.Die Generalversammlung erkennt die Vedeutung und den Zweck der Gewerkschaftsschule an und beschlieht, auher den Ange- stellten unseres Verbandes auch noch solche Kollegen bezw. Mit- glieder der Organisation dieselbe besuchen zu lassen, die in größeren Städten, wo keine Angestellten tätig sind, für die Aus- vreitung und Leitung des Verbandes in Betracht kommen. Der Besuch der Schule geschieht auf Kosten der Organisation, ein An- recht auf Anstellung wird keinem Besucher in Aussicht gestellt. Die Auswahl der Besucher besorgt der Hauptvorstand nach An- börung des Bezirksleiters und der zuständigen Ortsverwaltung. Die Besucher sollen jedoch mindestens zwei Jahre ununterbrochen dem Verband angehört haben. Zum Punkt P r'e s s e nimmt der Redakteur A l b r e ch t das Wort. Er bespricht die Wünsche nach dem Ausbau des BlatteI. Der Stoff aus der Organisation wird immer größer und die prin- zipiellen Fragen der Arbeiterbewegung leiden darunter. Wir wünschen alle sehr, so führt er aus, daß die politische Arbeiterpresse von den Kollegen gelesen wird, aber viele Herrschaftsgärtner sind dazu nicht imstande. Es wäre deshalb eine Vergrößerung der Zeitung zu wünschen. Betreffs der Maifeierfrage verteidigt der Redner die Haltung der früheren Redaktion. Auch bei der Reichs- tagswahl habe die Zeitung Propaganda für die Wahl von Sozial- demokraten getrieben. Das sei ihm manchmal verübelt worden. Er halte es aber für die Pflicht der Arbeiterpresse, den Zeit- umständen Rechnung zu tragen. Redner wendet sich gegen die Kritiker, die verlangen, daß Inserate nicht aufgenommen werden, in denen Gärtner zu nicht„würdigen Arbeiten" gesucht werden. Jede Arbeit adle; auf dem Standpunkt stehe die moderne Arbeiter- bewegung. Es komme nur darauf an, ob die Arbeit auch ordent- lich bezahlt würde. Ein anderer Standpunkt sei ein rückständiger und eine Ueberlieferung früherer Zustände in der Gärtnerorgani- sation. Heute, wo neben den Gärtnern auch die Gartenarbeiter Mitglieder sein können, ist ein solcher Standpunkt eigentlich nicht diskutabel. Er halte es ferner für nötig, daß der Redakteur des Gewerkschaftsorgans, um in Fühlung mit dem praktischen Leben und den Kollegen zu bleiben, dann und wann hinausgeht in die Mitgliedschaften zur Information und Agitation. Die Maifeierfrage und die Angelegenheit des Kollegen Kamorawski-Leipzig wird ebenfalls den Kommissionen zur Vor- beratung überwiesen. Aohifahttzeinrlchtungen. Nicht nur von Sozialdemokraten, auch von bürgerlichen National- ökouomen ist der Unwert, das Antisoziale, Korrumpierende, Demo- ralisierende und Versklavende der meiste» sogen. BolkswohlfahrtS- einrichtungen längst einwandsfrei nachgewiesen. Trotzdem wird immer wieder versucht, solcher Art Unternehmen, die das Geschäfts- inieresse diktiert, als Humanitären und arbeiterfreundlichen Er- wägungen entsprungen zu feiern. Besonders die Kruppschen Kassen erfreuten sich vielfach rühmenden Lobes. Fürst Bülow feierte sie als Einrichtungen.geschaffen aus der freien LiebeStätigkeit". Derartige Urteile beruhen auf Unkenntnis oder nur höchst ober- flächlicher Kenntnis des tatsächlichen Sachverhaltes. Genau so wie Tauiend und Abertausend solcher, die die Warnungen der Arbeiter- presse nicht kennen, sich durch bombastische,.patriotisch" schillernde Titel von Schwindelkassen, Betonung der.behördlichen Genehmigung" und die Lobpreisungen zungengewandter Agenten über die„wohltätigen" Wirkungen solcher Kassen sich einfangen und betrügen lassen, wird die öffentliche Meinung durch unrichtige Be- Häuptlingen über die„Wohlfahrtseinrichtungen', die„freier LiebeS- tätigkeit" ihr Dasein