�flt Deutschland berichtet Fräulein Ottilie Baader- Nerlin: Tie sozialistische Frauenbewegung in Deutschland reicht mit ihren ersten Anfängen bis in die sechziger Jahre zurück. Sie hat sich von vornherein zu einer sozialistischen KampfeSbewegung herausgebildet und hat von vornherein das Bestreben gehabt, die Scheidung zu vollziehen zwischen den bürgerlichen und sozialistischen Frauen, weil die bürgerlichen Frauen mit ihren Einzelreformen den Kapitalismus nicht aus den Angeln heben, sondern ihn stützen und festigen wollen. Bereit» vor dem Sozialistengesetz bestand eine ziemlich radikale Frauenbewegung. So waren im sächsischen Vogt- lande damals bereits über KXX) Frauen organisiert. Wenn auch durch das Sozialistengesetz die Bewegung zum Teil wieder zurück- geschlagen wurde, so hat doch die sozialistische Aufklärung in den Köpfen revolutionierend gewirkt und heute finden sich in unseren vieihen«ine große Anzahl aufgeklärter, theoretisch geschulter Ge- nossinnen. Unsere rechtliche Lage ist eine sehr schwierige. Wir haben nameutlich in Preußen nicht einmal das �reie Vereins- und Versammlungsrecht. Politischen Vereinen dürfen Frauen in Preußen nicht angehören. Aber nicht nur der Buchstabe deS Gesetzes, sondern auch seine Handhabung hindert uns an der Organisation. Trotzdem haben wir es verstanden, die sozialistische Frauenbewegung.in Deutschland zu fördern. Wir haben un- politische BildungSvereine gegründet, um den Frauen die für den Befreiungskampf notwendigen Kenntnisse zu vermitteln. Zurzeit bestehen 94 solcher BildungSvereine. Wir veranstalten in diesen vereinen auch Musikabendc, Konzerte und Vorträge belehrender und unterhaltender Natur. In verschiedenen Bundesstaaten Deutschlands haben allerdings die Frauen auch das Recht, poli- tischen Organisationen anzugehören, so z. B. in Hamburg , Bremen und so weiter. Die Zahl der in den sozialistischen Wahlvereinen organisierten Frauen beträgt 19 599.(Bravo !) Weiter ist durch daS Organisationsstatut der sozialdemokratischen Partei den Frauen die Möglichkeit geboten, durch Zahlung freiwilliger Beiträge ihre Zugehörigkeit zur Partei zu dokumentieren. Für diese Frauen fcaben wir Lese- und TiSkussionSabende eingerichtet. An 97 Orten Deutschlands leisten 8751 Frauen diese freiwilligen Beiträge. (Bravo !) DaS Organ, dem wir unsere theoretische Schulung ver- danken, ist die„Gleichheit". Es hat viel Mühe und Arbeit gekostet, daS Blatt auf die jetzige Höhe zu bringen. Aber die Arbeit war nicht umsonst. Der Abonnentenstand beträgt heute 79 999.(Lebh. Beifall.) Und jedes Exemplar der„Gleichheit" wird sicher von mehr als nur einer Genossin gelesen. Besonderen Anklang findet bei uns die Jugend- und Kinderbeilage der„Gleichheit", lieber- aus erfreulich sind unsere Oraanisation»crfolge in gewerkschaftlicher Beziehung. Nach der letzten Zählung gab cS 129 999 gewerkschaftlich organisierte Arbeiterinnen.(Lebhafter Beifall.) Nähere Angaben über unsere Organisationsverhältnisse finden Sie in dem gc- druckten Bericht. Ich hoffe, daß wir auch aus den anderen Ländern so günstige Berichte zu hören bekommen.(Lebhafter Beifall.) Frau Tchlesinger-Eckstein- Wien beantragt zur Gc. schäftSordnuna, daß die weiteren Berichte mit Rücksicht auf die anderen Punkte der Tagesordnung und mit Rücksicht darauf, daß die Berichte gedruckt vorliegen, möglichst kurz erstattet werden. (Zustimmung.) Genossin Dr. Madeleine P e l l e c-- Paris von der„Socieiät" der Frauen"(Societe de? femmeS"): In Frankreich gibt eS. wie in Deutschland , eine rechtsstehende und eine linksstehende Frauen- dewegung. Die rechtsstehende Frauenbewegung tritt sehr schüchtern auf. Sie verlangt nicht einmal daS Frauenstimmrecht, sondern bc- gnügt sich mit minderwertigen materiellen Forderungen, wie der Forderung auf daS Recht der Frau auf Gehalt und auf ihr Ver- mögen. Die lozialistischc Frauenbewegung hat andere Ziele. Sie benutzt als KampfeSmittcl dieselben Waffen wie die Männer: Ver-- (ammlungen und Aufklärung. Sie wollen der Frau ihr höchstes Recht, das allgemeine Wahlrecht, erkämpfen.