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es, Mnn gegen Zie ÄerAnstalter dieser Prozesse ein Verfahren wegen wissentlich falscher Denunziation einge- leitet werden würde. War der Charakter des Herrn Oberamtmanns durch die da- malige Gerichtsverhandlung gegen den Redakteur Borchardt noch nicht genügend gekennzeichnet, so dürften die hier geschilderten Vorkommnisse sicher das nötige dazu beitragen. Zu bedauern sind nur alle diejenigen, die unter der Herrschaft dieses Guts- gewaltigen, der auch nicht einmal seine Inspektoren besser wie seine Landarbeiter behandelt, zu leiden haben. FreiMger Slafsirechtsverrat. Zur Wahlrechtsreform in Preußen hatte die ,5!eue Politische Korrespondenz" bemerkt, daß man mehr als eine generelle Stellung zur Wahlrechtsfrage bei der nach st en Tagung des Landtages von der Regierung nicht erwarten dürfe. Dazu schreibt der Berliner Korrespondent derFrank- surter Zeitung": So hat man sich in unterrichteten politischen Kreisen die Sache immer gedacht. Man hat an- genommen, daß die preußische Regierung in der nächsten Landtagssession, die die letzte der Legislaturperiode ist, nicht mit dem Entwurf eines neuen Wahlrechts herbor- treten wird, daß sie aber eine Gelegenheit, an der es ja nie fehlen kann und die zum Beispiel der freisinnige Wahlrechtsantraa liefern würde, benutzen wird, um ihre grundsätzliche Stellung zur Wahlrechtsfrage darzulegen und die Grundlinien einer Reform zu kennzeichnen. Diese Reform würde dann wohl die Haupt- rolle in der Wahlbewegung spielen und das neu- gewählte Abgeordnetenhaus beschäftigen. Die Hauptsache ist, daß die preußische Regierung, was sie bisher noch nicht getan hat, sich zu der Ueberzeugung bekennt, daß das Klassenwahlrecht nicht haltbar ist. und daß sie keinen Zweifel darüber läßt, daß sie trotz der Widerstände, die von rechts her zu erwarten fein werden,«ine Reform ernstlich in die Hand nehmen will. Das ist eine Erwartung und eine Forderung nicht nur aller Liberalen, sondern auch einsichtiger Politiker auf der Rechten. Würde der gegenwärtige Reichskanzler und Minister- Präsident diese Erwartung enttäuschen, dann wäre es mit den Versuchen, die man als Blockpolittk bezeichnet hat, im Reichstage bald vorbei und es gehörte keine Prophetengabe dazu, um voraus- zusagen, daß die ReichstagSwahlen dann einen anderen Aufmarsch und ein anderes Resultat als die letzten ergeben würden." Für so bescheiden hätten wir den Freisinn denn doch nicht gehalten! Also keine Wahlreformvorlage erwartet nach dem demokratischen" Frankfurter Organ der Freisinn, sondern nur ein Versprechen der Regierung, im neugewählten Landtag eine solche Vorlage einbringen zu wollen l Der neue Landtag würde dann abermals auf Grund des Dreiklasscn- systemS gewählt werden I Er würde auch eine dementsprechcnde Zusammensetzung erhalten und für das Zustande- kommen einer wirklichen Wahlreform keine günstigeren Aussichten bieten als der gegenwärtige Landtag l DieFrkf. Ztg." meint freilich, der Wahlkampf werde im Zeichen der W a h l r e f o r m geführt werden können. Ja- wohl, einer Wahlreform, über die die Regierung bestenfalls einige nebelhafte Andeutungen zu machen geruhen würde. Das würde freilich den bürgerlichen Parteien, dem Zentrum uns dem Freisinn gerade passen. Sie könnten dann abermals das Blaue vom Himmel versprechen, um nachher der jämmerlichsten Flickreform ihre Zustimmung zu geben! Wäre es dem Freisinn im geringsten Ernst mit der Er- kämpfung einer wirklichen Wahlreform, so müßte er seine Zugehörigkeit zum Block von dem Einbringen einer Wahl- reformvorlage