Dt.l88. 24. Jahrgang. KeilM iw„öoriüirts" Sftlintt MIlsM Pittnipit), 14. M 1907. Der Parteitag des franMichen Sozialismus. Nancy , 11. August.(Eig. Bcr.) Der Parteitag der französischen Genossen hat heute früh seine Verhandlungen begonnen. DaS VolkShaus. DaS VollShauS von Nancy , in dessen geräumigem Hauptsaal der Parteitag seine Sitzungen abhält, ist ein Bau, der bei aller Anspruchslosigkeit der an archirektonischer Schönheit so reichen Stadt Ehre macht. Er ist vor 5 Jahren von dem Architekten Charbornier errichtet worden, der die Elemente des modernen Stils mit sicherem Geschmack zur Verwendung brachte. Wenn das alte Nancy der Bischöfe und Herzöge auf seiner prächtigen Place Stanislas die Ueppiglcit der Barockzeit zeigt, so war dem Haus 'eines Proletariats Einfachheit, Klarheit, Zweckmäßigkeit an- gemessen. Daß trotz des bescheidenen Baubudgets auch die Schön- heit nicht zu kurz kam, ist dem Mitwirken bedeutender Künstler mit zu verdanken. Den Giebel krönt ein vortreffliches Bildwerk: Der freie Gedanke von Viktor P r o u v ö. Ueber' dem Ein- gangstor sieht man die kraftvolle Gestalt eines aus seinen Hammer gestützten Schmieds, Eine besondere Zierde des Hauses ist die Glastür. Sie ist ein Werk des berühmten Emile Gallo, des ver- storbcnen Schöpfers der modernen Glaskunst in Frankreich . Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß der jungen Föderation des Departements — sie ist erst nach dem Amsterdamer Kongreß gegründet worden— bei der Errichtung ihres Hauses die Opferwilligkeit eines begüterten Parteigenossen, des Ingenieurs Keller—„Vater Keller"— wie ihn die Arbeiter von Nancy nennen— zu Hülfe gekommen ist. Er hat ihr den Baugrund geschenkt und auch sonst das Werk mit Rat und Tat vorwärts gebracht. Am Vorabend. Dem alten Parteibrauch entsprechend fanden gestern in Nancy und den Nachbarorten Volksversammlungen statt, in denen Dele- gierte referierten. Am imposantesten verlief die in Nancy selbst, wo Jaurös, Vaillant und Schleicher aus Metz sprachen. G u e s d e mußte wegen Unwohlsein auf das Wort verzichten. Die Versammlung hat eine ausgezeichnete propagandistische Wirkung ge- habt und wird.hoffentlich helfen, die bisher recht rückständige sozialistische Bewegung im industriereichen Lothringen zu fördern. Die Situation. Der Parteitag beginnt seine Verhandlung unter einer unleugbaren Verstimmung, die ihre Ursache in einer sehr unerquicklichen Preß- Polemik hat. Bekanntlich hat die„Humanito" eine„gewerkschaftliche Tribüne" eingerichtet, in der auch die außerhalb der Partei stehenden, ja dieser feindlich gegenüberstehenden Syndikalisten zu Wort kommen. Diese Freiheit hat nun der bekannte Sekretär der Arbeitskonföderation GriffelhueS in einer ebenso taktlosen wie gehässigen Art miß- braucht. In einem Artikel betitelt„Kriegserklärung", der sich gegen den von der Föderation der Dordogne gemachten Vorschlag wendete, die Parteiorganisationen mit den Ge- werkschaften zu gelegentlicher Kooperation zu vereinigen, griff er die Gegner seiner antiparlamenlarischen Anschauungen mit allerlei Verdrehungen, Unterschiebungen und Beschimpfungen an, namentlich den Genossen Gu es de, den er ganz im Stil der Skandalpresie als Kirchenhaupt verhöhnte, des StrebenS nach einem Ministerpostcn verdächtigte und sogar„von der Villa in Cannes , der Küste in Biarritz und vom Schloß in Pörigord" aus seine Pläne inS Werk setzen ließ, wo doch alle Welt in Frankreich , die Gegner wie die Freunde Guesdes, wissen, daß dieser Genosse zur Zeit, als er kein Abgcordnetenmandat hatte, in geradezu ärmlichen