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Nr. 18?. 24. Jahrgang. 1. Deilme des Jorniiitls" Snlim Holteiilntt, mmt, 7. Imf 1907. Die Scharfmacher der deutschen Hol?- Industrie IjaBctt sich dieser Tage in H i l d e s h e i m ihr alljährliches Stell- dichein gegeben. Es tagte dort die fünfte Generalver- sammlung des Arbeitgeberschutzverbandes für das deutsche Holzgewerbe. Dieser Verband hatte be- kanntlich im April d. I. unter den Nachwirkungen der patriotischen Raserei der bülowschen Reichstagswahlen versucht, die Arbeiter- organisation in der Holzindustrie durch eine allgemeine Aus- sperrung niederzureiten, ist aber dabei nur selber böse zertrampelt worden. Die Verhandlungen in Hildesheim zeugten denn auch von Anfang bis zu Ende von einem gewaltigen Katzenjammer, der sich hinter den großen Worten einiger Führer nur schlecht ver- barg. Es waren vertreten 55 Bezirksverbände. Außerdem war eine Reihe Gäste aus verschiedenen Städten erschienen. Der Jahresbericht des Vorstandes vertrug die Oeffentlichkeit nicht recht, weshalb man sich darauf beschränkte, den gedruckt an die Mitglieder versandten Bericht debattelos zugenehmigen". Die Oeffentlich- keit erfuhr nur, daß der Verband am 11. Februar der Streikent­schädigungsgesellschaft des Vereins deutscher Arbeitgeberverbände angegliedert worden ist. Das ist aber keine Einrichtung, die im Arbeiterlager Heulen und Zähneklappern hervorrufen könnte. Der Jahresbeitrag zu der Streikentschädigungskasse beträgt für jeden beschäftigten Arbeiter 60 Pf., die Streikprämie dagegen 50 Pf. pro Streiktag. Im 2. Halbjahr 1906 der Anschluß hat rückwirkende Kraft bis zum 1. Juli vorigen Jahres bekam der Verband für einen nachgezahlten Gesamtbeitrag von 8205 M. 9543,50 M. Prämie heraus(38 174 angemeldete Streiktage bei halbjähriger Mitgliedschaft mit je 25 Pf. entschädigt). Für die Aussperrung vom Frühjahr würde es demnach ein paar hunderttausend Mark geben, wogegen schon der von Herrn R a h a r d t zugegebene nach- weisbare Schaden der Unternehmer ebensoviele Millionen und der tatsächliche Verlust wieder ein Vielfaches hiervon beträgt, sodaß die völlige Belanglosigkeit der Streikversicherung für den Ausgang der-wirtschaftlichen Kämpfe klar zutage liegt. Zudem ist es, wie der Kassierer des Verbandes mitteilte, noch die Frage, ob die Streikentschädigungsgesellschaft für das laufende Jahr die Prämie in der vollen statutarischen Höhe zahlen kann! Der Streikversicherungskasse gehören jetzt an 13 Verbände(1906: 5) mit 328 000(1906: 285 000) Mitgliedern und einem Gesamtlohn- betrag von 360 000 000 M.(1906: 308 000 000 M.). Gegen diese stolzen Zahlen nimmt sich der Ueberschuß der Gesellschaft vom letzten Jahr, der sich auf 17 753 M. belief, um so bescheidener aus. Die Organisationsfrage der Arbeitgeber führte zu einer kurzen Debatte, deren Ergebnis die Annahme folgender Resolution bildete: Die Generalversammlung erklärt die zentrale Berufs- organisation als das höchste Ziel der Arbeitgeber(!); diese Or- ganisation ist zunächst zu erstreben. Die Generalversammlung erklärt ferner, daß erst nach erfolgter zentraler Berufsorgani- fation die gemischte Organisation in einzelne Bezirke zu er- streben ist." Die Lehren des letzten großen Kampfes" er- ßrterte in wirrer Rede Herr Siebe! aus Düsseldorf . Be- merkenswert war daran nur, daß er die unparteiische Haltung des Berliner Gewerbegerichts bei den Einigungsverhandlungen vom Mai dieses Jahres angriff. Das stellt dem Gewerbegericht nicht das schlechteste Zeugnis aus. Herr S i e b e l ist aber sonst nach der Aussperrung ein zahmer Mann geworden, wie so viele. Im Frühjahr gehörte er zu den lautesten Schreiern undHetzern", die schondas Schicksal des Holzarbeiterverbandes