c. Es soll das Streikpostcnstchen direkt verboten werben und falls die gesetzlichen Grundlagen für ein solches Verbot gegen- wärtig fehlen, mit möglichster Eile dafür Sorge getragen werben, daß die gesetzliche Basis hierfür geschaffen werde; 3. Es möge die hohe Regierung sich mit den Regierungen der angrenzenden Länder ins Einvernehmen setzen, um geeignete gemeinschaftliche Magnahmen zu treffen, das einheimische Handwerk und Gewerbe und die persönliche Freiheit der Arbeits- willigen zu schützen. � Aus der langen Begründung dieser elenden Scharfmachereien erfährt man, daß der Verband der Bauunternehmer am 24. Juni eine Eingabe an das Polizeidepartement mit dem Verlangen ge- richtet hat, den„Kordon" zu beseitigen, den die in Basel streikenden Bauarbeiter längs der ganzen Kantonsgrenze gezogen hatten, um „Arbeitswillige" abzuhalten. Das Polizeidepartcment hat sich dann in der Tat an die K r e i S d i r e k t i o n M ü h l h a u s e n(!) und das Polizeidepartement des Kantons Baselland um Untersuchung .der Angelegenheit gewandt. In den Antworten dieser Behörden werden nun die„Tatsachen" als sehr harmlos bezeichnet, so dasz auch daS Basler Polizeidepartement keinen Anlatz hatte, weitere Schritte im Sinne der Scharfmacher zu unternehmen. Damit waren aber diese selbstverständlich nicht zufrieden und so haben sie nun ihre neuerliche Forderung nach dem direkten Streikpostenverbot erhoben, das die Regierungen der angrenzenden Länder ebenfalls erlassen sollen. So werden nun schweige- rische Bauunternehmer zu Jnitianten für eine neue Zuchthausvorlage in Deutschland und damit stellt sich da? wütendste Ausbeuter- und Scharfmachertum der Schweiz an die Spitze der europäischen Reaktion. Welche große Schande für die demokratische Republik, daß ihre Bürger derart politisch verkommen und gesunken sind. Freilich ist ihre ganze Hetze nur-in Schlag ins Wasser, denn was sie ver- langen, wird nicht durchgesetzt werden. Aber dieser voraussichtliche Mißerfolg niacht ihre schlechte Handlungsweise nicht besser. Wie dringend notwendig wird aber unter solchen Umständen die weitere Ausbreitung und Erstarkung der schweizerischen Arbeiterbewegung, um endlich der Reaktion, die vor keiner Gewalttat und Schandtat mehr zurückschreckt, ein Ende zu machen und der freiheitlichen Ent- Wickelung die Bahn zu öffnen. IMel und Gewcrhlcljaftcn in Italien . Tie Antwort des ParteivorstandcS an die„Konföderation". Rom , 14. August.(Eig. Bericht.) Die Tagesordnung der„Konföderation der Arbeit" gegen die italienische Partei hat das Exekutivkomitee des Parteivorstandes zu einer Antwort veranlaßt, die vier Spalten des heutigen „ A v a n t i" ausfüllt. Das Kommunique setzt auseinander, daß daS Exekutivkomitee es für seine Pflicht halte, die gegen die Partei erhobenen Vorwürfe zurückzuweisen, da es aus finanziellen Gründen nicht angängig sei, über diese Frage eine Plenarsitzung des ParteivorstandcS einzuberufen. Es wird dann auf die integralistische Tagesordnung von R o in hingewiesen, die es als Pflicht der Partei bezeichnet,„die wirtschaftliche Organisation in ihren verschiedenen Formen— Gewerkschaft, Genossenschaft, HülfSkasse— zu entwickeln und eine Arbeiterschutzgesetzgebung zu er- obern, die, in Gemäßheit der Beschlüsse der Arbeiterorganisationen, die stückweiscn Eroberungen der Gewerkschaften ausbauen und ver- allgemcinern". � Nach diesen Leitsätzen, die für ihn allein maß- gebend seien, hätte der Partcivorstand gehandelt. Die Formel, nach der Partei und Konföderation ihre Beziehungen regeln müßten, wäre die der Koordination, nicht der Subordination. ES sei deshalb zu bedauern, daß die Konföderation der Arbeit in einer Tagesordnung