bereits in der Landtagssession abhängig machen. Er hätte dann ein w i r k l i ch e s Urteil über das Maß des Entgegenkommens der Regierung. Er böte dann seinen Wählern die Möglichkeit, ihrerseits zur Frage der Wahl- resorm Stellung zu nehmen! Weiterhin aber würde sich dann zeigen, ob die Konserva- tiven wirklich zu Konzessionen geneigt sind, und welche Stellung Nationalliberale und Zentrum zur Wahlrechtsfrage einnehmen werden! Entlarvten dabei diese Parteien ihren reaktiv- nären Charakter, so böte der Wahlkampf erst recht Gelegen- heit, diese Parteien im Zeichen der Wahlreform energisch zu bekämpfen und damit für den neuen Landtag eine günstigere Zusammensetzung zu erreichen 1 Aber der Freisinn will sich allem Anschein nach bei einer unbestimmten unverbindlichen Erklärung be- scheiden. Und selbst wenn es der Regierung zurzeit nicht am guten Willen fehlte: daß die Regierung ihre Pläne trotz aller Engagements auch wieder fallen lassen kann, beweist ja das Schicksal der Kanalvorlage. Der Freisinn steht also im Begriff, die Position der Wahlrechtsfeinde abermals z» stärken! Wollen sich die frei- sinnigen Arbeiter diese jammervolle Verrätertakttk wirklich gefallen lassen?!_ Kardorff. Wie der Telegraph aus Nieder-Wabnitz meldet, ist dort gestern der frühere Reichstags- und Landtagsabgeordnete Wilhelm von Äardorff gestorben noch bis vor kurzem einer der tempe- ramentvollsten und bekanntesten Persönlichkeiten des politischen Lebens: ein Parlamentarier, der fast bei allen reaktionären Ge- setzen der letzten Jahrzehnte mitgewirkt hat, nicht zuletzt bei dem Zustandekommen des neuen Zolltarifs. Am 3. Januar 1828 in Neu-Strelitz(Mecklenburg ) geboren, studierte v. Kardorff in Naumburg , Berlin und Halle die Rechte und fungierte dann in Naumburg und Stralsund als Referendar. Die juristische Karriere behagtc ihm jedoch nicht. Er wurde Rittergutsbesitzer und übernahm darauf 1884 das Landratsamt des schlesischen Kreises Oels. das er bis 1895 behielt. 1366 wurde er in das preußische Abgeordnetenhaus und 1367 in den Reichstag gewählt, dem er bis zur letzten ReichStagswahl angehörte. In beiden Parlamenten spielte er bald eine bedeutende Rolle. Obgleich als mecklenburgischer Adliger geboren, gehörte er nicht zu den Junkern, die auf alte Traditionen halten und in der Beschäftigung mit bürgerlichem Erwerb gewissermaßen eine Verletzung ihrer Standesehre erblicken. Er fand, daß sich der Agrarier recht wohl mit dem Großindustriellen, selbst mit dem Börsenspekulanten ver- einen lasse, und daß der Erwerb aus industriellen Gründungen und Spekulationen als Zuschuß zu dem Gewinn aus landwirt- schaftlichen Betrieben nicht zu verachten sei. Die Zeit der Eisen- bahnverstaatlichung und der Gründungen nach dem deutsch . französischen Krieg bot dem Herrn von Kardorff günstige Gc- legenheiten zur Betätigung dieser Auffassung. Er gründete und spekulierte mit und hat sich als Mitbegründer der Laurahütte einen Namen exworben. Als ihm später wegen seiner skrupel- losen Gründertätigkeit mancher Vorwurf gemacht würde, erklärte er einfach, er hätte Geld gebraucht, um sich finanziell unabhängig zu machen und die Lasten tragen zu können, die ihm seine parla- mentarischen Aemtcr auferlegt hätten. Seine Verbindungen mit der Großindustrie machten v. Kar- dorff auch zum parlamentarischen Vertreter der von dieser er- hobenen Schutzzollforderungen. In seiner BroschüreGegen den Strom" rief er schon 1375 zum Kampf gegen die frcihändlerische Strömung auf und die Begründung des Zentralverbandes deutscher Industrieller ist in erster Reihe