Rechtsdrehung 90°Linksdrehung 90°
 100%
 100%
 0%
 0%
 0%
 
Einzelbild herunterladen
 

DieFreisinnige Zeitung" gegen dasVerl . Tageblatt". DasBerliner Tageblatt" hatte den freisinnigen Gegnern einer Volksbewegung für die Erkämpfung des Preußenwahlrechts nachgesagt, daß in ihr nur s u b- alterne Geister" zum Worte kommen. Nunmehr aber macht das führende Organ derFreisinnigen Volkspartei " dem Mosseblatt klar, daß es von den wirklich ausschlag- gebenden Kreisen des Freisinns nur alsFriedens- störer" betrachtet werde. DieFreisinnige Zeitung" schleudert gegen diesenFriedensstörer" in aller Form den offiziellen Bannstrahl: In Sachen der preußischen Wahlrechtsreform gefällt sich das Berliner Tageblatt" trotz der Frankfurter Beschlüsse, die darauf abzielen, eine Polemik der freisinnigen Preßorgane gegen einander auszuschalten, in heftigen Angriffen gegen freisinnige Blätter, von denen einige auf dem Boden der Frei- sinnigen Volkspartei, andere, wie z. B. dieWeser- Zeitung", auf dem Boden der Freisinnigen Wer- e i n i g u n g stehen. Wir haben keinen Anlaß, diese Blätter zu verteidigen, dazu sind deren Redakteure selber Manns genug; aber angesichts des Umstandes, daß jene Angriffe vomVorlvärtö" und von anderen sozialdemokratischen Orgauen wie auch von der Zentrumspresse mit Wohlbehagen gegen die Freisinnige Volkspartei als solche ausgenutzt werden, sind wir ge- nötigt zu konstatieren, daß die Hallung desBerliner Tageblatts" mit den Frankfurter Beschlüssen unvereinbar ist und daß dieses Organ, das dem Abg. Naumann als Sprach- r o b r dient, sich als F r i e d e n s st ö r e r erweist." So setzen diesubalternen Geister" dem Mosieblatt samt Herrn Naumann(und Herrn T r a e g e r? l) den Stuhl vor die Türe l Wir sind neugierig, welche Hülfstruppen jetzt dasBerliner Tageblatt" aufbieten wird? Oder sollte es sich der Zensur löblich unterwerfen? Agrarischer Hohn. Herr G o t h e i n hatte den aus der Blockpolitik resultie- renden freisinnigen W a f f e n st i l l st a n d dem Agrariertum damit zu beschönigen versucht, daß der Freisinn mitnutzlosen An- trägen" die Arbeiten des Reichstag? nicht aufhalten wolle. Dazu bemerkt die»Deutsche Tageszeitung" mit beißendem Spotte: Hoffentlich bleibt der Freisinn bei dem Grundsatze, auf nutzlose Anträge, von denen er irgendwelchen Erfolg nicht erwarten kann, zu verzichten. Früher hat er freilich nach diesem Grundsatze nicht gehandelt; sonst würde er viele Anträge in seinem Schubfache gelassen haben. Bleibt er aber bei diesem Grundsatze, dann wird er in Zukunft auch Anträge, die sich gegen die jetzige Wirtschaftspolitik des Reiches wenden, unterlassen müssen; denn dafür dürfte im Reichstage keine Mehrheit zu haben seinl" In der Tat, wenn Herrn Gotheins Entschuldigung zuträfe, dürfte der Freisinn auch seinen Antrag auf Einführung des Reichs- tagSwahlrechtS in Preußen im Landtage nicht einbringen I Demokratisches Friedcnsgeschwätz. DieFranks. Ztg." haben anscheinend die Lorbeeren der »V o s s. Ztg." nicht schlafen lassen. Sie gibt nämlich über die Militär- und Kriegsdebatte auf dem Stuttgarter Kongreß folgende Plattheiten zum besten: Bon vornherein ist klar, daß eine wirkliche U e b e r- Windung der Kriegsgefahr nur dadurch möglich ist, daß die allgemeinen Ursachen beseitigt werden, die heute trotz aller Bemühungen um den Frieden den Krieg zur ultima ratio der Völker machen. Es üt, wenn es mit ehrlichem Willen geschieht, gewiß verdienstlich, jetzt schon Institutionen zu schaffen, die eine schiedsgerichtliche Bei- I e g u n g internationaler Konflikte ermöglichen, ihre volle Wirk- s a in k e i t können diese Fnslitutionen