Einzelbild herunterladen
 
  

geöffnet sein. Doch sollen die Arbeiter über die Arbeits- und Lebens- bedingungen aller Länder belehrt werden, wenn sie in sie ein- wandern wollen. In diesem Sinne legen die Argentinier zwei Resolutionen vor, von denen die eine die Belehrung der Arbeiter verlangt, während die andere die Erleichterung der Naturalisation in den verschiedenen Ländern fordert, damit die Ar­beiter in dem neuen Wohnsitz sofort die politischen Rechte erlangen können. Ury- Frankreich polemisiert gegen die amerikanische Resolution, die gegen das Grund­prinzip der Sozialdemokratie aller Länder verstoge. Die Ameri- kaner verlangen eine Beschränkung der Einwanderung. Die Arbeiter aber wandern nur aus, weil sie durch die wirsichafilichen Ver- Hältnisse dazu gezwungen sind. In Frankreich haben die eingewanderten Arbeiter, Belgier, Deutsche , Italiener und Spanier gewöhnlich kein lebhaftes Rassenbewußtsein. Aber das Klassenbewußtsein mutz bei ihnen geweckt werden. Das beste Mittel gegen die schlimmen Folgen der Einwanderung ist die Agitation, Aufklärung und Organisation. Die französische Delegation beantragt, die sozialistischen Abgeordneten aller Parlamente zu beauftragen, zu verlangen, daß den Regierungen nicht mehr gestattet werde, fremde Arbeiter ohne weiteres auszuweisen, ferner, daß die fremden Arbeiter genau den- selben Arbeiterschutz wie die Einheimischen genießen sollen, weil dann die Unternehmer weniger Interesse haben, fremde Arbeiter anzustellen. Skaret-Böhmen : Die Ein- und Auswanderung beschränkte sich anfangs auf deutsche und italienische Arbeiter, zog sich aber später dann immer mehr nach dem Osten. Die Frage der Ein- und Auswanderung sei vor allem eine Rassenfrage. Er bitte die Genossen, sich in der Dis- kussion auf die Kulifrage zu beschränken. Trömer- Australien : Das Problem der Immigration hat für Australien eine größere Bedeuwng, wie für die meisten anderen Länder, die hier vertreten sind, da dort die Löhne der einheimischen Arbeiter höher sind als die der anderen. Die Kapitalisten bemühen sich daher um so mehr, asiatische Arbeiter als Lohndrücker einzuführen. Die eimvanderirden weißen Arbeiter organisieren sich in kurzer Zeit und drücken nicht die Lebenshaltung für die Australier herab. Die australische Arbeiter- Partei will daher alle diejenigen Arbeiter fernhalten, von denen nicht zu erwarten ist. daß sie sich die Lebenshaltung der Weißen aneignen. Das sind eben die Asiaten. Er glaube, daß diese Grund- sätze der australischen Arbeiterpartei nicht dem Sozialismus wider- sprächen. Würde man eine beschränkte Immigration gestatten, so würde der Fortschritt des Sozialismus gehindert werden. Gewiß wollen wir alle eine allgemeine Völkerverbrüderung, aber bis wir diese erreichen, müssen wir die Arbeiter unseres Landes schützen, damit sie nicht den Kapitalisten widerstandslos ausgeliefert werden. Man habe versucht, in Australien italienische Arbeiter einzuführen. Da haben die australischen Sozialisten einen Brief an denAvanti* ge­schrieben. der in der Tat den Erfolg hatte, daß die italienische Immigration aufhörte. In derartigen Benachrichtigungen liegt die Hauptbedeutung des internationalen sozialistischen Bureaus. Der australische Arbeiter müsse sich im Interesse des Fortschrittes des Sozialismus seines Landes gegen die Einwanderung der asiatischen Arbesier schützen. Morel- Frankreich erklärt sich gegen die australische