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Vorort- J�acbricbten. vever den Internationalen SozialistenkongreK erstattete Genosse Z i e t s ch als Delegierter des Wahlkreises Teltow -Becskow Bericht in einer Volksversammlung, die am Montag im Charlottenburger Volkshause tagte. In fast zwei. stündigem Vortrage gab der Redner eine anschauliche und lebendige Schilderung der Tagung des internationalen Arbeiterparlaments. Er sagte unter anderem: Der Kongreß habe einen nachhaltigen und tiefen Eindruck hinterlassen. Erhebend wirkte die feierliche Eröffnung und die darauf folgende Massenversammlung auf den Kannstatter Wiesen. Wenn man auch die Sprache nicht verstand in der die ausländischen Delegierten zu den Volksmasscn redeten. so fühlte man doch, sie sagten alle, was auch unsere Herzen erfüllt und unsere Gedanken bewegt. Die einheitliche Gesinnung des internationalen Proletariats kam hier erhebend zum Ausdruck. Auch die Verhandlungen des Kongresses führten trotz mancher Meinungsverschiedenheiten schließlich zur Einheitlichkeit in den angenommenen Resolutionen. Die Verhandlungen und schlüsse zum Frauenwahlrecht bestätigten unsere Auffassung, daß die Wahlrcchtsbewegung der proletarischen Frauen grundverschieden ist von der Bewegung der bürgerlichen grauen. Die proletarischen Frauen kämpfen nicht wie die bürgerl'chen im Gegensatz zu den Männern, sondern gemeinsam mit ihren männlichen Klassen genossen. Die proletarischen Frauen denken nicht nur an sich, sondern sie sind bereit, in Staaten wo erst das Wahlrecht für die Männer errungen werden muß, mit diesen gemeinsam den Kampf für dasselbe zu führen. Große Schwierigkeiten machten die Verhandlungen über die Frage der Ein- und Auswanderung. Bei den Debatten über diese Frage tauchten Interessengegensätze auf zwischen den Arbeitern solcher Länder, die durch die Einwanderung fremder Arbeiter, die meist als Lohndrücker auftreten, benachteiligt werden und den Ver tretern derjenigen Länder, deren Proletarier zum Auswandern gezwungen sind. Die Resolution, die zur Ein» und Auswanderung angenommen wurde, bringt die Frage nicht zum Abschluß, sie ist erst der Anfang auf diesem Gebiet, das noch eines eingehenden Studiums bedarf, welches schließlich zum Ausgleich der ver schiedenen Interessen führen muß. Es bedurfte langer Debatten, bis eine Mittellinie gefunden wurde in der angenomnienen Reso lution, die jeden gesetzlichen Zwang gegen die Einwanderung aus. schließt. Die Maifeierfrage ist in der deutschen Delegation gründlich, aber rein sachlich, ohne jede persönliche Erregung besprochen worden. Die angenommene Resolution machte es unnötig, daß die Maifeierfrage auf dem Kongreß selbst besprochen wurde. Der springende Punkt der Resolution ist der, daß die Maifeier als eine gemeinsame Angelegenheit der Partei und der Gewerkschaften be- trachtet wird. Es kann hiernach von einer Abschwächung der Mai feier keine Rede sein. Die von mancher Seite gehegte Befürchtung, daß die Gewerkschaftsführer gegen die Maifeier Sturm laufen würden, hat sich nicht bestätigt. Bei der Abstimmung über die Reso lution kam es zu einer gewissen Erregung. Die Gewerkschafts Vertreter wollten zunächst, daß die Partei zu den materiellen Opfern der Maifeier die Hälfte beitragen sollte. Dagegen erklärten sich die Parteivertreter, weil vorauszusehen war, daß der