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ir. 193. 24. 1. Keilllge desUllmältg"§ti\\\iu UlllksdlM. w-w. 20«'M. Die prolctarifche Internationale in Stuttgart  . Internationaler iozialiftiicfter Kongreß. S t u t t g a r t, 13. August. Die Eröffnungssitzung. Im großen Saal derLiederhalle" fand heute vormittag um elf Uhr die feierliche Eröffnung des Kongresses statt. Der Saal ist der einfach-schlichte Rahmen für dies weltgeschichtliche Schau- spiel, er wirkt nur durch die Größe und Harmonie seiner Maße. Eine auf viereckigen Pfeilern ruhende breite Galerie läuft in halber Höhe um drei Seiten des mächtigen Rechtecks. Die vierte Seite, eine der Schmalseiten, wird von einer riesigen Musikestrade eingenommen, deren Hintergrund eine Orgel bildet. Die be- sondere Ausschmückung, die der Saal für den Kongreß erhalten hat, ist einfach und geschmackvoll; eine rote Draperie hebt die Estrade hervor, auf der das Präsidium sitzen wird. Links und rechts auf dieser Bühne stehen auf roten Postamenten die Riesenbüsten von Marx und Lafsalle. Kleine rot umrahmte Schilder an den Wänden erinnern an die vorangegangenen internationalen Kon- gresse: Paris   1889; Brüssel   1891; Zürich   1893; London   1896; Paris  1999 und Amsterdam   1994. Noch eine schmale rote Draperie an der Orgel, sonst kein farbiger Schmuck und keine Parteifahnen. Dafür aber überall Blumen, Blumen auf dem Vorstandstische und dem Tische der Uebersetzer, Blumen auf allen Tischen für die Delc- gierten. Für diese sind sechsmal sechs lange Tische aufgestellt, die den ganzen Saal füllen. Aber auch der breite Gang unter der Galerie hat mit Tischen dicht besetzt werden müssen, um für fast 1999 Kongreßteilnehmer Platz zu schaffen. Die Plätze für die Dele- gationen sind so gelegt, daß Deutschland   die ganze Internationale umspannt, das heißt, daß die ausländischen Delegierten die Mitte einnehmen und ringsherum unsere deutschen   Genossen sitzen. Die weiten Tribünen sind um 19 Uhr überfüllt; seit Wochen sind die Einlaßkarten sämtlich vergeben. Zwischen 19 und 11 Uhr treffen die Delegierten ein. Fast alle Sprachen der Welt tönen durcheinander. Sänger und Sängerinnen füllen die Estrade und kurz vor 11 Uhr nehmen die Mitglieder des internationalen Bureaus auf dem Podium Platz. Um 11 Uhr beginnt die Feier mit einem feierlichen Chorgefang unter Orgelbegleitung:Ein feste Burg ist unser Bund". Der Text ist von Jakob Andorf, die Melodie die des alten Lutherliedcs. Unter Leitung des Musik- direktors Brenner tragen die GesangvereineLassallia" undFreya  " und ein eigens zu diesem Zwecke gebildeter Frauenchor das Lied kraftvoll vor. Als die Töne berrauscht sind, tritt Vandervelde  , der bor  - her zwischen Singer und Adler gesessen hat, während Bebel   am Tisch der Uebersetzer Platz genommen hat, in den Vordergrund des Podiums und die Verhandlungen beginnen. Die Verhandlungen der Eröffnungssitzung. Vorsitzender Bandervelde: Im Namen des Internationalen sozialistischen Bureaus erkläre ich den 6. Kongreß der 2. Jnternatio- nale für eröffnet und gebe das Wort unserem Freund und Genossen August Bebel  . Bebel Ymit stürmischem, nicht endenwollendem Händeklatschen empfangen): Partei- und Kampfgenossen! Im Namen der deutschen   Sozial- demokratie heiße ick Sie in Deutschland   und in Stuttgart   will- kommen und begrüße Sie alle auf das herzlichste. Es ist zum ersten Male, daß wir in Deutschland   einen internationalen Kon- grcß abhalten. Allerdings hatte bereits die alte Internationale beschlossen, im Sommer 1879 in Mainz   einen Internationalen Kongreß abzuhalten. Aber da kam der unglückselige Krieg zwischen Deutschland   und