besiegelt" sahen; frei- lich war aber schon damals sein Fleisch schwach, wenn auch der Geist willig, doch auch nicht stärker war. Die Düsseldorfer Unter- nehmer, die in ihren Konferenzen usw. furchtbar InS Scharfmacher- Horn tuteten, besaßen von dem besseren Teil der Tapferkeit genug, um die eigene Haut erst in Sicherheit zu bringen. Nachdem die Aussperrung schon verfügt und auch mancherorts bereits durch- geführt war, schlössen sie mit dem deutschen Holzarbeiterverbande noch einen Tarifvertrag ab. Dann freilich bedauerte Herr Siebe! öffentlich, daß die Düsseldorfer Unternehmer sich an der endlichen Vernichtung des Holzarbeiterverbandes nicht beteiligen könnten. Aehnliche Erscheinungen waren bekanntlich während der Aussperrung häufig und das Fiasko der ganzen Aktion stand schon mit der verschleppenden und konfusen Art ihrer Durch- führung fest. In HildeSheim lobte Herr Siebe! aber dieDiszi- plin" und dieOpferwilligteit" seiner Kollegen, und der Vor- sitzende betete das Lob- und Dankgebet nach. Es war das Pech der Aussperrungsunternehmer, daß sich die Arbeiter doch andere Be- griffe von Disziplin und Opferfreudigkeit gebildet haben. Einige Angaben des Herrn Siebel über die Stärke der ver- schiedenen Holzarbeitergewerkschaften bedürfen der Richtigstellung. Herr Siebel eröffnete seinen Kollegen, am Schlüsse des Jahres 1906 habe der deutsche Holzarbeiterverband 141 000 und die christ- liche Gewerkschaft 11000 Mitglieder gezählt. Herr Siebel war so freundlich, den Christlichen zu geben, um denRoten " zu nehmen. Tatsächlich musterte der deutsche Holzarbeiterverband Ende 1906 bereits 151 000 Mitglieder; Christliche gab es aber nach dem Bericht des christlichen Generalsekretärs Stegerwald 10 400. Von größerer Wichtigkeit als die Aussperrungs,, lehren" SiebelS ist folgende Resolution der Generalversammlung in puncto Behandlung der Arbeiter: Die Generalversammlung beschließt, alle bestehenden Organisationen als gleichberechtigt, bezw. verhandlungsberechtigt anzuerkennen und sie bei allen vorkommenden Fällen gemeinsam zu hören". Das geht über V. R e is w e i tz, der nur die Arbeiterorgani- fation schlechthin anerkennen wollte. Die Holzarbeit,, geber" dehnen die Anerkennung gleich aufalle bestehenden Organi- sationen" der Arbeiter aus. Mein Liebchen, was willst du noch mehr? Aber a bisserl Falschheit ist bei der Lieb alleweil dabei. Die Christlichen sind nämlich numerisch ganz bedeutungslos; sie dem mächtigen Holzarbeiterverbande alsgleichberechtigt, bezw. verhandlungsberechtigt" zu koordinieren, ist absurd, wenn nicht aus diese unverfängliche Weise die christliche Quertreiberei in die Arbeitervertretung lanziert werden soll. Wenn aber vollends die Hirsche, die den Scharfmachern im Frühjahr infame Judasdien st e geleistet haben, ehrlich um ihr Brot kämpfenden Arbeitern als gleich- und verhandlungsbercchtigter Teil aufgedrängt werden, so ist die tückisch berechnete Absicht der Unternehmer ganz klar. Deutlicher kann es den Arbeitern nicht wohl gesagt werden, daß die neue, zu Verhandlungen bereite Taktik des Unternehmertums nichts an dem Prinzip des kapitalistischen Herrentums ändert, daß sie nur ein korruptes Mitteichen ist, womit die Unternehmer bei Friedensabschlüssen dunkle Geschäfte machen Ivollen. Der Reisesekretär des Verbandes. Herr Fobbe aus BerUn. redete überAgitation". Man erlebte, daß die besitzessatte Bildung ihre Methode nicht besser zu vervollkommnen weiß, als mit geistigen Anleihen bei dem verachteten Proleten. Herr Fobbe will in den einzlenen Ortsverbänden Bezirke mit je einem Ver- trauensmann an der Spitze errichtet sehen; er ermahnt zu münd- licher Agitation, er appelliert an Solidarität und Opferbereit- schaft.Da