Verhält- nisten gelebt hat. Diese an Argumenten ebenso arme wie süffisante Polemik hat wegen des Orts, wo sie stand, begreiflicherweise viele Partei- genossen beftemdet, die es nicht verstehe» konnten, daß das Tagblatt der geeinigten Partei einen verdienten Genossen von einem Nicht- Parteigenossen im Namen der Meinungsfreiheit roh anrempeln lassen müsse. Im„Socialiste " veröffentlichten Vertreter von 6 Arbeits- börsen einen Protest. Der Verwaltungsrat der„Humanits" sah sich gezwungen, eine Erklärung abzugeben, die den Sinn der den Mitarbeitern des Blattes gewährten Freiheit der Acußerung in der Weise auslegte, daß persönliche Angriffe vermieden werden sollen. Im Grunde genommen war der unverkürzte Abdruck des Griffelhues- schen Artikels ohne jede redaktionelle Intervention wohl ein Versehen der sommerlich gelichteten Redaktion. Aber er war geeignet, alte Empfindlichkeiten wieder zu erwecken, und vor allen hat er die ganze Frage: Partei und Gewerkschaft wieder zu höchster Aktualität gebracht, obendrein aber mit persönlichen Momenten verknüpft. In einem großen Teil der Partei trat die Meinung zutage, daß der syndikalistischen Propaganda im Parteiorgan überhaupt ein Ende bereitet werden müßte. Auf ihrem Dcpartementalkongreß am 4. d. aber beschloß die Nordföderation, deren Mitglieder Griffelhues gleich- falls in beleidigender Weise traktiert hatte, eine Resolution, die erklärt, daß die„Humanitv" in einem Augenblick, wo sie'Belcidignngen und ungerechtfertigte Angriffe gegen die Organisationen der Föderation veröffentliche, kein Geldopfer beanspruchen könne. Dem Parteitage wohnen als Gäste die Genossen Schleicher sMetz, für die Genossen Elsaß -Lothringens ), Maes(Belgien ) und Boris Rein st ein(Sozialistische Arbeiterpartei der Vereinigten Staaten ) bei. Die Verhandlungen. Die Vormittagssitzung wird mit Angelegenheiten formalen Charakters ausgefüllt. Zu Vorsitzenden des Kongresses werden Gron ssier. Lau drin und D e l o r y gewählt. Eine lebhafte Debatte entspinnt sich über den Antrag der Nordföderation, den Kongreß für nicht öffentlich zu erklären, das heißt, nur Partei- genossen und die Partcipresie zuzulassen. Der Antrag wird mit 155 gegen 120 Stimmen abgelehnt. 37 Delegierte sind abwesend oder enthalten sich. Schleicher begrüßt den Parteitag im Namen der lothringischen und elsässischen Genossen und verliest eine Erklärung, die hervorhebt, daß zum erstenmal seit der Annexion dieser Länder seine Bewohner den Brüdern aus ihrem alten Vaterland die Hand drücken. Wie die deutschen Sozialisten seinerzeit gegen die Annexion gestimmt haben, so protestieren auch heute die Sozialisten überall gegen jede Annexion eines Landes gegen den Willen seiner Bewohner. Es sind 148 Delegierte anwesend, mit 203 Mandaten. Sechs Föderationen haben keine Vertretung auf dem Parteitag. Der Parteitag beschließt den Opfern des jüngsten Gemetzels in den Vogesen seine Teilnahme, den Mördern seine Entrüstung aus- zusprechen. Mit Akklamation wird auch eine Resolution für die ruffischen Revolutionäre angenommen. Nachmittags-Sitzung. Dubreuilh erstattet und kommentiert den Parteibericht. Compdre-Morel(Seine-et-Oise ) bringt die persönlichen Angriffe znr Sprache, die Griffelhues, der Sekretär der Arbeiterkonföderation, in der„Humanits" vor einigen Tagen gegen Jules G u e S d e gerichtet hat, und erklärt, es sei unleidlich, daß im Organ der Partei, das von allen Föderationen gefördert wird, fortwährend in der„gewerkschaftlichen Tribüne" gegen die Partei gearbeitet wird. In der„Humanits" kommen Leute zu Worte, die im Lande