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Hus Induftnc und Handel Russische Ernteaussichteu. Nach den Angaben des zentralstatistischen Amtes des Ministeriums deS Innern wies der Getreidestand zun? 14. Juni salzendes Bild auf: Wintergetreide: sehr schleckt in 3 Gouv.. schlecht in 6 Gouv., unter mittel in 6 Gouv., mittel in 9 Gonv.. unter be- friedigend in 11 Gouv.. fast befriedigend in IS Gouv., mehr als befriedigend in 6 Gouv., fast gut in 7 Gonv., zun: Teil gut, zum Teil schlecht in 1 Gouv. Sommergetreide: schlecht in 1 Gouv.. mittelmäßig in 9, mehr als mittelmäßig in 5, unter mittel in 9, fast befriedigend in 18, über mittel in 11, fast gut in 7 Gouv. Die Gründung eines deutschen Tapetentrnsts kann, wie das ,.BerI. Tagebl." berichtet, als gesichert gelten. Neun große deutsche Tapetenfabriken, die gleichzeitig die renlabelsten fein»ollen ihr Reingewinn präsentiert zusammen die Hälfte des Reingewinnes aller deutschen Tapetenfabriken werden am 1. Oktober ihre Anlagen in eine neu zu gründende Aktiengesellschaft inferieren. Diese Aktien- gesellschaft, die unter der Aegide einer Großbank stehen soll, wird neben ihrem Aktienkapital auch Obligationen schaffen. Die übrigen deutschen Tapetenfabriken haben ihre Ansprüche, die sie für den Fall ihres Beitrittes zu der zu gründenden Aktiengesellschaft stellen, einer Kommission von Taxatoren eingereicht. In den Kreisen des Zweckverbandes deutscher Tapetenindustrie', der der Mittelpunkt der Vertrustlmgsbestrebungen ist. wird angenommen, daß bis zum 1. Oktober abgesehen von den oben erwähnten neun Fabriken noch eine Anzahl anderer Tapetenfabriken sich dem Trust an- geschlossen haben wird. Rheinschiffahrt. In der holländischen Frachtschiffahrt ist zurzeit eine Bewegung im Gange, welche dazu angetan ist. eine völlige Umwälzung in deren bisherigen Handhabung hervorzurufen. Kapita- listen aus den Kreisen der Finanz, der Kaufleute und Reeder er- streben unter juristischem Beirat einen Zusammenschluß der Partikulier- schiffer zur selbständigen Transportübernahme in Holland , Belgien und Deutschland . Das Unternehmen ist bereits mit dem Hauptsitz in Amsterdam unter der FirmaCoöperative Vereeniging voor Binnen- landsche Brachtvaart' etabliert und eingetragen. Eine Anleihe von 15 Millionen Mark aufzunehmen beschloß am Montag der Gemeinderat der Stadt Straßburg i. E. Das Geld wird gebraucht für die Durchführung eines gewaltigen Straßen- durchbruchprojektes, welches 12 Millionen erfordert, für Wasser- leitungs-, Straßenbauten usw. Die Anleihe wird mit 4 Proz. ver- zinst bei einer Emissionsgebühr von Ich« Proz. Soziales. Geschlechtskrankheiten und Prostitution. Die Zahl der Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, die im Jahre 1995 in den allgemeinen Heilanstalten des preußischen Staates an Geschlechtskrankheiten behandelt worden ist, weist gegenüber die voraufgegangenen Jahre eine allerdings nicht allzu erhebliche Zunahme auf. Diese Zunahme darf nicht etwa, wie es die frömmelnden Sittenrichter so gern tun, als Beweis für die toachsende Unsittlichkeit aufgefaßt werden, sie ist vielmehr nach An- ficht der Kreisärzte zurückzuführen einmal auf die mehr und mehr abnehmende Scheu vor dem Krankenhause, zum größten Teil aber auf die infolge der Aenderung des Krankenkassenversicherungs- gesctzes seit 1993 vou den Krankenkassen auch bei Geschlechtskrank- Heiken gewährte Krankenhausbehandlung. Wie in früheren Jahren sind