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Osthabelland vorgelegen. Die Anregung sei verworfen, weil eine solche besondere Instanz für ein bestimmtes Tätigkeitsgebiet neben dem Parteivorstande nicht angebracht sei. Aus allen Erfahrungen, die wir in Jahrzehnten in Deutschland gemacht hätten, wurden wir festhalten an unserer Stellung zum Militarismus. Mit der Kolonialpolitik werde sich der Kongreß auch befassen. Redner legt den prinzipiellen Standpunkt der Partei dar, wie ihn Bebel im Reichstage präzisiert hatte. Zu dem Punkt:Beziehungen zwischen den politischen sozialistischen Parteien und Gewerkschaften" brauche hier nichts gesagt zu werden, nachdem der Mannheimer Parteitag die Einigkeit zwischen Partei und Gewerkschaften in Deutschland besiegelt und Mißverständnisse gehoben habe. Im Zusammenhange mit jener Frage werde aber vielleicht die Maifeier zur Verhandlung kommen, zu der in verschiedenen Kreisen Anregungen ausgingen. Auch Kreise von Gewerkschaftern drängten zur endgültigen Regelung. Redner sei der Ueberzeugung, daß solcheendgültige" Regelung in Wirklichkeit keine endgültige sein würde. Schon der nächste Kongreß würde sich wieder damit beschäftigen müssen. Das internationale Bureau habe den Punkt nicht mit auf die Tagesordnung gesetzt, und dies seitens der deutschen Delegierten anzuregen, bestehe kein absolutes Bedürfnis, weil die übergroße Mehrheit der Partei in bezug auf die Maifeier wirklich nichts geändert haben wolle. Es habe keinen Zweck, daß immer wieder der alte Beschluß nach einer mehr oder minder längeren Diskussion gefaßt werde. Persönlich nehme er an, daß doch wieder derselbe Beschluß gefaßt werden würde und daß wir im nächsten Jahre über die Frage debattieren würden wie bisher. Gewiß fände er es verständlich, wenn aus gewissen Erfahrungen heraus Ge- werkschaftler und auch politisch tätige Genossen in zurückgebliebenen Gegenden usw. Aenderungen vorschlügen. Das könne aber doch nicht den Ausschlag geben, wo es sich um die Stellungnahme der Gesamtpartei Handelei Im übrigen erscheine auch dazu, die Frage der Maifeier neu aufzurollen, die Zeit keineswegs geeignet; die Zeit, wo das sächsische Proletariat in neue Wahlrcchtskämpfe ver- wickelt sei und die preußische Wahlrechtsbewegung wieder in Fluß komme. Wir müßten bedenken, daß wir in einer Zeit solcher gc> spannten politischen Atmosphäre nicht die einzige Demonstration die das deutsche Volk habe, beseitigen könnten. Daß die F r a des Frauen st immrechts nur für sich und nicht nach dem Vorschlage der Genossin Baader im Zusammenhange mit der der Demokratisierung des Wahlrechts überhaupt vom inter - nationalen Bureau auf die Tagesordnung gebracht wurde, hält Redner für keinen Schaden. Es solle sich ja diesmal gerade um das Frauenstimmrecht handeln. Bei einer zu allgemeinen Debatte aber, die bei der Frage der Demokratisierung des Wahlrechts über- Haupt notwendig in die Breite gehen würde, könnte nicht mit der nötigen Schärfe herausgeschält werden, worum eS sich eigent. lich handele. Daß wir den Frauen gegenüber für volle Gleich bcrechtigung einzutreten hättcn,darüber bestehe bei uns in Deutsch land kein Zweifel. > Zur Frage der Einwanderung und Auswanderung, unter der die Gewerkschaften und die politischen Parteien gewiß mehr oder minder zu leiden hätten, betont Redner als den Standpunkt der deutschen Sozialdemokratie, daß das Wort Marx':Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch", aufrecht zu erhalten sei auch dahin, daß durch die Gesetzgebung nichts daran geändert werden solle. Verfehlt scheine ihm der von Sozialisten in Amerika