Bescheidenheit nur noch eine Sonderderiretung agrarischer Interessen. Der Spruch, den der Herr Reichskanzler einst bei hellem Gläserklang für seinen, hoffentlich noch in weitester Ferne liegenden Leichenstein im voraus bestimmt hat, würde für seine gesetzgeberischen Monumente dem e n t° schiedenen Liberalismus durchaus unzulässig er- scheinen, so datz er bei der Aufrichtung von Denksteinen mit solcher Inschrift jede Mitwirkung unbedingt versagen müßte. Gerade hinsichtlich der Einführung des Reichstagswahlrechtes in Preußen kann und darf er keinen Schritt znrückweichen, auch nicht das ge- ring st e Zugeständnis machen. Alles oder nichts! lautet hier die Parole, denn jedes weniger ist nichts." Alles oder nichtsl Herr Träger nimmt diese Parole Naumanns auf, unbekümmert um die diplomatischen Blockängste der Mehrheit des Freisinns der männlichen wie der weiblichen Linie. „Jedes weniger ist nichts!" erklärt Herr Träger! Wir hoffen, daß wenigstens die freisinnigen Proletarier, die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine, diese Parole auch zu der ihrigen machen l—_ liiaroklio. Vor Casablanca folgt ein Angriff der Marokkaner dem andern. Auch am Montag haben die französischen Truppen kämpfen müssen und ftir Dienstag wurde das Ein- treffen großer marokkanischer Verstärkungen erwartet. In den übrigen Städten scheint die Lage für die Europäer immer ge- fährlicher zu werden. Die französische Kolonie sollte am Dienstag Fez verlassen. Der frühere französische Minister Hanotaux veröffcnt- licht in der Pariser „Revue Hebdomadaire " eine Studie über Marokko , in der er Frankreich auffordert, über die Algcciras- akte hinwegzugehen und regelrecht den Krieg gegen das Reich des Maghzen zu eröffnen. In der„Deutschen Tageszeitung" Oertels erschien gleich- zeitig ein Leitartikel, in dem die deutsche Regierung aufgefordert wird, Frankreich freies Spiel in Marokko zu lassen, sich jedoch eine„Entschädigung" auszubedingen, wenn Frankreich einen Machtzuwachs aus der Affäre heimbringen sollte.„So würde Bismarck handeln." Der französische Exminister ficht für die Interessen der großen Finanzmächte Frankreichs — der deutsche Ex-Reichsbote Oertel spricht die Gedanken der preußischen Junker aus, denen nichts an der Bereicherung der deutschen Bankiers und Industriellen durch einen deutschen Marokkorummel liegt, die aber dcni Imperialismus doch nicht ganz die Reverenz der- weigern können. Die Meldungen des Tages lauten: Paris , 20. August. Gestern morgen erfolgte auf da? Lager des Generals Drude von Norden her ein Anariff der Stämme Menata und Ziadia, die sich an den bisherigen Gefechten noch nicht beteiligt hatten. Für heute wird ein großer Anmarsch von Kabylen aus der Gegend von Mazagan erwartet. Tanger , 20. August. (Meldung der»Agence HavaS'.) Hier sind 600 Mann scherififcher Elitetruppen eingetroffen, die viel- leicht zur Aufrechterhaltung der Ordnung nach Mazagan weiter gehen werden. Nachrichten aus Fez besagen: Der französische Konsulats- Verweser, der einen Ausbruch von Fanatismus gegen die Franzosen unter den Eingeborenen befürchtet, hat'den morgigen Tag für den Abzug der französischen Kolonie bestimmt; die französische Militär- Mission wird Fez aber nicht verlassen. Ob der Konsulatsverweser zurückkehren wird, ist unbekannt. Die europäische Kolonie befindet sich in Sorge. Der Maghzen wird, wenn erforderlich, für die ab- ziehenden Franzosen und anderen Europäer eine Schutzwache stellen. Tanger , IS. August.