auch diesmal wieder in den Re- gierr'ngSbezirkcn mit großen Städten die meisten Geschlechtskranken in deo Krankenhäusern behandelt worden. Obenan steht Berlin mit 43,79 auf 19 999 Einwohner, dann folgen die Regierungs- bezirke Wiesbaden (mit der Stadt Frankfurt a. M.), Köln , Schles- wig(mit den Städten Kiel und Altona ), Hannover , Danzig , Breslau , Stralsund und Düsseldorf . Auch die Regierungsbezirke Potsdam , Magdebuvg und Stettin haben noch relativ hohe Zahlen, während die mehr ländlichen Bezirke Münster , Osnabrück , Allen- stein, Köslin und Sigmaringen an letzter Stelle stehen. Wie groß die Gefahr der syphilitischen Jnfektton ist, dafiir einige Beispiele In einem Ort des Regierungsbezirks Oppeln wurde durch ein Kind, das von seiner Mutter angesteckt war und zu Verwandten in Pflege gegeben wurde, eine ganze Familie mit 7 Kindern syphilitisch infiziert Im Kreise Plön bekam eine bis dahin gesunde Frau, welche aus Mitleid und Gefälligkeit ein fremdes Kind mit angeborener und unerkannter Syphilis stillte, eine Affektion an der Brustwarze mit darauf folgender allgemeiner Syphilis In einem Dorfe des Kreises Oschersleben entstand eine kleine Syphilis-Endcmie infolge Einschleppung durch einen Molkerei-Schweizer. Zwölf Fälle aus dem Dorfe wurden im Krankenhause behandelt; es wurde versucht, weitere etwa verHeim- lichte Infektionen möglichst durch ärztliche Untersuchung aller Dorfbewohner zu ermitteln. Im Kreise Bitterfeld traten in einem Monat nahezu gleichzeitig 11 Erkrankungen an Syphilis auf, die dadurch entstanden waren, daß sich 4 junge Leute außerhalb an- gesteckt und die Seuche auf 5 Mädchen übertragen hatten. Im Interesse der Volksgesundheit ist es dringend erforderlich, daß die in Frago kommenden Behörden mehr als bisher für die Behandlung Geschlechtskranker tun. Vor allem muß man sich von der leider noch immer weit verbreiteten Ansicht frei machen, daß die Geschlechtskrankheit eine Folge derJugendsünden' und eine gerechte Strafe für den unehelichen Geschlechtsverkehr ist. Man hat in den unglücklichen Opfern, die sich eine Geschlechtskrankheit zugezogen haben, sei es auf welchem Wege auch immer, lediglich Kranke zu erblicken, die entsprechend den Errungenschaften der medizinischen Forschung zu behandeln sind. Es ist einzig und allein Sache des Arztes, nicht etwa der Geistlichkeit oder gar der Polizei, hier einzugreifen. Einige Städte sind mit gütcm Beispiel vorangegangen, indem sie die unentgeltliche poliklinische Unter- suchung und Behandlung geschlechtskranker, nicht unter Sitten- tontrolle stehender Personen übernehmen. Das ist u. a. der Fall in: Regierungsbezirk Frankfurt a. O. Allerdings wird hier, wenn die Gefahr der Krankheit vorliegt und auf gütlichem Wege ärzt- liche Behandlung nicht zu erreichen ist, mit polizeilichem Zwange vorgegangen. Die Poliklinik macht der Polizei Mitteilung, wenn die als krank Befundenen nicht binnen 48 Stunden inS Kranken­haus eingetreten sind. Die Äerzte sind ersucht worden, die bei ihnen zur Privatbehandlung sich meldenden Kellnerinnen auf die Poliklinik aufmerksam zu machen und die Kassenkranken ohne Mitteilung an die Polizei dem Krankenhause zu überweisen. Wenn auch diese Anordnung einen Fortschritt gegen früher bedeutet, so dürfte es doch bei fortgesetzter Aufklärung der Bevölkerung über daS Wesen der Geschlechtskrankheiten und die damit verbundenen Ga fahren dahin kommen, daß die Einmischung der Polizei gänzlich