hat er die Teile in seiner Hand, fehlt leider nur das geistige Band". Man kann so etwas nicht mechanisch kopieren, Herr Fobbe, Seele muß die Sache haben, innerenSchwung. Aber das heißt freilich von der Arbcitgeber"-Agitation das Un- mögliche verlangen. Die heilige Begeisterung, der Idealismus, der die proletarische Welt im innersten zu- sammenhält, diese agitatorisch-schöpferischen Kräfte lassen sich ein- mal nicht in den Geldschrank stellen und nach Bedarf daraus her- vorholen. Sie können nur in einer altruistisch auf- und vorwärts- strebenden Klasse tätig sein, die in Wahrheit nochheilige Güter" zu gewinnen hat, niemals in einer abwirtschaftenden Kaste, die nur noch ihre unheiligen Güter egoistisch verteidigt. Die Organisation der Arbeitsvermittelung war der Gegen- stand, über den Herr Glocke aus Bremen redete. Seine Aus- führungen waren relativ verständig; deswegen fanden sie bei der Versammlung keinen Anklang. Herr Glocke befürwortete nämlich eine Verständigung mit dem deutschen Holzarbeiter- verband zur Errichtung paritätischer Arbeitsnach- weise. Man lehnte diesen Vorschlag ab, um nicht die zärtlich geliebten Christlichen und Hirsche kalt zu stellen; auch glaubte man wohl, bei kommunal- paritätischen Arbeitsnachweisen leichter mogeln zu können. Immerhin bildet sich heute im Unternehmer- lager der Holzindustrie niemand mehr ein, die Arbeitsvermittelung dem Einfluß der Arbeiterschaft überhaupt entreißen zu können. Das sind in der Holzindustrie vergangene Zeiten. Zur Annahme gelangte schließlich folgende Resolution: Die Generalversammlung erkennt die Notwendigkeit einer Neuregulierung des Arbeitsnachweiswesens an, hat aber gegen einzelne Bestimmungen des ihr vorgelegten Arbeitsnachweis- regulativs so ernste Bedenken, daß eine Beschlußfassung verfrüht erscheint, zumal die einzelnen Bezirksverbände keine Gelegenheit hatten, zu dem Regulativentwurf vor der Generalversammlung unter sich Stellung zu nehmen. Der Vorstand wird daher be- auftragt, in neue Verhandlungen mit dem Holzarbeiter- verband zu treten und deren Ergebnis der nächsten General- Versammlung zur Entscheidung vorzulegen." Womöglich der weittragendste und wichtigste Beschluß des Kon- gresses ging dahin, daß sich der Zentralvorstand desSchutzver- bandes" mit den verschiedenen Gewerkschaften in Verbindung zu setzen habe, um eine Klassifizierung der Städte bezüglich der Ar- beitszeit und des ortsüblichen Lohnes herbeizuführen. Wenn dieser Beschluß überhaupt einen Sinn hat, so muß er den Abschluß eines über das ganze Reich ausgedehnten klassifizierten Tarifvertrages nach Art des Buchdruckertarifs einleiten. Die Hildesheimer Tage sind offensichtlich ein erzieherischer Erfolg der Gewerkschaftsbewegung insofern, als sich das grund- sätzliche Herrenrecht des Arbeitgebers" nicht mehr mit der alten brutalen Offenheit und Unmittelbarkeit auszusprechen wagt. Die Arbeiter sind nicht so töricht, darum an eine arbeiterfreundliche Herzenserweckung des Kapitals zu glauben. Sie werden weiter arbeiten und kämpfen, um ihm die Wolfskrallen zu beschneiden, die noch unter dem Lammfell scheinbaren Entgegenkommens ver­räterisch hervorlugen» Soziales* Die Sklavenkette der Konkurrenzklanscl. In dem Konkurrenzklausel-Prozeß Wertheim/Eisenstedt liegen jetzt die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils vor. DaS Landgericht begründet das die Berufung zurückweisende Urteil wie folgt: Eine Erschwerung des Fortkommens der be- klagten Handlungsgehülfin im Sinne des Z 74 des Handelsgesetz­buches war als nicht vorliegend zu erachten. Das Verbot war nach dem Vertrage auf die Dauer eines Jahres be- schränkt, was als übermäßige Ausdehnung nicht bezeichnet werden kann. Es war aber auch