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von Lberhaupt 7628 Fabriken mit 200816 Arbeitern wurden 1784 Betriebe mit 104 801 beschäftigten Arbeitern revidiert, gleich B0 Proz. der Arbeiter und 31 Proz. der Betriebe. Die Zahl der beschäftigten jugendlichen Arbeiter hat um 723, die der beschäftigten Kinder um 23 zugenommen. Die stärkste Zunahme zeigt die Textil- industrie im Ober-Elsaß. Dort wurden an Stelle der Streikenden jugendliche Arbeiter eingestellt. Junge Leute von 1416 Jahren wurden in allen 3 Aufsichtsbezirken 15127 und Kinder unter 14 Jahren 1162 beschäftigt. Bezeichnenderweise wird über Mangel an »jungen Leuten" in den meisten Industriezweigen und auch im Hand- Werk geklagt. Die größere Zahl der jungen Leute wurde von den zum Hüttenwesen gehörigen Anlagen absorbiert. Im Oberelsaß beträgt die Zahl der jugendlichen Arbeiter 8191 bei einer Gesamt- arbeiterschaft von 86 755 Personen. Wohl war der Geschäftsgang ein guter und stiegen die Löhne, aber sagt der Bericht wörtlich: Die Lebensmittelpreise find in den letzten Jahren schneller in di» Höhe gegangen als die Löhne in den meisten Erwrrbszwrigen, so daß es im allgemeinen den Leuten kaum möglich war, den früheren Stand ihrer Lebenshaltung aufrecht zu erhalten." Zahlreich wurden die Handhabungen der gesetzlichen Bestimmungen durch die Unternehmer von den Aufsichtsbeamten beanstandet. In Sägewerken. Schotterwerken. Steinbrüchen und Ziegeleien, in Spinne- reien, vor allem aber in Tabakfabriken wurden jugendliche Arbeiter über 10 Stunden hinaus beschäftigt. In zwei Ziegeleien wurde ungesetzliche Beschäftigung von Kindern beobachtet. Resigniert meint der Bericht, daß die in Ziegeleien da und dort noch austretende ungesetzliche Arbeit von Kindern und Frauen.sich nur durch eine ausgiebige Mitwirkung der Ortspolizeibehörden wird völlig be- seittgen lasten". Zu schamlosen Ausbeutungspraktiken griffen zwei neugegründete Zigarrenfabriken. Die eine schloß mit 26 von 44 beschäftigten Personen.Lehrverträge" ab, worin die Lehrlinge sich zur Zahlung von Entschädigung verpflichten, falls sie vor Ablau von zwei Jahren die Fabrik verlassen. Die jungen Leute wurden aber als Wickelmacher eine Arbeit, die man in 14 Tagen lernt und obendrein noch im Akkordlohn beschäftigt. Die andere Fabrik unterschied sich nur darin von der eben genannten, daß sie drei Jahre Lehrzeit und 100 M.(I) Entschädigung forderte. Gegen diese .Menschenfreundlichkeit" legte die Inspektion ihr Veto ein. Die Verfehlungen gegen das Kinderschutzgesetz wurden in bedeutender Zahl festgestellt. In einer Ziegelei wurden zwei italienische Kinder unter 13 Jahre» beschäftigt. Der Beamte von Lothringen hat festgestellt, daß in einzelnen Gemeinden des Kantons Saaralben Schulkinder bis nachts 10 und 11 Uhr, oft bis Mitternacht mit Flechtarbeiten in der hausindustriellen Strohhut- flechterei beschäftigt wurden. Unter den ungünsttgsten Licht- und Luftverhältnissen wurden selbst noch nicht schulpflichtige Kinder heran- gezogen. Im günstigsten Falle verdient eine erwachsene geschickte Person bei einer Arbeitszeit von morgens früh bis nachts 1 Uhr 2 Mark.