Essener Parteitag dem nicht zustimmen würde. Schließlich einigte man sich auf die angenommene Resolution, welche Partei und GeWerk schaften zur gemeinsamen Unterstützung der Gemaßregelten der pflichtet und die Regelung im einzelnen den zuständigen Instanzen überweist. Dieser Beschluß ist ein Erfolg. Er bestätigt und stärkt die Einheit von Partei und Gewerkschaft und ist Im Interesse der gesamten Arbeiterbewegung zu begrüßen. Dasselbe gilt auch von der Resolution, die der Kongreß zu dem Punkt: Das Ver­hältnis der Partei zu den Gewerkschaften annahm. Durch diesen Beschluß ist die engherzige Auslegung, welche dem Gedanken der Neutralität manchmal in gewerkschaftlichen Kreisen Deutschlands gegeben wurde, beseitigt. Die große Mehrheit der deutschen Ge- werkschaften hat ja nie die gewerkschaftliche Neutralität in so engem Sinne aufgefaßt, wie der Redakteur deS Buchdruckerverbandes. Die meisten Gewerkschaften haben bereits im Sinne der Reso- lution gehandelt. Die Bestätigung der Zusammengehörigkeit von Partei und Gewerkschaft durch den Kongreß ist insofern von großer Bedeutung, als uns schwere Kämpfe bevorstehen, die sich mehr auf wirtschaftlichem, als auf politischem Gebiet abspielen werden. Die Entlassung Posadowskys und�mdere Anzeichen sprechen dafür, daß die besitzende Klasse freie Bahn haben will, um die Arbeiterklasse rücksichtslos zu bekämpfen. ES wäre verfehlt, wenn sich in einer solchen Zeit die Gewerkschaften nicht offen zum Sozialismus be kennen würden.(Beifall.) Die Resolution, die zur Kolonialpolitik nach langen Verhand- lungen angenommen wurde, deckt sich mit der Auffassung, welche wir in dieser Frage stets vertreten haben. Die Verhandlungen über Militarismus und internationale Konflikte waren wohl die bedeutendsten des ganzen Kongresses. Auch die bürgerliche Gesellschaft verfolgte diese Verhandlungen mit gespannter Erwartung. Ist doch der Militarismus die Stütze, der Lebensnerv der bürgerlichen Gesellschaft und das internationale Proletariat diskutierte darüber, wie es diesen Lebensnerv der bürgerlichen Gesellschaft lahm legen könne. Von großem Ernst waren diese Debatten getragen. Dem Antimilitarismus der Franzosen stand die Auffassung der Deutschen gegenüber. Wollmar vertrat sie in einer Form, die nicht zu billigen ist, in der Sache aber stimmte er mit Bebel überein. Herve erging sich in manchen Ueber- treibungen. Wenn er die deutschen Sozialdemokraten als Spieß- bürger bezeichnete, die sich vor dem Gefängnis fürchten, so wider- legen die Tatsachen selbst diese Ansicht. Nicht aus Furcht vor dem Gefängnis, sondern mit Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse opponierten die deutschen Genossen gegen die Forderungen des Ge- nassen Herve. Was Herve vorschlägt, richtet sich nur auf eine Lahmlegung des Militarismus im Falle des Krieges. Aber der Militarismus ist nicht nur eine Gefahr für den Kriegsfall, sondern mehr noch bei inneren Konflikten. Für diesen Fall aber hat Hervä keine Abwehrmittel. Mit unserem Gefühl stehen wir zu den anti- militaristischen Bestrebungen der Franzosen , aber wir betrachten den Militarismus nicht als ein Ding an sich, sondern als eine Folge der heutigen Wirtschaftsweise. Er hat seine Wurzel im Kapitalismus und wenn wir den Kapitalismus bekämpfen, treffen wir auch den Militarismus. In der angenommenen Resolution vereint