der Kreis der der Beklagten nach dem Vertrage verschlossenen Geschäfte ein begrenzter. Selbst wenn man annimmt, daß der Kaufmann Jandorf an einer ganzen Anzahl von Geschäften in Berlin finanziell beteiligt ist, so wird diese Beteiligung schon mit Rücksicht auf die eigenen, unter seinem Namen geführten geschäftlichen Unternehmungen eine nicht allzu große sein, zumal nicht auf dem Spezial- gebiet der Parfümcrien und Drogen, in dem die Beklagte tätig ist. Letztere wird-daher die Möglichkeit haben, unter den zahl- reichen, vertragsmäßig nicht verschlossenen Ge- schäften eine Auswahl zu treffen und wird dort mit L e i ch t i g- keit eine Stellung finden können. Andererseits läßt sich das Verhalten der klägerischen Firma als ausschließlich schikanös nicht bezeichnen. Sie mußte im Gegenteil an der Jnnehaltung der der Beklagten obliegenden Verpflichtungen ein um so größeres Interesse haben, als die Beklagte Abteilungs- leiterin und Gehülfin des Einkäufers war und daher manches Geschäftsgeheimnis erfahren haben mochte, dessen Mitteilung an ein Konkurrenzunternehmen die Klägerin schwer zu schädigen geeignet war. Etwaige Abmachungen über ihr Engagement beimKaufhaus des Westens " endlich befreien die Beklagte nicht von ihren Verpflichtungen der Klägerin gegenüber. In Ausführung des nunmehr rechtskräftigen Urteils setzte gestern die erste Kammer des Kaufmanns- g e r i ch t S unter dem Vorsitz des Magistratsrats v. S ch u l z die Strafe gegen Fräulein Eisenftedt auf 3 8 0 M. - für 38 Tage a 10 M. fest. Hierzu treten noch die Kosten des Prozesses für beide Instanzen in Höhe von zirka 200 M. Ein erneuter Antrag der Firma Wertheim, die Strafe für die folgenden Tage auf 5 0 M. pro Tag zu erhöhen, wurde zurück- gewiesen. Die Verurteilte ist nunmehr aus demKaufhaus des Westens " ausgetreten und hat noch keine andere Stellung finden können. Sie ist zurzeit völlig e x i st e n z- und subsi st enzlos, HausagrarischeS. Wer es noch nicht weiß, der kann es aus einer Denkschrift des Dresdener Baumeisters Hartwig erfahren, daß hohe Mieten das Nationalvermögen vermehren. Er verlangt behördliche Matz- nahmen, damit nicht durch Ueberproduktion von Wohnungen noch mehr Nationalvermögen verloren gehe. Der Bericht fordert lveiter eine behördliche Entschlußnahmc auf die Privattätigkeit. Es müsse eine Regelung nach dem Bedarf erfolgen. Aber nicht nur die Privatbautätigkeit, heißt es ferner, tragt zur Vermehrung der leerstehenden Wohnungen bei. Dies ist vielfach nicht weniger der Fall durch eine verderbliche Kom- munalpolitik; die unnötige Einverleibung von Vororten und ein ausgedehnter Ausbau der Straßenbahnverbindungen bis in die entlegensten Vorortsdörfer. Der vermehrte Zug in die Vororte ist in fast allen Großstädten in mehr oder minder starkem Umfange zu bemerken gewesen und in- folgedessen hat sich in diesen Vororten eine lebhafte Bautätigkeit entwickelt. Die Neubauten werden mit allen modernen Einrich- tungen ausgestattet und die Wohnungen können trotzdem billiger oder aber wenigstens nicht teurer vermietet werden wie im Innern der Stadt, weil in den Vororten das Bauland um vieles billiger zu haben ist. Die Häuser in der alten Stadt sind durchweg alle schon vor einigen Dezennien erstanden, ihnen mangeln moderne Einrich- tungen, die erst aus den Anforderungen der neueren Zeit chervor- gegangen sind. Diese Einrichtungen sind aber bei den alten Häusern auch durch kostspielige Umbauten nur in den vereinzelten Fällen zu beschaffen. Und so kommt es, daß die älteren Häuser im Innern der Stadt am meisten durch das Leerstehen der Wohnungen getroffen werden, was z. B, in Dresden ejnen Rück­gang der Mieten zur Folge gehabt hat(bis 25 Proz.). Der Bericht prüft dann