(Meldung der Agence HavaS.) Nach Nach- richten aus Mogador soll der Häuptling Mael Ainin bei seinem Durchzuge die KaidS der Aflus und GiduS aufgefordert haben, gegen die Franzosen zu marschieren, die KaidS hätten dieS jedoch abgelehnt.— Das hiesige K o n s u l a r k o r p s hat Admiral Philibert um Entsendung eines StatioiiSschiffeS nach Tanger ersucht. Auch die Konsuln in M a r r a l e s ch haben um Entsendung eines Schiffes dorthin gebeten.— In Saffi herrscht auf das Gerücht hin. daß Muley Hafid zum Sultan ausgerufen worden sei, eine gewisse Erregung. lieber den Kampf vor Casablanca am 18. August liegen «och verschiedene Meldungen vor. Der offizielle Bericht lautet: Paris , 20. August. Leber den Kampf bei Casablanca am 18. d. M. wird folgendes gemeldet: General Drude erwartete schon seit mehreren Tagen einen Angriff. Gegen 3 Uht morgens am 18. begann das Gcwehrfeuer bei den Vorposten. Bei Tages- anbruch brach ein Kapitän mit M SpahiS auf, um die Stellung der Marokkaner auszukundschaften. Tie Spahis saßen ab und schwärmten auS; ihre geringe Zahl gab den Gegnern Mut. Die Reiter derselben, 2000 an der Zahl, suchten sie zu umzingeln. Eine Abteilung Schützen, die vorging, konnte dem Feinde nicht Einhalt gebieten. Die Spahis gingen hierauf langsam zurück, machten eine Wendung und stürzten sich, den Kapitän an der Spitze, unter Kriegsrufcn und Abgabe von Schüssen auf eine Abteilung von mehr ttls 1M0 Reitern. Eine Kompagnie Schützen und eine Schwadron Jäger zu Pferd« ging gleichzeitig etwa 600 Meter vor, worauf die Marokkaner flüchteten und ihre Reserven mit sich fortrissen. Ein Feldgeschütz sandte ihnen wohlgczieltcS Schnellfeuer nach. Die SpahiS, deren Kapitän im Gesicht verwundet war, kehrten in das Lager zurück. Sie hatten einen Toten und einen Verwundeten; auch waren mehrere Pferde getötet oder verwundet. Um tOMt Uhr traf ein spanischer Hauptmann ein und bot die Hülfe seiner Truppen an; General Drud« lehnte dieS jedoch mit Dank ab, da das Gefecht beendet war. Marokkaner, welche die Anhöhen zur Rechten des Lagers besetzt hatten, wurden durch Gcwehrsalven ver» jagt. Von den Schützen wurde ein Mann getötet, zwei wurden verwundet, �er Feind hält sich jetzt fern, man muß aber auf einen neuen Angriff gefaßt sein. Die Haltung der Truppen ist auS gezeichnet."' poUtirebe Geber ficht« Berlin , den 20. August 1907. DaS Riesenzuchthaus. „Leute, schließt euch nicht der Sozialdemokratie an, denn die will einen Zuchthaus st aat errichte», worin keiner nach seiirem Belieben leben, keiner seine Meinung frei betätigen kann, sondern jeder der Fuchtel seiner Vorgesetzten unterivorfen ist."— So und ähnlich klingt der Sang, womit unsere Staatserhaltendcn vor der Sozialdemokratie graulich zu mache» suchen. Als ob ein solcher .ZuchthauSstaat" erst errichtet werden müßte I Unzählige Male haben wir nachgewiesen, daß dieses.RiescnzuchthauS". das dem einzelnen bei schwerer Strafe jede Freiheit verwehren möchte, heute besteht, insbesondere für die Beamten. Und fast jede Woche bringt neue Beweise dafür. Mit Stolz und Freude erzählt die „Deutsche Tageszeitung': Ein Lehrer in Gotha , der bei der Wahl seine Stimme einem Sozialdemokraten gegeben hatte und desivegcn von einer dortigen Zeitung angegriffen war, hatte diese wegen Be- leidtgung verklagt. Er wurde vom Gericht nicht nur abgewiesen, sondern