zum Teil eingenommene Standpunkt, daß man einen Unterschied machen müsse zwischen Einwanderern aus kapitalistischen Ländern und Angehörigeninferiorer" Völker, womit man auch die Asiaten meine. Gegen diese, aber nicht gegen jene sollen gesetzliche Absperrungsmaßnahmen nach dem fraglichen Standpunkt zulässig sein. Dem könne nicht beigetreten werden. Man brauche bloß an die Japaner denken, um zu sehen, wie leicht ein Land zu einem kapitalistischen werde, wo die Arbeiter Dedürf- nisse gewännen und den Klassenkampf lernten. Auf der anderen Seite vergesse man nicht, daß beim Streik der Seeleute das Mutter land der Organisationen, England, das Streikbrecherreservoir ab gegeben habe, wenn eS auch die Hefe des englischen Volkes gewesen sei. Jedenfalls bestehe so kein Anlaß, einzelne Nationen heraus. zugreifen und in Bann zu tun. Sondern: Aufklärung des Prole- tartatS der ganzen Welt Kampf gegen die Kapitalisten der ganzen Welt! Zum Schluß sprach Redner die Genugtuung darüber aus, daß die deutsche Partei trotz der Hottentottenwahlen als Dreimillionenpartei den internationalen Sozialismus empfangen könne. Sie kann ihm versprechen, keinen Finger breit von dem Wege abzugehen, den sie bisher gegangen sei als Vorhut der internationalen sozialistischen Armee!(Lebhafter Beifall.) ES ist ein von der Bezirksführerkonferenz beschlossener Antrag eingegangen:«Wir halten an der bisherigen Feier des 1. Mai fest und ersuchen die Delegierten, in dem Sinne zu stimmen." Genosse Arndt empfiehlt den Antrag und führte noch auS: WaS Genosse Müller über die Maifeier gesagt habe, unterschreibe er. Er glaube aber, Referent sei zu optimistisch. Nach NcdnerS Meinung werde von Gewerkschaftern versucht werden, den Amster- damer Beschluß umzustoßen. Er erinnere an BömelburgS Aeuße- rung, auf dem nächsten internationalen Kongreß werde man sich auseinandersetzen. Ferner erinnere er an die Diskussion in Köln , nach Köln , auf der Vorständekonferenz, deren Protokoll von der «Einigkeit" veröffentlicht wurde, usw. Der Aufruf des Partei- Vorstandes in diesem Jahre habe auch einer Leichenrede so ähnlich gesehen wie ein Ei dem anderen. Irgendwelche stichhaltigen Gründe gegen die Maifeier in heutiger Art gebe es nicht. Redner tritt verschiedenen der bekannten Bedenken entgegen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Genosse Müller nahm in seinem kurzen Schlußwort Bezug auf die Aeußerung des Vorredners zum Ausruf deS ParteivorstandeS. Damit sei keine Aenderung in der Richtung beabsichtigt, daß etwa die ArbeitSruhe am 1. Mai aufhören solle. ES sei auch auS dem Wortlaut nicht herauszulesen. In ähnlicher Situation habe ja der Parteivorstand schon ebenso gehandelt. Auf der Generalversammlung von Groß- Berlin sei darüber ja gesprochen worden. Und auf dem dies- jährigen deutschen Parteitage werde man auch darüber Erklärungen erhalten. Die Anregung der Schaffung eines Maifeierfonds, wie sie imVorwärts" gemacht fei, könnte auf dem deutschen Parteitag Gegenstand der Verhandlung sein. Die allgemeine Resolution wurde einstimmig, der Antrag der Bczirlsführer gegen drei Stimmen angenommen. Vierter Wahlkreis. Die inKellers Festsälen" tagende, sehr gut besuchte außerordentliche Generalversammlung des 4. Kreises, die sich aus- schließlich mit der Tagesordnung des internationalen Kongresse? beschäftigte, wurde durch ein vorzügliches, alle Punkt« der TageS- ordnung eingehend berücksichtigendes Referat deS Genossen Hemrich Ströbel eingeleitet. In der Frage der internationalen Au», resp. Einwanderung müsse sich seder Sozialist prinzipiell auf den Boden unbedingter