verdanken, irregeleitet. Die Leichtfertigkeit solcher Lobeshhmnen ist dieser Tage durch ein Ge Werbegericht bestätigt, das auf Grund des Gesetzes anerkennen mußte, daß Bestimmungen besonders gelobter„WohlfahrtS- einrichtungen" mit den zugunsten der wirtschaftlich Schwächeren gegebenen gesetzlichen Vorschriften unvereinbar und gegen die guten Sitten verstoßen. Als Kern der Kruppschen Wohlfahrtseinrichtungen wird die Pcnsionskasse gepriesen. Wie nett klingt für den Philister und für den mit den Verhältnissen nicht vertrauten Arbeiter die Erzählung, die alten Kruppschen Arbeiter erhielten ein hübsches Häuschen und dazu noch eine Pension, die ihnen ein sorgeusreieS Leben bis an ihr Ende ermöglickt. Die Lobeserhebungen über solche große Werke „freier Liebestätigkeit" wollten in den.ordnungsparteilichen" Blättern kein Ende nehmen, als der deutsche Kaiser die Besitzerin der Werke — und WohlfahrtSeinrichtungcn, Berta Krupp , als einen Engel der Barmherzigkeit ansprach. Mit den Engelsgabcn des Werks und dem sorgenfreien Leben dcS Arbeiters hat es aber eine eigene Bewandtnis, wenn man an Stelle der phantasievollen Lobeserhebungen über die Kruppschen WohlfahrtS- einrichtungen diese selbst nüchtern und vorurteilslos betrachtet. Dann steht die Sache nämlich so: jeder Kruppsche Arbeiter wird zwangS- weise Mitglied der PensionSknsse, und den Arbeitern werden be- trächtliche Summen als Einschreibgebühr und für laufende Beiträge v o m L o h n abgezogen. Aber kein Arbeiter hat die Gewähr, jenralS Pension zu bekommen. Mit der Mitgliedschaft sind Rechte nicht verbunden. Wenn ein Arbeiter 10, 15. ja 20 Jahre und länger Beiträge gezahlt hat und es beliebt der Firma, ihm zu kündigen, dann be- kommt er nicht nur keine Pension, es wird ihm überdies auch kein Pfennig von den Beiträgen zurückgezahlt. Gleichviel, ob ein Arbeiter freiwillig oder unfreiwillig das Arbeitsverhältnis löst, die Firma braucht nach den Statuten nichts zurückzuzahlen. Es hängt gänzlich von dem Wohlwollen der Firma ab, wer schließlich mal in den Genuß deS RentenbezugeS tritt. Alljährlich fliegen bei Krupp tausende Arbeiter hinaus. Denen, die irgendwie merken lassen, daß in ihnen noch nicht alle Menschenwürde erstorben ist, gibt man mit Vergnügen den Lauspaß, viele, die durch den KruppnimbuS sich hatten anlocken lassen, zogen eS nach kurzer oder längerer Zeit vor, der Wohlfahrtsfirma freiwillig den Rücken zu kehren. Aber alle hatten Beiträge, einzelne viele Hunderte Mark, dazu Einschreibe- gebühr, die allein den Lohn für l'/z Arbeitöschichten ausmachte, bezahlen müssen. WaS die Finna bisher an Pensionen anflvendete, hat sie den Arbeitern vom Lohn zurückbehalten. Diese müssen den Wohlfahrtsruhm teuer bezahlen. Wenn ein hinausgeworfener Arbeiter Rückzahlung der Beiträge verlangte, erhielt er folgendes Schreiben: Mitteilung von Frtedr. Krupp für Herrn Gußstahlfabrik........ Essen, Rheinpreußen. Antwort auf Ihr Gesuch vom....... \ Die Pensionskassc ist gemäߧ 15 ihres Statuts zur völligen oder teilweisen Rückzahlung geleisteter Beiträge nicht berechtigt. Von einer Zuwendung auS anderweitigen Mitteln muß gleichfalls abgesehen werden. Friedr. Krupp. Bisher sind alle Versuche, der Firma Krupp das Wohlfahrtshandwerk zu legen, gescheitert. Nun aber hat. wie Eingangs be- merkt, ein Gcwerbegericht sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Bestimmungen deS Kruppschen„Wohlfahrts'-Statutes gegen die guten Sitten verstoßen und nicht rechtsverbindlich sind. Ein auf dem Kruppscheu Werk in Nheinhausen beschäftigt ge- wesener Kupferschmied erhob nach seiner Entlassung Ansprüche ans Rückerstattung