erhielt im Urteil noch überdies folgende„kräftige Lehre": „Das Gericht ist der Ausicht, daß eS jedem Manne ohne Amt freisteht, zu wählen, wen er will; ein L e h r er aber als Gemeinde- und indirekter Staatsbeamter macht sich einer groben Pslichtverletznng schuldig, wenn er sür einen Sozialdemo- traten stimmt! Er handelt aber auch sehr unklug, denn die Schule ist auf der Autorität aufgebaut; wenn er die Feinde der staatlichen Autorität unterstützt, daim sägt er den Ast ab, auf dem er sitzt!" So, der Hat'S nun wieder bekommen I Er iveiß nun, daß er für sein Gehalt nicht nur seine Arbeit zu leisten, sondern obendrein noch seine Gesinnung verkauft hat. Denken kann er sich ja, was er will. Wenn er aber eine Gesinnung betätigt, die seine Vor- gesetzten nicht erlauben, dann begeht er eine„grobe Pflichtverletzung". Was wird der Mann Angst haben vor dem„Zukunftsstaate"- der ihn angeblich in sklavische Abhängigkeit von seinen Vorgesetzten bringen Ivird! UebrigenS ist das Gothaer Gericht von der richtigen staatS- erhaltenden Ansicht noch ziemlich weit entfernt, wenn cS meint, daß ein„Mann ohne Amt" wählen dürfe, wie er will. Eisenbahn- a r b e i t e r z. B. haben kein„Amt" und fliegen doch ausS Pflaster, wenn sie sozialdemokratische Gesinming merken lassen I Ein RiesenzuchthauS allerdings— aber nicht in der sozialdemokratischen Zukunft, sondern in der kapitalistischen Gegenwart. —_ Moralische Verlumpung! In der alldeutschen„Tägl. R d sch. dem«Organ der Gebildeten", lesen wir: «Eine Prämie ans Morcnga! Ein Leser schreibt uns: „Warum macht niemand den Vorschlag: oder Va Million auf den Kopf des toten oder lebenden Morenga zu setzen? Oder müssen erst wieder 1000 Mann ins Gras beißen und Milliarde verpulvert werden?" Dle Anregung ist nickt übel und w ä r e z u erwägen, unsympathisch ist nur der Gedanke, daß den Preis vielleicht einer seiner früheren würdigen Freunde verdienen würde. Doch m ü ß t e nr a n s i ch damit abfinden, wenn nur der Zweck erreicht wird, den gefährlichen Ruhestörer unschädlich zu machen, damit endlich Friede einzieht in Südwestafrika und die wirtschaftliche Tätigkeit im Süden der Kolonie wieder aufgenommen werden kann." Um die sittliche Verivahrlosung dieser„Alldeutschen " richtig zu würdigen, muß tttaii sich vergegenwärtigen, daß General L e u t>v e i n in seinem Werke„Elf Jahre Gouverneur in Südwestafrika" über Morenga geschrieben hat; „Ihre h ö h ere Ku l t ur st u f e haben sowohl Morenga wie die Gebrüder Morris auch durch die Art ihrer Kriegführung bewiesen. Während des BondelzwartSaufstandeS legte mir ein ausgeplünderter Farmer eine in gutem Holländisch geschriebene Bescheinigung vor. Sie befindet sich bei den Akten des Gouverneurs in Windhuk und lautet nach meiner Erinnerung in Uebersetzung etwa folgendermaßen: „..Requiriert beim Farmer 3E. 2 Gewehre, 3£ Patronen, 36 Pfd. Kaffee, 3£ Pfd. Tabak usw. Dies bescheinigen: Der Kommandant: gez. Morris. Der Feldkornett: gez. Zl."" An den Personen des Farmers und feiner Angehörigen hatten sich die Plünderer dagegen nicht im geringsten ver- griffen. In der gleichen anständigen Weise hat auch Morenga den Krieg geführt. Er hat bei seinen„Requisitionen" nicht nur das Leben der Weißen geschaut, sondern auch den Ausgeplünderten den notwendigsten Lebcnsnnterhalt be< lasse». In seine Hände gefallenen verwundeten deutschen Soldaten hat Morcnga die Freiheit wiedergegeben. Während