Freizügigkeit stellen. Die heute noch geübte Völkerverhetzung würde um so mehr verschwinden, je mehr sich das Proletariat der verschiedenen Länder durch persönlichen Verkehr kennen lerne. Das Zusammenarbeiten werde die inter - nationale Verbrüderung befestigen und dem Proletarier begreifen lehren, daß eS nur einen Feind gebe, den internationalen Kapitalismus . Redner erinnert daran, daß der Wandertrieb der deutschen Arbeiter der dreißiger und vierziger Jahre diese erst mit dem Sozialismus bekannt gemacht und den sogenannten Hand- wertSburschenkommuniSmuS erzeugt habe. Das Unternehmertum trete freilich auS einem anderen Grunde für die Einwanderung fremder»rk-ätskräfte ein, nämlich nur deshalb, um billige Arbeits- Iräfte zu bekommen. Die massenhafte Einwanderung billiger Landaroeiter aus Ungarn ,alizten, Böhmen usw. ließen sich die Slgrarier genau so gerne gefallen wie sich andere Unternehmer etwa die Einwanderung von Erdarbeitern auS Italien gefallen ließen. Sobald sich aber die organisierten Arbeiter bemühten, diese fremden Brüder für die Gewerkschaftsbewegung zu gewinnen, und diese Bemühungen Erfolg versprechen, so daß die Kapitalisten ihre willenlosen Sklaven verlieren würden, setzte eine ungeheure Hetze gegen diese rechtlosen Proletarier ein und die Behörden unterstützten dieses Borgehen durch massenhafte Ausweisungen. Es sei aber um so mehr Pflicht, bor allem der Gewerkschaftler, sich dieser Arbeiter anzunehmen, andererseits aber auch wieder darauf zu dringen, daß in allen fortgeschrittenen Ländern ein gesetzlicher Minimallohn und eine MaximalarbeitSzeit durchgeführt werde. Niemals aber dürften sich Arbeiter für ein Verbot der Ein- Wanderung erklären. Die gesetzliche Regelung eines Ausländer. rechts müsse verlangt werden, um der Vogclfteiheit der Ausländer zu steuern. Freilich stecke auch in diesen Forderungen ein Stück Zukunftshoffnung, aber das Proletariat fei allein die Klasse, die mit Kraft und Ausdauer auch weiteren Zielen zuzustreben im stände fei. Redner trat sodann sehr lebhaft für da» allgemeine Wahl recht für die Frauen ein. Die Sozialdemokratie dürfe sich nicht von opportunistischen Gründen leiten lassen, sondern müsse selbst dann für da» Frauenwahlrecht eintreten, wenn wir einen augenblicklichen Rückschritt zu erwarten hätten. Eingehend geht so dann der Redner auf die für unS so wichtige Frage M i l i tariSmuS Und internationale Konflikte" eilt Unsere prinzipielle Stellung zum Militarismus sei bekannt. In dem die Sozialdemokratie für die Miliz eintrete, treten wir nicht für WehrloSmachung der Nation, sondern für die einzig wirksame Volksbewaffnung ein. Nicht nur die Schweizer Miliz, sondern auch die Erfahrungen des amerikanischen Bürgerkrieges, des deutschen Befreiungskrieges", deS Burenkrieges usw. und nicht zuletzt des südwestafrikanischen Herero- und Kaffernkrieges bc wiesen die Leistungsfähigkeit einer Volksbewaffnung. Freilich für die herrschenden Klassen sei der automatische Drill des Mili- tariSmuS die einzige Schutzwehr. Der 21. Januar 1S0S habe das wahre Gesicht der herrschenden Klassen gezeigt. Als ein Jahr später. 