die Frage der steuerlichen Be- l a st u n g e n, führt die einzelnen Steuerlasten auf und erklärt, daß nur eine starke, energische und zielbewußte Vertretung des Haus- und Grundbesitzes in den Stadtverordnetenkollegien den unheilbringenden, wohnungs- und bodenreformerischen Einflüssen ein Paroli bieten könne. Eine starke Vertretung in den Stadt- verordnetenkollegicn zu schaffen, müsse zukünftig mehr wie je die Hauptaufgabe der Vcreinstätigkeit sein. Da sich überall das Bedürfnis nach neuen Einnahmequellen geltend mache, werde der Wertzuwachs an Grund und Boden vielen Stadtoberhäuptern als willkommenes Besteuerungsobjekt erscheinen. Gesetzgebung(und Verwaltung seien weitere Gebiete, auf denen dem Hausbesitz Gefahren drohen. Der Bericht weist hier auf die vom Bundes- rat aufgestellten Normen für den Erlaß von Bäckereiverordnungen hin. Die größte Gefahr für die Hausbesitzer, welche Bäckereien in ihrem Grundstück haben, liege im§ 16 der Normen, welcher den Vorschriften im Prinzip rückwirkende Kraft verleihe, so daß sie also auch auf bestehende Bäckereien in Anwendung gebracht werden können. Daraus könnten bedeutende Vermögensentschädi- gungen erwachsen. Unterschlagung von Krankenkasscngeldern. Manche Jnnungskrauter, die jede Arbeiterforderung als un» gerechten Raubzüg denunzieren, haben ein weites Gewissen den Krankenkassen gegenüber. Sie vergessen zwar nicht, den Arbeitern die Krankenkassenbeiträge vom Lohn zu kürzen, aber in krankhafter Vergeßlichkeit unterlassen sie, die Beträge an die Eigentümerin ab« zufuhren. Und dabei klagen die Vergeßlichen über die drückenden sozialpolitischen Lasten! Die meisten Urteile, die gegen die ver- geßlichen Unternehmer gefällt wurden, waren nicht geeignet, ab« schreckend zu wirken, das Erinnerungsvermögen zu stärken. Nun hat die 7. Strafkammer des Landgerichts Berlin entschieden, daß in allen Fällen, auch wenn die Beträge später gezahlt worden sind. ein Verstoß gegen das Krankenkassengesetz und zwar auch Unter- schlagung vorliege. Alle Einnahmen für Krankenkassen seien mit dem Augenblick der Einnahme bereits Eigentum der betreffenden Kasse. Der Arbeitgeber hat daher die entsprechende Summe nicht nur am bestimmten Tage an die Kasse zu zahlen, sondern er haftet mit seiner Person dafür, daß die Beiträge, welche ja bereits Eigentum der Kasse sind, jederzeit vorhanden fein müssen. Eine städtische Rechtsausknnftsstelle zu errichten hat der Stadtmagistrat in Nürnberg beschlossen. Der Verein der Nürn- berger Rechtsanwälte hat sich erboten, in einem von der Stadt zur Verfügung gestellten Lokal turnusweise unentgeft« lich Auskunft zu erteilen. )Zus Industrie und F)andel Vom Kohlen- und Eiscnmarkt. Ueber die Lage auf dem Kohlen- und Eisenmarkt berichtet die Rheinisch-Westfälische Zeitung":Der Druck, unter dem der Markt lange gestanden, kann als beseitigt gelten. Verbraucher und Händler drängen weniger stürmisch, die Nachfrage kann besser als bor einem Monat befriedigt werden. Die Kohlenknappheit kann in der Hauptsache heute schon als gebrochen gelten. Die Ursachen dieser veränderten Verhältnisse dürften in stärkerer Förderung in den letzten beiden Monaten, der verstärkten Einfuhr englischer Kohlen und in geringeren Anforderungen einzelner Verbraucher zu suchen sein. Die mittleren Walz- und Hüttenwerke sollen daS Monatsquantum im Durchschnitt um einige 100 Tons ermäßigt haben. Trotzdem bleiben die Aussichten des Kohlenmarktes zunächst gut. sodaß zu Besorgnissen kein Grund vorhanden ist. Die vielfach auszufüllenden Lücken sind nämlich so groß, daß die vollständige Deckung geraume Zeit erfordern wird, hauptsächlich bei dem Groß- Handel und den Eisenbahnen, und der Herbstbedarf steht vor der Tür. Der Handel