im Juni 1905 zwei deutsche Abgesandte sich dehufS Friedensverhandlungen imLagerMorenaa« befanden, griff eine deutsche Abteilung, die von der Anknüpfung der letzteren nicht rechtzeitig hatte verständigt werden können, versehentlich an. Morenga hätte es nun in der Hand gehabt, die Abgesandten zu töten. Er zog eS jedoch vor, lediglich die Verhandlungen abzubrechen und fern Lager zurückzuziehen." UebrigenS braucht das Blatt der„Gebildeten" kaum zu befürchten, daß einer der Freunde Morengas sich solchen Judaslohn verdienen würde, sind doch die von Trotha auf die Köpfe der Häilptlinge ausgesetzten Prämien völlig erfolglos geblieben. Auf die Höhe alldeutscher Lumpcnhaftigkeit haben sich die südwestafrikanischen„Wilden" denn doch noch nicht emporgeschwungen l— Wie ein Unternehmer seine Arbeiter schätzt. Der in den letzten Jahren durch seine politische Tätigkeit be- kannt gewordene Fabrikant M ü n ch- F e r b e r in Hof i. B. hat dieser Tage seine Maschinen an eine andere Firma verkauft und seinen Betrieb stillgelegt. Den„braven" Arbeitern, die fast durch- weg über 10 Jahre im Betriebe waren, hat man ohne ein DankeS- wort für ihre Arbeit ihre Karten ausgehändigt, nicht einmal einen Fetzen Papier für ein Zeugnis hatte man übrig; sang- und klang- loS hat man„feine" Arbeiter an einen anderen Unternehmer ver- schachert. Die enttäuschten Leute, die bei den RcichStagSwahlcn in naiver Einfalt für ihren arbeitcrfreundlichen liberalen„Herrn" agitiert haben, sie sind nun ganz plötzlich sehend geworden. Durch dw Annahme einer Resolution haben sie ihrer Entrüstuna über die ihnen gewordene Behandlung Ausdruck gegeben.— Herr Soinbart über die Block-Paarung. Der„sozialliberale" Professor Werner Sombart urteilt über die Blockpolitik und die konservativ-liberale Paarung in der Zeitschrift. M o r g e n sie sei vielleicht das„alleruner- freulichfte Ereignis", daS unser politisches Lebe» in den letzten Jahren aufzuloeisen habe. Sie sei gerade das Symptom jener U n a u f r i ch t i g k e i t der Regierung und der Phrasen- haftigkeit unserer(freisinnigen) Opposition. „Ein Mißverständnis zwischen Wort und Tat, zwischen Schein und Wirklichkeit. Alle Gegensätze eingehüllt in eine Staubwolke von Phrasen, an die im Grunde kein Mensch glaubt:„Nationaler Block!" Um ein paar Millionen Nachkredit sür eine beliebige koloniale Unternehmung bewilligt zu erhalten, bemüht man wahrhaftizz eine ganze große Nation und redet ihr vor, sie müsse sich auf sich selbst besinnen, ihre Ehre verteidigen und dergleichen mehr. Daß man nicht die Er- fahrungen des Hirten in der Fabel mache, der immerfort ohne Grund rief:„Der Wolf ist dal", bi» der schlichlich kam und keiner mehr dem Hülferufe des Hirten Folge leistete." Herr Sombart ist zwar auch nur ein feuilletonistisch frisierter Kathcdersozialist und parfümierter Salonpolitiker, aber er beweist wenigstens einen gewissen Instinkt für politische Realitäten. Ein sonderbarer Befehl. Einer unserer Parteigenossen in Danzig erhielt folgendes Schreiben: (Datum.) Befehl! Sie haben sich in den nächsten Tagen vormittags zwischen 0 bis 12 Uhr auf dem hiesigen Hauptmeldeamt. Weitzmönchen- hintergasse l/2 zur Enipfangnahme einer Landwehr-Dtenstaus. Zeichnung zu melden..........