sein Werk. Bei den Vorberatungen und in den Kämpfen um den deutschen Zolltarif des Jahres 1879, der die bisherige freihändlcrische Aera begrub, spielte er eine bcdeu- tende Rolle, und war auch bei den ferneren Veränderungen des Zolltarifs bemüht, einen sogenannten gerechten Ausgleich zwischen den Forderungen der Agrarier und der schutzzöllnerischen Groß- industrie, speziell der Eisen- und Stahlindustrie, zu finden. Allzu einseitigen Ansprüchen der Agrarier setzte er jedoch mehrfach Wider- stand entgegen, und als bei den Kämpfen um den Zolltarif des Jahres 1962 der Bund der Landwirte Forderungen erhob, die ihm eine Verständigung zwischen Agrariern und Großindustriellen zur gemeinsamen Ausbeutung der unteren Volksschichten auszuschließen schienen, sagte sich v. Kardorff von dem Bunde der Landwirte los. Außer auf zollpolitischcm betätigte sich v. Kardorfs hauptsäch- lich auf währungspolitischem Gebiet. Neben seinem Freund Arendt stellte er den Hauptkämpen für den Bimetallismus im Reichstage, und es gab eine Zeit, wo man sicher sein konnte, daß er seine Rede mochte es sich nun um ein volkswirtschaftliches, rechtliches oder ethisches Thema handeln mit der Forderung der Doppelwährung schloß. Doch auch an anderen parlamentarischen Arbeiten hat er sich hervorragend beteiligt, und es gibt vielleicht kein gegen die Arbeiter gerichtetes Gesetz, bei dem nicht dieser Hasser der sozialdemokratischen Bewegung, der sich bis in die letzten Lebensjahre eine eigenartige Draufgänger-Nüstigkcit bewahrte, mitgewirkt hat. Politilcbe Ücberlicbt. Berlin , den 22. Juli 1907. Eine neue Bedrohung der deutschen Arbeiter. Das deutsche Proletariat hat in seinem Kulturkampf um die Erringung besserer Lebensverhältnisse immer mit dem borniertesten Widerstand des Kapitalistenklüngels zu kämpfen gehabt. Und die gesamte Staatsmacht steht in diesem Kampf aus Seite der Geld- macht und hindert durch die rückständigsten Gesetze und eine noch schlimmere Verwaltungspraxis, die immer mehr zu einer unerträg- lichen Fessel aller Koalitionsbestrcbungcn wird, die Kultur- bestrebungcn des Proletariats. Aber trotz aller Hindernisse hat die deutsche Arbeiterschaft ihre gewerkschaftliche Organisation glän- zend ausgebaut, und alle Errungenschaften, die sie heute ihr eigen nennen darf, hat sie ihrer Organisation zu verdanken, an der sie trotz aller Gewaltmaßregeln der Unternehmer unerschütterlich fest» hält. Daß diese Organisation heute noch zertrümmert werden kann, das ist ein Gedanke, der wohl selbst dem größenwahnsinnigsten Unternehmer nicht mehr ausführbar erscheinen kann. Der Einfluß der Organisation aber reicht weiter hinaus über die Zahl der organisierten Arbeiter. Selbst der unorganisierte, indifferente Arbeiter scheut in der Regel zurück vor der S ch u r k e n- tat des Streikbruchs. Vor allem aber beeinflußt das Niveau, auf dem die organisierten Arbeiter stehen, immer mehr auch die Lage der übrigen Arbeiterschaft. Unter eine bestimmte Lebenshaltung lassen sich deutsche Arbeiter nun einmal nicht herab- drücken. Das ist aber eine Situation, die der kapitalistischen Profit- Wut längst nicht mehr bchagt. Noch gibt es proletarische Schichten, die tief unter dem Niveau stehen, auf das die deutsche Arbeiterschaft der Kampf ihrer Organisationen gehoben hat. Weg also mit den deutschen Arbeitern, die nicht genug Profit liefern und keine willen- losen Sklaven, keine bloßen Automaten mehr sind! Mögen sie ver- hungern, wenn sie keine Arbeit finden! Wir aber, wir helfen uns anders. Wozu treiben wir denn Weltpolitik, wenn wir nicht mehr Herren