(III) Der gewöhnliche Verdienst schwankt zwischen 0.80 bis 1,20 Mark. Ungeschickte verdienen noch weniger. Wörtlich sagt der Bericht hierzu: Die Ernährung ist daher eine sehr schlechte, vielfach nur Brot und Schnaps(I!!), Kaffee und Kartoffeln, und bedingt mit den in jeder Hinficht gesndheitswidrigrn Arbeitsverhältnissen eine frühzeittge Abnutzung. Die jungen Leute werden militäruntauglich, die Mädchen alten früh und find fast sämtlich blutarm und brustkrank." Und der Beamte bemerkt weiter, daß die Polizeibehörden auch tn anderen ErwerbSzweigen Mißstände ähnlicher Art festgestellt haben. Und wenn etwas geeignet ist, die Notwendigkeit zu zeigen, daß auch der Klastenstaat der Heimarbeit mehr Aufmerksamkeit zu- wendet, dann die Bemerkung seines Beamten, daß eS dem viel- beschäftigten Gewerbeaufsichtsbeamten beim besten Willen nicht möglich sei,dieUeberwachungder gesetzlichen Bestimmungenalletn durchzuführen. Uebereinstimmend konstatiert ferner der Bericht, daß bei der häufig vorkommenden Ueberttetung der gesetzlichen Bestimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter auffallend niedrig« Geldstrafen von den Gerichten festgesetzt werden. Oftmals seien die Ersparniste durch Nichtanbringung von Schutzvorrichtungen vorteilhafter als die niederen Geldstrafen. Der Beamte bestätigt, waS wir schon oft sagten: .Solange von den Gerichten so überaus niedrige Strafen für schwere materielle Vergehen gegen die«rbeiterschutzvorschriften. nicht allein gegenüber Jugendlichen, sondern gegen alle Arbeiter. verhängt werden, ist auf eine Verminderung der Zuwiderhand- lungen nicht zu rechnen." Wir sind sogar der Meinung, daß solche»Strafen" direkt einen Anreiz bilden, die Gesetze zu überschreiten. Der Unternehmer macht dabei immer noch seinen Profit. Im Gegensatz zu dem Verhalten der llnternehmer konstatiert der Bericht vom Ober-Elsaß, daßdie Arbeiter sich immer mehr um die Anbringung von Schutzvorrichtungen kümmern und Beschwerden Über das Fehlen solcher Einrichtungen mehrfach im Berichtsjahre einliefen". Insbesondere wirkten die Bauarbeiter bei der Ausführung des ArbeiterschutzeS auf Bauten mit. Einer Tuchweberei mußte untersagt werden, galizische Arbeiter beiderlei Geschlechts in durchaus feuchten und verwahrlosten Räumen zu lassen. In einer Ziegelei benutzten Mann, Frau und Schwägerin einen Schlafraum. In einer anderen Ziegelei schliefen acht Italienerinnen in einem Speicher neben dem Maschinenraum. Jede Ausstattung des Raumes fehlte. Die abgelegten Kleider mußten an den Sparren des unverschalten DacheS untergebracht werden. Der Bericht bringt auch einige erfreuliche Mitteilungen über die Verkürzung der Arbeitszeit. Im Unter-Elfaß haben fünf größere Be- triebe die zehnstündige Arbeitszeit unter Fortzahlung der früheren Verdienste für die Beschäftigten durchgeführt und»seht, gute Er­fahrungen gemacht". Das Wasserwerk der Stadt Straßburg hat bei seinem Tag- und Nachtbetrieb unter vernrehrung der Arbeiter- zahl drei achtstündige Wechselschichten eingeführt. Im Kreise Ecbweiler, tn der Stadt Colmar , in den Seiden- Handwebereien von St. Ludwig, ja selbst da und dort in den Textilbetrieben der Gebirgstäler ist der 10- oder lO'/z stündige Arbeitstag durchgeführt worden. Jnterestant ist eine Stattstik, die eine Gebweiler Firma aufgenommen hat. vor dem Streik wurde bei ihr 11, nach dem Streik lO'/z Stunden ge­arbeitet. Pro Stunde und Webstuhl wurden vor dem Streik durch- rcynittlich 2,5176 Meter produziert. Nach dem Streik aber: vom 21. April bis 6. Mai 2,468 Meter, vom 6. Mai bis 19. Mai 2,646 Meter und voin 19. Mai bis 2. Juni 2,601 Meter. Das beweist, daß bei kürzerer Arbeitszeit die Leistungsfähigkeit des Arbeiters steigt.