Resolution. Wir sind nicht gegen die gelbe Rasse, wohl aber gegen die gelben Streikbrecher. Die Chinesen und Japaner müssen wir durch Aufklärung zum Sozia- lisinuS erziehen und durch Organisation zu unseren Brüdern machen. Wir müssen die gelbe Rasse und alle Arbeiter überhaupt gewerkschaftlich organisieren gegen die gelben Streikbrecher. Die Auswanderer sind die unglücklichsten Glieder der großen Arbeiter- familic. Es wäre unsozialistisch, noch Maßregeln gegen sie zu ver- langen; wir müssen ihnen vielmehr zu Hülfe kommen. Die eigent- lich brennende Frage ist die der Einwanderung von Saisonarbei- tern. Die französische Delegation beantragt die Einführung einer speziellen Information für die Saisonarbe»ter, um sie den Klauen der Menschenhändler zu entziehen. Hier muß die Aufklärung und Organisation sofort eingreifen, dann werden die Saisonarbeiten die Löhne nicht mehr herabdrücken. Hillquitt-Vereinigte Staaten : Das Problem der Ein- und Auswanderung ist sehr schwierig und ernst. Die Amerikaner haben das Prinzip der Internationa- lität stets vor Augen, die Resolution verstößt auch in keiner Hin- ficht gegen dieses Prinzip. Hillquitt unterscheidet mehrere Arten von Auswanderung: Die erste Art ist die natürliche Auswande- rung, die aus dem Wesen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung selbst entspringt. Für diese Ein- und Auswanderung verlangen die Amerikaner die größte Freiheit, sie machen eS den Arbeitern sogar zur Pflicht, die armen Auswanderer zu unterstützen. Bon dieser natürlichen Ein- und Auswanderung muß aber die andere Art scharf geschieden werden, das ist die Einwanderung, die im Grunde nur der Import fremder Arbeitskräfte durch den Kapita- lismuS ist. Die Kapitalisten importieren solche Arbeitskräfte, die ihrem Wesen nach billiger sein müssen und daher meistens unbe- wußte Streikbrecherdienste leisten, und den einheimischen Arbeiter i gefährliche Konkurrenz machen. Diese Arbeitskräfte sind heutzu- tage die Chinesen und Japaner, die gelbe Rasse überhaupt. Wir haben durchaus kein Rassenvorurteil gegen die Chinesen, müssen aber konstatieren, daß sie ganz unorganisierbar sind. Ein Volk kann eben nur dann zum Klassenkampf organisiert werden, wenn es bereits in der EntWickelung sehr weit vorgeschritten ist, wie das bei den Belgiern und Italienern der Fall ist, die in Frankreich ein- wandern. Die Chinesen sind aber in ihrer EntWickelung noch viel zu weit zurück, um organisiert zu werden. Sozialismus will nicht etwa heißen Sentimcntalismus. Wir stehen in einem heißen Kampfe, der zwischen Kapital und Arbeit tobt. Wer gegen die or- ganisierte Arbeit ist, ist unser Gegner. Wollen wir nun für fremde Streikbrecher etwa ein Privileg schaffen, während die einheimischen gegen sie kämpfen müssen? Wenn wir keine Maßregeln treffen gegen den Import chinesischer Streikbrecher, dann drängen wir die sozialistische Arbeiterbewegung zurück. Unsere Resolution palt das Prinzip dcS Klassenkampfes hoch, die französische Resolution hin- gegen entnervt den Klassenkampf. Wir halten nicht an dem Wort- laut der Resolution fest, aber nehmen Sie eine Resolution in un- serem Sinne an. Diener(Ungarn ) tritt den Ausführungen des Genossen Hillquitt entgegen. Ungarn stelle ein großes Konlingent zur Auswanderung, werde aber trotz der großen Menge nicht nur von kapita- listischen Streikbrechern bedrängt, sondern der Staat selbst sende Emissäre aus, um Arbeiter