(Lebhafter Beifall.) Wir chaben schon mehrere Male vor dem Parlament demonstriert trotz aller polizeilichen Verbote. Die sozialdemokratischen Frauen hatten auf dem Parteitag in LimogeS im November 1996 eine Resolution eingebracht, die auch angenommen wurde, und die die sozialdemokratische Kammerfraktion aufforderte, in der Kammer einen Initiativantrag auf Einführung deS allgemeinen Frauen- ftimmrechts einzubringen. Dieser Antrag wird der Kammer in nächster Zeit vorgelegt werden und wird auch von Abgeordneten verschiedener bürgerlicher Parteien unterstützt werden, da die Be- wegung für das Frauenstimmrecht auch in bürgerlichen Kreisen sich einer gewissen Sympathie erfreut. Der sozialdemokratische Antrag wird in der Kammer wohl an 899 Stimmen bekommen, d. h. die Mehrheit erhalten.(Beifall.) Warum sollten in Frank- reich den Frauen die politischen Rechte borenthalten werden, dort. wo eine Frau, Madame Curie , Professor an der Pariser Universität ist. In der Republik Frankreich kennen die Frauen keine recht- lichen Beschränkungen wie in Deutschland , wir dürfen allen ver- sammlungen beiwohnen und uns auch innerhalb der sozialdemo- kratischen Partei politisch organisieren. Unsere Frauenbewegung ist durch und durch sozialistisch. Sie muh es auch(ein. Aber ein klein wenig muß sie doch außerhalb der Partei stehen, denn in den Parteiorganisationen beschäftigt man sich in erster Linie mit brennenden TageLfragen. Die Frauenbewegung kann da nur eine Nebenrolle spielen. Sie muß jedoch zentralisiert und auf einen Punkt konzentriert sein, gerichtet auf die Eroberung des Frauen» ftimmrechts. Me„Societe deö femmes" organisiert zu diesem Zweck eine ständige Agitation unter den Parteiorganisationen und sucht die noch außerhalb der Organisation stehenden Frauen durch diese Agitation zum Eintritt in die Parteisektion zu bewegen. Die Partei soll hierbei eine erzieherische Nolle spielen, sie muß die Frauen zu Eozialistinnen machen. Die Aktion selbst ist Sache der zielbewußten Frauen. Ich hoffe, daß das internationale Bureau in Brüssel die einzelnen Parteien auffordert, die Frauenbewegung im Auge zu behalten, sozialistische Erziehungsarbeit zu leisten und die Organisationen der Frauen zu kräftigen. Alle Genossen sollten an der Frauenfrage das lebhafteste Interesse nehmen.(Lebhafter Beifall.) Miß K o u g h- England spricht im Namen der sozialdemo. kratischen Frauenföderation. Sie stellt fest, daß die englischen Proletarierinnen in ihrer Beurteilung der wirtschaftlichen Ver- bältnisse noch nicht über die Kinderschuhe hinaus gekommen feien. Die Föderation betrachtet cS deshalb als ihre Hauptaufgabe, den Proletarierinnen zunächst die notwendigen ökonomischen Begriffe beizubringen. Wir fordern daS Stimmrecht ohne Ausnahme für alle Volljährigen. Wir wollen kein Damcnrecht und halten das anderslautende Programm der bürgerlichen Frauenbewegung für reaktionär. Miß Mackherson spricht im Namen der Jndependent Labour Party, die über eine Million Wähler hinter sich hat und durch 13 Abgeordnete im Parlament vertreten ist. Sie ver- breitet sich über die Tätigkeit der Partei und freut sich, mit den Genossinnen anderer Länder zusammen zu kommen und ihre Berichte zu hören. Miß Macdonald berichtet, daß