•• Bezirksfeldwebel. Der Empfänger dieses sonderbaren Befehls hat schon vor zirka sechzehn Jahren den Rock dcS Volkes ausgezogen und niemals an einer Lantovebrübuna teilaenommen. Beim besten Willen vermag er sich nicht auf irgendein noch so geringes Verdienst um den heiligen Militarismus zu besinnen. Wie man jemanden, der seit sechzehn Jahren nicht mehr Soldat ist, einen Befehl ins Haus enden kann, verstehen wir nicht. Obendrein wird unser Genosse in dem Vcsitzzcugnis über die Landwchr-Dicnstauszeichnung auch noch als Grenadier bezeichnet! Ja, bleibt man denn zeit- lcbens Grenadier, der jeden Befehl von militärischen Personen einfach zu befolgen hat? Schließlich muß es doch irgendeine Grenze geben, wo das Zivilleben beginnt! Spaßig ist ferner. daß man jemanden irgendein Ehrenzeichen ciiffach„anbefiehlt" Man muß die„Räumung" wohl sehr nötig haben! Eine neue Polizeitat von Halle. Man berichtet uns aus Halle a. S. unterm 19. August: Daß die Hallesche Polizei in Preußen voran marschiert, dürfte allgemein bekannt sein. Sic übertrifft aber noch die„sächsische Gemütlich- keit". Am Sonntag früh unternahmen etwa 800 Mitglieder des Holzarbeitervcrbandes aus Leipzig einen Ausflug nach Halle. Die Polizei witterte— bei Arbeitern ist das hier immer so— „einen verbotenen Umzug" und traf„SichcrhcitLmaßregeln". Da die gemütlichen Sachsen noch nicht im lenkbaren Lustschiff über Halle nach dem Saaletal und nach der Heide fliegen konnten, mußten sie das Halleschc Pflaster betreten. Das schien der Halle - scheu Polizei schier unerträglich. Und als die Leipziger das mit- gebrachte Musiklorps kurz vor dem Walde auf der Landstraße in Aktion treten ließen,„da war das Matz voll". Ein Kommissar, be- gleitet von Polizisten, stürmte über daS Feld; man zog blank, löste den„verbotenen Umzug" auf und nahm Sistierungen nach der Woche vor. Der Vorgang erinnerte an die Zeiten des Schand- gesetzes, und nur der besonnenen Haltung der Leipziger Genossen ist es zu danken, daß es zu keinem größeren Exzeß kam. Liberalismus und Hausknecht. In dem Münchener liberalen Wochenblatt„Fortschritt" bespricht der jungliberale Rechtsanwalt Kohl den im Herbst zu- sammcntreteuden bayerischen Landtag. Dabei macht er folgende charakteristische Aeußerung: Unter den neuen Volksvertretern werden sich finden „Kerle, die den Teufel nicht fürchten und das Maul auftun und einem Minister die Wahrheit ungeschminkt sagen, wie unser einer einem Hausknecht." „Unser einer", daS heißt also: Wir Liberale sagen zwar einem Hausknecht alle möglichen Grobheiten und finden das ganz natürlich. Ob man aber Miniftcrn gegenüber wirklich solche Töne anschlagen wird?— Neue Truppensendungen nach Wüstweft empfiehlt dringlickst ein„alter Afrikaner" in einem Leitartikel in der „Deutschen Tageszeitung". Er schreibt: „Nur keine Zauderpolitik wieder, oder gar ver» hängnisvolle Aufschübe bei der Acissendung von Truppen ans Rücksichten budgetärer Art! Sie haben uns schon zuviel Geld gekostet. Der Süden wird gehalten! Die neue ReicketagSmehrheit will es. Die Aera Leut- wein ist vorüber, der mir im Februar 1904 schrieb: Mit Rücksicht auf die bereits vorhandenen 1500 Mann und weiterer deimiäckst zu erwartenden Verstärkungen, sowie auf unsere Erfolge, die die Eingeborenen in die Defensive verwiesen haben, erscheint eine weitere Hülfeleistung zurzeit nicht nötig! Holen wir daS Versäumte bald nach! Jetzt werden wir eS können, nachdem die Neutralität britischen Ge- bieteS verbürgt scheint und eine nationale Mehrheit ihren Einzug im Reichstage gehalten hat. Und nun noch eine Warnung