aber erst erlangen, wenn einmal die nationalistischen Instinkte d e r M a s s e n überwunden sein werden und die Ucberzeugung ins allgemeine Bewußtsein übergegangen ist, daß die Interessengegensätze der Völker so gut wie die der Privaten nicht aus dem Wege der Selbsthülfe, sondern in einem geordneten Verfahren zum AuStrag zu kommen haben. Nur wenn es gelingt, diese Ueber- zcugung so sehr zum Gemeingut der gesamten Knlturmenschheit zu machen, daß jeder, der dagegen frevelt, des tatkräftigen Ein- spruchs der anderen sicher ist, nur dann wird es möglich sein, in den Beziehungen der Völker einen ähnlichen Zustand der Rechts- sicherheit und des RechtSvollzugeS herbeizuführen, wie er inner- halb der Staatsgrenzen für die Beziehungen der einzelnen zu einander bereits besteht. Darüber, ob diese Voraussetzung je erfüllbar sein wird, sind die Meinungen verschieden' sicherlich aber liegt hier die einzig denkbare Möglichkeit einer Lösung des Problems, und es ist nichtssagendes Gerede, wenn ein Kongreß, wie es der Stuttgarter getan hat, statt dessen einfach den Sündenbock des Kapitalismus vorführt und sich über jedes Eingehen auf die Sache mit dem bekannten Schema hinweg- setzt, daß der Kapitalismus die Wurzel der Kriege sei. Und gleich oberflächlich ist es, zu behaupten, man brauche nur eine sozialistische Wirtschaftsordnung einzustihren und der Krieg werde einer überwundenen Epoche der Barbarei angehören." Das Gerede von dennationalistischen Instinkten der Massen" ist denn doch zu abgeschmackt. Wer pflanzt denn diese Instinkte in die Seele der Massen? Wer predigt denn den Hurrapatriotismus in der Armee, in den Kriegervereinen, in der Schule? DieMassen"? Oder sind eS nicht vielmehr die herrschenden Klassen, die Junker und die bourgeoisen Beute- Politiker und ihre Werkzeuge? Man bekänipft also dienationalistischen Instinkte" der Massen am besten, wenn man die herrschenden, ausbeutenden, an der kapitalistischen. imperialistischen Raubpolitik interessierten Klassen be- kämpftl Natürlich nicht als Personen, sondern als Träger der kapitalistischen Jnteressenl So ist also tat- sächlich der Kapitalismus der»Sündenbock". und nicht angebliche.Instinkte" der Massen. Und da der Sozialismus mit der kapitalistischen AuSbeut ungs- und Raubpolitik innerhalb des eigenen Landes sowohl wie unter den verschiedenen Nationen aufräunien wird, so ist es nur die Oberflächlichkeit derFranks. Ztg.", die nicht einzusehen ver- mag, daß die sozialistische Wirtschaftsordnung tatsächlich den Krieg ausschließt!_ Geschütze, die sich selbst beschiesteu. In der Seeschlacht bei der Insel Tschuschima haben eS Bekannt- lich die Russen fertig gebracht, ihre eigenen Schiffe unter Feuer zu nehmen. Was aber dieser Tage unserer deutschen Kriegsmarine passiert ist. stellt jenes Mißgeschick unserer östlichen Freunde noch tief in Schatten und beweist dazu, daß auch die Mord Werkzeuge des Menschen ihre eigene tückische Dialektik besitzen, die mit dem Willen ihrer Herren und Meister zuweilen aufs fatalste kollidiert. In der Kieler Außenföhrde hatte am DonnerstagS. M. S." Pommern, das soeben in Dienst gestellte Linienschiff allerneuesten Typs,.Anschießen". Hierbei sollten n. a. die vierzehn 17 om- Kasemattengeschütze, von denen sieben auf jeder Seite des Panzer- kolosses placiert sind, zum ersten Male abgefeuert werden. Gleich zu Beginn der großen Knallerei ereignete sich nun der verblüffende Fall, daß nicht nur geschossen, sondern auch etwas getroffen vurde. Als nämlich das zweite Geschütz auf der Steuerbordseite loSgefeuert wurde, riß die Granate vom benachbarten ersten Geschütz ei» 380 Millimeter