sich die deutsche mit der französischen Auffassung unter Ausschaltung des Generalstreiks und des Aufstandes. in den Anschauungen schloß der konnte natürlich nur allgemeine verschiedenen Nationen gewisse und ihre Selbständigkeit wahren. führen, können die Genossen der Ansicht sein, aber sie alle sind Willen, unser Ziel zu erreichen, Trotz mancher Verschiedenheit Kongreß in vollster Harmonie. Er Richtlinien aufstellen, die den Freiheiten in der Bewegung lassen Ueber die Wege, welche zum Ziel einzelnen Nationen verschiedener ein Herz und eine Seele in dem den Kapitalismus zu besiegen. Die zahlreich besuchte Versammlung nahm den Bericht deS Referenten mit lebhaftem Beifall auf. Der einzige DiSkussionS- rcdner sprach im wesentlichen in demselben Sinne. Charlottenburg . Ein schwerer Nnglilcksfall im Straßenbahnbctriebe ereignete sich gestern an der Ecke der Kurfürsten- und AnSbacherstraße. Der Hausdiener Hermann Sitte wollte an der dortigen Haltestelle einen Straßenbahnwagen verlassen. Er sprang von der Vorder- Plattform herab, während sich der Wagen noch in der Fahrt befand und stürzte mit dem Kopf auf das Straßenpflaster. In bewußt- losem Zustande brachten Passanten den Verunglückten nach der Unfallstation am Zoologischen Garten, wo der Arzt einen schweren Schädelbruch feststellte. Fn hoffnungslosem Zustande wurde S. in zaS Krankenhaus Moabit einaelieiert. »Schöneberg . | Die Stadtverordnetenversammlung nahm am Montag ihre Arbeiten nach den Ferien wieder auf. Zur Auslegung gelangte u. a. der Geschäftsbericht des Elektrizitätswerkes Süd- West für das Jahr 190(5. Von Magistratsseite sowohl wie aus der Mitte der Versammlung wird in lebhafter Weise gegen das Ge- bahren der betreffenden Gesellschaft protestiert, das darauf hinaus- laufe, der Stadt Schöneb'crg den ihr gebührenden Anteil am Rein- gewinn vorzuenthalten. Die große Rücksicht, die die Herren von der bürgerlichen Seite bisher gegen die Gesellschaft genommen haben, soll svtzt aufhören und man forderte den Magistrat auf, keinen Tag verstreichen zu lassen, um auf dem Wege des Prozesses gegen die Gesellschaft vorzugchen. Angenommen wird sodann ein- stimmig ein Antrag, woisin der Magistrat ersucht wird, alle Rechte der Stadt gegen die Gesellschaft Südwest unverzüglich und mit aller Energie zu wahren. Ohne Debatte angenommen wird nach dem Bericht deS Aus­schusses der Antrag: Der Magistrat wird ersucht, bei Neubauten von Schul. aebäuden die Einrichtung von Spiel- bezw. Er- holungspläjjen auf den Dächern in Erwägung zu ziehen." Es folgt die Beratung der Vorlage deS Magistrats betr. E r- höhung der Grundwert st euer für unbebauten Grund und Boden. Die vom Magistrat und von der Stadt- verordnetenversammlung eingesetzte Deputation empfiehlt, diese Steuer auf das doppelte, 4,5 M. pro Mille, zu erhöhen. Stadtv. Zobel(Lib.) begrüßt diese Vorlage mit Freuden. Durch Ein- führung dieser erhöhten Steuer, die nicht auf die Mieter abgewälzt werden könne, wird eine Erhöhung anderer Steuern überflüssig werden. Er beantragt, der Vorlage sofort ohne Ausschutzberatung zuzustimmen. Stadtv. Rich. Schneider(Hausbesitzcrfraktion) wünscht, daß die Vorlage auf spätere Zeiten zurückgestellt werde, bis der Magistrat den Nachweis geliefert habe, daß das Geld ge- braucht werde. Redner tritt warm für die Besitzer des unbebauten Grund und Bodens ein