcbee« Der Terrorismus gegen die Gewerkschaften ganz gleich ob freie oder christliche treibt im B o y k o t k der Wirte, die ihre Lokalitäten den Arbeitern zur Ver- fügung stellen, die schönsten Blüten. Einem Vereinswirt der ch r i st l i ch e n Gewerkschaften in Hayingen   teilte der patriotische Kampfgenossenverein, dem er als Mitglied angehörte, mit, daß erlaut Beschluß des Ver- eins nach den stattgehabten Vorkommnissen in den Listen und Büchern gestrichen" sei. Daß man aber auch versucht, den Wirt wirtschaftlich zu ruinieren, geht daraus hervor, daß ein Musikverein, der bei ihm lange sein Verkehrslokal hatte, ihm mitteilte, daß er beschlossen habe, sein Versammlungslokal zu verlegen. Laut § 1 des Statuts dürfe sich der Verein mit keiner politischen Angelegenheit beschäftigen. Die Streikbewegung habe den Verein veranlaßt, die Musikprobe fernerhin in keinem Streikbureau abzuhalten. Eine schöne Gegend dieses Lothringen   und nett sind seine patriotischen Leute. Jedenfalls aber werden durch derartige Schikanen die christlichen Arbeiter bald darüber aufgeklärt, daß in einem wirtschaftlich einheitlich kapitalistischen Staat auch nur eine einheitliche Arbeiterbewegung, ohne Rücksicht auf Religion usw., mit Erfolg mit den Zuständen, die solche Wirkungeg zeitigen» schnell aufräumen kann.