le.uges Stück vom Rohre glatt weg. Die Geschütze sind bekanntlich drehbar und man hatte offenbar gänzlich vergessen, sich zu vergewissern, ob die Bahn des zweiten Geschützes frei war. Weiteres Unheil ist ja nicht passiert, aber die Geschichte hat doch einen sehr unangenehmen Beigeschmack auch für das unbeteiligte deutsche Publikum, denn diese komplizierten Mordwerkzeuge sind ver- dämmt kostspielig. Auf eine runde fünfstellige Ziffer wird die Reparatur des Schadens wohl zustehen kommen und die gepfefferten Glossen unserer Vettern jenseits des Kanals bekommen unsere Wasser- Patrioten noch gratis mit in den Kauf.-» fratihreicb. Paris , 27. August. DemFigaro" werden aus Nancy und Tourcoing Lärmszenen unter den einberufenen R e- s e r v i st e n gemeldet. In Nancy wurden Verhaftungen vor- genommen. Die Verhafteten drohten, sich an JaureS wenden zn wollen, der ihnen Genugtuung verschaffen werde. Italien . Deutsche Streikbrecher in Italien . Rom , den 2S. August.(Eig. Ver.) DemAvant i" wird aus C e l l e n o im Kreise Viterbo (Prov. Rom ) geschrieben, daß der Großgrundbesitzer von Roccal- vece, der Marchese C o st a g u t i, deutsche Landarbeiter für die Drescharbeiten eingeführt hat. Es handelt sich hier nicht um einen Streik, sondern uni einen Kampf, den die Arbeiter um die Ge- meindegcrechtsame führen, die ihnen der Großgrundbesitzer ge- nommcn hat. In der ganzen Provinz, ja, im ganzen Gebiet des ehemaligen Kirchenstaates, sind derartige Konflikte sehr häufig, da überall die Adligen die Ländereien der Gemeinden, sei es durch eine unrechtmäßige Ablösung, sei es einfach durch gewaltsame Besitz- ergreifung, an sich gerissen haben. Seit die Arbeiter sich organi- sieren, haben sie überall ihr Augenmerk auf die Wiedererlangung ihrer Rechte gerichtet und vielfach gerichtlich die Ablösungen an- gefochten, durch die die Fürsten Odescalchi, Colonna, Borghese, Altieri und wie sie sonst heiße», die Bevölkerung ganzer Ortschaften ins Elend gestürzt haben. Jeden Tag kommen Vergleiche zustande, in denen teilweise hundertjähriges Unrecht alle aus Gemeindegercchtsamcn herrührende Rechte verjähren in Italien nicht wieder gut gemacht wurde. In einigen Teilen des Kreises V i t e r b o ist aber der Konflikt ohne Vergleich, oft sogar in den Formen der Gewalt geführt worden. So haben z. B. im Oktober vorigen Jahres die Landarbeiter in Roccalvece ein Stück Boden, auf dem sie seit Jahrhunderten das Saatrecht haben, ge- waltsam bestellt und dort Weizen gefäct. Der Weizen steht jetzt in Garben auf dem Felde, aber der Besitzer, Marchese Costaguti, hat durch eine juristische Funktion, gegen die die Arbeiter machtlos sind, ihn mit Beschlag belegt. Er hat sich nämlich von feinem Schwiegersohn, dem früheren Kricgsminister Afan diRivrera, für eine Schuld von 34 000 Lire verklagen lassen, und im Interesse dieses Gläubigers und Spießgesellen ist die Ernte der Landarbeiter gerichtlich als Ernte des Marchesen beschlagnahmt worden. Ehe die Landleute beweisen können, daß der Weizen von ihnen gesät wurde und die ganze Schuldgeschichte zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn nur abgekartet war, um sich widerrechtlich der Ernte zu bemächtigen, können die Landarbeiter alt und grau werden, Natürlich haben sie sofort den Weizen boykottiert und der edle Marchese hat keine Arbeiter zum Dreschen gefunden. Diese hat er sich nun aus Deutschland verschrieben aus welcher Gegend ist noch nicht bekannt. Es sind 70 Streikbrecher ,die im wahrhaften Wortsinne für einen Judaslohn ihre Haut zu Markte tragen, denn die Bevölkerung jener Gegend ist notorisch heiß- blutig und zur Gewalttat