der Beiträge zur Penstonslasse und wurde von der Firma abgewiesen. Er machte darauf Klage beim Gewerbe- geeicht in Friemersheim anhängig und erzielte ein den Wohl- fahrtsschwindel richtig charakterisierendes, die Ansprüche deS Klägers in volle m Umfange anerkennendes Urteil. Nach einem Bericht der„Franks. Ztg." wird in der Urteilsbegründung zunächst darauf hingewiesen, daß bei Gründung der Kaste die Firma einseitig vorgegangen sei, die Arbeiter nicht einmal gefragt worden seien. Weiter heißt es dann: Der Arbeitsvertrag verpflichte die Arveiter nicht zum Beitritt zu der Pensionskaffe; wenn in deren Statut eine solche Vcr- pflichtung ausgesprochen sei, so sei das nicht rechtsverbindlich für den Kläger , dieser sei also rechtswidrig zwangsweise zum Veitritt und zur Beitragszahlung herangezogen worden. Die Bestimmung deS§ 15 des Statuts, daß mit dem Ausscheiden des Mitgliedes aus dem Dienste der Firma alle Ansprüche desselben und seiner Hinterbliebenen an die Pensionskasse erlöschen, verstoße derartig gegen Treu und Glauben, und der gegen den Kläger ausgeübte Zwang zur Anerkennung einer derartigen Bestimmung so gegen die guten Sitte», daß das ganze zwischen dem Kläger und der PensionSkasse etwa bestehende Rechtsgeschäft als nichtig zu bezeichnen sei. Die Firma sei ja in der Lage, in völlig einseitiger und willkürlicher Weise die Kassenmitglieder durch Entlassung aus dem Dienste um alle ihre wohlerworbenen Rechte zu bringen. Wie sehr überhaupt, so sagt das Erkenntnis des Gewerbegerichts, die Kasse mit der Firma und ihren Jnter- essen verquickt ist, gehe ans manchen eigenartigen Bestimmungen hervor. Als solche führt das Urteil an, daß die Firma den geschäftsführenden Vorstand ernennt, während die stimmberechtigten Mitglieder nur vier Beisitzer wählen; außerdem werden in den meisten wichtigen Fällen die Beschlüsse deS Vorstandes noch von der Zustimmung der Firma abhängig gemacht. Die Firma ist also— so sa�t das Gericht wörtlich— in der Hand- habung der Kasiengeschäfke fast fouv'etäti, obgleich sie nur ein Drittel der Beiträge aufbringt. Schließlich sagt das Gericht noch: „Es soll nicht bestritten werden, daß die Pensionskasse für einzelne Arbeiter als eine Einrichtung zur Verbesserung der Lage der Arbeiter und ihrer Familien— zu anderen Zwecken dürfen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Vereinbarungen über die Verwendung des Arbeitslohnes nach§ 117, Absatz 2, der Gewerbeordnung nicht getroffen werden— betrachtet werden kann. Da aber die Pensionierung erst bei völliger Arbeits- Unfähigkeit nach einer ununterbrochenen 20 jährigen Dienstzeit oder ohne Arbeitsunfähigkeit nach 40 jähriger ununterbrochener Dienstzeit eintritt, liegt es auf der Hand, daß diese Ein- richtung nur einem geringen Bruchteil zugute kommen kann, zumal da die Firma es jederzeit in der Hand hat, durch eine, wenn auch nur zeitweise Entlassung den Eintritt dirser Verbcsse- rung der Lage der Arbeiter völlig illusorisch zu machen." Das Urteil, das die weltberühmte Kasse richtig charakterisiert, müßte genügen, sie in ihrer jetzigen Form aufzuheben, sie höchstens als fakultativ bestehen zu lassen, mit der Bestimmung, daß bei»n- freiwilligem Ausscheiden alle Leistungen für die Kasse zurückgezahlt werden. Aber der Arm der Krupps reicht weit. ihre Macht ist groß— und wir fürchten, für den Vorsitzenden des Gewerbe- gerichts in FriemerSdorf wird das Urteil noch böse Folgen haben. ES ist bei Beratung der Kassengesetzgebnng zu Anfang der siebziger Jahre selbst von sehr rechts stehenden Abgeordneten anerkannt, daß es im höchsten Grade unbillig und ungerecht