sich gegen die Partei gewendet hätte, anstatt freundschaftliche Verhandlungen einzuleiten. DaS Exekutivkomitee setzt dann auseinander, in welcher Weise die Partei und der Vorstand den Beschlüssen de? Parteitags von Rom gerecht geworden sei: 1. Durch Berufung von 4 Gewerkschafts- führcrn in den Vorstand; 2. durch Abhaltung einer gemeinsamen Sitzung von Vorstand, Parlamentsfraktion und Ausschuß der Kon- föderation der Arbeit; 3. durch Zulassung einer Vertretung der Konföderation zu allen Vorstandssitzungen; 4. durch Unterstützung aller Gewerkschaftsbewegungen im„Avanti"; S. durch Aufnahme von Gewerkschaftsführern oder Sachverständigen tn Schutzgesetz- gebungsfragcn in die Redaktion des„Avanti"(C a b r i n i, R i a o l a, B o n o m i); 6. durch eine Tagesordnung des Vor- standeS und der Fraktion zugunsten der Wahl von Arbeitern in das Parlament; 8. durch die parlamentarische Aktion(ReiSarbeiter- schütz, Militärausgaben, Nachtarbeit der Bäcker); 9. durch Er- nennung eines besonderen Propagandisten für die wirtschaftliche Propaganda; 19. durch Entsendung der beiden politischen Propa- gandisten des Vorstandes zur Vertretung gewerkschaftlicher Jnter- essen; 11. durch Ernennung eines Propagandisten für Sizilien , der sich hauptsächlich der Organisation der Landarbeiter widmen soll; 12. durch Unterstützung der Inspektionen, die der Verband der italienischen Kooperationen in Kalabrien veranstaltet hat; 13. durch Eröffnung von Sammlungen für die Streiks von T e r n i und Ar genta im„Avanti"; 14. durch Anregung kommunalpolitischer Reformen in der jüngsten Zusammenkunft sozialistischer Kom- munalvertreter in Rom ; IS. durch Verteilung der Mandate zum internationalen Kongreß, bei der V Mandate der Partei und 6 der Konföderation der Arbeit zugeteilt wurden. WaS den„Avanti" betrifft, so führt das Kommunique aus, daß auch auf den Raummangel, an dem das Zentralorgan leider, Rück- ficht genommen werden muß; jetzt, wo der„Avanti" Setzmaschinen einführt, würde dieser Mangel durch die Veranstaltung von drei Auslagen für die verschiedenen Landcsteile teilweise behoben werden. Der Konföderation stände jederzeit frei, durch Einsendung von Mit- teilungen am„Avanti" mitzuarbeiten. In der Beurteilung der Streiks folge das Zentralorgan den Leitsätzen der Partei; zwischen diesen und der Konföderation der Arbeit sei aber bisher noch nie von einem Einvernehmen über diese Fragen die Rede gewesen. In Bezug auf die Anklagen gegen die Parlamentsfraktion heißt es, daß der Vorstand selbst bereits die Unzulänglichkeit der Fraktion in eigener Tagesordnung hervorgehoben hätte. Haupt- Ursache dieser Unzulänglichkeit sei der Mangel an Diäten für die Abgeordneten. Dann wird die Tätigkeit der Fraktion für die bereits erwähnten Gesetze hervorgehoben und mitgeteilt, daß die Er- vennung eines Fraktionssekretärs bevorstünde. WaS die Kompetenzfrage betrifft— die Konföderation erklärte die Partei in allen Streikangelegenheiten für un z u st ä n d i g— so hebt daS Kommunique hervor, daß zunächst in allen politischen Streiks die Partei zuständig sei. Der Konföderation unterständen auf alle Fälle nur die Streiks der ihr angehörenden Organisa- tionen. In diese habe sich die Partei nie als leitender Faktor ein- gemischt; sie habe sich nur begnügt, auf den Schauplatz großer Streiks ihre Vertreter zu entsenden, um die Arbeite� vor politischer Vergewaltigung zu schützen. Es wird zugegeben, daß ein Einver- nehmen wünschenswert sei. das Fehlen eines solchen sei aber beiden Teilen, nicht allein der Partei, zur Last zu legen. ES sei von der Konföderation übel vermerkt worden, daß der „Avanti" für Argenta und Terni Geldsammlungen veranstaltet