________ �Zeriebts- Leitung. Eine Anklage wegen Postportohinterziehung, die für die tveitesten Kreise der Geschäftswelt von großem Interesse sein dürste, wurde gestern vor der ersten Ferienstrafkammer des LandgeriHts II verhandelt. Auf der Anklagebank mußten der Verlagsbuchhändler Dr. Ohnefalsch-Richter. der Schriftsteller Dr. Schulz-Engelhard und der Kaufmann Eduard vnrber Platz nehmen, um sich wegen Ver- gehens gegen den Z 1 des Reichsgesetzes über das deutsche Neichspost- Wesen vom 23. Oktober 1871 zu verantworten. Die beiden erst- genannten Angeschuldigten sind Geschäftsführer bezw. Teilhaber der Leporello Verlagsgesellschaft m. b. H.", während der dritte An- geklagte Angestellter der Berliner Paketsahrt-A.-G. Starke u. Co. ist. Im Frühjahr dieses Jahres wurden von der genannten Ver- N�antmartlicher Redakteur: Sans Weber. Berlin . Für den lagSaustalt an zahlreiche Personen besseren Standes ohne vorherige Bestellung 16 Kunstblätter zum Preise von 1,60 M. übersendet. Zwischen dem Verlage und der Paketfahrtgesellschaft kam ein Ver- trag zustande, nach welchem letztere gegen eine bestimmte Gebühr den Versand der Kunstblätter übernahm. Der Versand selbst ge- schah in der Weise, daß die Blätter in einem großen verschlossenen Kuvert, welches mit beftimmter Adresse versehen war, an die ein- zelnen Personen von Angestellten der Paketfahrt abgeliefert wurden. Am 27. Dezember v. I. sandte die Verlagsgesellschaft dem Studiosus der Medizien Kientopf im verschlossenen Kuvert jene Kunstblätter zu. Zufälligerweise ist der Empfänger der Sohn des Postdirektors K., der darin einen Verstoß gegen das Postgcsetz erblickte. Dies schreibt vor, daß Briefe ausschließlich von der Postbehörde befördert werden dürfen. Eine Verletzung dieser Verordnung zieht eine Bestrafung mit dem vierfachen Betrage der hinterzogenen Portofumme nach sich. Seitens der kaiserlichen Oberpostdirektion wurde Anzeige bei oer Staatsanwaltschaft erstattet, die das jetzige Strafverfahren zur Folge hatte. Vor Gericht behaupteten die Angeklagten, nach keiner Richtung hin gegen das Monopol der Postbehörde sich ver- gangen zu haben. Es sei allgemein in der Berliner Geschäftswelt üblich, leichtgewichtige Waren als Paket durch die Paketfahrtgesell- schast besorgen zu lassen. Einen Brief könne man keineswegs in den Sendungen erblicken, sondern nur ein Paket. Der Staats- anwalt hielt die Angeklagten jedoch einer Portodefraudation für schuldig. Nach der konstanten Rechtsprechung des Reichsgerichts sei alles, was unter 260 Gramm wiege und in einer briefähnlichen Umhüllung untergebracht werden könne, als Brief im Sinne des Postgesetzes anzusehen. In dem vorliegenden Falle habe die Sen- dung sogar nur 224 Gramm gewogen. Da nach einer eigenen An- gäbe etwa 7000 Exemplare versandt worden seien, so entspreche dies einem Portosatze von 360 M. In Gemäßheit der Strafbcstim- mungen des Portogesetzes beantragte der Staatsanwalt eine Geld- strafe von 1400 M. Das Gericht erblickte ebenfalls in den Sen- düngen der Angeklagten eine Briefform und erkannte auf eine Geldstrafe von je 1460 M._ Schwerer" Diebstahl. Daß vor unternehmungslustigen Spitzbuben wirklich nichts sicher ist, als etwa glühendes Eisen, wurde durch eine Anklage be- stätigt, welche die vorbestraften Arbeiter Franz Kark und Karl Elsner gestern vor die zweite Ferienstrafkammer des Land- gerichts Berlin III führte. Die kleine alte Kirche, die vor