sei, selbst Arbeiter, die Beiträge zu einer Kasse freiwillig gezahlt haben, auszuschließen, ohne ihnen die von ihnen gezahlten Gelder zurückzuzahlen. In Z 15 des Hülfskassengesetzes ist deshalb eine freilich nicht ausreichende Vorschrift ausgenommen, die die Arbeiter in etwas gegen solche Ausbeutung schützen sollte. Die Kruppsche Kasse verlangt, weit darüber hinausgehend, daß die Arbeiter zahlen müssen, ohne ihnen den geringsten Rechtsanspruch zu gewähren. Durch das zitierte Urteil ist mm wenigstens dem Unfug ein kleiner Riegel vorgeschoben, daß das Werk oder die Kaste den Lohn behält, der zur Verherrlichung der „freien LiebeStätigkeit" der Kruppschen Werke dem Arbeiter für die Kasse abgezogen ist. Mögen alle Arbeiter, die in den letzten zwei Jahren von Krupp entlasten sind, in gleicher Weise wie der Kupfer- schmied. dessen Klage wir schilderten, ihre Rechte geltend machen. Em der Partei. Zum Essener Parteitag. Die ParteitagSnummer der„Neuen Welt" zeigt diesmal Elsen und d a S R u h r r e v i e r. An laudschaft- liche» Sehenswürdigkeiten und historischen Denkmälern bietet die Stätte des heurige» Parteitages bekanntlich nur wenig, dafür aber desto mehr des Typischen, wie es den modern-kapitalistischen In- dustriegebieten anhastet. So werden wir denn in das Bereich der Schlote und in die Welt rasch cmporgeblühter Fabrikstädte geführt, wo in emsiger Arbeit ein bunt zusammengewürfeltes Proletariat dem Großkapital tagein tagauS Riesenpronte schafft. In einer Reihe gut ausgewählter Bilder wird uns Esten und sein Fabrik- leben vor Augen geführt. Wir sehen die Arbeiter durch rußige Straßen zu ihren Betrieben eilen. Bergleute werden uns am Ein- gang zur Zeche gezeigt. Vom Parteitagslokal, von der Riesenanlage des Krupptchen Gußstahlwerkes, von der Arbeiterkolonie Alteuhof finden wir Ansichten usw. AuS dem textlichen Teil der Nummer heben wir die Artikel„Esten und das Industriegebiet" und„Die Entwickclung der Sozialdemokratie im Ruhrgebiet " hervor. • Die Delegierten zum Parteitag werden nochmals er- sucht, sich bis spätestens zum 10. September beim Wohnungs- komitee, Adresse Franz Gemoll, Kastanienallee 70. anzumelden. Bei später einlaufenden Anmeldungen sind wir nicht in der Lage, irgendwelche Wünsche, den Preis des Logis betreffend usw. zu berücksichtigen. Die Wohnungskommisston. I. A.: I. Lud bring. LildungSarieit. Die BildungSkommistion in Kiel gibt bekannt, daß sie im kommenden Winterhalbjahr philosophische Unterrichts- kurse einrichten, falls sich die nötigen 50—40 Teilnehmer finden. Das Thema der Kurse wird in großen Zügen die Entwicklung der modernen Weltanschauung sein, wie sie im Laufe des letzten Jahr- hundert» in den Systemen der großen Denker und in den Ideen- kämpfen der verschiedenen Zeitepochen sich ausgestaltet hat. Im besonderen soll in diesen Kurien versucht werden, die Einflüsse, die von Hegel und vom sogenannten Materialismus jFeuerbach u. a.) auf de» Marxismus gewirkt haben, klar zu machen. Neben Hegel wird auch Schopenhauer als Vertreter der Kantschen Philosophie dargestellt werden und mau wird die nioralphilosophischcu und ästhetischen Meinungen Nietzsches in ihrem Zusammenhang und ihrer Gegensätzlichkeit in diese Entwickelung einzustellen suchen. Es wird dann der Einfluß des naturwissenschaftlichen Denkens und Forschen« aus die Frage nach dem Verhältnis von Gehirn und Seele(Bewußtsein) an einzelnen markanten Erscheinungen (Pflttgcr, Fechner, Wundt ) dargestellt iverden. Man wird zum Häckeltchen Monismus Stellung nehmen und schließlich verstehen können, wie sehr die Neugestaltung des Welt- Problems, wie sie etwa bei Ulach