Frankreich  , und der Kongreß wurde unmöglich, nicht nur für dieses, sondern auch für die nächsten Jahre. Das neue Deutsche Reich war kein Reich der Freiheit und des Rechts. Sofort nach seiner Schaffung ging es mit Ausnahmegesetzen und mit Klassenjustiz gegen die ihm verhaßten Personen und Parteien vor, und so verstand es sich von selbst, daß ein internationaler Sozialistenkongreß auf absehbare Zeit für Deutschland   zur Un- Möglichkeit wurde. Wir haben lange gewartet, bis wir es gewagt haben, die Internationale nach Deutschland   einzuladen. Und als wir in Amsterdam   die Einladung an Sie ergehen ließen, da gab es noch manche? Kopfschütteln und manches Bedenken, ob es rat- sam sei, im neuen Deutschen Reiche zu tagen, das in bezug auf bürgerliche Freiheit sich bis dahin im Auslande gerade nicht des besten Rufes erfreute. Wir haben es gewagt, wir haben es darauf ankommen lassen, ob man sich wirklich vor der ganzen Kulturwelt blamieren und den Internationalen Sozialistenkongreß in Deutsch  - land unmöglich machen würde. Freilich «ach Berlin  zu gehen, trugen wir keinerlei Gelüste: Unter den Augen des Fürsten Bülow und der Berliner   Polizei zu tagen, war nicht nach unserem Geschmack.(Heiterkeit.) Wir dachten uns aber, das, was in Berlin   nicht möglich sei, vielleicht in Stuttgart   gehen würde, und Sie sehen, es ist gegangen: Wir heben heute eine Versamm- lung vor uns, so glänzend und großartig, wie sie noch nie ein Internationaler Sozialistenkongreß aufzuweisen gehabt hat. (Bravo  !) Freilich im Laufe der letzten Jahre sind uns noch manch­mal mit Recht Bedenken aufgestiegen, ob Deutschland   das rechte Land für einen Internationalen Sozialistcnkongreß wäre. Gerade jetzt vor 2 Jahren, als die unselige Marokkoaffäre die ganze Kultur- weit in Atem hielt, beschlossen die Berliner   Partekgenossen, unseren Freund I a u r e s einzuladen, damit er vor den deutschen   Prole- tariern im Namen der französischen   Proletarier für den Frieden spräche. Da setzte Fürst Bülow   alles daran, diesen Mann, den er selbst kurz zuvor im Deutschen   Reichstage seine Hochachtung aus- gesprochen hatte, nicht nach Deutschland   hineinzulassen und ließ ihm sogar durch den deutschen Gesandten mit der Ausweisung drohen.(Pfuirufe.) Mev Ihr wißt das ja schon alle.(Heiter- keit). Jedenfalls war das kein gutes Vorzeichen für den Kongreß. Dem Beispiele Berlins   folgte das benachbarte Karlsruhe  . Am selben Tage wie in Berlin   sollte in Konstanz  , wo drei Länder an- einanderftoßen, eine große Demonstration für den Frieden statt- sinden, bei der Adler, Greulich, Todeschini und ich daS Wort ergreifen sollten. Aber das rühmliche Beispiel von Berlin  fand in Karlsruhe   Nachahmung; auch in Konstanz   wurden die Versammlungen verboten, nur hatten wir dort den Vorteil, in der freundnachbarlichen Schweiz   das sagen zu können, was uns aus deutschem Boden unmöglich gemacht worden war. Weiter machte uns bedenklich das Verhalten der preußisch- deutschen   Regierung gegenüber unseren geächteten russischen Ge- nassen. Ihnen allen rst noch die Rede des Fürsten Bülow von den Schnorrern �inb Verschwörern im Gedächtnis. Sie alle wissen, wie Dutzende und Aberdutzende, zu- letzt Hunderte von russischen Studenten in rücksichtslosester Weise ausgewiesen wurde«. Das waren alles Momente, die wohl bei Ihnen Mißtrauen erwecken konnten, ob wir dennoch hier in Deutsch- land tagen könnten. Wir haben es gewagt um mit Hutten zu reden und wir hoffe«, daß dieser Kongreß in glanzvoller und für die ganze proletarische Welt segensreicher Weise sein Ende finden wird. Sehen wir doch, in welch mächtiger Weise die Gedanken der