1307, patriotische Demonstrationen vor dem Reichskanzler- palast und dem Schloß tobten, da wurden keine scharfen Patronen verteilt und die SchutzmannSrevolver traten nicht in Aktion. WaS wir zur Bekämpfung deS Militarismus tun könnten, fei Stärkung der Jugendorganisation und unablässige Propaganda unserer Ideen auch unter den jungen Leuten, noch ehe sie in die Kaserne kämen. Kasernenpropaganda können wir in Deutschland nicht gc- brauchen, da die Opfer in keinem Verhältnis zu den Erfolgen stehen würden. Wenn aber mehr als 3 Millionen deutscher Prole- tarier sich selbst den heiligen Schwur leisten würden, unablässig für unsere Sache zu kämpfen und zu agitieren, so würden wir unser Ziel auch ohne diese erreichen. Wenn in Frankreich und Belgien usw. andere Methoden angewandt werden könnten, so läge dies an den anderen Verhältnissen. Während Genosse H e r v s in Frankreich nach einigen Monaten Aufenthalt in dem fidelen fran- zöfischen Gefängnis für politische Gefangene(in dem er Besuche empfangen, selbst ein Klavier sich halten konnte) begnadigt wurde. könnte ein deutscher Genosse wegen desselben Delikts im Zucht- haus verfaulen. Auch bei uns werde die Zeit kommen, wo die sittlichen Gebote der Elternliebe und das biblische Gebot, Vater und Mutter zu ehren, höher stehen als der Befehl auf Vater und Mutter zu schieben. Genosse Ströbel legt dann noch den Standpunkt des Genossen K a u t s k y über Gehorsamsverweigerung im Krieg. Patriotismus und Sozialdemokratie, den er teilt, ein- gehend dar. Redner weist dann auf die Schädlichkeit der Kolonial- Politik, auf die Opfer(Kolonialarmce). die der Militarismus ordert und auf die Früchte, die er zeitigt, hin. Einen glänzenden Beweis davon habe der Petersprozeß geliefert, und das Bestreben dieser Clique, die Praxis der Negerkultwierung und der Ko- lonialkriege auch auf die Behandlung derweißen Sklaven", auch in einem eventuellen Bürgerkriege anzuwenden, sei unverkennbar. Auf die Beziehungen zwischen Partei und Gewerkschaften brauche er, nach der Klärung, die jetzt, namentlich nach dem Mannheimer Parteitage gefolgt sei. nicht weiter einzugehen. Notwendig sei's. daß diese beiden Glieder einer Arbeiterbewegung durch dasselbe Herz, von demselben Blute ernährt würden. Der sozialistische Geist müsse durch alle Adern der Arbeiterbewegung pulsieren, damit sich bei unS nicht der konservative Geist eines Nurgewerkschaftlev tum? a la England festsetzen könne. Daß wir die Maifeier nicht preisgeben könnten, halte er für selbstverständlich. Selbst die Opfer einer ev. Aussperrung müßten wir auf uns nehmen, denn die gebratenen Tauben würden uns nie in den Mund fliegen. Wir könnten von der Maifeier mit ArbeitSruhe nicht Abstand nehmen, ohne die Unmündigkeit der Ar- beiterbewegung zu dokumentieren. Redner fordert dann noch zum Protest gegen die FriedenSfarce im Haag auf, da die kapitalistischen Konkurrenzverhältnisse der einzelnen Staaten so lange den Krieg notwendig machten, bis diese Verhältnisse selbst durch den Sozialismus überwunden würden. Der lebhaste Beifall bewies, daß der Referent ganz im Sinne der Anwesenden gesprochen hatte und ohne Diskussion wurde die gestern schon veröffentlichte Resolution angenommen. Zum Punkt 2 der Tagesordnung, Anträge, wurde folgende Resolution gestellt: Die Mitgliederversammlung des WahlvereinS für den 4. Berliner ReichStagSwahlkreis hält nach wie vor eine internatio- nale gewaltige Demonstration an einem bestimmten Tage, um den achtstündigen Arbeitstag zu erringen, für notwendig. Die Versammlung erwartet von ihren Delegierten, im Fall dieMai- feier" auf die Tagesordnung gesetzt wird, daß sie etwaige Ver- schlechterungen, betreffend die Arbeitsruhe, zu verhindern suchen und sich auf den Boden der Resolutionen von Jena und Mannheim stellen. Begründend wurde ausgeführt, daß wir die Maifeier eher durch ArbeitSruhe zu verschärfen, als zu verwässern haben. Auch die ahlung deS ganzen oder eines Teils deS Tagelohnes in einen zu chaffeiidcn Fonds zur Unterstützung der Opfer könne keineswegs als Entschuldigung und als vollwertiger Ersatz