die unabhängige Arbeiter- Partei 659 Parteifilialen mit 39 900 Mitglieder habe. Darunter befinden sich viele Frauen, deren genaue� Zahl nicht angegeben werden kann, da zwischen Frauen und Männern kein Unterschied bei der Mitgliedskarte gemacht wird. Das Zentralkomitee der Partei bat weibliche Mitglieder, die in der sozialistischen Propa- ganda ÖlroßeS leisten. Obwohl keine Zeitschrift herausgegeben wird, wird durch die Sonntagsschulen und durch Jugendzeitschriften, sowie durch besondere Rubriken, die für die Frage vei oen großen sozialistischen Blättern eingerichtet sind, vieles für die sozialistische Erziehung der Frauen und Kinder gelan.(Bravo !) Miß Mac Arthur: Kein Bericht über die sozialistische Frauenbewegung in England wäre vollständig, der nicht auch einige Worte über die Frauengewerkschaft enthielte. Dieser verein hat eine Mitgliedschaft von 159 999 Frauen, davon sind 15 999 in den letzten drei Jahren beigetreten. Auch ohne daß die Gewerkschaft offiziell sozialistisch wäre, sind doch alle ihrer Führer Sozialistinnen. Seit kurzem erscheint eine monatliche Zeitschrift: „Die Arbeiterin", die für die sozialistische Beweauna von großer Bedeutung sein wird.(Bravo!l > Miß Moniefiore- London spricht im Namen des Komitees für das Wahlrecht für alle Volljährigen. Sie betont, daß die englischen Genossinnen aus dem theoretischen Studium der Deutschen in dieser Frage vieles lernen können. Sie hat speziell unter den Arbeitslosen Propaganda für das Wahlrecht mit großem Erfolg betrieben. Die SonntagSfchulbewegung habe dasselbe Ziel, das die„Gleichheit" in der Kindcrbcilage er- strebe. Wie revolutionär-sozialistisch die SonntagSschulcn seien, beweise die Tatsache, daß in einem Falle durch die Behörde der Schule da? Lokal entzogen fei, als in einer solchen Schule drei Preise für den besten Aufsatz über Sozialismus ausgesetzt worden waren. Drei Mädchen haben die Preise bekommen. DaS beweist, wie zugänglich selbst die weibliche Jugend für die sozialistischen Ideen sei.(Bravo !) Genossin Til mann-Brüssel: In Belgien hat sich die sozialistische Frauenbewegung sofort gegen die bürgerliche gewandt. Tie sozialistischen Frauen sind der sozialistischen Arbeiterpartei beigetreten. Ihre Agitation ist dahin gerichtet, die Frauen zum Klassenbewußtsein zu erziehen und zum Anschluß an die Arbeiter- Partei zu bewegen. In Belgien werden zwei Frauenzcitungen veröffentlicht:„Die sozialistische Frau" in französischer und vlämischer Sprache. Politisch organisiert sind 599 Frauen, gewerk- schaftlich 14 999. Die geringe Zahl der politisch organisierten er- klart sich durch den geringen Bildungsstand der belgischen Frauen. Deshalb unterstützen die belgischen Frauen mit aller Macht den Kampf der Arbeiterpartei um Einführung des allgemeinen obli- gatorischen Schulunterrichts in Belgien . Auf dem letztjährigen Parteitag der belgischen Arbeiterpartei hat Genossin Tilmann den Bericht zu dein Frauenstimmrecht erstattet und eine Resolution zur Annahme gebracht, die es der Kammerfraktion zur Pflicht macht, einen Gesetzentwurf zur Erlangung des allgemeinen Erauenstimmrechts und der Wählbarkeit der Frauen einzubringen. in Antrag für daS Stimmrecht und die Wählbarkeit zu den Gc« werbeger,chten liegt bereits der Kammer vor. Die belgischen Frauen können noch nicht speziell für das allgemeine Frauen. stimmrecht bei den Kammerwahlen agitieren und das Stimmrecht der Männer verlangen, da dieses Plural- und Klassenwahlrecht den Arbeitern ungünstig ist. Die belgischen sozialistischen Frauen unterstützen deshalb den Kampf der Arbeiterpartei um das all- gemeine, gleiche und direkte Wahlrecht. Der größte Wunsch der belgischen sozialistischen Frauenföderation ist die Bildung einer sozialistischen Frauen-Jnternationale.