Internationale tn der ganzen Kulturwelt Boden gefaßt haben. Wir sehen heute :ine internationale Bewegung des menschlichen Fortschritts von einer Großartigkeit vor uns, wie die Geschichte der Menschheit noch niemals etwas Aehnlichcs aufzuweisen hatte. Wir haben seit Amsterdam   auf den verschiedensten Gebieten sehr erhebliche Fortschritte gemacht. Für alle diejenigen, die das Glück hatten, in Amsterdam   an- wesend zu sein, war es wohl der großartigste und wirkungsvollste Eindruck, als bei Eröffnung jenes Kongresses der Vorsitzende auf das furchtbare Schlachten im fernen Osten zwischen Japan   und Rußland   hinwies und als in diesem Moment der Vertreter von Japan  , Katayama, und der Vertreter von Rußland  , Plechanow  , sich brüderlich die Hände reichten.(Bravo.) Weiter gingen wir nach den Debatten in Amsterdam   über die Frage der Anteilnahme von Sozialdemokraten an der Regierung mit dem Gedanken auseinander, daß es schwer- lich gelingen werde, unter unseren französischen Brüdern die Einheitlichkeit herzustellen. Aber siehe da, zu unserer aller freudiger Ueberraschung ist das große Werk dennoch gelungen. Der Samen von Amsterdam   hat Früchte getragen, unsere fran- zösischen Brüder haben gemeinsam einen gewaltigen Wahlkampf geführt, aus dem sie siegreich hervorgegangen sind, sie haben die Zahl ihrer Mandate von 37 auf 94 erhöht und gleichzeitig eine bedeutende Vermehrung ihrer Stimmen auf- zuweisen.(Bravo.) Unmittelbar an dies schöne Ereignis knüpfte sich ein anderes. Zum erstenmal in der englischen   Arbeiter- bewegung trat die englische Arbeiterklasse gegenüber den bürgerlichen Parteien als selbständige Arbeiter- Partei in den Wahlkampf. Und siehe da, was niemand erwartet hatte, auch dieser Kampf wurde glorreich zu Ende geführt und zum ersten Male konnten 32 Delegierte des englischen Proletariats als selbständige Arbeiterpartei in das englische Parlament ein- ziehen,(Lebhaftes Bravo.) Es hat etwas lange gedauert, bis das ökonomisch fortgeschrittenste Land Europas   in dieser Weise sein Proletariat- als selbständige Partei aufmarschieren sah. Aber, Ihr englischen Freunde, Euer Anfang war ein guter, und was gefolgt ist, hat uns noch mehr gefreut. Wenn auch das eintraf, was ich bereits in Amsterdam   voraussagte, daß bei einem Siege der englischen Arbeiter die englische   Regierung einen Sozialisten ins Ministerium nehmen werde ich nannte damals auch bereits John Burns, so hat doch diese Konzcssion nicht vermocht, unsere englischen Freunde auch nur um eines Haares Breite von ihrer Kampfestaktik abzubringen.(Bravo  !) An diese Siege in Frank- reich und England reihte sich an der S i e g i n Finnland  . Dort haben es unsere Freunde verstanden, ein unter dem zarischen Regime, das seinem eigenen Volke nicht die geringsten Rechte ver- gönnt, sonderbar radikales Wahlrecht so auszunutzen, daß nicht nur eine starke männliche Fraktion, sondern auch 9 sozialistische Frauen in das finnische Parlament ihren Einzug halten konnten.(Bravo  !) Aber damit waren die Siege der Internationale noch nicht zu Ende: es folgte die große Schlacht in Oe st erreich. Unsere österreichischen Genossen, die jahrelang mit Heroismus und Begeisterung den Kampf um das Stimmrecht geführt hatten, zogen mit 87 Genossen als stärkste sozialistische Fraktion der Welt in das österreichische Parlament ein.