die Parteiarbeit stören, die anarchjstische Politik betreiben— eine Tätigkeit, deren Spuren im Rückgang der Seineföderation und der starken Wahlenthaltung im Seine-Departe- ment sichtbar sind. Der Redner legt eine Resolution vor, die die Nützlichkeit der gewerkschaftlichen Tribüne der„Humanits" anerkennt, aber erklärt, daß nur Parteimitglieder zur Mitarbeit zu- gelassen werden sollen. Corgeron spricht in demselben Sinn, wobei er auch die Ausführungen des Syndikalisten Latapie hervorhebt, der in der „Humanits" erklärt hat, was in Stuttgart beschlossen werde, sei ohne jede Bedeutung. I a u r s s erklärt, daß niemand mehr als er die Angriffe gegen Guesde, die während seiner Abwesenheit erschienen seien, beklage. Er habe es für würdiger gehalten, daß die Verwaltungskommission eine Erklärung abgebe, als er für seine Person. Wichtiger als dieser Zwischenfall, der zwischen ihm und Guesde nicht die leiseste Ver- stimmung zurücklassen werde(Guesde stimmt laut zu). sei die Frage der Aufrechterhaltung der Mitarbeit der Syndt- kalisten, die mit der Frage„Partei und Gewerkschaften" im engsten Zusammenhang stehe. Jaurss hält diese Mitarbeit für notwendig. Mit der Existenz der Arbeitskonföderation müsse man einnial rechnen, lvenn man mit ihren Tendenzen auch nicht zufrieden sei. Wir müssen der Arbeiterklasse das Vertrauen be- wahren, daß sie im Feuer des Klassenkanipfes ihre Ideen läutern wird. C o n st a n s(Montlucon ): Wenn die Syndikalisten rechfi haben, dann spielen wir hier eine unwürdige Komödie. Aber eS ist eben nicht wahr, daß die Gewerkschaft„sich selbst genüge". Compöre-Morel sagt, daß es sich nicht um die Anerkennung der Konföderation, sondern um die Redaktion der„Humanits" handele. Die Arbeiter haben nicht Zeit, viel zu lesen. Wir dürfen ihnen in unserem Blatt nicht einen Lesestoff bieten, der sie verwirrt und gegen ihre eigene Partei beeinflußt. Lauche fragt, wie man ein Zusammenarbeiten mit den Ge- werkschaften für möglich halte, wenn man sie von der Mitarbeit im Parteiorgan ausschließe. Tatsächlich habe sich auch eine Annäherung gerade infolge dieser Mitarbeit vollzogen. Die Syndikalisten, die für die„Humanits" schreiben, sind gerade von ihren Gesinnungs - genossen am heftigsten angegriffen worden. R e n a u d e l findet, daß manche Genossen alle Tendenzen im Proletariat, die ihnen nicht passen, als Anarchismus abtun wollen. Es gibt Sozialisten auch innerhalb der Partei— sonst würden wir den Bankrott der sozialistischen Wahlpolitik erklären. Er wirft der Nordföderation vor, wenig fiir die„Humanits" getan zu haben Warum hat Guesde selbst nie für das Blatt geschrieben? Renaudel verliest die Erklärung des Redaktionskomitees der„Humanits" nach dem Zwifchenfall Griffelhues, von dem er glaubt, daß er den Ver- letzten jede Genugtuung gibt. Die Debatte zieht sich in die Länge und wird recht ermüdend. Schließlich faßt R e n a r d noch einmal die Argumente der Nordföderation zusammen: Seine Freunde hätten nicht im geringsten die Absicht, die Konföderation zu vernichten, im Gegenteil, sie hielten sie für notwendig. Aber sie seien entschlossen, die libertären Tendenzen in ihr zu bekäinpfen. Im Norddepartement habe man für die„Humanits" eifrig gearbeitet, bis zu dem Zwischenfall. Er appelliert an den Kongreß, Klarheit zu schaffen. JaursS versichert noch einmal, daß in der Redaktion der „Humanits" keine Voreingenommenheit gegen irgend eine Richtung in der Partei herrsche. Wenn man die gewählten Repräsentanten der Konföderation nicht zur Mitarbeit eingeladen hätte, wäre das eine Kundgebung des