hätte, die natürlich die Beiträge zu anderen Streiks becinträch- tigten. Bisher hätte aber auch die Konföderation derartige Samm- lungen veranstaltet, um erst seit 19 Tagen für die Bildung eines einzigen Streikfonds einzutreten. Es stünde noch dahin, ob dieses System— theoretisch das bessere— sich in Italien praktisch oe- währen würde. Das Exekutivkomitee erklärt dann ausdrücklich, daß es sich daS Recht und die Pflicht jedes Soziali st en, im Kampf dem Proletariat zur Seite zu stehen, auch in Streikfällen nicht nehmen lassen wolle. Nach einigen Ausführungen über die Formen lokaler Organi- fationcn schließt das Kommunique mit der Versicherung, daß die Partei nichts sehnlicher wünsche, als ein gutes Einvernehmen mit den Gewerkschaften, allerdings auf der Basis der.Gleich- stellung und nicht der Unterordnung Gerade diese letzten Ausführungen werden nicht verfehlen, in Parteikreisen einen guten Eindruck zu machen, wenn sie auch nicht gerade nach dem Herzen der Reformisten der äußersten.Rechten sind._ politische öcberlicbt. Berlin , den 17. August 1907. Das Zentrnm als Konkurrent des Flottenvereins! Die„Germania " will es nicht Wort haben, daß durch die Rede des Herrn Spahn das Zentrum, wie der„Vor- wärts" es nannte, zum Konkurrenten des Flottenvereins avanciert sei. Der Flottenverein, erklärt das führende Zentrumsblatt, habe viel mehr gefordert, nämlich ein paar neue Linienschiffsgeschwader, während Herr Spahn viel be- scheidener gewesen sei. Nun, Herr Spahn forderte die Ver- größerung des Typs unserer Neubauten bis zu 22 und 23 000 Tonnen und Herabsetzung des Dienstalters der Linienschiffe von 25 auf 20 Jahre! Das heißt also Beschleunigung der Ersatzbnuten, genau dasselbe, was auch die jüngste Nummer des Organs des Flottenvereins empfiehlt! Daß Herr Spahn tatsächlich dem Flottenverein Konkurrenz macht, bestätigt auch die in Sachen des Panzerplattenpatriotis- mus vorzüglich unterrichtete„ N h e i n i s ch- W e st f ä l i s ch e Zeitung". Sie schreibt: „Das Scherzhafte bei der Sache ist nur, daß der Zentrumsführer jetzt auf der Spur des verhaßten, gemeingefährliche» Flotte»Vereins zu wandeln versucht. Auch was Dr. Spahn über den schnelleren Ausbau unserer Flotte sagt: Herabsetzung der Lebensdauer der Linienschiffe von 2S auf 20 Jahre— ist eine alte Forderung des Flottenvereins. Man wird sich jener zirka 400 099 Nnierschriften tragenden Petition an den Reichstag ge- leqenilich des letzte» Flottengesetzcs erinnern, die sang- und klanglos im Papierkorbe versank, nachdem Staatssekretär v. Tirpitz in der Budgetkommission seine„vertraulichen" Erklärungen ab- gegeben hatte.„Schneller bauen!" lautete die Resolution der Kölner Tagung des Flottenvereins. —„Beschleunigung der Ersatzbauten' fordert Herr Dr. Spahn in Rheinbach . Vor allem aber möchten wir auf folgenden Passus hinweisen:„Wir dürfen unsere Augen nicht verschließen vor der Gefechtsstärke, die andere Staaten ihren Schiffen geben... Bei den heutigen Wirkungen der Artillerie hat das an Gefechtsstärke den: gegnerischen Schiffe nachstehende Linienschiff für die Schlacht selbst dann verminderten Wert, wenn öS ihm an Geschwindigkeit überlegen ist: es wird zusammengeschossen, bevor es an den Feind herankommt." — Aber Herr Spahn I Das ist ja genau die gemein- gefährliche Redensart von den„schwimmenden Särgen", die damals dem Flottenverein so gewaltig übelgenommen wurde." Fauler Zauber ist es auch, wenn sich die„Germania " gleich der„Köln . Volksztg." damit herauszureden sucht, daß das Zentrum als solches sich ja noch gar nicht darüber ge- äußert habe, wie es über die Auslasfnngen Spahns denke. Hat doch weder die„Germmiia" noch die„Köln . Volksztg." Herrn Spahn bis jetzt zu desavouieren gewagt!