aus Rußland als Streik» brccher einzuführen. In der Rassenfrage glaubt Hillquitt einen richtigen Standpunkt einzunehmen. Aber die Länder, die heute noch unorganisierbar sind, sind cS nicht mehr morgen. In rück. ständigen Ländern dauert die Entwickclung nicht mehr so lange. wie in denjenigen Ländern, die zuerst die EntWickelung durch- machten, wie England und Deutschland . Noch vor zehn Jahren wanderten unsere ungarischen Arbeiter nach Amerika aus und könnten als unorganisierbar gelten. Heute, nach wenigen Jahren, sind sie vom Geiste des Sozialismus erfaßt und lassen sich organisieren. Ihr wollt den Arbeitern Schutzzölle errichten und werdet damit Fiasko erleiden wie die Kapitalisten. Wir dürfen die Lohnfroge nicht nur vom Standpunkte von Angebot und Nach» frage betrachten, denn dann müßten wir uns auch gegen die Ein» führung landwirtschaftlicher Maschinen wenden, die besonders in den östlichen Ländern mehr Arbeiter frei gemacht haben als die Japaner und Chinesen. Wir müssen vollkommen freie Ein- und Auswanderung zulassen. Ein großer Teil der amerikanischen Arbeiter ist noch nicht vom proletarischen Klassenbewußtsein er- füllt, sondern nur vom Lohiibcwußtscin. Allerdings müssen wir die Mißbräuche bekämpfen, die durch die Masscneinfuhr zum Besten der Kapitalisten entstehen, aber wir müssen sie bekäiupfen durch! Aufklärung und Organisation. Ein gutes Mittel wäre es auch, auf die Einführung eines Lohnminimums zu dringen; wo eS auf politischem Wege nicht geht, auf gewerkschaftlichem.(Lebhafter Beifall.) Lucas(Südafrika ): Wir in Südafrika müssen den Import billiger Arbeiter ver- hindern, die unsere Gewerkschaften zerstören. Wir sind keine Feinde der Chinesen als Rasse, sondern als Streikbrecher. In der Frage der Emigration organisationsfähiger Arbeiter stehen wir auf dem Standpunkt dcS internationalen Sozialismus. Rappaport- P a ris: Die heutige Debatte hat drei Dinge unterschieden: die nationale These Australiens , die internationale These Frankreichs und in der Mitte die These von Hillquitt, die in der Idee der internationalen Anwendung nationalistisch ist. Hillquitt wollte seine Ansicht durch Marx stützen und nannte sie revolutionär. Aber wir müssen Marx nicht nur in der Idee, sondern auch trotz aller Schwierigkeiten praktisch anwenden. Dem Internationalismus würden wir ins Gesicht schlagen, wenn wir die These Australiens annehmen würden. Hillquitt redet von prädestinierten Streikbrechern; das können wir nicht anerkennen. Solange ein Arbeiter noch keinen Strcikbruch begangen hat, ist er für uns ein Genosse. Auch wir wollen Front machen gegen diese kontraktbrüchige Einwanderung durch die Kapitalisten, aber nicht, indem wir gegen die betreffenden Arbeiter kämpfen. Ich bitte Sie, nicht die australische und amerikanische, sondern die französische Resolution zu berücksichtigen.(Beifall.) Hierauf vertagt sich die Kommission auf DienStag 10 Uhr. Ter Militarismus und die internationalen Konflikte. (Fortsetzung aus der DienStag-Nummer.) Stuttgart , 19. August. Herve fährt fort: Jetzt gilt es, die Schafe über die verschiedenfarbigen Grenzpfähle hinweg zusammenzuführen. Bebel unterscheidet sehr fein zwischen Angriff und Verteidigungskrieg. Ja, wenn das kleine Marokko verschleißt wird, gibt man einen Angriffskrieg mit aller Brutalität und Offenheit zu. Wenn aber einmal zwischen Großmächten ein Krieg ausbrechen wird, dann entfacht die über» mächtige