beseitigt wird. Nach den Berichten der Kreisärzte kommt für die Ver« breit ung der Geschlechtskrankheiten die öffent- liche Prostitution weniger in Betracht, als die heimliche. Als in Neumünster im September 1994 mit Schließung des Bordells die regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen der Prostituierten fortfielen, wurde alsbald eine Zunahme der geheimen Unzucht und der Geschlechtskrankheiten beobachtet, sodaß gegen Endo 1995 der sittenärztliche Dienst wieder aufgenommen wurde. Die größte Gefahr für die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten bedeutet das Kellnerinnenwesen. In der Stadt Tanzig wurden von 69 untersuchten Kellnerinnen nicht weniger als LI ge- schlechtSkrank befunden, im Kreise Tilsit waren von 51 einge- schriebenen Prostituierten 34 ihrer ursprünglichen Beschäftigung nach Kellnerinnen gewesen. Die Gefahr, die in dem Kellnerinnen- Wesen liegt, hat die Polizei längst erkannt. Aber sie geht weniger gegen die Inhaber von Animierkneipcn vor, die ja häufig nur'ver- kappte Bordells sind, als gegen die armen Mädchen, die von den Wirten ausgebeutet und systematisch körperlich und geistig zu Grunde gerichtet werden. In Glnt moA»« von ihren Patienten erfahren, daß sie sich bei einer bestimmten Kellnerin oder anderen Frauensperson angesteckt haben, dem Kreis- arzt Mitteilung, der wieder die Polizei auf die betreffenden Frauen hinweist. Die Namen der kranken Männer werden verschwiegen, die Mädchen aber werden nicht geschont. Aehnlich in Frankfurt a. O., wo seit 1994 die Kellnerinnen hin- sichtlich ihrer Vergangenheit und ihres augenblicklichen Verhaltens streng beobachtet und wenn angängig unter fittenpolizeilicher Kontrolle gestellt werden. Wir halten dies Vorgehen für völlig verkehrt. Sobald die Mädchen erst einmal unter sittenpolizeilicher Kontrolle stehen, ist ihnen die Rückkehr zu einem ordentlichen Leben gewöhnlich ab- geschnitten. Und doch möchte so manche von ihnen gern zurück. Aber die Polizeimaßnahmen hindern sie. Man glaube nicht, daß die Prostituierten immer jeden Schamgefühls bar und sich ihrer Menschenwürde nicht mehr bewußt find. Daß das Gegenteil der Fall ist, beweisen die Berichte aus Berlin . Hier erfolgt jetzt die Untersuchung der wegen Verdachts der Gewcrbeunzucht auf- gegriffenen Personen durch eine in Deutschland als Aerztin pro- movierte Dame. Es ist nun charakteristisch, daß die aufgegriffenen Mädchen wiederholt darum baten, sie lieber von einem männlichen Arzt untersuchen zu lassen, denn sie hätten die Empfindung, als ob Personen ihres eigenen Geschlechts sie immer wie Minderwertige oder Verworfene behandelten, was bei männlichen Aerzten, die rein sachlich mit ihnen verkehrten, nicht der Fall sei. Es ist hier nicht der Ort. auf die Frage der Ursachen der Prostitution und ihre Bekämpfung einzugehen, wir haben es hier einzig und allein mit der Frage deS Zusammenhanges zwischen Prostitution und Geschlechtskrankheiten zu tun. Es geht nun aus den Berichten der Kreisärzte mit Deutlichkeit hervor, daß die Stellung unter sittenpolizeiliche Kontrolle auch in gesundheitlicher Hinsicht ihren Zweck nicht erreicht hat. Denn wenn auch die Zahl der geschlechtskranken heimlichen Prostituierten verhältnismäßig größer ist als die der öffentlichen, so ist doch der Unterschied nicht so groß, daß er die Stellung unter sittenpolizeiliche Kontrolle recht- fertigt. In Berlin z. B. wurden von 3135 eingeschriebenen Pro- stituierten KL2 oder 19,84 Proz. krank befunden, von 2694 nicht eingeschriebenen aufgegriffenen Personen 529 oder 29,31 Proz. Rechtfertigt sich also die Stellung unter sittenpolizeiliche Kontrolle aus hygienischen Gründen nur schwer oder gar nicht, so ist sie aus sozialen Gründen gänzlich zu verwerfen. Man entschließe sich endlich dazu, mit dem System der Reglementierung zu brechen, wie es in Dänemark durch das neue Prostitutionsgesetz mit gutem Erfolge geschehen ist!