geneigt. ES heißt nun, daß die italienischen Behörden, um ernste Zwischenfälle zu vermeiden, mit dem deutschen Konsulat unter- handeln, um die Rückbeförderung der Streikbrecher herbeizuführen. In Deutschland mag es befremdend erscheinen, daß deutsche Arbeiter in Italien Strcikbrecherdienste verrichten. Hierzulande weiß man aber seit langem, daß die Grundbesitzer der italienischen Gegenden, wo die Organisation weit vorgeschritten ist, sich wieder- holt mit dem Plan getragen haben, Landarbeiter aus Ostelbien einzuführen. Der Marchese Costaguti ist der Pionier einer längst geplanten Unternehmung. Nur die Furcht vor Gewalttätigkeiten hat bisher von einer Einfuhr deutscher Feldarbeiter abgehalten. Wie berechtigt diese Besorgnis ist, wird man, fürchten wir. recht bald auS den Ereignissen im Kreise Viterbo ersehen. Der neueste Marineskandal. Rom , 25. August.(Etg. Ber.) In dem Kohleudepot der italienischen LinegSmarine in C i v i t a- vecchia sind seit längerer Zeit Unterschleise au Kohlen bemerkt worden. Als im Juni d. I. die FregatteBronte" eine» Kohlcutransport von 800 Tonnen in das Depot brachte, meldete der Kommandant des HafenS, daß er 100 Touueu zu wenig erhalten hätte. Es wurde eine Enquete eingeleitet, bei der herauskam, daß dieBronte" tatsächlich die 800 Doppelzentner ausgeschifft hatte, daß aber vorher ein Ammanco von 77 Tonnen im Depot bestand. Diese Kohlen hatte der Hafenkommandant Fregattenkapitän Magliulo und der Wachtmeister Petrnai auf eigene Rechnung verkauft. In dem Depot fehlen auch 2000 Liter Oel . Der Kapitän Magliulo ist sofort in Haft genommen worden. Interessant ist, daß eine Veröffentlichung desAvant!" den Anlaß zur Enquete und somit zur Feststellung der Diebereien ge- geben hat. Snglanä. DnS frondierende Oberhaus. London , 26. August. Das Oberhaus hat mit 118 gegen 31 Stimmen den von der Regierung eingebrachten Gesetzentwurf abgelehnt, welcher ein neues System der Abschätzung von Grundbesitz in Schottland vorsieht. Die Vertagung wird voraus- sichtlich am 28. August erfolgen. Landunruhe» iu Irland . Longford , 27. August. DaS Parlamentsmitglied Farrel sowie vierzig andere Personen sind verhaftet worden; die Verhaftungen stehen im Zusammenhange mit irische» Landunrnhen. Dublin , 27. August. In der heutigen Abendnummer deS Amts- blatteS werden Proklamationen veröffentlicht werden, die den Vize- könig ermächtigen, eine Grafschaft oder einen Distrikt für im Aus- rühr befindlich zu erklären und Bcrstärkiiiige» von Poliztimannschaften dorthin zu senden.__ Der Dockeritreil! in iintmrpen. Antwerpen , 25. August.(Eig. Ber.) Wieder einmal messen im Antwerpeuer Hafen wie im Jahre 1S00 Kapital und Arbeil ihre Kraft und Macht. Aber ebenso wie dieser Kampf wieder in die innersten Eingeweide des modernen kosmo­politischen Kapitalismus blicken läßt, zeigt er auch wie an einem Schulbeispiel, was die Gesellschaft ohne diese harten, plumpen, von Frost und Fron zerschundcnen Arbeitcrfäuste ist. Welch ein macht- volles, sinnverwirrendes Bild der Arbeit, wie ein Wunder anzu- schauen, bietet das Antwerpeuer Hafengebiet in glatten, friedlichen Zeiten dem Auge: der weithin gestreckte Scheldequai wimmelnd von schwerbeladenen Riesendampfcrn; die gewaltigen Bassins, so voll von ragenden Schiffen, daß der Luftraum über ihnen weithin nur einem Netz von Tauen gleicht; und weiterhin die Magazine und Wersten , die ungeheuren Stapelplätze, die ewig bewegten Kräne, die mit ihren eisernen, kettenklirrcuden Armen l die Kisteuungetüme wie zierliche Spielzeuge in den Schiffsraum sinken lassen. Und wohin der Blick fällt: ein gieriges, fieberndes Leben der Arbeit, von