im eigenen Hause sein sollen? Was deutsche Arbeiter sich nicht mehr gefallen lassen können, das lassen sich chinesische Kulis noch lange gefallen. Und haben wir erst genügend Kulis in Deutschland , dann wird es uns auch gelingen, die rebellischen Deutschen in Zaun zu halten, sie zur chinesischen Bescheidenheit und Demut zu erziehen. Das mag wohl der Gedankengang des Herrn B a l l i n gewesen sein, desköniglichen Kaufmanns", des Freundes des Kaisers, der angeblich soviele Verdienste und sicher sehr viel Verdienst aus unserer nationalen Kulturentwickclung hat, als er auf seine Weise die Konsequenzen aus dem letzten Streik zog. Das Berliner Tageblatt" meldet folgendes: Der letzte Seemanns streik in den deutschen Nordsee - Häfen hat Konsequenzen gezeitigt, die eine besondere Beachtung beanspruchen dürfen. Der Norddeutsche Lloyd beabsichtigt, s ä m t- licheDampfer seinerLinien nach demLaPlata, Brasilien und Kuba mit chinesischen Heizern und Kohlenziehern zu besetzen. Die ersten 56 chinesischen Feuerleute sind bereits einge- troffen. Weitere Transporte werden mit dem DampferScharnhorst" und anderen Lloyd- Kämpfern, die vonOstasien heimkehren, folgen. Diese Maßregel wird als eine Folge des letzten Streiks der deutschen Seeleute bezeichnet. Fürwahr eine nationale Tat! Das ist echter Hottentotten- Nationalismus! Was ist für Herrn Ballin die Nation? Ein Ausbeutungsobjekt. Und der Deutsche , dessen Ausbeutungsgrad Herrn Ballin zu gering erscheint, hört damit auf Deuscher zu sein und wird in die Wüste gestoßen, wie etwa ein rebellischer Herero. Und der Chinese, der sich genügend ausbeuten läßt, wird in Herrn Ballins Augen zu einem besseren Deutschen , als ein Hamburger Seemann, der'manchmal streiken will, und nimmt daher mit Recht den Platz ein, von dem dieser verjagt wird. Ersetzung freier deutscher Arbeit durch chinesische Kontraktsklaverei, das ist das letzte Wort des Kapitalismus auf die Emanzipationsbestrebungen der Arbeiter- schaft! Aber diese nationalen Herren und was Herr Ballin, der Freund des Kaisers und des Reichskanzlers hier ausführt, ist sehnlichster Wunsch unserer preußischen Junker mögen sicher sein, es ist nicht das letzte Wort der Arbeiterklasse. Chinesische Kulis alsSturmböcke gegen d a s K o a l i t i o n s r e ch t in Deutschland , das gibt es nicht und das darf es nicht geben. Das wird den Herren, wenn sie es notwendig machen, noch genügend klargemacht werden. Eine Stäupung der Rcichslügenverbändler vollzieht dieLeipziger Volksztg.". Die duftige Ablagerungsstätte für die reichsverbändlerischen Erzeugnisse, die.Post", hatte fol- gende Niedertracht veröffentlicht: Immer wieder die Moral mit doppeltem Boden. Ju seiner Geschickte der deutschen Sozialdemokratie von 1993, 2. Aufl., Bd. II, S. 294, bespricht Franz Mehring das Urteil im Kölner Kommunistenprozeß (1852) folgendermaßen: Es war der erste Sündcnfall der Geschworenen seit den Märztagen; zwischen die Wahl gestellt, einen Justizmord zu begehen oder vor aller Welt das Brandmal der Infamie auf die Stirn der preußischen Regierung zu drücken, entschieden sie sich für den Justizmord." Mehring stand damals, als er diese Worte schrieb, nicht unter dem unmittelbaren Eindruck einer aufregenden Prozeß- Verhandlung, deshalb muh man annehmen, daß er leidenschafts- los sein Amt alsGeschichtsschreiber" ausgeübt hat. ES war ihm auch nicht unbekMnt,. dgß MN in Deutschland dqmglz ziemlich deutlich mit Fingern auf Wilhelm Liebknecht zeigte, der den Kölner Kongreß berufen, und dem man die Schuld dafür beimaß, daß preußische Geschworene über 11 