und Avenarius vorliegt, ge- eignet ist, das philosophische Denken aus den Büchern inS Leben— auch ins Leben der Masten— zu überführen. Die Kurse sind seminarartig gedacht, d. h. der Lehrstoff wird in stetem Kontakt zwischen Leiter und Hörern durchgearbeitet, eS werden ausgewählte Lesestücke durchgenommen und besprochen und eventuell auch schriftliche Arbeiten zu Hause angefertigt werden. Die Kosten belaufen sich für den Hörer auf zirla 25 Pf. für den Abend._ Der Parteitag des Bezirks Nordwest wurde Sonntag morgen in Bremen abgehalten. Außer dem Bezirksvorstand und den Neichstagskandidaten des 17., 18. und 19. hannoverschen und deS Bremer Wahlkreises waren 24 Delegierte erschienen. Der Kassenbericht verzeichnet eine Gesamteinnahme von 8732,34 M. und eine Gesamtausgabe von 2991,08 M., sodaß ein Bestand von 741,76 M. verblieb. Nach einem Referat de§ Genossen Pieck über die Schaffung einer periodischen Druckschrift für die Landagitation wird beschlossen, eine derartige Agitations- schrift für den 6... 17. und 18. hannoverschen Wahlkreis zunächst sechsmal im Jahre in je 25 000 Exemplaren zu verbreiten. Für den 10. hannoverschen Wahlkreis ist die Herausgabe einer Agitationszeitung für die Landbevölkerung bereits beschlossen; in Bremen wird diese Frage in nächster Zeit eine Parteiversammlung beschäftigen. Ueber die Stellungnahme zum„Preußischen Parteitage" re- ferierte Genosse Rhein . In der Diskussion wird der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die Schaffung einer fest- gegliederten Organisation für Preußen zu einer Kollision mit der Gesamtpartei führen könne. Wolle man eine andere Organisationsform schaffen, so dürfe es lediglich zu dem Zwecke geschehen, um die spezifisch preußische Agitation zu leiten. Ferner wurde allgemein der Standpunkt der- treten, daß die Partei damit zu rechnen habe, den Kampf um die Einführung deS allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahl- rechts für den preußischen Landtag ohne Hülfe des Liberalismus sühren zu müssen. Genosse Haverkamp- Bremerhaven wurde einstimmig zum Delegierten für den preußischen Partei- t a g gewählt. Es wird ferner beschloffcn, den im Bezirk vertretenen Parteiblättern, den KreiSvorsttzenden und einem Ver- trcter der Bcschwerdekommission auf zukünftigen Bezirksparteitagen Sitz lind Stimme einzuräumen. In seinem Referat über, K o in- in u n a l p o l i t i k" empfiehlt Genosse Haverkamp u. a. die Abhaltung von Konferenzen für Gemeindevertreter und die Heraus- gäbe von Broschüren, in denen allgemeine Grundsätze behandelt werden, wie sie für engumgrenzte Bezirke zu vertreten sind. Es wurde dem Bezirksvorstand anheimgegeben, darüber zu entscheiden, ob und wann eine Konferenz der Genieindevertreter einberufen werden soll. Die Anstellung eines Parteisekretärs für den Wahlkreis Lübeck wurde am Montagabend von der Generalversammlmig des Sozial- demokratischen Vereins beschlossen. Der Verein sah sich zu diesem Schritt hauptsächlich durch die Ueberschwemmung Lübecks mit Ar- bcitern aus rückständigen Gegenden Deutschlands genötigt, die in- folge der Entwickclung der Industrie erfolgt. �Ferner sind die vereinigten Gegner überaus eifrig an der Arbeit, um der Sozial- demokratie den Lübecker Wahlkreis zu entreißen. Sie rechnen darauf, daß die Wahl des Genossen Schwartz, gegen die von ihnen Protest eingelegt worden ist, für ungültig erklärt wird. In der gleichen Versammlung wurde der B e i t r a g, der bisher 80 Pf. pro Monat betrug, für männliche Mitglieder auf wöchentlich 10 Pf. festgesetzt; siir weibliche Mitglieder bleibt der Beitrag wie bisher, nämlich monatlich 10 