kapitalistische Presse einen solchen Sturm dcS Nationalis­mus, daß wir nicht Kräfte genug haben, um dem entgegenzutreten. Dann ist es zu spät, mit Eurer ganzen feinen Unterscheidung. Wann habt Ihr denn von der Fälschung der Emser Depesche er- fahren? Zehn Jahre nach dem Proletarier mordenden Krieg. Meine antimilitaristische Agitation sollte ein lauter Schrei sein, ein Warnruf an die deutsche Sozialdemokratie, ihrerseits ihre Pflicht zu tun für die Internationale und den Krieg unmöglich zu machen. Meine Agitation hatte in Frankreich den größten, durchschlagendsten, großartigsten Erfolg.(Heiterkeit.) Ist nicht schon das ein Erfolg, daß ich in jeder Stadt, in jedem Dorf Frank- reichs die Idee des Vaterlandes vernarren durfte, ohne in Stücke gerissen zu werden? Die verspotteten Hcrveaner haben auf dem letzten französischen Parteitag in der Militärfrage zugunsten von JaureS und Vaillant und gegen Guesde entschieden.(Widerspruch von Jaures .) Wir dachten also mit unserer glänzenden erfolg- reichen Agitation Euch Deutschen ein Beispiel geben zu können, das Euch nachzwingcn mußte, wir gingen ferner nicht etwa wegen der Aufregung unserer Bourgeoisie über die Grenzberichtigung von 1S71 vor, sondern weil wir eine revolutionäre Vergangenheit haben. Bebel hat zwar in Amsterdam gesagt, die preußischen Bajonette hätten uns die Republik gebracht. Aber den 14. Juli, den Tuileriensturm, die Februar- und die Märzrevolution haben doch wohl nicht die preußischen Bajonette für uns gemacht. (Heiterkeit.) Darüber, ob die deutsche Sozialdemokratie uns folgen werde, hat Bebel uns ja keine Illusionen mehr gelassen. Ich ver- kenne die großen Verdienste von Marx , Engels , Lassalle, KautSky , Bebel und auch Eduard Bernstein , des einzigen, der heute noch den Mut hat, durchaus nicht. Aber jetzt seid Ihr nur noch Wahl- und Zahlenmaschinen(Heiterkeit), eine Partei mit Mandaten und Kassen. Mit Stimmzetteln wollt Ihr die Welt erobern. Aber ich frage Euch, wenn die deutschen Soldaten abgesandt werden, den Thron des russischen Kaisers wieder aufzu- richten, wenn Preußen und Frankreich die Proletarier über- fallen, was werdet Ihr dann tun? Und nun antwortet nicht meta- physisch und nicht dialektisch, sondern offen und klar, praktisch und taktisch, was werdet Ihr tun? Ich weiß, 1871 ging Bebel als Rebell ins Gefängnis, aber jetzt fürchtet Ihr den Kampf mit der Regierung, jetzt habt Ihr nicht mehr den Mut, dem preußischen Zuchthause zu trotzen.(Rosa Lu x e m b u r g: Das ist nicht wahr!) Sie meine ich auch natürlich nicht; aber sonst hört man nichts mehr davon, daß ein deutscher Sozial- demokrat den Mut auch vor dem preußischen Ge- fängnis bewahrt!(Bebel: Das wissen Sie ja gar nicht. Zehnmal mehr Gefängnis nehmen wir auf uns wie die ganzen französischen Antimilitaristcn!) Nein, jetzt ist die ganze deutsche Sozialdemokratie verbürgerlicht, und Bebel ist unter die Re- visionisten gegangen, indem er uns heute gesagt hat: Proletarier aller Länder, mordet Euch!(Große Unruhe.) Wenn Ihr uns nicht wollt, die Propaganda dcS Antimilitarismus, dann haben wir nicht gearbeitet für den Frieden, sondern für den Krieg. (Vandervelde: Ihr arbeitet immer pour le roi de Prusse! Heiterkeit.) Belgien hat auch an der Frage des nationalen Konfliktes nur ein halbes Interesse.