und meint, daß diese der erhöhten Steuer Trotz bieten werden dadurch, daß sie ihre Grundstücke noch länger der Bebauung vorenthalten, die Herren können es aushalten. Stadtv. K u tz n i tz k y wendet sich gegen den Vorredner, der gegen die Interessen der Hauseigentümer und für die Großgrundbesitzer eingetreten sei. Die erhöhte Steuer ist eine gerechte. Die Stadt habe jahrelang, wie sehr richtig von sozialdemokratischer Seite bei einer anderen Gelegenheit geäußert wurde, für die Großgrund- besitzer gearbeitet, ihnen seien mühelos Millionen in die Taschen geflossen. Auch der Kämmerer tritt den Ausführungen des Stadtv. Schneider entgegen. Der Ausspruch, daß die Herren es aushalten können, beweist, daß die Steuer keine ungerechte ist. Die Bebauung ist schon in diesem Jahre zurückgeblieben, wodurch der Zuzug nach Schöneberg vermindert wird. Durch Einführung der Steuer wird sich dieser Zustand erst ändern. Wie es die großen Grundbesitzer treiben, dafür nur ein Beispiel: der Besitzer eines Grundstückes beschritt den Klageweg gegen die zu hohe Ein- schätzung seines Grundstückes durch die Stadt Schöncberg. Die Klage hatte Erfolg, das Grundstück wurde auf 560 000 Mark ein- geschätzt. Ein paar Jahre später kaufte die Stadt dieses Grund- stück und mußte dafür 1 168 000 Mark bezahlen. Stadv. Kunze bekämpft die Vorlage. Die Hausbesitzer lassen sich durch dieselbe nicht ködern. Durch ein schnelleres Verkaufen der Grundstücke wäre wohl der Stadt geholfen, aber nicht den Hausbesitzern. Schon jetzt leide man unter der Ueberproduktion von Wohnungen. Die HauS- besitzer wissen nicht, wie sie auskommen sollen. Redner beantragt, die Vorlage zunächst einem Ausschuß zur Prüfung zu überweisen. Stadtv. Lohausen empfiehlt die Annahme der Vorlage. Die Stadt Schöneberg sei heute weiter nichts als der Kommis der Millionäre und Terraingesellschaften. Durch den Beschluß betr. Anlegung des Stadtparkes habe jetzt der Besitzer eines an denselben angrenzenden Grundstücks dasselbe zu einem Preise von 5 Mill. M. verkauft. Stadtv. O b st(Soz.) wendet sich hauptsächlich gegen die Ausführungen der Skadtvv. Schneider und Kunze. ES sei zu ver» urteilen, daß diese Herren hier für die Interessen der großen Grundbesitzer eintreten und daS Wohl der Stadt und der Allgemein- heit hinten ansetzen. Die von denselben vertretenen Grundsätze stellen alles auf den Kopf. Die winzige Erhöhung dieser Steuer tut den Grundstücksbesitzern garnichts, bringt aber der Stadt neue Einnahmequellen. In der Deputation sei das Für und Wider bereits eingehend erwogen, deshalb sei eine nochmalige Verweisung an einen Ausschutz überflüssig. Redner empfahl, der Vorlage schon heute zuzustimmen. Auch die Stadtvv. Schüler, LinicuS und H e p n e r, die dem Vorstande des Haus- und Grundbesitzer- Vereins angehören, traten für die Vorlage ein. Nachdem sich noch der Stadtv. B a r t e l t gegen die Vorlage wandte, weil sie nicht der Initiative des Magistrats entsprungen, sondern demselben von der Versammlung aufgedrängt worden sei, wurde dieselbe in namentlicher Abstimmung gegen wenige Stimmen ange- nomm en.,, Der Versicherung der Krankenhäuser gegen Wasser» leitungSschäden wird zugestimmt. Eine weitere Vorlage des Magistrats betrifft die Vorschriften über die Gewährung von Reisekostenentschädigungen bei Dienstreisen der städtischen Körperschaften und Beamten. Die Stadtv. Hoffmann(Soz.) und Lohausen beantragen die Ueberweisung derselben an einen Ausschuß. ES sei unmöglich, der- selben in der vorliegenden Form zuzustimmen. Die vorgesehene Klasseneinteilung wäre der Stadt unwürdig. Eine Abstimmung darüber konnte nicht vorgenommen werden, da die Beschlußunfähigkeit eingetreten war. Schluß S Uhr. Rixdorf. TodcS stürz au» dem Fenster. Auf dem Grundstück Zietenstr. 