Kommunisten zu Gericht sitzen mutzten. Liebknecht ist erst 1867 als Reichstags- abgeordneter in das volle Licht der Oeffentlichkeit getreten. Bis dahin hatte er als MarxscherAgent" ein nebelhaft dunkles Da- sein geführt, war überall, wo in Deutschland die Arbeiter- bewcgung sich regte, aufgetaucht und überall abgewiesen worden. DaS gleich* Mißgeschick wie in Köln war ihm schon 1859 zu Murtcn in der Schweiz begegnet, wohin er die Vertreter der deutschen Arbeitervereine geladen hatte. Sämtliche Teilnehmer wurden verhaftet, nur er nicht. Dies seltsame Zusammen- treffen mag denNeuen Sozialdemokraten" vom 19. November 1871 in Nr. 61 veranlaßt haben, zu schreiben: Die Herren Liebknecht und Bebel sind durch ihr Ver- hältnis zu(dem kgl. sächs. Geh. Ministerialsekretär) Peter- mann, sowie durch Liebknechts Konfpiratton mit dem Chef des österreichischen geheimen Pretzfonds, Ritter von Orges , worüber wir in unserer vorigen Nummer das wesentliche, mitteilten, eigentlich schon genügend gekennzeichnet. Bebel ist jedenfalls. Mitwisser aller Liebkncchtschen Machenschaften und umgekehrt. Wir wollen daher die sonstigen Abenteuer Liebknechts dies- mal nicht weiter berühren, z. B. den Anfang der fünfziger Jahre sehr geheimnisvoll(Mehring schreibt:ganz ösfcnt- lich", Bd. II, S. 189) von ihm berufenen Schweizer Arbetter- kongreß, bei welchem alle Teilnehmer der Polizei in die Hände fielen, desgleichen auch nicht sein Treiben in London im Kom- munistenbunde und dem Kölner Kommunistenprozeß." Aus diesem unverblümten Hinweis geht deutlich hervor, daß derNeue Sozialdemokrat" keinen anderen als Herrn Liebknecht für das Kölner Urteil verantwortlich macht. Trotzdem hat Herr Mehring geglaubt, in ehrlicher Ueberzeugung zu so starken Worten greifen zu müssen, um seine Entrüstung über einen ver- meintlich ungerechten gerichtlichen Beschluß auszudrücken. Um so verächtlicher ist das Treiben der sozialdemokratischen Presse, voran der von Mehring geleitetenLeipziger Volkszeitung ", jetzt diejenigen mit Schmutz zu bewerfen, die unter dem unnuttel- baren Eindruck der Verlesung des vom Disziplinargerichtshose gegen Dr. Peters gefällten Urteils sich erlauben, dieses mit scharfen Worten zu kritisieren. DieLeipziger Volksztg." leuchtet dem Liebcrt-Gclichter daraufhin kräftig heim: Der Biedermann, der diesen Artikel verfaßt hat. behauptet also 1., daß Liebknecht den Kölner Kongreß berufen und ver- ursacht habe, daß preußische Geschworene über 11 Kommunisten zu Gericht sitzen mußten und 2.. daß Mehring diese Tatsache gc- kannt und die Kölner Geschworenen wider besseres Wissen eines Justizmordes beschuldigt habe. Man weiß wirklich nicht, wo hier der Blödsinn aufhört und die Schurkerei beginnt oder auch um- gekehrt. Ein Kölner Kongreß hat nie stattgefunden und konnte deshalb weder von Liebknecht noch von sonst jemanden berufen werden. Den Kölner Kommunistenprozeß hat aber nicht Lieb- knccht verursacht, sondern was die Patrioten des Reichslügen- Verbandes am Ende wissen sollten. Se. Majestät der König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Dieser gottesfürchtige Monarch schrieb nach Kinkels Flucht aus dem Zuchthause in Spandau an seinen Minister v. Manteuffel:Dies hat mich auf einen Gedanken gebracht, den ich nicht gerade unter die lauteren klassifizieren will. Nämlich den. ob Stieber nicht eine kostbare Persönlichkeit ist, dem preußischen Publikum das lange und ge- recht ersehnte Schauspiel eines aufgedeckten und(vor allem) be- straften Komplotts zu geben. Eilen Sie also mit Stiebers An- stellung und lassen Sie ihn sein