(Unruhe.) Ich war gespannt darauf, die deutsche Sozialdemokratie persönlich kennen zu lernen, die ich seit Jahren nur mit Achselzucken aus den silbenstechenden. haarspalterischen Kämpfen um die Auslegung von Karl Marx kannte. Jetzt habe ich sie hier auf den Straßen Stuttgarts ge- sehen, die deutschen Proletarier. Meine naiven Illusionen sind zerstört, es sind alles gute, zufriedene und satte Spießbürger.(Schallende Heiterkeit.) Der französische Generalstab ist durch unS moralisch entwaffnet, er weiß, daß der Krieg den Aufstand des Proletariats bedeutet. Für Deutschland aber nehme ich an, daß bei dem Kadavergehorsam, den die Sozialdemokraten hier demKaiser " Bebel entgegenbringen, sie demKaiser " widerstandslos auch in einen Krieg folgen und ihre Bajonette auf die Brust der fran- zösischcn Proletarier sehen werden, die die Barrikaden mit der roten Fahne der Revolution verteidigen.(Unruhe und Lachen.) Nachdem Rosa Luxemburg die Rede übersetzt, aber, wie sie betont, nur übersetzt hat, erhält als letzter Redner für heute Trocle-Bclgien das Wort: Wenn Herve von bürgerlichem Patriotismus ge- sprachen hat, so muß cS doch auch einen sozialistischen Patriotismus geben: von ihm aber hat Herve nichts gesagt. Herve sagte, eS gebe kein Vaterland. Er substituiert dem Vaterland rasch die Vereinigten Staaten von Zentraleuropa . Wollte er konsequent sein, dann müßte er alle Grenzen niederreißen und nur bedauern, daß er nicht �auch den MarS mit in die Internationale ein- beziehen kann.(Heiterkeit.) HcrveS Propaganda wird schwerlich der Sozialdemokratie schaden, eher vielleicht schon ihm, der schon heute über die Tragweite seiner Ideen und seiner Persönlichkeit sich vollkommen unklar ist. HcrveS heutigerGröve militaire" ist schon ein sehr weiter Rückzug gegenüber seiner Insurrektion, die er in seinem BucheLeur Patrie" predigt. Wenn er so weiter fortfährt, endet er noch auf dem rechtesten Flügel der Partei. Eigentlich ist Herve ein viel zu guter Sozialist, als daß er wünschen könnte, daß eine große Partei sich auf seine Tollkühn- heiten einließe. Denn mit dem Mute, dem herrlichen Mute unserer deutschen Genossen, unseres Bebel(Bravo I), haben diese Phantastereien gar nichts zu tun.(Sehr wahr! und Bravo!) Hierauf wird die Weiterverhandlung auf Dienstag 19 11h» vertagt. Auf der Rednerliste stehen noch Jaures , Vaillant, Bebel, Guesde, Bandervelde und Dr. Adler. » Stuttgart . 29. August. (Tclegraphischer Bericht.) Die erste Kommission, die sich mit der Frage des Antimili- tarismuS und den internationalen Konflikten beschäftigte, setzte heute nachmittag ihre Verhandlungen fort. Es liegen eine ganze Reihe von Resolutionen vor. Namens der sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat Genosse Bebel folgende Resolution ein» gebracht: Kriege zwischen Staaten, die auf der kapitalistischen Wirt- schaftLordnung beruhen, sind in der Regel Folgen ihrcS Kon- kurrenzkampfeS auf dem Weltmarkt; denn jeder Staat ist be- strebt, seine Absatzgebiete sich nicht nur zu sichern, sondern auch neue zu erobern, wobei Unterjochung fremder Völker und Länder- raub eine Hauptrolle spielen. Begünstigt werden die Kriege durch die bei den Kulturvölkern im Interesse der herrschenden Klassen systematisch genährten Vorurteile des einen Volkes gegen das andere. Kriege liegen also im Wesen des Kapitalismus; sie werden erst aufhören, wenn die kapitalistische Wirtschafts» ordnung beseitigt ist oder wenn die Größe der durch die Militär- technische EntWickelung erforderlichen Opfer an Menschen und Geld und die durch