angesehen werden. Die zur Delegation vorgeschlagenen Genossen werden aufgefordert, zu diesem Punkte sich zu äußern. Genosse H a ck e l b u s< Punkt und weist auf die präzisiert sodann kurz seinen Stand- irkung der Maifeier als Propaganda- mittel hin. Der Auftuf des Parteivorstandes sei mit. Recht von den Parteigenossen sehr mißfällig aufgenommen worden. Der dort ver- tretene Standpunkt sei zu bekämpfen. Durch diesen Aufruf sei nur Verwirrung in die Massen der Arbeiter getragen und die Arbeits- ruhe nur eingeschränkt worden. Ein von Genossen S t u m p e gestellter und begründeter Antrag, zur Erleichterung des internationalen Verständnisses denVor- wärt?" in Zukunft mit lateinischen Lettern zu drucken, wird auf einen geeigneteren Zeitpunkt zurückgezogen. Die hieraus vollzogene Wahl hatte dann daS gestern schon ge- meldete Ergebnis. Von 2592 abgegebenen Stimmen erhielten: Paul Hoffmann 723, Otto B ü ch n e r 567 und Richard Hackelbusch 403 Stimmen. Fünfter Wahlkreis. In der Generalversammlung deS sozialdemokratischen Wahl- vereinS im fünften Wahlkreis verlas der Kassierer, Genosse K i r st e die Namen von 66 Personen, die sich seit der vorigen Ver- ämmlung zur Aufnahme in den Verein gemeldet hatten. Ein- Wendungen wurden nur gegen einen der Verlesenen erhoben, der beim Gürtler- und Drückerstreil nicht den Grundsätzen der Arbeiterbewegung gemäß gehandelt haben soll. Diese Sache wurde dem vorstand zur Untersuchung überwiesen. Sodann sprach Genosse David söhn über den inter - nationalen Arbeiterkongreß. Von den wichtigsten Punkten der Tagesordnung, wie sie vom internationalen Bureau vorgeschlagen wird, hob der Redner zunächst die Frage des Frauenwahl. rechts hervor und bezeichnete eS als erfteulich. daß diese Frage, die aus dem Amsterdamer Kongreß angeschnitten und in einer kurzen Resolution vorläufig erledigt wurde, nun in Stuttgart gründlich behandelt werden soll. Der Redner erwähnte auch die Einführung deS politischen Frauenwahlrechts in Finnland , die er als ein Experiment bezeichnete, da man ja im Hinblick auf die Verhältnisse in Rußland nicht wissen könne, ob es bestehen bleiben werde. Die Tatsachen aber, daß die finnischen Frauen sich so außerordentlich stark an den Wahlen beteiligten, und daS Ergebnis der Wahlen: 19 weibliche Parlamentsmitglieder, unter ihnen 9 sozialdemokratische, und 80 Sozialdemokraten unter den im ganzen 200 Abgeordneten seien Beweis<genug gegen die hier und da auch in unseren Reihen hervorgetretene Meinung, daß das Frauenwahlrecht die Reaktion zurzeit nur stärken rönne. Danach kam der Redner auf den Punkt Militarismus und internationale Konflikte zu sprechen. Gerade jetzt, nachdem erst kürzlich die Diplomaten verschiedener Staaten mit dem KricgSfeuer spielten, und gegenwärtig im Haag wieder einmal die Friedenskonferenz gemimt werde, sei die Behandlung dieser Frage durch die Vertreter der internationalen Arbeiterschaft ganz besonders wichtig. Während sich die bürgerliche Presse vergebens bemühe, für ihre Leser aus dem geschmacklosenTeige der Haager Kon- ferenz einige Rosinen herauSzupicken, werde der Kongreß in Stuttgart der Welt zeigen, wie die Sache angepackt werden muß, um den Kulturintercsscn und den Interessen des Proletariats zu dienen. Das Material über den Antimilitarismus sei zum ersten Mal in um» fassender Weise von dem Genossen Karl Liebknecht zusammen- gestellt. Die ungerechte Kritik, die hier und da an dessen Broschüre geübt wurde, dann die Tatsache, daß in Frankreich eine Anzahl Genossen in der antimilitaristischen Agitation aus« schweiften, zeigten, daß die Frage einmal gründlich