57 in Rixdorf hat sich gestern ein bedauerlicher Unglücksfall zugetragen. Das fünfjährige Söhnchen des Arbeiters Woitzack war in der in der ersten Etage belegenen elterlichen Wohnung auf das Fensterbrett ge- klettert, um dem Spiele der Kinder auf dem Hofe zuzuschauen. Der Kleine beugte sich dabei zu weit nach vorn, verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber in die Tiefe. Er erlitt einen schweren Schädel- bruch und starb nach wenigen Minuten. Köpenick . Die Einwohner unseres Städtchens können wieder ruhig schlafen. eit gestern hat es wieder einen Polizeiinspektor. Bekanntlich hatte ich der Polizeiinspektor Jäckel anläßlich der Hauptmannsaffäre in- ofern einen unsterblichen Namen gemacht, als er dem Pseudo- hauptmann Vogt nicht nur gewähren ließ, sondern sogar nach seinen Befehlen fragte und sich von ihm Badeerlaubnis erbat. Dieses Ver- halten stand im grellen Gegensatz �u dem Benehmen Jockels den organisierten Arbeitern gegenüber; in Punkts Schneidigkeit ließ sein Benehmen nichts zu wünschen übrig. Diese Schneidigkeit hatte Jäckel auch in dem bekannten Krawallprozeß Anfang 1890 betätigt. Der Nachfolger Jäckels, ein hiesiger Polizeileutnant sollte nicht all­zulange die Köpenicker Polizei leiten. Schon nach kurzer Zeit ver- ließ er seinen Posten und nun ist wiederum ein hiesiger Polizei- lenmant mit Namen Hoeren als Polizetinspektor in Köpenick ein- getreten. Potsdam . Arbeitslöhne in den gewerblichen Betrieben der Stadt. Nach- dem im vorigen Jahre den Lehrern und Magistratsbeamten eine Aufbesserung ihrer Gehälter zugebilligt wurde, dürfte eine Besser- iellung der in den gewerblichen Unternehmungen der Stadt Wasserwerk, Schlachthof, Elektrizitätswerk und Straßenbahn) be- chäftigten Arbeiter, Heizer, Maschinisten usw. am Platze sein. ES bestehen für diese Arbeitergruppen, die doch in den crstercn drei Betrieben ziemlich gleichmäßig sind, keine bestimmten Bcsoldungs- normen. So erhalten z. B. die Arbeiter im Schlachthof pro Woche 19 M., für Beschaffung von Schuhen bekommen sie 10 M. extra pro Jahr; ein HülfSheizer erhält pro Woche 21,50 M., hat aber die Aussicht. im Jabr LI6l I)Uebcrstunden an den Sonntagen zu machen, die er mit 30 Pf. pro Stunde honoriert bekommt. Beson- deren Aufschlag gibt eS nicht für SonutagSarbeit! Der Seizer und Hülfsmaschinist erhält 21,50 M. ifrc Wächter des Schlachthofes hat ein Einkommen von jährlich 1000 M., der des Rathauses allerdings nur in der Nacht hat ein Jahreseinkommen von 840 M. Im Wasserwerk werden der Hülfsmaschinist, der Heizer und der Rohrlcgergehülfc mit 10,50 M. pro Woche Anfangslohn eingc- stellt und erhalten nach 5 Jahren eine Zulage von 1,50 M., also 21 M. Etwas besser gestellt sind die Arbeiter und Heizer im Elektrizitätswerk. Hier erhalten die Arbeiter einen Wochenlohn von 24 M. und die Heizer einen solchen von 29,50 M. An der P f e r d e b a h n, die mit dem 2. Septbr. d. I. den elektrischen