Mißtrauens gegen diese Arbeiterorganisation gewesen. Jaurss erklärt, die Annahme des Vorschlages Compsre- Morels wäre eine Verurteilung seiner ganzen Tätigkeit beim Blatt und er müßte die Konsequenzen daraus ziehen. Es liegt außer Compsre-Morels Antrag eine Resolution Renaudels vor, die unter Billigung cher Erklärung des Verwaltungs- komitees der„Humanits"— die die Notwendigkett hervorhebt, per- sönliche Augriffe zu vermeiden— den Uebergang zur Tagesordnung ausspricht. Die Resolution Renaudel wird mit 1S2 gegen IIS Stimmen angenommen bei 5 Stimmenthaltungen. 9 Föderationen find bei der Abstimmung nicht vertreten. C a m s l i n a t erstattet den Kassenbericht. Die Gesamt- einnahmen betrugen 78 000 Fr., die Ausgaben 52 000 Fr. Der Kassenbestand 30 000 Fr. Unter den Einnahmen ist die Partei- ft e u e r der Deputierten mit 34 000 Fr. verzeichnet. Sozlaldemoliratlsche Caudesttonfereoz für Sachen. Erster Tag. Dresden , den IS. August. Im Volkshaus, im eigenen Heim der Arbeiterschaft Dresdens finden die Verhandlungen statt. Allein die Tages- ordnungspunkte: Die Reichstagswahlen, vor allem aber: Die Wahlrcchtsfrage und die nächsten Landtagswahlen in Sachsen geben diefen Verhandlungen eine ganz besondere politische Bedeutung. Zu Vorsitzenden werden Fleißner- Dresden und L t p i n s k i- Leipzig gewählt. Richter- Dresden begrüßt die Konferenz im Namen des Lokalkomitccs und betont, daß Dresdens Arbeiterschaft elfrig an der Arbeit sei, die Scharte vom 25. Januar— den Verlust von Drcsden-Altstadt wieder aus- zuwetzen. In Dresdens 3 Wahlkreisen seien gestiegen: die politisch Organisierten von 12 800 auf 19 500, die Gewerkschaftlichen von 70 000 auf 100 000 und die Abonnenten der Partcipresse von 27 000 auf 30 000. Zum Geschäftsbericht des Zentralkomitees, — dessen wichtigste Zahlen wir kürzlich brachten und die ein ge» waltigcs Anwachsen der Parteiorganisationen und Abonnenten zeigen— bemerkt der Vorsitzende des Komitees Sindermann. daß die vom Zentralkomitee vorgeschlagene Beitragserhöhung für die Parteiorganisationen auf 10 Pf. pro Woche und Mitglied not- wendig sei und ebenso unzutreffend die Einwände dagegen. In den 0 Kreisen, die 10 Pf. Beiträge erheben, seien die Organi- sationen am stärksten— von 28 432 auf 44 005 gestiegen. Lebhafte Debatte ruft die Frage der Beitragserhöhung hervor. Vertreter einiger Wahlkreise im Gebirge und mit Landbevölkerung, wo Stundenlöhne von 17 bis 20 Pf. gezahlt werden, halten höhere Beiträge nicht für möglich. Dagegen wird aber besonders von L i p i n s k i aus den stark ländlichen Wahlkreisen der Nachweis geliefert, daß dort solche Beitragserhöhung größere Stabilität und Anwachsen der Mitglicderzahlen brachten. Beschlossen wird, den Beitrag pro Woche und Mitglied auf 10 Pf. zu erhöhen. Sodann wird Genosse L i p i n s k i�- Leipzig beauftragt, eine Broschüre zu bearbeiten, die die behördlichen Maß- nahmen in Sachsen gegen die Arbeiterbewegung auf dem Gebiete des Versammlungs» und Vereins- rechtes zusammenstellt. Braune- Dresden empfiehlt, das Obligatorium für die sächsischen Gemeindevcrtreter zum Bezüge der„Kommunalen Praxis" aufzuheben. Von den sächsischen Gemeinde- Vertretern seien berechtigte Beschwerden darüber vorgebracht, daß die sächsischen Gemeindeverhältnisse nicht genügend berücksichtigt würden. Dagegen führt Bruns- Berlin als Vertreter der die „Kommunale Praxis" verlegenden Buchhandlung„Vorwärts" aus, daß von den 55 000 Druckzeilen der„KoinTnunalen Praxis" in den letzten beiden Jahren allein 14 000 die sächsischen Verhältnisse behandelten. Sindcrmann