Er- bauung der neuen großen Kirche in Boxhagen-Rummelsburg die Stätte für Abhaltung des Gottesdienstes bildete, hat die Wandel- barkeit der irdischen Geschicke auch an sich erfahren müssen: nach- dem sie für die geistlichen Zwecke überflüssig geworden war, wurde sie verkauft und einer profaneren Bestimmung zugeführt. Aus dem Kirchlein, dessen kleines Türmchen eine Glocke beherbergte, wurde ein Restaurationslokal, in dessen Räumen lebensfrohe Men- schen bei lusttgen Tanzweisen einen kleinen Vorschutz auf die Selig- keit zu nehmen pflegen. Die Glocke, die auch noch bei der Metha- morphose des alten Bauwerks in dem kleinen Turme hängen blieb, hatte es den beiden Angeklagten angetan. In der Nacht vom 10. zum 11. April kletterten sie geräuschlos auf das Dach, lösten kunst- gerecht die 106 Pfund schwere Glocke aus dem Glockenstuhl und es gelang ihnen wirklich, mit ihrer gewichtigen Beute unbemerkt zu entkommen. Sie haben die gestohlene Glocke für 35 M. verkauft. Nach kurzer Zeit waren die Persönlichkeiten der dreisten Diebe festgestellt und Kark, der mit Rücksicht auf die Zahl seiner Vor- strafen fluchtverdächtig schien, wurde in Untersuchungshaft genom- men. Er wurde gestern vom Gerichtshofe zu 6 Monaten Gefängnis unter Anrechnung von 1 Monat Untersuchungshaft verurteilt. Gegen ElSner lautete das Urteil auf 3 Monate Gefängnis. Die für im Rückfalle verübten Diebstahl oder Betrug angedrohten Strafen stehen oft in keinem Verhältnis zu dem Werte, um den eS sich bei der Tat handelte. So wurde vom Landgericht Chemnitz ein Berg- arbeiter, der sich seinen Kaffeekrug mit Kohlen füllte deren Wert neun Pfennig betrug, wegen einfachen Rückfalldiebstahls zu der Mindeststrafe für dieses Delikt zu dreimonatlicher Ge- fängnisstrafe verurteilt. Eine arme Arbeitersehefrau stahl für ihr Kind, das sie unter dem Herzen trug, vom Bleichplatze weg, auf den sie durch Uebersteigen gelangt war, etwas Kinder wüsche von geringem Werte. Sie wurde wegen im Rückfalle ver- übten schweren Diebstahls mit der Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis belegt. In beiden Fällen waren den Angeklagten mildernde Umstände zugebilligt worden; ins Zuchthaus wanderten sie, wenn ihnen mildernde Umstände versagt worden wären, wie dsm Handarbeiter G r o p p. der, ein Mann von 53 Jahren, nach der Verbüßung seiner Strafe sich wieder auf kleine Schwindeleien ver- legte. Er benutzte die Dienstbotennot auf dem Lande und erreichte in 16 Fällen, daß ihm Betröge von 26 Pf. bis 2 M. ausgehändigt wurden für Besorgung von Dienstboten, für die er sich angeboten, an die er aber gar nicht gedacht hatte; in 7 Fällen hatte er keinen Erfolg gehabt. Da er als rückfälliger Betrüger vor das Gericht kam und dieses ihm mildernde Umstände versagte, mußte er zu Zucht- hausstrafe und Geldstrafe zugleich verurteilt werden. Das Urteil lautete auf 3 Jahre Zuchthaus und 2766 M. Geldstrafe, an deren Stelle weitere 124 Tage Zuchthaus treten, denn der arme Teufel hätte ja die Schwindeleien nicht ausgeführt, wenn er soviel Geld hätte. Grausam harte Strafen müssen oft von den Gerichten ver- hängt werden, weil den Richtern durch die Minimalgrenze die Hände gebunden sind. Da können die Verhältnisse, die den Taten zugrunde lagen und für manchen Täter zwingend waren, nicht berücksichtigt werden. Ost geben dann die Richter den Rat, die Gnade des Landesherrn anzurufen. Laut und den Gesetzgebern vernehmlich muß aber