— Tu' Geld in den Beutel! Die Kolonialpresse tut so, als ob der neueste Einfall von 169(II) Hottentotten in unser südwestafrikanisches Gebiet eine neue gewaltige Kriegsgefahr für diese uns so„teuer" gewordene „Kolonie" darstelle. DaS Mb sse- Bla tt schildert die Situation in seinem heutigen Abendblatt als besonders kritisch: „Dabei ist ganz besonders zu berücksichtigen, daß die Truppen, über die Deutschland im Süden verfügt, bedeutend schwächer sind als die Trn p p e nm a s> en, die für die Friedensorganisation vorgesehen sind. Das er- scheint wohl eigentümlich, aber die Erklärung kann in dem Um- stände gefunden werden, daß durch die beabsichtigt gewesene Heim send un g von Truppen— mit der es wohl jetzt seinBe- wenden wird haben müssen— eine Herabminderung der Truppen zahl erfolgte und daß man auch gegen Simon C o p p e r hat Truppen stellen müssen. Es bestehen jedoch Zweifel darüber, daß man angesichts der so plötzlich ver- änderten Verhältnisse mit den derzeit vorhandenen Truppen wird anskommen können und es ist viel- mehr zu erwarte», daß Estorff und Lind equist au den Reichstag mit neuen Forderungen werden heran- treten müssen." ES ist ein starkes Stück, daß in dem freisinnigen Blatte für außerordentliche Tnlppeilverstärkungen Reklame gemacht wird l In Wirklichkeit ist die Behauptung des Moffe-BlatteS, daß die Zahl der zurzeit in Süd-West vorhandenen Truppen g e- r i n g e r sei, als die vorgesehene Friedensorganisation, Schwindelt Denn in dem Morgenblatt des»Berliner Tage- blatts" selbst war zu lesen: Nach der„N. pol. Korr." befinden sich im deutsch-südwest - afrikanischen Schutzgebiet zurzeit 217 Offiziere, 47 Sanitätsoffiziere, 124 Beamte und 6534 Mannschaften, in Summa 6922 Köpfe. Hierzu kommt der am 11. d. M. von Kn�haven abgegangene Ab- lösungStransport in Stärke von 8 Offizlercn. 1 Sanitätsoffizier und 959 Mannschaften, so daß sich im Monat September im Schutzgebiet V881 Köpfe befinden werden. Es sind also Mitte September rund 2000 Mann mehr in Süd- West, als die„FriedenSorganisatioit" vorsah! Das bestätigt auch das Scherl-Blatt! Es wäre also ungeheuerlich, wenn man mit diesen annähernd 7000 Mann nicht mit den 200 Hottentotten fertig werden wolltH Diverse Millionen— vielleit sogar Dutzende von Millionen!— wird uns allerdings der neue„Orlog" MorengaS kosten I Das Verfahren wegen Hochverrats gegen den Genossen Karl Liebknecht ist nunmehr vom Feriensenat des Reichsgerichts in einer Sitzung vom 9. August beschlossen worden. Genosse Liebknecht hat selbst keinen Zweifel darüber ge- lassen, daß er diesem Prozeß mit größter Seelenruhe entgegen- sieht. Der„Vorwärts" hat wiederholt erklärt, daß es ihm absolut unerfindlich sei, wie selbst die klügclndste juristische Spitzfindigkeit in Liebknechts verdienstlicher Broschüre die Indizien auch nur vorbereitender Handlungen zur Vor- bereitung eines hochverräterischen Unternehmens entdecken könne. Wir sind sicher, daß daS Reichsgericht bei diesem Prozeß sehr schlecht abschneiden wird. Die Oeffentlichkeit — deren Ausschluß ja aus- geschlossen erscheint— wird der Verhandlung mit be- greiflicher Aufmerksamkeit folgen! Die christlichen Gewerkschaften als freikonservative Schntztrnppe. Der freikonservative Verein in Barmen- Elberfeld hat beschlossen, einen ständigen Ausschuß zu bilden, der die dauernde Verbindung unter den verschiedenen Parteien, die sich bei der letzten Reichstagswahl unter der Bezeichnung„christlich-nationale Volks- und Bürger» Parteien" zusammengefchloffcn hatten, zu unterhalten und zu fördern. In diesem Ausschuß sollen außer den Freikonservativcn die christlichsozialen