_ Bundcsratsvcrordnung über Buchdrnckereicn. Die auf Grund des§ 129s der Gewerbeordnung erlassene Bundesratsverordnung vom 31. Juli 1897 über die Einrichtung und den Betrieb der Buchdruckereien und Schriftgießereien läßt in III für die bereits im Betriebe stehenden Anlagen während der ersten zehn Jahre nach Erlaß dieser Bekanntmachung auf Antrag des Unternehmers Ablveichungen von einigen Bor- schriften zu. Solche Abweichungen sind von folgenden hygienischen Forderungen der BundesratSverordnung möglich: In Arbeitsräumen, in welchen die Herstellung von Lettern und Stereotypplatten erfolgt, muß die Zahl der darin beschästtgten Personen so bemessen sein, daß mindestens fünfzehn Kubikmeter Luftraum und in Räumen, in denen Personen mit anderen Arbeiten beschäftigt werden, mindestens zwölf Kubikmeter Luft- räum auf jede Person entfallen. Ferner müssen die Räume, wenn auf eine Person wenigsten? 15 Kilometer Luft- räum kommen, mindestens 2,60 Meter, sonst mindestens 3 Meter hoch sein. Die Räume müssen mit Fenstern versehen sein, die aus- reichendes Licht und hinreichende Lüftung gestatten. Die M ö g- lichkeit, von diesen Schutzvorschriften dauernde Ausnahmenzuge st atten, wäre mitAblaufdieseS Monats erloschen. Der Bundesrat hat. wie der gestrige ReichS-Anzeiger' meldet, dennoch durch folgenden Be- schluß vom 5. Juli die fortdauernde Möglichkeit von Ausnahme- bestimmungen geschaffen: Die Bestimmungen unter IH der Bekanntmachung betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Buchdruckereien und Schrift- gießereien, vom 31. Juli 1897(Reichsgesetzblatt S. 613) werden durch die folgenden Vorschriften ersetzt: Abweichungen von den Vorschriften unter I Ziffer 3 Abs. 1. 3 können aus Antrag des Unternehmers durch die höhere Ver- waltungöbehörde für solche Anlagen zugelassen werden, in welchen in der Regel nicht mehr als fünf Arbeiter beschäftigt werden, sofern die für den Betrieb benutzten Arbeitsräume bereits am 31. Juli 1897 im Besitze des jetzigen Unternehmers oder eines Familienangehörigen gewesen sind.' Gründe der sozialen und Hygienen Fürsorge sprechen entschieden gegen den Erlaß, auch Gründe der Billigkeit sind für diese Bundes- ratSverordnung nicht anzuführen, da die betreffenden Besitzer bereits seit zehn Jahren auf die Notwendigkeit, die angeführten hygienischen Maßregeln einzuführen, durch die Verordnung vom 31. Juli 1897 hingewresen waren. Im neuesten KurS wiegt aber offensichtlich Ge- sundheit der Arbeiter noch leichter, Bequemlichkeit des Unternehmer- tumS noch schwerer als vordem. Ostelbische Wohnungen in Mitteldeutschland . Die Bcrginspcktionsbeamten für den Braunkohlen- und Kali- bergbau berichten an ihre vorgesetzte Behörde von dem chronischen Arbeitcrmangel in den ihrer Aufficht unterstellten Betrieben. Gleichzeitig beklagen sie dieUnbotmäßigkeit einzelner Arbeiter' infolge des guten Geschäftsganges. Mit besonderer Genugtuung schreibt aber der Revicrbeamte für Anhalt , Herr Bergrat Schöne: Die in: Oktober 1996 von der sogenannten Siebetier- kommission und dem Bergarbeitervcrbande Deutschlands versuchte Lohnbewegung ist hier spurlos verlaufen, da die Werksvcrwaltungen jene Verbände nicht als Vertreter ihrer Arbeiterschaft ansahen/' Der Beamte freut sich offenbar, daß eS den Unternehmern ge­lungen ist, die Arbeiter unter dem Drucke niedriger Löhne und den mit diesen verbundenen schlimmen sozialen Nachteilen zu halten. Oder sind die Zustände im Braunkohlen, und Kalibergbau so rosige, daß bei einer Verbesserung die Arbeiter zu üppig werden könnten? Wollen sehen. Wir haben uns in den meist von Kaliberg- lcutcn bewohnten Ortschaften Atzendorf , Egeln , Wester- cgeln, Unseburg , Staßfurt -LcopoldShall umge» sehen. Unter den Bewohnern genannter Orte waren sogarHerzog- lich anhaltische' Bergleute, also Staatsarbeiter. Die Häuser waren vielfach in schmutzigem, baufälligem, ekelerregendem Zustand. In die überall vorhandenen Kellerwohnungen und in die Parterre der unter dem Straßenniveau stehenden Häuser drang der Schlamm hinein. Hatte man sich durch den Hausflur gearbeitet, sah man Mist und lendenlahme, wacklige Hinterhäuser aus Fach, werk, zu Viehställcn kaum zu gebrauchen. Darin wohnten Menschen. Die Stube war oft nur 3 4 Meter im Quadrat, der Kopf stieß fast an die Decke, große Löcher in den Wänden, halbblinde, zer- brochcne Fensterscheiben, alles schwarz verrußt. Sechs, acht Menschen hockten in einem solchen Raum. Wir sahen Kammern von 2 Metel Breite und 3� Meter Länge, in denen vier Betten und mehrere Bettkastcn' standen. Die Fenster standen weit offen. Umsonst! Der entsetzliche Geruch vom Hofe und alte Wäsche, ekelhafter Dunst und Brodcm benahm einem den Atem. In einem anderen Hause war für Quartierburschen, erwachsene Kinder beiderlei Geschlechts und Eltern nur ein Schlafraum. Mehrfach trafen wir drei und vier Personen in einem Bett! Auf einem Dorfe befanden sich in einein dunklen Räume die Kinder machten draußen auf einer Bank vorm Miste Schularbeiten! die Großeltern, die bei ihren Kindern wohnten. Die allermeisten Wohnungen, vorn wie hinten, bestehen nur aus Stube und Kammer. Und nicht nur vereinzelt trifft man die elenden Häuser mit den erbännlichen Wohnungen, ganze Straßen sind voll davon, die größte Hälfte der Bergarbeitcrdörfer besteht aus solchen Häusern. Die Beamten wohnen allerdings viel besser. Den Herren Direktoren hat man sogar Villen gebaut. Dadurch tritt das Elend ~u" CT * um so greller in die Erscheinung. In den mit den Sakzbergwerlen verbundenen chemischen Fabriken holt sich die Arbeiterschaft oft bösartige und ansteckende Krankheiten. Die von scharfen Laugen ausgehenden, fressenden Dämpfe zerstören die Gesichter, erzeugen übelriechende Abscesse und Geschwüre. Aber die Gesunden müssen mit den Kranken in einem Räume ausharren. Die an den Wänden zerstreut aufgehängten Arbeitskleider sind mit Chlor- und Bromdämpfcn durchtränkt. Der von ihnen ausgehende starke Geruch reizt Nasen und Schleimhäute, er ist fürchterlich. Schon beim Betreten solcher Häuser benimmt den Uneingeweihten der Geruch den Atem, er durchzieht das ganze Haus. Kein Wunder, wenn der Volksnach- wuchs verkümmert, die eingefallenen Augen in den fahlen Ge- sichtchen der Säuglinge enthalten eine einzige furchtbare Anklage! Man wende nicht ein, daß die Salz- und Kalibergarbeiter ja bessere Wohnungen nehmen könnten. Zunächst hat sich das Elend von Kind zu Kindeskind vererbt, andere