die Rüstungen hervorgerufene Empörung der Völker zur Beseitigung dieses Systems treibt. Insbesondere ist die Arbeiterklasse, die vorzugsweise die Kämpfer stellt und hauptsächlich die materiellen Opfer zu bringen hat, die natürliche Gegnerin der Kriege, weil diese im Widerspruch stehen zu ihrem Ziel: Schaffung einer auf sozialistischer Grundlage beruhenden Wirtschaftsordnung, die die Solidarität der Völker verwirk- licht. Der Kongreß betrachtet es deshalb als Pflicht aller Ar- beiter, und insbesondere ihrer Vertreter in den Parlamenten, unter Kennzeichnung des Klassencharakters der bürgerlichen Ge- sellschaft und der Triebfedern für die Aufrechterhaltung der nationalen Gegensätze, mit allen Kräften die Rüstungen zu Wasser und zu Lande zu bekämpfen und die Mittel hierfür zu verweigern. Der Kongreß sieht in der demokratischen Organi- sation des Wehrwescns, das alle Waffenfähigen umfaßt, eine wesentliche Garantie, daß Angriffskriege unmöglich werden und die Ueberwindung nationaler Gegensätze erleichtert wird. Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um durch Anwendung der ihnen am wirk- samstcn erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu ver- hindern oder, falls ein solcher dennoch ausbrechen sollte, für seine rasche Beendigung einzutreten." Die Mehrheit der französischen Delegation beantragt die Er- Neuerung der Beschlüsse gegen den Militarismus und Im- pcrialimuS: Der Militarismus ist nur als die vom Staate organisierte Rüstung anzusehen, um die Arbeiterklasse unter dem ökono- mischen und politischen Joch der kapitalistischen Klasse zu er- halten. Die Arbeiterklasse aller Länder ist daran zu erinnern, daß eine Regierung die Unabhängigkeit einer fremden Nation nicht bedrohen kann, ohne sich gegen diese Nation, gegen deren Arbeiterklasse und ebenso gegen die internationale Arbeiter- klasse zu vergehen. Die bedrohte Nation und Arbeiterklasse haben oie gebieterische Pflicht, ihre Unabhängigkeit und Selbst- ständigkeit gegen diese Angriffe zu wahren, und sie haben ein Anrecht auf den Beistand der Arbeiterklasse der ganzen Welt. Diese Verteidigungspolitik sowie der Antimilitarismus der so- zialistischen Partei gebietet, die militärische Entwaffnung der Bourgeoisie und die Ausrüstung der Arbeiterklassen durch Ein- führung der allgemeinen Wehrpflicht deS Volkes zu fordern. Angesichts der russischen Revolution, der äußersten Bedrängnis des ZarentumS und der benachbarten Kaiserreiche, die ihm Hülfe leisten wollen, angesichts der unaufhörlichen kapitalistischen und kolonialen Unternehmungen und Plünderungen werden daS Internationale Bureau und die Interparlamentarische Konferenz aufgefordert, die nötigen Anstalten zu treffen, um im Falle eines drohenden internationalen Konfliktes die zur Verhinderung des- selben geeigneten Maßnahmen zu treffen. Die Verhütung und Verhinderung des Krieges ist durch nationale und internationale sozialistische Aktionen der Arbeiterklasse mit allen Mitteln, von der parlamentarischen Intervention, der öffentlichen Agitation bis zum Massenstreik und zum Aufstand zu bewirken. An jedem 1. Mai werden von den Proletariern und Sozialisten aller Nationen Kundgebungen veranstaltet, um diese Solidarität zum Ausdruck zu bringen." Von der Minorität der französischen Delegation liegt folgende Resolution vor: In Erwägung, daß der Militarismus, wie es alle Kon- flikte bewiesen haben, die natürliche und unvermeidliche