(Beifall.) Genossin Gauthiot- Paris: 55m Namen mehrerer sozia- listischen Frauendelegiertinnen muß ich gegen einzeln« Ausfüh- rungen der Genossin Pellece ankämpfen. Zahlreiche sozialistische Frauen in Frankreich kämpfen nicht neben der Partei für die Emanzipation der Frauen, sondern in der Partei für die Zer- trümmerung des Kapitalismus überhaupt und für die Befrei- ung des gesamten Proletariats. Diese Frauen sind der Ansicht, daß die sozialistische Agitation allein zum Ziele fuhren MUß, auch speziell zum Ziele der Befreiung der Frau. Genossin Dzeczi. Ungarn berichtet über die sozialdemokra- tische Arbeiterbewegung in U n a a r n. In Ungarn bestehl keine besondere Organisation für die Arbeiterinnen. In allen Branchen, in denen Arbeiter und Arbeiterinnen arbeiten, werden auch Arbeite- rinnen in diese Gewerkschaften aufgenommen. Für Dienstboten und Lehrerinnen, die nicht mit Männern zusammen arbeiten, find besondere Fachvereine gebildet. Außer in Budapest bestehen noch in drei großen industriereichen Provinzstädten ArbciterbildungS- vereine, welche die Genossinnen in sozialdemokratischem Sinne auf» klären. Die Rednerin hofft, daß dieser Kongreß dazu beitragen werde, daß die Arbeiterinnen aller Länder zustimmen mit den Arbeitern den gemeinsamen Kamps zur Erreichung deS sozialisti- sehen Endzieles führen.(Bravo !) Genossin Whbaut-Holland: In Holland hat die Organi- sation der Frauen erfreuliche Fortschritte gemacht, seitdem wir vor zwei Jahren in Amsterdam angefangen haben, sozialdemokra. tische Frauenpropaganda zu treiben. Die KlubS haben heute 500 Mitglieder, die alle der Partei angehören. Da» Ziel der grauen- klubö ist. die Frauen über ihre eigene Lage und den Zusammenhang der Frauenbewegung mit der Arbeiterinncnbewegung aufzuklären, und weiter die Mütter von der Ueberbürdung zu entlasten. Zu diesem Zwecke wird für genossenschaftlichen Haushalt und gemein- schaftliche Erziehung der Kinder Propaganda gemacht.(Beifall.) Adelheid Popp -Wien : AuS dem detaillierten gedruckten Bericht über unsere Bewegung will ich nur hervorheben, daß unsere 42 999 gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen auch ihre Bei, träge an den Parteivorstand zahlen. Sowohl in den Gewerk- schaften wie in der Partei sind die Frauen überall durch Delegiert« vertreten.(Bravo !) Obwohl die Frauen bei unS kein politisches Stimmrecht haben, haben wir doch«ine sehr gute politische Frauen. bewegllng, die sich innerhalb der Gcsamtbcwcgung betätigt. Bei den letzten Wahlen haben sich die Frauen aufs lebhafteste an der Wahlarbeit beteiligt. In dem GeneralauSschuh zur Vorbereitung deS Massenstreiks waren auch die Frauen vertreten. Wäre es zum Generalstreik gekommen, so hätten die Frauen, obwohl eS sich dabei nicht um das Wahlrecht der Frauen handelte, genau so an der Aktion teilgenommen wie die Männer. Während der Wahlbewe- gung haben die Frauen eigene Flugblätter herausgegeben, um die grauen über die volksfeindliche Schulpolitik und über die große Gefahr des scharfmacherischen Parlaments für daS Kvalitionsrecht der Arbeiterschaft aufzuklären. Die Haltung der Frauen, die mit großen Opfern sich in den Dienst der Aktion gestellt haben, hat auch in anderen Ländern den Gedanken geweckt und verstärkt, daß auch die Frauen, wenn es darauf ankommt, imstande sein werden. ihre politischen Rechte im Berein mit der Arbeiterklasse auSzu- nutzen.