erörtert Wersen müsse. Dies sei um so mehr notwendig mit Rücksicht auf die schweren Kämpfe unserer russischen Genossen. Der Redner er- ioähnte hierbei die bereits gestern imVorwärts" veröffentlichte Resolution. Er führte weiter aus, daß mit der Frage des Militarismus und der internationalen Konflikte die der Kolonial- Politik zusammenhängt, waZ ja auch kürzlich auf dem außer- ordentlichen Kongreß der belgischen Genossen erwähnt wurde. Der Umstand, daß auf diesem Kongreß dreierlei Meinungen unserer belgischen Genossen laut wurden, wenn man sich auch schließlich auf eine gemeinsame Resolution einigte, zeigte hinreichend, wie notwendig eine internationale Aussprache über die Kolonialfrage ist. Dazu komme in Deutschland die neueste Auffrischung der Kolonialgreuel durch den PeterSprozctz, ferner der Umstanv, daß unsere Fraktion in der ReichStagSsession von 1903/1904 zunächst nicht gewillt war, gegen die Hererokredite zu stimmen. Man sei wohl sicher, daß sich derartiges bei unS nicht so leicht wiederholen werde, womit jedoch nicht gesagt sei, daß nicht die Fraktionen in anderen Ländern auf einen ähnlichen Gedanken kommen könnten. Aber auch mit Rücksicht darauf, daß aus den Reihen deutscher Genossen Stimmen laut wurden, die sich unter mancherlei Bedingungen und Voraussetzungen fiir Kolonialpolitik erklärten sei es notwendig, solchen Genossen klar zu machen, daß zunächst die Kolonial- Politik im Gegenwartsstaat zur Debatte stehe, die notwendig eine kapitalistische und militaristische sei und sein müsse, und die Keime internationaler Konflikte in sich berge. Wie beim Militarismus müsse auch hier daS Wort gelten: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen. Den Punkt: Ein- und Auswanderung aus- ländischer Arbeiter erklärte der Redner ebenfalls für sehr wichtig. Zumal für die Genossen, die, wie in den Hafenstädten, das Auswandererelend täglich vor Augen sehen, habe diese Frage ganz besonderes Interesse. Der Redner wies auf die Publikationen in der vorletzten und in der soeben crschcinendenNummer derNeuen �eit" hin, die wertvolles Material zur Beurteilung der Frage ent- ielten, daS leider etwas spät vor dem Kongreß veröffentlicht worden sei. Der Anhang in der neuesten Nummer derNeuen Zeit" sei eine dankenswerte Arbeit Schippels, derentwegen man sich für manches mit ihm aussöhnen könne, was er sonst der Partei Unangenehmes aufzureden und aufzuschreiben versucht habe. Als seinerzeit auf dem Parteitag in Mainz ein Hamburger Genosse dafür eintrat, daß farbige Heizer auf deutschen Schiffen überhaupt keine Anstellung mehr finden sollten, habe man das in bielenKreisen der Partei als einen Schlag ins Gesicht empfunden. Nach unserer Parteiauffassung könne doch die Hautfarbe unmöglich ein Grund ein, einen Menschen von der Arbeit auszuschließen. Allerdings müsse ---- m Haftx halten, aber ohne Rück- sich die Arbeiterschaft Lohndrücker vom.. ficht auf die Hautfarbe. Wenn die Farbigen mit den Gedanken deS Proletariats durchtränkt werden könnten, so sollten sie der Arbeiterschaft eben so liebe Arbeitsgenossen sein wie die anderen. Den Punkt: Die Beziehungen der politischen Arbeiterparteien zu den gewerkschaftlichen Organisationen bezeichnete der Redner als einen der wichtigsten deS Kongresses. Man müsse bedenken, daß in einzelnen Ländern diese Verhältnisse noch sehr unklar seien, ja hier und da eine gewisse Trostlosigkeit hinsichtlich der Stellung der Gewerkschaften zur Sozialdemokratie herrsche. Dazu komme, daß auch bei uns gewisse Dinge der Erörterung bedürften, so die Frage der Lokal- und Zentralorganisation. Eine andere