hebt aber hervor, daß wohl die beiden Städte Leipzig und Dresden den größten Teil der 14 000 Zeilen in Anspruch nahmen, aber die Verhältnisse der 1250 Landgemeinden nicht genügend berücksichtigt und behandelt würden. In dem heutigen Zustand könne sie den Vertretern der Land- gemeinden nichts nützen. Bruns- Berlin meint, daß es ihm scheine, als wenn man wieder einen besonderen Teil der„Kommunalen Praxis" haben wolle. Da läge es doch im Interesse der Partei, sich an den Parteitag zu wenden und dort eine neue andere Ausgestaltung des Organes zu beantragen. Auch nicht eine einzige Beschwerde oder Anregung in dieser Richtung sei von den sächsischen Genoffen in den letzten 2 Jahren gekommen. Die Konferenz beschließt, das Obligatorium aufzu» heben, den Gemeindevertretern den Bezug der„Kommunalen Praxis" zu empfehlen. » m» Dresden , 13. August. (Privatdepesche des„Vorwärts".) Nach Referaten L i p i n s k i s und G o l d st e i n S beschloß die Landeskonferenz einstimmig einen scharfen Protest gegen den Wahlrechtsentwurf der Regierung und die sonstigen Vorschläge bürgerlicher Parteien, da sie Versuche sind, die Entrechtung der Arbeiter Sachsens zu verewigen. Sie fordert daS allgemeine Wahlrecht für alle Männer und Frauen über 21 Jahre. Die Agitation zu den Landtagswahlen im Herbst soll benutzt werden, um diese Forderung energisch zu propagieren. Der Sitz des Landes- komitees bleibt in Dresden . Die nächste Konferenz soll in Plauen tagen._ Zweiter linternationaler Kongreß für Schulhygiene. London , 0. August. In der Sektion für die„hygienische Unterweisung für Lehrer und Schüler" trat Prof. Dr. Hartmann-Leipzig für den Kampf gegen den Alkoholismns auch in der Schule ein.— Lehrer Weigl- München verlangte die Aufklärung der Jugend über die Wirkungen der Genußgifte. Dazu gehöre nicht nur der Alkohol, sondern auch Caffein und Nikotin. Es müßten den Schülern die besten Ersatz- stoffe bekannt gemacht werden.— Eine andere Sektion be- fürwortete nach Referaten von Dr. Hopf-Dresden , Mme. Linder- Schweden und Prof. Guttmann-Wien die körperliche Ausbildung der Schüler wie überhaupt die Förderung der persönlichen Ge- sundheitspflege. In der 8. Sektion„Sonderschulen für schwachbegabte und ab- norme Kinder" gab Stadtschulrat Dr. Wehrhahn-Hannover, der Vorsitzende des„Verbandes deutscher Hülfsschulen", einen Ueber- blick über den Stand des deutschen HülfsschulwcsenS. Insgesamt gäbe es jetzt in Preußen 130 Städte mit 204 Hülfsschulen, in denen 505 Lehrer und 100 Lehrerinnen 13 102 Kinder unterrichten. In den übrigen Bundesstaaten seien noch 80 Städte mit 110 Hülfs- schulen und 7044 Hülfsschülern vorhanden. Insgesamt konnten 07 Proz. als gänzlich erwerbsfähig entlassen werden, 9 Proz. blieben erwerbsunfähig. Die Zahl der Klassen habe seit 1903 um 50 Proz., die der Hülfsschüler gar um 08 Proz. zugenommen.— In der letzten Sektion schließlich wurde die wichtige Frage der „sexuellen Ausklärung in der Schule" verhandelt. Dr. Chotzen- Berlin hielt systematische Kenntnisse der sexuellen Hygiene für ein Erfordernis der berufsmäßigen Erzieher. Als Vorbereitung zur Aufklärung müßten schon im frühen Alter botanische und zoologische Studien getrieben werden. Hier könnten Vereine viel leisten. Der Erfolg des Deutschen Vereins zur Bekämpfung der Geschlechts- kranlheiten beweise, was getan werden könne. Schule und Eltern- Haus müßten hier Hand in Hand arbeiten.