(Bravo !) An vielen Orten ist unsere Bewegung gestärkt worden, wo sie bisher ganz brach lag. Wir haben jetzt genug zu tun, um allen Ansprüchen, die infolge Gründung neuer Organi- sationcn an uns gestellt werden, nachzukommen. Unsere Abgeord- neten im Reichstag haben einen Antrag auf Gewährung des Ver- einSrccht» und Wahlrecht« auch an die Frauen ausgearbeitet. Die werden im Herbst ihrem Vorgeyen durch energische Propaganda den nötigen Nachdruck verleihen. So hoffen wir, daß nicht nur die Frauenkonferenz, sondern auch der internationale Kongreß sich im Sinne unserer Bestrebungen zugunsten de? FrauenwahlrechtS aus- sprechen wird, und daß schon daS nächste Jahr unS bedeutende Er- folge in bczug auf die politischen Rechte der Frauen bringen wird. (Stürmischer Beifall.) Genossin Mach. Prag : Die Aktion der böhmischen Frauen ist bedeutend erschwert durch den Nationalismus. KlerikalismuS und das Agraricrtum. Trotz alledem sind zurzeit 6999 Frauen politisch und 15 999 Frauen gewerkschaftlich organisiert. Unsere Frauen- zeitung erscheint in einer Auflage von 6599 Exemplaren. In dem Wahlkamps im Mai haben die sozialistischen Frauen Böhmens voll und ganz ihre Pflicht getan und mitgekämpft. Ihnen verdankt die sozialistische Partei 24 tschechische Abgeordnetcnmandate. Die Frauen haben bei uns die Männer oft an die Urne geführt und ihnen rote Stimmzettel aufgezwungen.(Lebhaftes Bravo!) Die Versuche, die Dienstmädchen zu organisieren, sind� bisher erfolglos geblieben bei der überaus gedrückten Lage der Mädchen. Dagegen macht die Organisation unter den Landarbeiterinnen schöne Fort- schritte. Auf dem Parteitag in Pilsen haben die Frauen eine große Rolle gespielt. Die sozialistische Frauenbewegung blüht überall mächtig auf.(Bravo !) Hierauf tritt die Mittagspause ein, NachmIttagSsitzuna. In der Nachmittagssitzung wird die Berichterstattung au» den einzelnen Ländern sortgesetzt. Johanna Greie-Kramer-Chicagot Obgleich wir in den Vereinigten Staaten eine arohe Anzahl organisierter Frauen und Mädchen haben, die sich strikt auf den Standpunkt der sozialistischen Weltanschauung stellen, ist es«nS nur gelungen, die deutsch - sprechende Abteilung der sozialistischen Frauenorganisation zu einer Delegation nach Ihrem Kongreß zu bestimmen. Äußer der deutschen Sprachgruppe gibt es vor allem eine böhmische und polnische Gruppe. Die Leitung liegt in den Händen des Zentralkomitees. Um die Oraanisation erfolgreicher zu gestalten, wird es notwendig sein, die Agitation in englischer Sprache zu betreiben. Wir werden nur Erfolge erzielen können, wenn wir eine reinliche Klassen» scheidung zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Frauen- bewcgung vornehmen, nachdem die bürgerlichen Frauen erklärt haben, sie seien nicht für das Wahlrecht für Proletarierinnen, da diese noch nicht reif dafür seien.(Lachen.) Unser kleines Häuf- lein von 599 klassenbewußten Prolctaricrinnen wird auch weiter seine Pflicht als Pioniere im Kampfe für den Sozialismus tun. (Bravo !) Frau Hilga Torstenen. Finnland wird von stürmischem Beifall begrüßt. Die Genossin vertritt Wiborg im finnischen Landtag. Sie gibt einen Ueberblick über die Entwickclung der finnländischen Frauenbewegung. Sie alle wissen, daß die sinn- ländischen Frauen am 29. Juli 1996 ein weitgehendes Stimmrecht bekommen haben. Von 19 gewählten weiblichen Repräsentanten sind 9 Sozialisten. Unsere Abgeordneten verlangen die Aufhebung des GesindcgesetzcS, die Gründung von Heimen für verwahrloste Kinder usw. Der sozialdemokratische Fraucnverband besteht gegen- wärtig aus 93 Abteilungen. ES gibt 18 699 der Partei angehörige Frauen in Finnland . Wir wissen, daß wir unsere Freiheit dem Freiheitskampfe der russischen Genossen verdanken.