jenem gewaltigen, gesteigerten, faszinierenden Rhythmus, wie er nur das Hnsenlebcn durchbraust.... Stundenlaug möchte man so auf der Kaibrüstung lehnen, auf den Drehbrücken der Bassins stehen, oder zwischen den Stapelplätzen, mit ihren mannshoch austürmenden Waren aus aller Welt, herumwandeln und diesem berückenden Atem lauschen, der hier die Arbeit durchflutet.... Nun stockt dieser Atem und statt eines in seiner buntbewegten Flut so sicher, so zielbewußt, so exakt funktionierenden Riesenbetriebes wütet ein Chao» ohne Seele und Vernunft.... Aber beleuchten wir die Situation noch einmal mit den zu« sammcnfassendeu Tatsachen. Vor 14 Tagen haben die Getreide- und Holzvcrlader die Arbeit eingestellt. Ursache: Herabsetzung des eroberten TagclohuS von 0 Franke» auf den ursprünglichen von 5 Franken. Darauf Ausstand der Arbeiter. Die Unternehmer ver« handeln nicht, weil die von den Streikenden als Delegierte uouii« inerten Vertrauensmänner Wirme und C h a p c l l ekeine Docker seien". Der Bürgermeister interveniert. Neuerliche Verhandlungen. Die Unternehmer verwerfen die Bedingungen der Arbeiter. Der Stein ist im Rollen; die unzufriedenen Hafenarbeiter treten insgesamt in den Ausstand. Bemerkenswert ist: von den zirka 15 000 Streikenden erhebt eigentlich nur der geringere Teil Anspruch auf Lohnerhöhung. Aber die Hafenarbeiter wollen sich nicht, wie die Unternehmervereinigung in ihren später vorgelegten Bedingungen verlangen, festlegen, in der nächsten Zukunft nichts weiter zu fordern. Aber auch sonst gibt eS Klagen, die nun, da einmal der Kampf entbrannt ist, berücksichtigt werden sollen. Die für eine Schiffsabteilung arbeitende Schicht von 910 Verladern soll, wie eS normalerweise bestimmt ist und den Reedern verrechnet wird� mit 12 oder 13 Mann besetzt werden. Die Arbeiter verlangen überdies Sonntagsruhe, eventuell doppelte Bezahlung der Sonntags- arbeit. Entgegen der Behauptung des Obmannes der Unternehmer- Vereinigung, daß die Antwerpener Hafenarbeiter besser bezahlt seien als anderwärts, ergibt sich aus einer Vcrgleichung der Minimallöhne der hiesigen Arbeiter mit denen Rotterdams, Englands und Deutschlands , daß die Aniwerpener Hafen­arbeiter die schlechtest besoldeten sind. In den holländischen Häfen von Rotterdam , Tern engen und Dordrccht, wo mit normalen Schichten gearbeitet wird, ist die Zahl der Unfälle eine bei weitem geringere. Im Jahre 1906 zählte man in Antwerpen an 5000 Unfälle gegen 2300 in den genannten Häfen. Daß die Unternehmer sich gegen den Vorschlag der Arbeiter wendeten, auf Grund der Lohnanfnahmen in Rotterdam dic Lohnsätze in Antwerpen zu regeln, ist begreiflich, da dort die Durch- schnittslöhne um 5 Proz. höher sind als in Antwerpen.(Allerdings besitzt Rotterdam auch eine musterhafte Organisation der Docker.) Fahren wir weiter in der Schilderung des Kampfes bis zur augenblicklichen Situation fort: Die zu Hülfe geruicnen englischen Streikbrecher verstärkt durch eine Schicht Deutscher , genügt in keiner Weise, weder in der Zahl noch in der Arbeitsqualität. Der Hafen ist mit Schiffen überfüllt; die Verladungen können zum geringsten Teil bewältigt werden und um nur den Termin einzuhalten, fahren die Schiffe, ohne die für sie bestinmite Ladung mitzunehmen, ab. Wo 50 Mann auf einem Schiffe benötigt werden, arbeiten 10. Im Hafen wartet Arbeit für 15 000 Menschen man hat zur Not 2700 ans allen Winkeln und ziveifelhaften Schichten zusammengelesen, dazu Leute, die nur die Aussicht, aus einer Situation Nutzen zn ziehen, nach Antwerpen gelockt hat.... Die Krise wird immer gefahrdrohender und auS Handels- und Börsenkreisen sieht man mit