die Forderung erhoben werden: Weg mit der hohen Minimalstrafgrenze! Ein ganz unglaubliches verbrechen hat der Musiker Wilhelm H e l l m e r begangen. Er ist am 22. Juni vom Schwurgericht Landsberga. W. wegen Notzucht, begangen an seiner eigenen 80 Jahre alten Mutter, verurteilt worden. Seine Revision wurde vom Reichsgericht als unbegründet ver- w o r s e n._ Sein eigenes Geld gestohlen. Wegen Rückfalldiebstahls und Hehlerei ist am 22. Juni vom Landgericht Neu-Strelitz der Tischlergesetzlle Friedrich Holz zu 1 Jahr 6 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Er hat das Vertiko seines Vaters gewaltsam geöffnet und zwei Hundertmark- scheine daraus entwendet. In seiner Revision machte er geltend, daß das Geld eigentlich ihm selbst gehört habe, da es zu semem Erbteil gehörte, dessen Nießbrauch der Vater nur habe. Das Reichsgericht erkannte gestern auf Verwerfung der Revision, da dieser Umstand einen Diebstahl nicht ausschließe. Ein gefährliches Dienstmädchen. Vom Landgericht T r a u n st e i n ist am 29. Mai die noch nicht 18 Jahre alte Dienstmagd Anna Heineritzi wegen vorsätz« licher Brandstiftung zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Es gefiel ihr bei ihrer Herrschaft nicht und, um aus der Stelle zu konrmen, zündete sie einfach das Haus ihrer Herrschaft an, wodurch dieser ein großer Schaden entstand. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das Reichsgericht das Urteil im Strafmatz auf und ver- urteilte die Angeklagte zu der gesetzlich zulässigen Mindeststrafe von einem Jahre Gefängnis._ Ein dreister Heiratsschwindler beschäftigte das Reichsgericht. Vom Landgericht 1 in München ist am 15. Juni der Monteur Joseph Köck wegen Rückfall- betruges und Urkundenfälschung, ferner wegen mehrfachen schweren und einfachen Diebstahls im wiederholten Rückfalle und verbotenen Waffentragens zu 9 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Als er Anfang Dezember 1906 fünf Tage in Steinhöring als Inseratenteil verantw.: Tb. Glocke, Berlin . Druck u.Berlag: Vorwärts Monteur tätig war, knüpfte er mit der Kellnerin T. ein LiebeS- Verhältnis an, obwohl er schon zweiBräute" hatte. Er ver- sprach ihr, sie zu heiraten und unterhielt von München aus mit ihr einen Briefwechsel. Er versprach ihr auch, ihr eine gute Stelle zu verschaffen und suchte sich auch auf andere Weise in ihr Ver- trauen einzuschleichen. Alles dies tat er nur, um ihr nach und nach ihre Ersparnisse in Höhe von 47 M. abzuschwindeln. Einem anderen Mädchen schwindelte er auf ähnliche Weise 480 M. ab. Dann hat er noch eine Reihe von Diebstählen ausgeführt, bei denen seine Geliebte, die Mitangeklagte Schwendberger, Hehlerdienste leistete. Die nur von Köck eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht verworfen. Versammlungen. Die Berliner Gewerkschastskommission hielt am Montag eine Versammlung ab, in der zunächst die Neuwahl des Aus» s ch u s s e S vorgenommen wurde. Die Auszählung der Stimm- zettel ergab, daß folgende Genossen in den Ausschuß gewählt waren: Wilhelm Börner, Tabakarbeiter; Ernst Brückner, Graveur; Josef Hartmann, Metallarbeiter; Hermann Maatz, Holzarbeiter; Paul Schade, Buchbinder; Oswald Schumann , Handelshülfsarbeiter und Willi S i e r i n g, Schmied. Sodann berichtete Kunze, Schneider, über den B o h k» t t in der Konfektion. Er bemerkte einleitend, daß die Schneider, als sie vor fünf Vierteljahren die Verhandlungen mit