Probestück machen. Ich glaube, der Gedanke ist folgenreich, und ich lege großen Wert auf seine Realisierung." DiesProbestück" machte Stieber. indem er 11 Kommunisten vor die Kölner Geschworenen brachte, auf Grund namentlich eines gefälschten Protokollbuches, das von Liebknecht als angeblichem Schriftführer unterzeichnet fein sollte und von Stieber als echt beschworen wurde. Eine andere Be. ziehring hat Liebknecht, der damals in London lebte, zu dem Kölner Prozeß nicht gehabt, als daß der preußische Polizeirat Stieber, in Ausführung eines vom Könige gefordertenProbe- stücks" eine verbrecherische Fälschung an Liebknechts Namen vor- nahm und durch einen Meineid bekräftigte. Aber obgleich Fäl- schung und Meineid sofort aufgedeckt wurden, verurteilten die Geschworenen dennoch die 11 Kommunisten; sie zogen vor, einen infamen Justizmord zu begehen, statt die preußische Regierung. von Friedrich Wilhelm bis zu Stieber. an den Pranger zu schlagen, an den sie gehörte. Was Lieberts Rächer über die Murtener Geschichte sagt, ist aus Vogts berüchtigtem Lügenpamphlet geschöpft. Es handelte sich um eine ganz öffentliche Affäre, um einen polizeilichen Handstreich, gegen die deutschen Arbeitervereine in der Schweiz , zu dem sich die Schweiz leider durch österreichisch-preußische Drohungen bewegen ließ. Freilich, daß Liebknecht nicht verhaftet worden sei, wagte selbst Lügenvogt nicht zu behaupten; das lügt Lieberts Rächer aus freier Faust hinzu. Liebknecht wurde ebenso wie die sonstigen Mitglieder der deutschen Arbeitervereine ver- haftet und nach mehrmonatigem Gefängnis zwangsweise über die Grenze spediert. Alles das ist in dem Werke Mehrings zu lesen, mit genauer Quellenangabe. Wie macht es nun Lieberts Rächer, um die Moral mit doppeltem Boden" herzustellen? Er reißt einen Satz aus Mehrings Darstellung und stellt diesem Satz einige Sätze gegenüber, die er aus einem Artikel reißt, den Hassclmann vor 36 Jahren imNeuen Sozialdemokraten" veröffentlicht hat. Wir gönnen dem Reichslügcnverbande mit Vergnügen die Autorität Hasselmanns, aber daraufhin das Grab Liebknechts mit tausend- mal widerlegten Verleumdungen zu besudeln, enthüllt den Rächer Lieberts als eine Kanaille, gegen die Ehren-Stieber beinahe noch als harmloser Waisenknabe erscheint." Reichsverbands-Projette. Das von der. MagdeburgerVolksstimme" veröffentlichte Schriftstück der Ortsgruppe Magdeburg des Reichslügen- Verbandes wird von den Magdeburger Liebertmännern de- mentiert. Sie erklären in derMagdeburger Zeitung", daß dieses angeblich von ihnen herrührende Schreiben nicht von ihnen ist, daß besonders die unter denZiffern 15 gebrachten Angaben frei erfunden seien und nur der erste T e i l des betreffenden Artikels einige Absätze enthalte, die aus einem vor längerer Zeit nach Berlin gerichteten Antwort- schreiben willkürlich herausgerissen wurden, und die ouch nur durch groben Vertrauensbruch aus diesem entnommen sein könnten." Die MagdeburgerVolksstimme" erklärt demgegenüber, daß das in ihrem Besitz befindliche Schriftstück ein ungeteiltes Ganzes und von einer Hand geschrieben ist. Das Dementi des Reichsverbandes widerlegt also nicht, sondern bestätigt die Echtheit des Schriftstückes, denn wenn der eine' Teil echt ist, kann der andere nicht falsch sein. Die ungewollte Wirkung des De- mentis ist demnach, daß der Reichsverband zugibt, einen g e» setzwidrigen Plan, den Plan nämlich, im Heere po- litische Agitation zu treiben, gehabt zu haben. Wie werden die Freunde und Gönner des Reichsver- baches, die doch allesamt Hilter VW Recht und besetz sind.