Wohnungen gibt es nicht, dann aber reicht der Lohn nicht weiter! Die Wohnungsnot hat die Mieten in die Höhe getrieben, die Löhn- betragen im Durchschnitt erst 3,59 M. pro Tag. Die Lebens- Haltung ist in den dichtbevölkerten Industriezentren dabei teurer als in der Großstadt. Kräftige Nahrung, Lust und Licht sind für den in der Chlor- und Bromfabrikation tättgen Arbeiter aber unerläßlich, er geht sonst mit 35 Jahren mit zerfressener Lunge schon seinem Ende entgegen. D:e Wohnungen der Kaliarbeiter sind Stätten des Elends, das ist keinerlei Uebertrcibung. Wenn den Organen der staatlichen Auffichtsbehörde diese Brutstätten von Krankheit und Tod ver- borgen bleiben können, und an die vorgesetzte Behörde vonUn- botmäßigkeit der Arbeiter' berichtet werden kann, wenn diese den unersättlichen Kaliindustriellen einen besseren Lohn abverlangen, so charakterisiert das unsere heutige Berg- inspektion._ Landesverweisung wogen Kontraktbruchs. Aus Ostpreußen wird uns geschrieben: Bekanntlich laufen selbst die bedürsnis- und anspruchslosen russisch -polnischen Landarbeiter den ostelbischen Junkern Haufen- weise wegen fortgesetzter schlechter Behandlung fort. Der aus der konservativ-liberalen Paarung hervorgegangene neue Polizciministcr hat sich nun. wie es scheint, schon veranlaßt gefühlt, den durch das Entlaufenbedrängten" Gutsbesitzern zu Hülfe zu kommen, denn eS sind dieser Tage Bestimmungen er- lassen worden, wonach solche Arbeiter, welche sich aus irgend einem Grunde von ihrer Arbeitsstelle entfernen mit dem Vorsatze, nicht wieder zurückzu- kehren, im Falle der Wiederergrcifung vorerst zu verwarnen und der alten Arbeitsstelle wieder zuzuführen sind. Bei einem aber- maligen Kontraitbruche oder wenn der Kontraktbrüchige seine Kollegen zur Arbeitseinstellung aufwiegelt oder wenn er keine Ausweispapiere besitzt, ist sofort die Landesverweisung als lästiger Ausländer zu verfügen und der Betreffende durch die Gendarmerie an die russische Grenze zu befördern. Sodann sollen auch schärfere Maßregeln gegen kontraktbrüchige einheimische Arbeiter in Anwendung gebracht werden. Wenn er- forderlich, sollen zu diesem Zwecke noch mehr Beamte an- gestellt werden. Das Letztere wünschen die notleidenden Land- Wirte neuerdings dringend. Dabei hört man jetzt, in der Zeit der dringendsten Feldarbeiten, in Ost- und Westpreußen täglich von Fällen über geradezu frivole Kontraktbrüche von Gutsbesitzern ihren heimischen Arbeitern gegenüber. Bei den geringsten Anlässen ertönt der den Herrenmenschen schon zur Gewohnheit gewordene Ruf:Binnen drei Tagen verlaßt Ihr die Wohnung." Meistens muß solch eine auf die Straße gesetzte Land- arbeiterfamilic den rückständigen Lohn, Deputat und die aus­gesetzten und bearbeiteten Kartoffeln, die auf dem Felde stehen, im Stiche lassen und sich ein Obdach' suchen. Daß selten eine gegen dix Besitzer eingereichte Klage Erfolg hat, darf wohl nicht erst betont werden. Wird der neue Polizeiminister gegen den gemeingefährlichen. durch nichts begründeten Kontraktbruch der ländlichen Arbeit- geber Maßregeln ergreifen und seinen Kollegen im Reichsamt des Innern veranlassen, endlich die rechtliche Knechtung der Land- arbeiter zu beseitigen?