Frage, die mit dem Punkte zusammenhänge und sicherlich auch behandelt werden müsse und behandelt werden werde, sei die der Maifeier. Der Redner wies hierbei auf die Resolutionen hin, die bereits zu dieser Frage von den Genossen in verschiedenen Kreisen, in Teltow -Beeskow , in Nürnberg , in Kassel gefaßt wurden, ferner auf den jüngst im Vorwärts" erschienenen Artikel des Berliner Metallarbeiters 23. Richter, wozu er bemerkte, daß der Vorschlag, die am 1. Mai arbeitenden Genossen zu verpflichten, ihren Tagesverdienst ab- zugeben, ein zweischneidiges Schwert sei und leicht dazu führen könnte, daß einzelne sich gleichsam von der Maifeier loskaufen. Er, Redner, sähe jedoch gar keinen Grund, warum einige Genossen die Maifeier jetzt abschwächen wollten. Lese man in den ParteitagSprotokollen von den Jahren 1891 bis 1906 die Berichte des Parteivorstandes über den Verlauf der Maifeier, so finde man, daß in keinem der Jahre ein Rückgang festgestellt wurde, ja viel- mehr nur Lobsprüche über die wachsende Beteiligung an der Feier. Nach demBrcmSerlaß", den der Parteivorstand zum 1. Mai 1907 veröffentlicht habe, müsse man gespannt daraus sein, WaS er dies- mal über die Maifeier berichten werde. Nach allem, was man in diesem Jahre von der Maifeier gesehen und erfahren habe, selbst wenn man die in Feststimmung geschriebenen Zeitungsberichte mit Vorsicht aufnehme, müsse man doch überzeugt sein, daß auch diesmal wiederum ein Fortschritt stattgefunden hat. Vielleicht habe gerade jener..BrcmSerlaß" bei manchen Arbeitern eine Art Trotz hervorgerufen, nun gerade erst recht zu feiern. WaS in der vom Jenaer , dann vom Mannheimer Parteitag von neuem an» genommenen Resolution festgelegt sei, müsse als daZ Mindeste gelten, was hinsichtlich der Maifeier angenommen werden könne. Gerade mit Rücksicht auf unsere politischen Verhaltnisse wie auf die Wahlniederlage wäre ein Zurückweichen der Arbeiterschaft aufs tiefste zu bedauern. Beschließe der Kongreß im Sinne lener Resolution, so werde man auch in dieser Hinsicht mit fteudigem Gefühl auf seine Verhandlungen zurückblicken können. Der Vortrag fand allgemein lebhaften Beifall. Zur DiS- kussion meldete sich niemand. Die Wahl deS Genossen Zucht zum Delegierten deZ internationalen Kongresses erfolgte Mit allen gegen eine Stimme. Inzwischen war auch die Wahl der Delegierten zur General- Versammlung Gross-BerlinS vollzogen. Die 23 von den Abteilungen aufgestellten Kandidaten wurden fast einstimmig gewählt. Die Wahl deS Genossen Schäfer zum Abteilungsführer der 5. Abteilung wurde von der Generalversammlung bestätigt. Zum Schluß machte der Vorsitzende, Genosse Friedländer, auf die Stadtverordnetcnwahlcn aufmerksam, die in diesem Jahre im 5. Dahlkreise für zwei Bezirke stattzufinden haben. Er fordert zur Einsichtnahme in die Wählerlisten sowie zu reger Beteiligung an der Flugblattvcrbreitung am Donnerstag abend auf. Ferner forderte er die Genossen auf, für starken Besuch deS Sommer- festes zu sorgen, daS am Sonnabend imSchweizergarten" stattfindet. Sechster Wahlkreis. Die Generalversammlung des Sozialdemokratischen Wahl- Vereins B e r l i n VI stimmte in erster Linie der vorgelegten Reso- lution. die eine Sympathiekundgebung für die russischen Freiheits- kämpfer und eine scharfe Verurteilung der Haager FriedenSkomödie, die auf Veranlassung der im Bluts der eigenen LolkSgcnosscn watenden russischen Regierung zusammentrat, bedeutet, einmütig zu. Sodann erhielt Genosse Ledebour das Wort, um der Ver- sammlung die einzelnen Punkte der Tagesordnung deS internatio- nalen Kongresses in Stuttgart zu zergliedern-