(Stürmischer Beifall.) Weiter haben unsere Freunde in Holland   und ebenso in der Schweiz   bei den Kommunal- wählen glänzende Fortschritte gemacht, ein Beweis, daß überall die Internationale marschiert. Scheinbar eine Ausnahme davon macht das Deutsche Reich, die deutsche Sozialdemo- kratie. Ich habe hier nicht auf die Gründe einzugehen, welche die unerwartete Auflösung des Reichstages im letzten Winter herbei- führten. Wir haben eilen Wahlkampf zu bestehen gehabt, wie noch niemals seit dem Bestehen eines norddeutschen und deutschen Reichstages. Nicht nur die gesamten bürgerlichen Parteien das ist nur selbstverständlich, sondern auch die Regierungen des Reiches und der Einzelstaaten, die kommunalen Vertretungen sind allesamt in den Wahlkampf gegen uns eingetreten. Das End resultat, wie es nach diesem Wahlkampf nicht anders erwartet werden konnte, ist: Wohl steigerten wir die Zahl unserer Stimmen von 3 Millionen auf 3% Millionen, aber die Zahl unserer Mandate sank von 79 auf 43. Man hat deshalb im Berliner   Schlosse von einem Niederreiten der Sozialdemokratie gesprochen. Freunde und Parteigenossen aller Länder! Wir fühlen uns aar nicht niedergeritten, wir sitzen so fest im Sattel wie je.(Stürmischer Beifall.) SV* Millionen Stimmen nach solch einem Wahlkampf, das bedeutet 3 259 999 eisenharte Männer, Männer, auf die man sich in jeder Gefahr verlassen kann, eine Armee der Propaganda, wie sie größer nirgends vorhanden war. Und auch unsere Gegner haben inzwischen eingesehen, daß es ein Zufallssieg war, daß sie nicht darauf rechnen dürfen, uns in dieser Weise zu besiegen, und es ist recht von ihnen, daß sie diese Er- kenntnis haben. Denn wir alle, bis zum letzten Mann, warten sehnlichst darauf, die Scharte vom 25. Januar und 5. Februar aus- zuwetzen(Lebhafter Beifall) und bedauern lebhaft, daß wir wahr- scheinlich erst 1912 wieder einen Wahlkampf durchkämpfen können. Aber daß die deutsche Sozialdemokratie inzwischen auf ihrem Posten ist, zeigt der glänzende Ausfall der Ham- burger Bürgerschaftswahlen und der bayerijichen Landtagswahlen, zeigt eine ganze Reihe von Nach- wählen, besonders die im Wahlkreise unseres leider verstorbenen Parteigenossen Auer. Ferner ist im letzten Jahre die Zahl der organisierten deutschen Genossen und Ge- nossinnen von 384 990 auf 539 999 gewachsen. Das ist ein Zuwachs von 146999 oder um 38 Proz.(Beifall.) In gleicher Weise ist die P a r t e i p r e s s e gewachsen, in gleicher Weise trotz der gewaltigen opferreichen Kämpfe, die finanziellen Mittel der Partei. Es ist doch etwas sehr Erhebendes für eine niedergerittene Partei, wenn ihr Kassierer in einem, dem letzten, Monat über eine Beitragssumme von 179999 Mark quittieren kann. Die deutschen Gewerkschaften sind von 7 9 999 9 Mitgliedern im Jahre 1999 auf über 18 9999 9 in diesem Jahre angewachsen, ein kolossales Wachstum der proletarifchen Kräfte. So also sieht die niedergerittene Partei aus! Glaubte man wirklich, daß wir wahrhaft niedergeritten wären, warum weigert sich dann Fürst Bülow   und sein Herr so hartnäckig, für den preußischen Land- tag das allgemeine, gleiche, direkte Wahlrecht zu geben, da könnte man ja das Niederreiten von neuem ver- suchen.(Heiterkeit.) Aber Bülows offiziöses Organ erklärt in bezeichnender Angst, daß das Verlangen nach dem allgemeinen Wahlrecht eineJagd zu Pferde nach wilden Gänsen" sei.(Heiter- keit.) Ich kann Ihnen also versichern, daß inuner, wenn in den nächsten Jahren für die deutsche Sozialdemokratie sich Gelegenheit bieten wird, ihr Schwert zu schwingen, sie sich als die alte erweisen wird. Am Ende schadet es gar nicht einmal, wenn nach so vielen Siegen auch einmal eine Niederlage kommt.(Heiterkeit.) Es ist ja menschlich begreiflich, daß dauernde Siege leicht etwas übermütig machen. Hat doch schon unser Altmeister Goethe gesagt, daß nichts schwerer zu ertragen sei, als eine Reihe von guten Tagen. Nun haben wir einmal einen trüben Tag gehabt, aber kckon scheint die Sonne wieder, soggr zu diesen, Kongreß.