(Sehr richtig! und Beifall.) Wir hoffen, daß auch die Genossinnen in den anderen Ländern ebenso viele politischen Freiheiten bekommen werden. Das Proletariat hat nur seine Fesseln zu verlieren und die ganze Welt zu gewinnen!(Lebhafter Beifall.) Frau Kröstein-Norwegen vertritt den Verein arbeitender Frauen in Stavangcr. Die Arbeiterinnen sind in eigenen Vereinen über das ganze Land organisiert und bilden Sektionen der sozialistischen Arbeitervereine. Die gcwcrkschaft- liche Organisation der Arbeiterinnen läßt noch viel zu wünschen übrig. Wir haben die Freiheit, die den deutschen Frauen fehlt. Wir können diskutieren und Politik treiben, so viel wir wollen. Wir nehmen teil an den Wahlkämpfen und Kämpfen um bessere Lebensbedingungen der Arbeiterinnen. Nach allem, was ich hier gehört habe, mutz ich sagen: Norwegen ist das glücklichste Land Europas !(Heiterkeit und Beifall.) Wir haben das Frauen- stimmrecht und alle übrigen demokratischen Freiheiten. Seit sechs Jahren haben wir daS Kommunalwahlrecht. In Stavangcr sitzen zwei sozialistische Frauen im Gemeinderat. In diesem Jahre haben 399 999 Frauen das Wahlrecht zum Reichstag erhalten. Bei den nächsten Wahlen hoffen wir, so zahlreiche Stimmen zu liesern, daß wir uns vor den Frauen anderer Länder nicht zu schämen brauchen.(Bravo.) In Norwegen haben wir zwei Frauenbewegungen, aber mit den bürgerlichen Frauen können wir sozialdemokratischen Frauen nicht zusammenarbeiten. Die norwegischen Sozialisten schätzen unsere Arbeit hoch, sie arbeiten gern mit unS.(Lebhafter Beifall.)— Fräulein B e r g l e i n- Estland: Im Namen der lettischen Sozialdemokratie begrüße ich die erste internationale Frauen- konferenz. Wie überall in Rußland , kämpfen auch wir einen heißen Kampf gegen den zarischcn Despotismus. Unsere Gc- nossinnen standen bei diesem Kampfe mit in den ersten Reihen. Sie wurden mit in die Festungen geworfen, sie wurden gemartert und sie haben mit ihrem Blute da« rote Banner deS Sozialismus brennender und roier gefärbt. Ick bringe Ihnen herzliche Glück- wünsche und begrüße Sie. Wer den Mann hat, hat nur einen halben Menschen, so heißt eS. Wer aber die Frau hat, der hat zwei Menschen, und wer die Kinder hat. der hat die Zukunft, und die Zukunft gehört dem Sozialismus.(Beifall.) Fräulein FaaS-Schweiz: lieber den schweizerischen Arbeite. rinncnverband finden Sie nähere Angaben im schriftlichen Bericht. Daher nur wenige Worte über die schweizerische sozialistische Frauenbewegung im allgemeinen. Wir haben in der Schweiz keine politische Organisation, sondern unsere Frauen sind alle gewerk. schaftlich organisiert. In den Berufen, in denen Männer nicht tätig sind, bilden die Fmucn sogenannte Arbciterinnciivcreine. die dann auch die Interessen der Frauen im allgemeinen vertreten. Die Organisation ist also bei uns ähnlich wie in Ungarn . In den letzten zwei Jahren haben unsere gewerkschaftlich organisierten Frauen schwere und bittere Kämpfe zu führen gehabt. Wir haben erleben müssen, daß Militär und Miliz gegen die Frauen gy- führt wurden, daß die Söhne streikender Frauen gegen ihre eigenen Mütter marschieren und an den Pforten der Fabriken Posten stehen müssen. Die schweizerischen Genos- iinnen bemühen sich, den Sozialismus, soweit cB geht, schon heute durchzusetzen. Deshalb nehmen sie teil an der GcnosscnschaftS- bewegung. Mehrfach haben Konsumvereine streikenden Frauen die Waren auf Kredit oder auch ganz umsonst gegeben. Diese Konsum- vereine liefern keine Waren, die unter schlechten ArbeitSbcdingun- gen hergestellt worden sind. Ungefähr 19 999 Frauen sind in der «chwciz organisiert, d. h. ungefähr der siebente Teil aller Organi» siertcn sind Frauen. Wir haben eine französische und eine deutsche Zeitung, die lediglich die Interessen der proletarischen Frauen vertreten. Mit den bürgerlichen Frauen vertreten wir nür einige Forderungen, wie die der Wöchncrinncnunterstützung, gemeinsam. Im übrigen kämpfen wir mit den proletarischen Männern für die Umwandlung der privatkapitalistischen Produktionsweise in eine kommunistisch-sozialistische.