— Lehrer Seansky- Böhmen behandelte die Frage, ob in sexuellen Sachen die Auf- klärung imstande sei, die sexuellen Verirrungen der Jugend gänzlich zu verhindern. Das könne geschehen, wenn Aufklärung und Vorbild Hand in Hand gehen und wenn die Aufklärung die notwendige Autorität der Eltern und des Lehrers besitze. Auch sei die Autorität des Schularztes in diesen sexuellen Angelegenheiten von größter Wichtigkeit. Eine andere Aufklärung werde als Ver- hindcrungsmittel gerade so wenig ausrichten als die Furcht vor Strafe.— Tluchor-Wien legte dar, daß die sexuellen Verirrungen der Kinder die verbreitetsten Ursachen auffallender Mißerfolge in der Erziehung seien. Das große Ouellengebiet der Ursachen sexueller Anormalien liege im nichtgeordneten Leben vieler Familien. Den sexuellen Verirrungen müßte entgegengearbeitet werden durch eine naturgemäße Ernährung und durch Vermeidung aller Reizmittel einerseits und durch sittliche und religiöse Be- lehrungen andererseits. Die Errichtung von Schulwerkstätten zur Ausübung eines Handfertigkeitsunterrichts sei besonders zu empfehlen. Sexuelle hygienische Belehrungen müßten beim Ver- lassen der Schule den Kindern beiderlei Geschlechts gegeben werden. Vor allen Dingen aber müßten Aerzte, Lehrer und Eltern hier zusammenarbeiten.— Damit waren die Arbeiten der Sektionen beendet. In einer gemeinsamen Schlußsitzung wurde heute noch einmal das geleistete Arbeitspensum durchgesprochen und gebilligt. Zur Erledigung einiger wichtiger schulhygienischer Fragen wurde ein internationales Komitee gebildet, in das für Deutschland Prof. Gricsebach-Mülhausen i. Elf. gewählt wurde. Der 3. Jnter- nationale Kongreß für Schulhygiene soll 1919 in Paris stattfinden. Internationaler Metallarbeiter. Kongreß In Milel. Brüssel , 12. August.(Eig. Ber.) Heute begannen im„Maison du Peuple" die Beratungen des fünften internationalen Mctallarbeiterkongresses, der eine so starke Beteiligung aufweist, daß sich der für die Verhandlungen in Aus- ficht genommene Saal als zu klein zeigte. Die morgigen Ver» Handlungen werden daher in dem geräumigeren„Weißen Saal" tagen. Genauere Angaben über die Zahl der Teilnehmer sind zur Stunde nicht möglich, da die Präsenzliste noch nicht vorliegt. Erwähnen wir aber die Vertreter bedeutender Organisationen: Für England Geo Barnes(Mechaniker), der 100 000 MitaNeder. vertritt, I. Davis(Kupferschmiede), John Hodge(Eisen- gießer), ferner Walls, Outbertson, Beadle, Hobson , E h a x und Millerchip Walsall . Deutschland ist durch zehn Delegierte vertreten, darunter Schlicke(Verband deutscher Metallarbeiter), Cohen, Dißmann, Jschinger, Seve» ring, Haak, Basner. Lange, Bischoff. Oester» reich zählt fünf Delegierte, darunter der Redakteur des öfter- reichischen„Metallarbeiter", Heinrich Beer, Domes, Exner, und H a r n a f. Vertreten sind ferner Ungarn (drei Delegierte). Amerika , Holland , Belgien (15 Delegierte) und Frankreich . Der Kongreß beginnt seine Verhandlungen vormittags mit einer Ansprache des Sekretärs der belgischen Metallarbeiter. Genossen Solan, der in herzlicher Weise die Anwesenden auf belgischem Boden be grüßt. Für die deutschen Metall» arbeiter spricht Genosse Schlicke, der auch der Freude der Deutschen Ausdruck gibt, die Gelegenheit hatten, den Jubiläums. festlichkeiten des„Maifon du Peuple" beizuwohnen. Schlicke fpricht dann der belgischen Metallarbciterorganisation über ihre günstigen Fortschritte feine Anerkennung aus. Es bewahrheitet sich, was die deutsche Metallarbeiterorganisation stets vertreten hat: daß die internationale- Organisation nur mächtig sein werde. wenn die nationalen Organisationen aufs kräftigste zentralisiert sein werden,
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