_ Lohnzahlungspcrioden. Für wöchentliche Lohnzahlungen treten die organisierten Arbeiter Düsseldorfs schon längere Zeit ein, doch widersetzen sich dieser Forderung die Leitungen der größeren Werke, welche zumeist monatlich löhnen und halbmonatliche Abschlagszahlungen gewähren. Nachdem alle Vorstellungen seitens der Arbeiterausschüffe nichts gefruchtet, nahm sich auf Veranlassung des Gewcrkschaftskartells der Ausschutz des Gewerbcgerichts der Sache an und führte eine Aussprache zwischen den Interessenten herbei. Aber auch diese Aussprache, an welcher Vertreter der Arbeiterschaft, der Handels- kammer und auch der Handwerksmeister teilnahmen, führte zu keinem für die Arbeiter günsttgen Resultat. Die Kleingewerbe- treibenden löhnen zumeist wöchentlich, sie erklärten auch die Wünsche der Arbeiter für berechtigt, nicht so die Vertreter der Groß- industrie. Es wird geltend gemacht, daß an Lohntagen von den Arbeitern viel Geld für Getränke ausgegeben würde. Die Folge davon sei, daß am nächsten Tage eine Anzahl Arbeiter fehlten oder aber es sei ein Sinken der Leistungen deS Arbeiters zu konstatieren. Außerdem aber müsse das Personal in den Betrieben verstärkt werden, wenn man wöchentliche Lohnzahlungen einführe. Daß sich eine Anzahl Arbeiter an den Lohntagen betrinken, ist leider wahr. Nicht richtig aber ist, daß diese Zahl so groß ist, wie von den Unternehmern angegeben wird. Auch muß konsta- tiert werden, daß der Prozentsatz unter dem erzieherischen Einfluß der Organisation fortwährend sinkt. Der Hauptgrund der Weigerung ist wohl darin zu suchen. daß einige Kommiö in den größeren Werken eingestellt werden müssen, wenn mit dem alten Schlendrian gebrochen wird. Daß kurze Lohnfristen für die Arbeiter vorteilhaft sind, haben die Arbeiter erkannt und werden sie diese Frage auch in einem für sie günstigem Sinne zur Lösung bringen. Sie stellen sich auf den Standpunkt, daß, was die Großindustriellen in allen anderen Großstädten möglich gemacht haben, müsse auch in Düsseldorf ein- geführt werden können. Hus der frauenbe�vegung. Uevcrwache die Lektüre Deiner Kinder! Kinder lesen gewöhnlich alles, was ihnen in die Hände kommt, und dies umsomchr, je geistig aufgeweckter sie sind. Bei den Knaben erfteuen sich die Jndianerbücher, die in den Buchhandlungen für wenige Pfennige zu haben sind, einer ganz besonderen Beliebtheit. Mit grausigen Titelbildern versehen, locken sie die kleinen Gernegroße zu den Schaufenstern heran, und schon manchem Jungen ist durch solche schädliche Lektüre der Tatendurst ins Unendliche gestlegen, er fühlte sich als Held und ging auf die Wanderschaft, un: selbst Abenteuer zu erleben. Solche kleinen AuSreißer haben durch ihre Dummenjungenstreiche manchen Eltern bange Stunden und Tage gemacht. Auch die sentimentalen Rührgeschichten, wie sie von frömmelnden Vereinen ausgeliehen werden, sollte man den Kindern fernhalten, da sie durch diese meistens einen ganz falschen Begriff vom Leben er- halten. Durch solche Lektüre wird der Blick von der Wirklich- keit abgelenkt und in das jenseitigeWunderland' geleitet und gelehrt, daß nicht Forschen und Wissen, sondern Glauben und nochmals Glauben das Haupterfordernis im Leben ist. Solch frömmelnder Schund wirkt genau so verkrüppelnd auf die Volksseele wie die Schund- und Schauerromane, bei deren Lektüre Groß und Klein, Eltern und Kinder in Hunderttausenden Arbeiterfamilien ihre geistige Erholung suchen. Statt nützliche, geistige Anregung zu finden, werden solche EltrrnS meistens unfähig zum Nachdenken und zun: BefteiungSkampf ihrer Klasse wie zur vernünftigen Erziehung ihrer Kinder, und in ungezählten Fällen werden diese Schilderungen von Mord und Tot -