(Bravo !) Genossin Äalabanoff überbringt der Konferenz die Grütze der sozialistisch organisierten Frauen Turins . Die italienischen sozialistischen Frauen haben zu der Konferenz keinen offiziellen Vertreter entsandt, weil in Italien von einer theoretisch und praktisch fest gegründeten sozialistischen Frauenbewegung noch nicht die Rede sein kann. In Ftalien überwiegt noch die landwirt- schastliche Bevölkerung, in der ja das Klassenbewußtsein noch nicht so stark entwickelt ist, wie in der industriellen Bevölkerung. Handelt eS sich aber darum, für Menschenrechte, für würdige LebenSbedin- gungen zu kämpfen, gegen Druck und Ausbeutung sich aufzulehnen, dann stehen die italienischen Frauen in den vordersten Reihen. Sie haben mit ihren eigenen Leibern und denen ihrer Kinder den Streikbrechern den Weg verlegt. Aber zu einer selbständigen Or» ganisation haben sie sich noch nickt zusammengeschlossen. Auch über ein Organ verfügen sie noch nicht. Schuld trägt daran der Kleri- kaliSmuS, der so schwer auf Italien lastet. Doch die italienischen sozialistischeii Frauen versagen nicht. Das Klassenbewußtsein der- stärkt sich bei ihnen immer mehr. Immer weniger Italiener und Italienerinnen geben sich zu Streikbrecherdiensten her und immer größer wird die Zahl derer, die keine Streikarbeit mehr verrichten. (Beifall.) Die Frauen, die in Italien der Religion den Rücken lehren, die sich nicht mehr kirchlich trauen und begraben lassen, sind zahlreicher al» man glaubt. Die Frauen Turin » entbieten der Konferenz herzlichsten Gruß in der Hoffnung, daß auch in ihrem Laiide bald eine mächtige sozialdemokratische Frauenbewegung auf- blühen möge.(Beifall.) Genosse M a r t o f f- Petersburg begrüßt die Konferenz im Namen des jüdischen Frauenbunde». Es könne auffallen, daß die Frauen Rußlands , die einen so heftigen Kampf gegen Despotismus und Kapitalismus und für ihre Menschenrechte -ühren, keine Frau als Delegierte hierher geschifft haben. Aber die russischen Frauen kämpfen Schulter an Schulter mit der allge» meinen sozialistischen Bewegung und sie wissen, daß nur der inter- nationale Sozialismus sie zu ihrem ivirllichen Rechte al» Menschen und Frauen verHelsen kann.(Beifall.) Ko l o m a n- Alexandrowitsch entschuldigt die Vertreterin der r u s s i s ch- revolutionären Frauen, die nicht offiziell vertreten eicn. Die ganze Welt weiß, ivaZ die russische Arbeiterin für die Befreiung Rußlands von zarischcr Gewalt getan hat und cS wird deshalb vielleicht nicht verstanden, daß sie ihren proletarischen Schwestern nicht einmal eine eigene Vertreterin gesandt hat. Aber wir hatten eben bi» jetzt in Rußland keine besondere Arbeiterinnen- oder Frauenbewegung. Die klassenbewußte Arbeiterin hat Reihe an Reihe im Befreiungskampfe an der Seite de» Mannes gestanden. Die russische Sozialdemokratie hat auch stets da» Interesse der Arbeiterin vertreten und in großer Zahl haben sich die russischen aufgeklärten Frauen der sozialdemokratischen Partei und den Ge- wcrkschaften angeschlossen, vor allen den Gewerkschaften, die sehr rasch gewachsen sind. Jetzt allerdings haben auch wir in Rußland eine schwere Zeit zu überstehen. Der prolctari,chen Frauenbewe» aung ist iA der bürgerlichen Frauenbewegung eiy neuer Feind er«
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