beginnt schon in Hausbrandsortcn für daS Herbstgeschäft zu lagern. Die Anforderungen werden bis in den Herbst hinein so groß bleiben, daß der Bedarf die Produktion schlankweg aufnehmen kann. Die meisten Zechen sind mehr als reichlich mit Aufträgen versehen und können die Vervraucher nicht immer in wünschenswerter Weise befriedigen, trotzdem Förderung und Versand auch nach den Rheinhäfen in den letzten Monaten eine Erhöhung erfuhren. Jedenfalls haben aber die gestiegenen Förderungs- und Versandziffern auch zur Befriedigung des dringendsten Bedarfes und zur Markterleichterung beigetragen." Die Notwendigkeit einer Reform im Eisenbahnwesen heweist u. a. der statistische Bericht über den Betrieb der unter sächsischer Staatsbahnverwalwng stehenden Staats- und Privatbahnen im Jahre 1906. Danach erbrachte die 3. Klasse an Einnahmen aus Fahrkarten 291� Millionen; die 4. Klasse 8Vs Millionen, die 2. Klasse 7% Millionen und die 1. Klasse etwas über 1 Million Mark. Die 3. Klasse allein erbrachte also weitaus mehr Ein- nahmen als die übrigen drei Klassen zusammen. Die 1. und 2. Klasse brachte zusammen 8)4- Millionen, die 3. und 4. Klasse zusammen 38 Millionen. Die 1. Wagenklasse wurde von 189 871, die 2. von 5 253 000, die 3. von 49 492 098 und die 4. von 25 150 774 Reisenden benutzt. Tie Zahlen beweisen, daß es sehr wohl möglich wäre, ohne Schmälcrung der Eisenbahnrcnte durchgreifende Reformen durch- zuführen zugunsten des reisenden Publikums ohne großen Geld» beutcl. Man braucht nur die 1. Klasse, die ganz unangemessen? Kosten verursacht, aufzuheben und zwei Klassen zu schaffen. Der Verein Berliner Kanfleute und Industrieller hat in Ge- meinschaft mit dem Zentralausschutz Berliner kaufmännischer, ge- werblicher und industrieller Vereine bei dem Kultusminister den Antrag gestellt, den englischen Sprachunterricht in den Gymnasien obligatorisch einzuführen. In der dem Antrag beigegebenen Be- gründung wird auf die Notwendigkeit und auf die Vorteile hinge- wiesen, die aus der Einführung des englischen Sprachunterrichts für die Besucher der Gymnasien im allgemeinen und für diejenigen unter ihnen, die ihr Berus mit den englisch redenden Teilen der Welt in Berührung bringt, erwachsen müssen. Die beiden ge- nannten Gremien erklären, es sorgfältigst vermeiden zu wollen, in den Streit der Humanisten und Realisten einzugreifen. Ihr Bemühen geht dahin, zu zeigen, daß das Gymnasium im Interesse der nationalen Wirtschaft und Kultur sich den Bedürfnissen der Praxis und den Erfordernissen, die an die Ausbildung von Kauf- leuten, Ingenieuren, Kolonisatoren und Volkswirten gestellt werden, nicht verschließen darf. Allen denjenigen, die einen praktischen Beruf ergreifen wollen, muß vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, sich die humanistische Bildung eines Gymnasiums anzueignen, und die Eingabe bezeichnet es als höchst wünschenS- wert, daß nach wie vor ein erheblicher Prozentsatz der Pioniere deutscher Wirtschaft durch die Schule der Gymnasien geh� Die amenkänische ElektrizitätSindnstrie. Soeben ist aus dem amerikanischen Zensusbureau ein Bericht über die Ergebnisse des Zensus in bezug auf die Elcktrizitäts- industrie erschienen. Schon die Bearbeitung des Zensus vom Jahre 1900 brachte einen solchen Bericht, der aber nicht in der Ausführlichkeit über dieses Gebiet Auskunft gab, wie es der letzte tut. Der Bericht des 1900er Zensus beschränkle sich auf die elektrischen Zentralen für Licht und Kraft, auf die elektrischen Eisen- und Straßenbahnen, die Telephonie und die Telegraphie. Der Bericht für 1905 umfaßt da- gegen das ganze Gebiet. Er schloß allerdings große Teilgebiete aus, die zwar direkt zur Elektrizitätsindustrie gehörten, aber doch im