Folge des kapitalistischen Regimes ist, das auf den Klassengegensätzen basiert, und in Erwägung, daß dieser Militarismus nicht ab» geschafft werden kann, ohne seine Quelle, das kapitalistische Regime, zu beseitigen, in weiterer Erwägung, daß durch die Konzentrierung aller Bestrebungen der Arbeiterklasse auch die Frage des Militarismus ihre verdiente Berücksichtigung erhält, in Erwägung andererseits, daß die für den Antimilitarismus bestimmten Mittel von der Desertation und dem Militärstreik bis zur Revolution geeignet sind, die Propaganda und die Werbung für den Sozialismus zu erschweren und damit den Moment hinauszuschieben, wo daS Proletariat hinreichend or- ganisiert und stark genug sein wird, um durch die soziale Re» Volution dem Kapitalismus und allen Kriegen ein Ende zu machen, erklärt der Kongreß, daß das beste Mittel gegen den Militarismus und für den Frieden, wenn cS nicht eine Utopie und Gefahr sein soll, darin bestehen muß, daß man die Arbeiter der ganzen Welt sozialistisch organisiert und daß man in der Zwischenzeit durch Verkürzung deS Militärdienstes, durch Ab- lehnung aller Kredite für Heer, Marine und Kolonien, durch Propaganda für allgemeine Volksbewaffnung alle internationalen Kämpfe möglichst unmöglich macht, und zwar ist es Aufgabe dcS Internationalen Bureaus, im Falle ein politischer Konflikt droht, gemäß seiner Statuten zusammenzutreten und die not- wendigen Maßnahmen zu treffen." Genosse Leon Troclet beantragt namens der belgischen Ar- beitcrpartci die Annahme der durch die Anträge der französischen Genossen erweiterten Resolution Bebel und stellt dazu noch folgen- den Zusaizantrag: Der Stuttgarter Kongreß will damit nicht etwa die Wahl der in Anwendung zu bringenden Mittel beschränken. Die Um- stände von Zeit und Ort und besonders die wirkliche Macht des Proletariats im entscheidenden Moment können allein für die Frage der Möglichkeit einer Intervention entscheidend sein und für die Wahl der anzuwendenden Mittel richtigen Aufschluß geben." Die Socialbcmokratic Federation-Grosibritannien beschränkt sich darauf, die Ausarbeitung von Verhaltungsmaßregeln bei eintreten- den Krisen zu fordern. Gustave Herve schließlich beantragt folgende Resolution: In der Erwägung, daß cS für das Proletariat gleichgültig ist, in und unter welcher National» und Regierungsmarke die Kapitalisten eS ausbeuten, in der Erwägung, daß die Interessen der Ardeiterklasse ausschließlich den Interessen des internatio- nalen Kapitalismus entgegenstehen, verwirft der Kongreß den bourgeoisen und Regicrungspatriotismus, der die lügnerische Be- hauptung vom Bestehen einer Interessengemeinschaft unter allen Bewohnern desselben Landes aufstellt. Er erklärt, daß eS die Pflicht der Sozialisten aller Länder ist, sich zum Sturz dieses Systems zu vereinigen, um ein sozialistisches Regime herbeizu- füliren und es zu verteidigen. Angesichts der diplomatischen Zettelungen, die von verschiedenen Seiten den europäischen Frieden bedrohen, fordert er alle Genossen auf, jede Kriegs- erklärung, von welcher Seite sie auch kommen mag, mit dem Militärstreik und mit dem Aufstand zu beantworten." Gleich nach der Eröffnung der Sitzung gibt der Vorsitzende Südekum das Wort dem Genossen Vaillant: Bebel hat in seiner gestrigen Rede gesagt, daß die Resolution Jaures-Vaillant, die auf dem letzten Parteitag in Limogcs die Mehrheit der französischen Partei auf sich vereinigt