andi«Adresse derer, die eS angeht: Keine„Ent- hiilliingen", bevor der letzte Schuß gefalle», der letzte, größte Gegner endgültig„erledigt" ist!" Bekanntlich befinden sich außer diversen Tausend Abenteurern und Kriegsspekulanten, die die fette Zeit de» dreijährigen Krieges nach Südwest gelockt hat. noch zirka 7000 Mann— nicht 1500 Manu— in Südwestafrika I Ihnen stehen Simon Copper und Morenga mit höchsten» ein paar hundert Mann gegenüber. Die 400 Mann Morenga» sind ja in der letzten amtlichen Meldung bereit? erheblich zusammengeschrumpft! Trotzdem befürwortet das Agraricrorgan neue Truppen- Nachschübe, obwohl es weiß, daß jeder Mann Nachschub uns diverse Tausend Mark kostet! Besonders drastisch ist aber die Forderung an die amtlichen Stelleu,„keine Enthüllungen" mehr zu machen, bevor der „letzte Schuß gefallen". Der letzte Schuß gegen Morenga— oder vielleicht gegen die O v am b o?!—_ Otogarn. Die„sozialmormerische" Regiernng. WolffS Telegraphenburcau verbreitet folgende saftige Reklame, die offenbar auS den Bureaus der ungarischen Regierung selbst stammt: Budapest , 20. August. Durch eine heute erlassene Verordnung deS Ackerbauministcrs Daranhi sind zwei wichtige sozialpolitische Gesetze ins Leben getreten. DaS Gesetz, welches die RechtSverhält- nisse zwischen Landwirten und landwirtschaftlichen Arbeitern zum Gegenstand hat. stellt Arbeitgeber und Arbeiter rechtlich gleich und bedroht Ucbergriffe gegen Bedienstete mit Strafe. ES stellt im Interesse der Bediensteten Gchiitzmabregeln auf; so hebt eS daS häusliche Züchtig ungSre cht Dienstboten gegen über auf, verlangt für sie gesunde Wohnungen und fordert, daß der in Gestalt von Naturalleistungen zu zahlende Lohn erstklassig sei. Ehefrauen sowie Kinder unter 12 Jahren müssen im Falle einer Krankheit auf Kosten de» Arbeitgebers während eine» Zeitraumes von 45 Tagen ärztliche Pflege erhalten. Zahlreiche Bestimmungen berechtigen die Bediensteten im Falle nicht entsprechender Behandlung, unpünktlicher Lohnzahlung oder schlechter Verpflegung, den Dicnstvertrag sofort zu kündigen. TaS zweite Gesetz handelt von staatlicher Unterstützung landwirtschaft- licher Arbeitcrhäuser und bezweckt, die Arbeiter durch Bezahlung des bisherigen Hauszinses in den Besitz dcS Hauses gelangen zu lassen. Die große„Sozialreform" besteht also in der Gewährung minincalster Selbstverständlichkeiten. Von den Fußangeln, die der Sclbsthülfe der bis aufs Blut ausgebeuteten Landarbeiter durch dieselbe ungarische Regierung gelegt werden, sagt die Reklame- depesche natürlich nicht»! Budapest , 20. August. Die R a a b e r Staatsanwaltschaft hat die K o n f i» z i e r u n g einer in vielen Tausenden von Exemplaren in den deutschsprachigen Gegenden Ungarns verbreiteten Flugschrift unter dem Titel:„Aufruf des Vereins zur Er- Haltung de» Deutschtums in Ungarn ", welche von Wien aus verbreitet wurde, angeordnet. Italien . Die Flucht vor dem Elend. Rom , 20. August. Hiesigen Blätter zufolge beabsichtigen im nächsten Jahre etwa 39 990 italienische Familien nach Chile auszuwandern. Die italienischen Behöcdcn suchen diese MasscnauSwanderungen zu verhindern. ES heißt sogar, daß für das nächste Jahr besondere gesetzlich- Maß. regeln getroffen werden sollen, die der Auswanderung erne gewiss« Schrank« setzen..... � Natürlich sind Polizcigesetze geplant— mckt etwa Sozial- rekarmen!
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