(Heiter­keit.) Vielleicht steht selbst der Olymp mit uns im Bunde.(Er� neute Heiterkeit.) In den Vereinigten Staaten   von Nordamerika  hat inzwischen ein skandalöser Prozeß gegen unseren Genossen Haywood stattgefunben. Die Herr« schende Klasse hat alles aufgeboten, um diesen unschuldigen Mann wegen Mordes verurteilen zu lassen. Selbst der Leiter der großen Republik hat sich dazu hergegeben, ihn alsunerwünschten" Bürger zu bezeichnen. Der Prozeß hat mit der glänzenden Freisprechung des Genossen Haywood geendet. Aber vor allem hat er die Ar» beiter der Vereinigten Staaten   aufgerüttelt, sie auf die Schäden der großen Republik   aufmerksam gemacht, die trotz aller Rechte und Freiheiten auf dem Papier für das Proletariat auch keine Freiheit und keine Gerechtigkeit zur Verfügung hat. Hoffentlich wird nun das erwachte Arbeitervolk Amerikas ebenso machtvoll in die politische Geschichte der Republik eingreifen wie das englische Proletariat das getan hat. Heute sehen wir jedenfalls hier eine so starke amerikanische   Delegation, wie niemals zuvor. Nach all diesem kann ich mit vollem Rechte sagen: Die Internationale marschiert! Sie gewinnt mit jedem Jahre neuen Boden. Heute bereits zu diesem Kongresse sind Vertreter aller fünf Erdteile erschienen; es wird nicht mehr lange dauern, bis chier auch alle Staaten der Welt durchMhre Delegierten vertreten find. So sehen wir eine starke, mächtige Partei vor uns, die vorwärts stürmt und weiß, was sie will. So hoffe ich, daß die Arbeiten des Kongresses dazu beitragen werden, die Internationale zu stärken und zu kräftigen, und den großen Ideen und Zielen, die sie erstrebt, neue Anhänger zu werben. Ich hoffe, daß dieser Kongreß hier in Stuttgart   ein anderes Beispiel internationaler Gesinnung geben wird als die Internationale der Regierungen, die im Haag vereinigt ist(Lebhafter Beifall), die Sitzungen über Sitzungen ab- halten, und schließlich hat der kreißende Berg ein Mäuslein geboren, ja vielleicht ist sogar dieses Mäuslein noch totgeboren.(Heiterkeit.) Wir aber wollen freudig und zielbewußt an die Arbeit gehen und zum Zeichen Ihrer Zustimmung bitte ich Sie, mit mir einzustimmen in den Ruf: Die voller-, die menschlieitsbefrciende Sozialdemokratie sie lebe hoch!(Stürmischer, vielfach wiederholter Beifall.) Die Delegierten stimmen begeistert dreimal in den Hochruf ein. Auch die Ueberfetzung der Bebelschen Rede durch Clara Zetkin  , die stürmisch begrüßt wird, und Smith wird lebhaft akklamiert. Vandervelde  -Brüssel: Wir Belgier   haben die große Ehre, als Bewohner des kleinsten Landes, den Sitz des Internationalen Bureaus in unserer Mitte zu haben. Ich habe nun von dem Jnter» nationalen Bureau den Auftrag erhalten, dem Genossen Bebel für feine Begrüßungsworte zu danken, dem berühmtesten Veteranen, ich will nicht sagen der ältesten sozialistischen   Partei überhaupt, wohl aber der ältesten Partei, die sich der Internationale an- geschlossen. Bebel hat mehr wie einen Sieg und eine Niederlage erlebt, aber gewiß ist der heutige Tag, an dem er hier die so groß gewordene Internationale begrüßt hat, einer der schönsten seines Lebens. Wie hat sich doch alles geändert seit den Jahren, wo er als junger Führer mit Liebknecht zusammen an die Spitze der deutfchen Sozialdemokratie trat. Vor 36 Jahren war die Kommune besiegt, Bebel   war mitLiebknecht im Gefängnis, weil er mutig gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen   Protest erhoben hatte. Kaum ein Zehntel der Wähler folgten der roten Fahne. Wie anders ist es nun heute! Heute sind 25 verschiedene Nationen hier