der größten Besorgnis auf die weitere Eni Wickelung. Nachdem nun auch ihrerseits die Unternehmer die Bedingungen des Streikkomitees 5 Fr. 50 Cts. für die Getreide- und Holz- Verlader, bis eine Enquete in Rotterdam eine Regelung der Löhne ergibt verwarfen, hat, wie wir bereits kurz meldeten, der Bürger- meister den Unternehmern einen neuerlichen Vorschlag ank Bildung eines Schiedsgerichts unterbreitet. Nachdem die Unternehmer bereits am Freitag annonciert hatten, daß sie ihre Zusage für ei» SchiedL- gericht davon abhängig machen, daß die Streikenden»ich. Chapelle undWieme, ihreFührcr, delegieren, hat Sonn- abend vormittag die Unternehmervereinigung einstimmig beschlossen. in keine Unterhandlungen mit den genannte» Führern und Vertrauens niännern der Streiken- den zu willigen. Diese Entschließung, die die ganze hoch- mütige Diktatur der Vereinigung gegenüber den Hafenarbeitern offenbart, stützt sich nicht zuletzt auf die am vorigen Tage vom Unternehmcrverbandc bewilligte Million, die die Fortsetzung des Kampfes ermöglichen soll. Wie einleuchtend, billig und selbst ver- ständlich die Forderung der Streikenden ist, nach eigenem Er- messen ihre Delegierten zu wählen und auf ihrer Wahl zu bestehen, zeigt nicht zum geringsten der Umstand, daß der Präsident der Handelskammer, der gewiß nicht die Interessen der Unternehmer zn verraten beabsichtigt, einem Nach- geben der letzteren sehr das Wort geredet hat. Auch in der an der Krise beteiligten Bürgerschaft, insbesondere in Bvrsenkreiscn drängte man ans ein Nachgeben der Unternehmer. Allen Vorstellungen von Logik und Vernunft setzen die Herren aber ein starres Nein entgegen. Einem Vertreter der Presse erklärte ein Mitglied der Unternehmervereinigung, daß sie d e n K a m p f aufs äußerste fortsetzen wollen und nun kein Schieds- gericht mehr wollen. Unter keiner Bedingung würden sie mit den beidenFührern", die sie gröblich angegriffen hätten, der- handeln. Die empfindsamen Herren Unternehmer, die sich naiver- weise den Kanipf zwischen Kapital und Arbeit wohl mit Glacö- Handschuhen vorstellen die natürlich nur die um ihr Stück Brot und anständige Arbeitsbedingungen kämpfenden Docker anzuziehen hätten haben aber bei ihrer Weigerung nicht etwa bloß aus einem momentanen hochmütigen Eigensinn die Delegierten ver- worfen, sondern ihre Haltung hat einfach den Grund, die beiden im Arbeiterkampfe ivohlcrprobten Slertrauens- Männer aus den Verhandlungen auszuschalten. um irgendwelche mit den kapitalistischen Kniffen und Pfiffen weniger vertraute, überhaupt in der sachlichen Durchführung ihrer Interessen Iveniger sattelfeste und mutige Arbeiter ins Schiedsgericht zu bekommen. Nebenbei freilich und nicht zuletzt soll damit ein Schlag gegen die sozialistische" Dockerverein ig ungWillen is Kunne»" gefürt und gezeigt werden, daß die Unternehmer sie nicht anerkennen und ihr jeden einflußnehmenden Charakter absprechen. Es begreift sich, daß die Streikenden nun ihrerseits den Kampf in seiner ganzen Schwere aufnehmen. Trotzdem es in erster Linie dem Streikkomitee um die Fortsetzung deS Streiks der Holz- und Getreide« l a d e r zu tun war, habe» trotz der Verhandlungen und der ans einzelnen Schiffen gewährten Lohnerhöhungen bis zu 10 Fr. pro Tag die Streikenden bis jetzt keine Arbeit aufgenommen. Der Patriotismus der Unternehmer, die wie nichts 15 000 ein« heimische Arbeiter auS Hochmut beiseite schieben und sich Arbeiter auS aller Welt kommen lassen, um für schlechte Arbeit doch noch weit mehr zu zahlen, ist wieder einmal glänzend illustriert. Wie eS um ihr s o z i a l e S Gewissen bestellt ist. zeigtim ihr Verhalten, durch