Betrieb eingeführt hat, erhalten Fahrer und Schaffner einen Durch- schnittslohn von 21,4021,50 M. pro Woche, dabei sind verschiedene Angestellte, die schon länger als 10 Jahre beschäftigt und demnach einen wohl höheren Lohn erhalten werden, so daß sich der Anfangs- lohn noch niedriger stellt. Die Löhne der Streckenwärter, Stall- leute usw. sind bekanntlich noch niedriger. Durch die durch den elektrischen Betrieb crfordertichcn Aenderungcn in der Betriebs- ordnung ist die Arbeitszeit für das Fahrpersona! jetzt auf 12 Stunden festgesetzt(bisher hat sie in diesem städtischen Betrieb mitunter 17 Stunden betragen). Lokalblätter machen nun natür- lich ein großes Geschrei, wie günstig diese Arbeitszeit ist, da doch in dem Kleinbahngcjetz für den Betrieb nach Potsdamer Verhältnissen eine solche bis zu 13 Stunden zugelassen ist. In allen Betrieben werden zu Weihnachten besondere Gratifikationen verteilt, die aber auch wiederum in den einzelnen Betrieben mitunter sogar sehr verschieden sind. Hoffentlich wird für diese Arbeitergruppen in de� nächstjährigen Etat eine Aufbesserung ihrer Löhne vorgesehen. ßcncbts- Zeitung. KirchenauStrittSplakate. In Sachen der KirchenauStrittSplakate hat am Montag als vierte Instanz die Ferienstrafkammer des Landgerichts Berlin-Mitte aber- mals entschieden. Bekanntlich hatte der Rechtskonsulent Paul Fiedler Formulare zum Austritt aus der Landeslirche für einen Pfennig pro Stück durch Plakate im Fenster seines Bureaus ans- geboten. Diese Plakate wurden von der Polizei mit Gewalt be- schlagnahmt, F. wurde vom Schöffengericht zu 30 Mark Geldstrafe verurteilt, vom Landgericht freigesprochen. DaS Kammergericht hatte dann auf Revision der Staatsanwaltschaft die Sache in die Vorinstanz zurückverwiesen. Dadurch gelangte die Sache am Montag zum vierten Male zur Verhandlung. DaS Landgericht bestätigte nunmehr das Urteil des Schöffengerichts, da? den Angeklagten zu 30 M. Geldstrafe verurteilte. Die beschlagnahmten Plakate wurden freigegeben, weil sie nicht Eigentum des Angeklagten, sondern der Freireligiösen Ge- ineinde seien. In der Begründung führte das Gericht aus: Die Uebertretung des§ 0 de? preußischen Preßgesetzes vom 12. Mai 1851 fei darin zu erblicken, daß die Plakate dem Zweck dienen sollten, Personen zum Austritt aus der Landeslirche zu veranlassen. DaS ginge aus der Form hervor, wenn die Plakate auch an sich eine gewerbliche Ankündigung in sich schlössen. Nach§ 9 des preußischen PreßgesetzeS dürfen solche Ankündigungen aber nur gewerbliche An- kündigungen bekanntgeben. Ist diese Auslegung des§ 9 des altpreußischen Preßgesetzes zu- treffend, so müßte beispielsweise die Eisenbahnverwalwng bestraft werden, die Plakate zugunsten der Lungenheilstätten angeheftet hat. Ebenso wären die Plakate des Flottenvereins, die Anzeigen über Mägdeherbergen usw. gesetzwidrig. Wird nun endlich mit dem ver- alleten Plakatgesetz aufgeräumt werden? Wenn nicht: weshalb wird dann, entgegen dem Gesetz(falls die Verurteilung Fiedlers be- rechttgt ist), nicht gegen die Eisenbahnverwaltung, den Flotten- verein usw. vorgegangen? Stehen jene außerhalb deS Sttaf- gefetzes?