auf dem Kongreß vertreten, aus allen Teilen der Welt, auS Europa   von Stockholm   bis Madrid  , von London   bis Petersburg  . Nordamerika   hat seine Delegierten, auch Bolivia  , Argentinien  , Kanada  , Britisch-Kolum- b i e n sind vertreten. Asien   hat nur einen Delegierten, aber er wird uns für den nächsten Kongreß zahlreiche andere Delegierte herbeiführen; denn er stammt aus Japan  , aus diesem herrlichen Volke, daß von Europa   nicht nur seine Kanonen, seine Hchiffe und seine Industrien angenommen hat. sondern auch dasK a p i- tal" von Marx und die Prinzipien. des Klassen- t a m p f c s und der Klassenorganisation. Aus A u st r a- l i e n ebenfalls ist ein Delegierter da der j ü n g st g e e i n i g t e n sozialistischen   Arbeiterpartei. Aus Afrika   sind zwar keine Delegierten der armen, von Leopold II.   ausgebeuteten Neger da, wohl aber Delegierte der weißen Arbeiter, die gegen die Ausbeutung der Diamant- und Goldbarone ankämpfen. Karl V.  sagte einst, in seinem Reiche gehe die Sonne nicht unter; wir Sozialisten können mit mehr Recht sagen, daß innerhalb der Länder, wo die rote Fahne weht, die Sonne nicht untergeht.(Stürmischer Beifall.) Wir haben nicht nur oberflächlich unser Feld bebaut, sondern auch in die Tiefe. Das geht aus dem bloßen Vergleich der Lage von 1994 und heute hervor. In Amsterdam   vor drei Jahren, da waren unsere franzö- fischen Genossen noch in mehrere feindliche Lager gespalten, die Oesterreicher standen vor dem Kampfe für das allgemeine Stimm- recht, in Rußland   hatte gerade der blutige Krieg gegen Japan   be- gönnen, dessen Folgen kein Mensch ahnen konnte. In England konnten die Konservativen höhnend sagen, der Sozialismus sei in England kein Importartikel. Und heute, da sind die französischen  Genossen zu einer großen Partei vereinigt; im Internationalen Bureau sitzt neben Vaillant, dem wackern alten Veteranen der Kommune, brüderlich vereint Jaures, die Hoffnung des Sozialis- mus. Im englischen Parlamente sitzen mehr Proletarier als in irgendeinem anderen; sie haben sich bereits von allen bürgerlichen Parteien getrennt; damit sie eine rein sozialistische Partei werden» möchten sie nur noch einsehen, daß zur Klassenkampftaktik noch das Endziel gehört. Gerade so hat die gewerkschaftliche Bewegung einen großartigen Aufschwung genommen, gerade in Deutschland  . Bebel hatte es nicht nötig, von einer Niederlage unserer deutschen Brüder zu sprechen. Das war keine Niederlage, sondern nur eine Etappe auf dem Marsch zum Siege. DaS beweist schon der großartige Aufschwung der Organisation.(Bravo  !) In Frankreich  , in England, in Deutschland  , überall geht eS vorwärts. Ueberall dringt der Sozialismus siegreich vor. In Finnland  , Schweden  , Württemberg   und Baiern  , in Oesterreich  haben unsere Brüder den herrlichsten Sieg erfochten und das all- gemeine Stimmrecht sich erkämpft. Die österreichischen Genossen, die haben uns gelehrt, daß in ihrem national zerspaltenen Reiche, wo die bürgerlichen Parteien sich nicht vertragen können, die Prole- tarier allein eine einheitliche Masse bilden.(Lebhaftes Bravo!)) Mit bangem Herzen schauen wir nach Osten, wo die Russen und Polen   noch unter dem zarischeit Joche seufzen, und wir sende» den heldenmütigen Frciheits- kämpfern dort unseren innigsten Brndergruß.(Lebhaftes Bravo! und Händeklatschen.) Seit drei Jahren kämpfen sie unverzagt und lassen sie'Blut und Gut für ihre Menschenrechte. Mehr wie einmal I)aben wir für sie gebangt, mehr wie einmal haben wir gehofft. der Sieg sei endlich nahe. Leider aber hat sich unsere Hoffnung nilht ggnz verwirklicht. Der Zarismus ist zum Tode getroffen.