Vereine, die deutschnationalen, die evangelischen Arbeiter- und die Jünglingsvereine vertreten sein. In dem Kuddelmuddel, das Herrn Linz den ReichstagSsitz sichern soll, fehlen die christlichen Gewerkschaften, die sich in der Stichwahl zwischen dem Genoffen Molkenbuhr und dem Blockmann Linz stramm auf die Seite des freikonservativen Scharf- machergenossen gestellt haben. Weshalb die Partei- und Gewerk- schaftsgenossen des Herrn Giesberts nicht mit in den Bund auf- genommen worden sind» darüber läßt sich daS Blatt des Herrn Linz wie folgt aus: „Ein wackerer Mitkämpfer in der Reichstags« Wahlschlacht waren auch die Glieder der christ» l i ch e n Gewerkschaften. Da sie als solche sich diesem Ausschuß offiziell nicht anschließen werden, es aber ebenso rätljch wie auch nötig erscheint, daß eine stete Fühlung mit ihnen unterhalten wird, so möchten wir die dem neu- gebildeten Ausschuß angeschlossenen Vereine bitten, bei der Aus- ivahl der in den Ausschuß zu entsendenden Vertreter auch auf die christlichen Gewerkschaften Rücksicht zu nehmen und zwar in der Weise, daß ein Teil der Delegierten gleichzeitig auch Mitglieder der christlichen Gewerkschaften sind. damit auch diese in der Lage sind, etwaige Wünsche in der Kommission vorzubringen. So würde sich zweifellos ein Ver- hältnis zu den christlichen Ge werkschaften herausbilden, das denBestrebungen des neuen Ausschusses nur förderlich sein könnte." Die christlichen Gewerkschaften werden also für würdig be- funden, dauernd dem freikonservativen Scharfmachergenossen als Schutztruppe zu dienen— zwar nicht„als solche", denn da- leidet die„politische Neutralität" nicht, aber durch einzelne ihrer Mit- glieder, WaS in der Sache genau so ist, als ob die christlichen Gewerkschaften„als solche" in dem freikonservativen RettungS- ausschuß vertreten wären. Ohne Jesuiterei geht? bei der Gesell- schaft eben nicht ab.— Hirsch-Tunckersche und Wahlrecht. Demnächst findet ein Gewerkvereinstag für Rheinland und Westfalen statt. Auf der Tages- ordnung steht u. a. auch die preußische Wahlrechts- r e f o r ni; Referent ist Landtagsabgeordneter Gold- schmidt....... Die„Düsseldorfer Post", das Blatt der rheimsch-west- fälischen Gcwerkvereinler, schreibt in einem Artikel zur Wahl- reform:„Ter Herbst rückt immer näher und damit die Zeit, wo der Kampf um die Wahlrechtsreform stärker einsetzen wird. Daß dieser zu einem Sturm wird, der das ganze preußische Volk in seinen tiefsten Tiefen auf- rührt, um das elende st e aller Wahlsysteme zu Fall zu bringen, dafür wollen auch unsere Leser sich mit ihrer ganzen Kraft einsetzen."— Zur Winzerbewcgung im Rheingau. Die Vorgänge in Südfrankrcich waren für einige Zentrums- leute im Rheingau die Mitveranlassung, zu Sonntag den 21. Juli eine allgemeine Winzcrversamnrlung einzuberufen, um gegen die Weinpantscherci im allgemeinen und gegen die namentlich in Preußen geübte legere Handhabung der Weinkontrolle im be- sonderen zu protestieren. Kaum war aber die beabsichtigte Ein- bcLufung der Versammlung bekannt geworden, als Gegcnordcr kam, offenbar, weil man an emem Sonntag einen unerwünscht starsten Zuzug der Arbeitcrschast befürchtete. Eine später erfolgte 'Bekanntmachung eines mittlerweile gebildeten Aktionskomitees ver- legte die Versammlung auf den 15. August(Maria Himmelfahrt ), locist das für die einheimische Bevölkerung ein Feiertag ist, die auswärts beschäsligteu Industrie- � und Bauarbeiter aber ihrer Beschäftigung nachgehen mußten, die Versammlung also nicht be- suchen konnten. Der Zweck der Winzerbcwegung ist natürlich hier wie in Frankreich , die in manchen Lagen in Frage gestellte Rentabilität des Weinbaues zu