Partei und Gewerkschaften anknüpften, geglaubt hätten, die Sache werde etwas schneller durchgeführt werden. Sie könnten bis jetzt jedoch mit dem erzielten Erfolge vollauf zufrieden sein. Selbst- verständlich sei es, daß die Zwischenmcister dem Hauptzweck des Boykotts lebhaften Widerstand entgegensetzten, weil sie selbst daran interessiert seien, das Zwischenmeistersystem aufrecht zu erhalten. Der Redner zeigte an einigen Beispielen, welche Gewinne Zwischen« meister durch ihre Tätigkeit des Abholens und Lieferns der Arbeit erzielen, und erwähnte u. a. einen Zwischenmeister, der vier Arbeiter und eine Arbeiterin beschäftigte, im ganzen III M. Lohn die Woche auszahlte, selbst aber für seine eigene Person 74 M. Gewinn erzielte. Man könne, so führte der Redner weiter aus, natürlich nicht aus Rücksicht auf die Existenz dieser Zwischenmeister die Interessen der großen Masse seiner Kollegenschaft preisgeben. Die Kollegen, die nicht bei Grossisten arbeiten, könnten nun ja nicht von diesen selbst fordern, daß sie Werkstätten einrichten sollten. Aus diesem Grunde habe man das ja auch von der Berliner Arbeiterschaft anerkannte Verfahren einschlagen müssen. Damit habe man nun zunächst erzielt, daß ungefähr 25 Detailgcschäfte, die für den eigenen Bedarf arbeiten, Werkstätten einrichteten, in denen ungefähr 300 Personen tätig sind. Der Boykott der Detail- geschäste, die von Grossisten beziehen, wirke aber auch dahin, daß die Großkonfektionäre selbst sich genötigt sehen, eigene Werkstätten zu errichten, um die Kundschaft der Detailliften nicht zu verlieren. Einige Detailgeschäfte, die bisher alles von Grossisten bezogen, haben nämlich eigene Werkstätten errichtet, weil sie die in der Heimarbeit hergestellte Ware der Grotzkonfektionäre nicht'mehr an den Mann bringen konnten. Bis zum Herbst würden für 800 bis 1000 Arbeiter und Arbeiterinnen Werkstätten eingerichtet sein. Das sei für den ersten Anlauf ein guter Erfolg. Nun könne man ja annehmen, daß die Gesetzgebung durch eine Reglementierung der Heimarbeit eingreifen werde. An sich sei von solchen Maß- regeln nicht viel zu erwarten, doch würden wahrscheinlich manche Grossisten aus Furcht und Abneigung vor der vielen Schreiberei und Kontrolle, die damit verbunden sein werde, lieber in eigenen Werkstätten arbeiten lassen. Wenn die Gesetzgebung dazu beitrage, so könne das der Schneidxrorganisation lieber sein, als alle Reglementierung der Heimarbeit. Der Redner erwähnte ferner die einstweilige Verfügung und den Prozeß, den der Boykott der Firma Böhm, Skalitzerstrahe, zur Folge hatte. Die einst» weilige Verfügung wurde bekanntlich vom Landgericht aufgehoben, aber darauf vom Kammergericht wieder für zu Recht bestehend erklärt. Der Redner meinte, daß nun vor dem Reichsgericht wohl der Schneiderverband wieder an der Reihe sei, Recht zu erhalten. Im übrigensei die Firma Böhm in der Skalitzerstraße gerade durch den Prozeß jedenfalls bekannt genug geworden, so daß das Verbot, sie zu boykottieren, der Sache selbst nichts schaden könne. Auf andere Firmen beziehe sich das Verbot ja nicht; wenn diese vielleicht Lust hätten, den ganzen Sommer über des Boykotts wegen zu prozessieren, sei das ihre Sache. Zum Schluß ersuchte der Redner die Gewerkschaftsvertreter, dafür zu sorgen, daß den Ver» tretern der Schneiderorganisation Gelegenheit gegeben werde, in Versammlungen der einzelnen Gewerkichasten über die ganze Angelegenheit