_ TernufcbteB. BomLenkbaren". Nachdem der deutsche Militärballon und daS Parferolfche Luft. schiff in Tegel nicht wegzuleugnende Proben ihrer Lenkbarkeit ab» gelegt haben, halten es die Freunde des Grafen Zeppelin für angebracht, auch diesen durch folgende Preßnotiz wieder in Er» innerung zu bringen: Graf Zeppelin beabsichtigt, im Laufe dieses Monats mit dem Bau eines neuen Ballons zu beginnen, der sein jetziges Luft» schiff noch an Größe übertreffen soll. Die einzelnen Teile des neuen Fahrzeuges sind bereits bei Manzell a. B. aufgestapelt. Die Probefahrten mit dem neuen Luftschiff werden Voraussicht- lich Ende September beginnen. An Neuheiten zeigt der Ballon außer Veränderungen des Steuers auch Anwendung eines Scheinwerfers und die Einrichtung einer Tele. funken st ation. Die Probefahrt, an der etwa zehn Per- sonen teilnehmen werden, soll bei günstiger Witterung bis nach Stuttgart und zurück ausgedehnt werden. Graf Zeppelin, der mit seinemLenkbaren" bisher arg Pech hatte, täte gut, nach Möglichkeit solche Reklamenotizen zu ver- hindern, die unangenehm an Herrn GanSwindt erinnern. DieScheinwerfer" und dieEinrichtung einer Telefunkenftation" find keine Fortschritte in Bezug auf die Lenkbarkeit, die immer noch im höchsten Maße Problem bleibt. Im Gegenteil: DaS Ge» wicht, das beide fressen,' wird beim Luftschiff sehr notwendig zur Erhöhung der Maschinenkraft und der Vorräte an Verbrennungs- stoffen gebraucht. Auch die mitzunehmende Personenzahl sollte man aus demselben Grunde auf die Bedienung und ein oder zwei Passagiere beschränken. Wie notwendig daS trotz aller Fortschritte ist, mag die Tatsache erweisen, daß die Verdoppelung der Maschinenkraft immer erst eine Steigerung der Geschwindigkeit von etwa 4 zu 5 bringt. Und die Steigerung der Eigen- geschwindigkeit bleibt vorerst die Hauptsache; nicht Schein- werfer, Telefunken und Raum für Passagiere. DaS drahtlose Telephon macht Fortschritte, was man daraus schließen will, daß die amerikanischen Kriegsschiffe, die Order er- halten haben, nach dem Stillen Ozean abzudampfen, mit Apparaten für drahtlose Telephonie ausgerüstet wurden. Man soll sich mit den neuesten Instrumenten bis aus 5 englische Meilen verständigen können, wenn auch das Wetter schlecht ist. Dr. Deforests Jnstru- mente sollen bei gutem Wetter 7 Meilen weiv' reichen. Beim Spiel. 16 Schulkinder ließen sich, wie aus Winterverg bei Kreuznach gemeldet wird, gestern in einem Pflugkarren einen Berg hinunterrollen. Sie verloren die Gewalt über den Karren, der umschlug, da§ Bachgeländer durchbrach und in den Bach stürzte. II Kinder erlitten schwere Verletzungen, Der Zustand einiger Kinder ist hoffnungslos. Felssturz auf die Eisenbahn. An der Bregenzer Waldbahn löste sich ein Felsblock in dem Augenblick, als ein Zug passierte; die Lokomotive und drei Waggons wurden den Damm hinab ge- schleudert; Personen sind jedoch nicht zu Schaden gekommen. Cholera und Pest. Petersburg, 3. September. Der Stand der Cholera ist in Astrachan , Samara, Kasan , Stawropol, Sysran und längs der Wolga unverändert. In Nowgorod sind fünf neue Fälle vorgc- kommen. Die Gefahr der Verschleppung durch Kausleute, die von der Messe kommen, ist besonders groß. Nokohama, 2. September. Ein Mann der Besatzung eines Dampfers, der aus Niutfchwang hier eintraf, ist an Cholera ge- starben. Die Paffagiere waren bereits gelandet, als der Fall cnt- deckt wurde. San Francisco , 3. September. In Berkeley ist ein durch Bllbonenpcst verursachter Todesfall und zwei Fälle von Pestverdacht festgestellt worden.