Pf. polizeiliebes, Oerietmiches uftv. Das»Ichtdcleidigte Schwurgericht. Unser Genosse Linke in Dortmund hatte in einer Filial- Versammlung des Sozialdemokratischen Vereins in Dorstfeld über Klassenjustiz gesprochen und besonders auf den bekamiien Fall hingewiesen, wo der Polizist Dickmann in Marten einen braven jüngeren Genossen einfach nieder- geschossen hatte. Diekmann hatte sich wegen der Tat vor dem Dortmunder Schwurgericht zu verantworten, wurde aber nn- begreiflicherweise freigesprochen. An diesen Freispruch knüpfte Genosse Linke in seiner Rede an und bemerkte, ob der Polizist wohl freigesprochen lvorden wäre, wenn er einen Mann aus der besitzenden Klasse niedergeschossen hätte, darüber habe er seine eigene Meinung. Der über- wachende Gendarm hatte freilich angegeben, Linke habe ge- sagt, in einem Falle würde der Polizist nicht freigesprochen worden sein. Der Präsident des Dortmunder Landgerichts stellte daraufhin gegen Genossen Linke Strafantrag wegen Beleidigung der Geschworenen. In der ersten Verhandlung beantragte der Staatsanwalt einen Monat Gefängnis, während das Gericht auf 50 Mark Geldstrafe erkannte. Gegen dies Urteil legte Genosse Linke Revision beim Reichs« gericht ein. Dieses hob das Urteil auf mit der Be- gründuiig, der Präsident des Dortmunder Landgerichts habe kein Recht gehabt, für die Geschworenen Strafantrag zu stellen, denn diese seien keine Gcrichtsbeamtcn. EL sei aber zu prüfen, ob nicht eine Beleidigung des ganzen Schwurgerichts vorliege, und darum sei die Sache zur Neuverhandlung andre Dortmunder Strafkammer zurückzuverweisen. Die Neuverhandlung hat am Dienstag stattgefunden, sie endete diesmal mit der Freisprechung deS Genossen Linke. Die Freisprechung wurde sogar vom Staatsanwalt beantragt und zwar aus formellen und tatsächlichen Gründen. Erstens habe dev Angeklagte die Geschworenen kritisiert und nicht das Schwurgericht, zweitens habeLinke in seiner Kritik auch nicht das berechtigte Maß überschritten, die gewählte Form ent- halte keine Beleidigung. Diesen Gründen schloß sich das Gericht an und erkannte, wie schon bemerkt, auf Freisprechung. Zwei Prefivrozeste, so berichtet man nnS unterm 8. September auS Halle, standen heute vor dem Schöffengericht gegen den Re« daktcnr Genossen L e o p o l d t vom„V o l k s b l a t t' zur Verhaud- lmig. Ja dem einen Falle fühlten sich zwei Gendarmen beleidigt, die bei der Jagd auf Streikposten stark in Tätigkeit gewesen waren. DaS Pferd des einen Gendarmen hatte einen Schlosser auf den Fuß getreten und ein zweiler Gendarm sollte mit den Worten:„Dampfen Sie hier ab I" dem Slreikposten einen leichten Schlag versetzt haben. DaS Vorgehen der Gendarmen wurde kritisiert, wofür Genosse Leopoldt 100 M. Strafe bezahlen soll.— Dann„erhielt" Genosse Leopoldt noch 40 M. Geldstrafe, weil er in einem„Volköblatt'-Artikel Maß- nahmen der Tencherner Polizei kriiisiert hatte.— Genosse Redakteur Fröhlich verbüßt gegenwärtig drei Monate Gefängnis. Ein Maifricrnachspicl bereitet nun doch in letzter Stunde die H a l I e s ch e Polizei vor. Sie hat einer Anzahl Parteigenossen, die am 1. Mai nach dem Volkspark gingen, Strafmandate geschickt, weil die Genossen„einen öffentlichen Aufzug" veranstaltet und „die Aufmerksamkeit des Publikums' erregt haben sollen.— ES geht in Halle einmas nicht ohne Maiprozcß. WitterungSüberstcht vom 4. September»907. Wetter. Prognose für Donnerstag, den S. September 1007.» Nachts lühler, am Tage«twaS wärmer, aber noch veränderlich mit ge» rwgeren Regensällen und mäßigen weltlichen Winden. Berliner Wetterbureau.
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