zu sprechen, und sprach im Namen seiner Organi- sation den Dank dafür aus, daß die Arbeiterschaft bisher für eine gute Wirkung des Boykotts gesorgt hat. Hierauf machte der Gcwcrkschaftsfekretär K ö r st e n eine Mit» teilung, die sich auf den Verfall der Sternwarte in Treptow bezog. Ueber die Sache selbst hat bekanntlich der Vorwärts" kürzlich unter dem TitelEin Notschrei" berichtet. Der preußische Staat hat bekanntlich für dieses gemeinnützige Institut kein Geld übrig, und die Stadt Berlin begnügte sich damit, die vierprozentige Verzinsung eines Kapitals von 100 000 M. zu garantieren. Von Privatleuten sind 96 000 M. für das Institut aufgebracht. Der Neubau soll so hergestellt werden, daß er den Ansprüchen weit mehr als der alte Bau genügt, und mit einem Vortragsraum, der 600 bis 700 Personen Platz bietet. Dazu sind 250 000 bis 260 000 M. nötig. Der Direktor der Sternwarte hat sich nun an die Gewerkschaften gewandt mit dem Angebot, ihnen für eine Summe von im ganzen 80 000 M. 100 000 Doppclbilletts zur Verfügung zu stellen, und sich auch erboten, für die Einzel- billetts in großen Sälen Berlins Projektionsvorträge zu halten. Die Doppelbilletts gelten für Vortrag und Fernrohr der Stern» warte. Den Gewerkschaften steht es frei, für die Mühewaltung mit dem Vertrieb der Billetts einen Aufschlag zu berechnen. Für die Gültigkeitsdauer der Billetts ist eine Grenze nicht festgesetzt. Die Sache ist um so mehr zu empfehlen, als vom Jahre 1908 ein Komet, zunächst erst durch das Fernrohr, nach zwei Jahren auch mit bloßem Auge sichtbar wird, der seit 1835 nicht mehr beobachtet werden konnte. Der Redner forderte die Delegierten auf, die Angelegen» heit ihren Gewerkschaften zu unterbreiten, damit sich jede ihrer Mitgliederzahl und ihren Mitteln entsprechend daran beteiligen kann. Zum Schluß ersuchte Körsten die anwesenden Gewerbe- gerichtSbeisitzer, zwei Anträge an den Ausschuß des Berliner Gewerbegerichts zu unterzeichnen, von denen der eine die Ab- änderung des Z 31 des Gewerbegerichtsgesetzcs zum Ziele hat, während der andere sich auf die Konkurrenzklauscl bezieht, die ja jetzt auch vor dem Gewerbegericht immer mehr eine Rolle spielt. Die Verlesung der Präsenzliste ergab, daß folgende Berufe und Unterkommissioncn nicht vertreten waren: Bildhauer, Brauer, Bureauangeftellte, Chcmi�raphcn, Glasschleifer, Kupferschmiede, Lagerhalter, Marmorarbeitcr, Steinarbeiter, Steinsetzer, Tech. nisches Bühnenpersonal, Zuschneider; Lichtenberg , Reinickendorf . Rummelsburg , Schöneberg und Tegel . Die Generalversammlung des Verbandes der baugewerblichen Hlllssarbciter fand am Sonntag vormittag in der Brauerei Friedrichshain " statt. Nach dem Bericht des Kassierers Böttcher iib�r das 2. Quartal 1907 betrugen die Einnahmen 123 247,21 M. Der Bestand vom 1. Quartal war 85 366,11 M. Somit waren als Einnahmen insgesamt zu buchen 208 613,32 M. Die Ausgaben be- liefen sich auf 114 314,03 M., bleibt also zum 3. Quartal ein Bestand von 94 299,29 M. Die Ersatzwahl für einen Revisor war vorzunehmen und Theodor Schmidt wurde gewählt. Böttcher legte dann eine Strcikabrechnung vor und unterbreitete der Versammlung einen Antrag des Vorstandes, daß die Mitglieder einen Extra- beitrag von 60 Pf. pro Woche für die Zeit von zehn Wochen leisten sollen. Nach kurzer Diskussion wurde der Antrag mit großer Majorität angenommen.__ Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.