steigern. Das Angebot von Wein soll in ein günstigeres Verhältnis zur Nachfrage gebracht werden und die Gewähr, reinen Naturwein zu erhalten, soll die Nachfrage nach Wein bei solchen Leuten anregen, die sich der Weinschmiererei wegen dem Biere zugewandt haben. Von diesen Bestrebungen war m der Versammlung ausschließlich die Rede, obgleich den Reichs- und Landtagsabgeordnetcn Baumann. Schüler und Dahlem sicherlich nicht unbekannt ist, daß mit der Beseitigung der Weinschmiercrei kaum die Hälfte der Frage gelöst ist. Denn die Verteuerung des Bodens macht zur Rentabilität auch zum mindesten halbwegs gute Erträge notwendig. Die verschiedenen Fehljahre haben nun die kleinen Winzer im Rheingau — das ist das rechtsrheinische, mit Wein bepflanzte Ufcrgebiet zwischen Main und Lahn — in eine immer größere Verschuldung und damit der Prolcfarisierung nahe gebracht. Welche Bedeutung dem Klein- winzcrstand im Rhcingau heute noch zukommt, erhellt daraus, daß von insgesamt 2317 WeinbergSbetrieben 84,61 Proz. der Gesamtzahl auf Kleinbetriebe mit weniger als einem Hektar Rebgelände entfallen. Diese Kleinwinzcr besitzen meist die geringen und ge- ringsten Lagen und erzielen mithin, wegen der geringeren Qualität ihrer Weine und wegen der Zwangslage, die sie unbekümmert um den niedrigen Stand der Preise, gleich nach der Lese zum Berkauf nötigt, trotz der Knappheit des Weines einen so geringen Erlös, daß in den letzten Jahren nicht immer die Selbstkosten gedeckt wurden. Daß unter solchen Umständen der„W i n g e r t s m a n n". das ist der Weinbcrgsproletarier, nicht daran denkt, für sich eine bessere Bezahlung zu verlangen, ist selbstverständlich. Im südlichen Rheinhessen haben wir allerdings die Anfänge einer Winzer- bcwegung rein proletarischen Charakters zu verzeichnen, dort ist es unter Führung des Küfcrverbandes in neuerer Zeit bereits zum Abschluß von Tarifverträgen zwischen den Weingutsbesitzern und den Wingertsleuten gekommen. Im Rheingau haben sich aber die Weinbergsproletarrer bisher auch in den weinbaulichcn Großbetrieben nicht gerührt, woraus sich denn auch erklärt, daß tn der großen Versammlung keiner der ZentrumLredner den „W i n g e r t s m a n n" zu erwähnen auch nur für notwendig hielt! Auch in der nachstehenden Resolution wurden sie, obgleich dieselbe sehr ins einzelne geht, nicht genannt. Sie verlangt für das ganze Reich: einheitliche Kellerkontrolle für daS ganze Reich durch hierzu im Hauptamte angestellte Beamte; obligatorische Lager- buchführung für Winzer, Weinhändler und Wirte, hclche eine genaue Kontrolle über den Eingang und Ausgang aus dem Lager ergibt; das Verbot über die Zeit von der Lese bis 31. Dezember desselben Jahres hinaus, und mehr als 29 Proz. zu zuckern, (räumliche und zeitliche Begrenzung der Zuckerung); die De- k l a r a t i o n s p f l i ch t s) des ZuckerzufatzcS überhaupt und b) für den Verschnitt von Rotwein mit Weißwein; den Marken- schütz bezw. daS Erfordernis der Herkunftsbezeichnung des Wernes; für jede absichtliche Ucbertrctung des Weingcschcs F r c i h e i t S- und Geldstrafe; eine scharfe sanitäre Ueber- wachung und Kontrolle der aus dem Auslände eingehenden Trauben und Weine; amtliche Erhebungen über die Lage des Winzcrstandes und insbesondere der Größe des in Deutschland a) aecrnteten, d) eingeführten und c) vorhandenen Quantums an Wem. Zur Aufrcchtcrhaltung und Förderung des KleinwinzerstandcS im Rheingau forderte die Versammlung weiter— in diesem Falle vom preußischen Landtag — die Gewälhrung unverzinslicher Darlehen an bedürftige Wi n ze r seitens des Staates; die Gewährung billigen Betriebskapitals
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