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9r.207. 24.»!» 2. SfÜHjjC!>Allltülllls" Dtlülltl Dlliölllilü. S°«"->l>5S StpImwlM. kerichteritsttiing über äev Stuttgarter kiongrek i« den sechs Berliner   Wahlkreisen. Der Wahlvcrein des ersten Berliner   NeichStagswahIkreises versammelte sich bei Dräsel. Neue Friedrichftrasie. Genosse Wolderski erstattete Bericht vom Internationalen Kongreß tu Stuttgart  . Man konnte überrascht sein, so bemerkte er einleitend, wie groß und glänzend der Kongreß gleich in der Anlage sich präsentierte. Unleugbar waren die Fortschritte unserer großen Bewegung zu erkennen, wenn man diese Zusammenkunft der Ge- nossen aller Länder mit ähnlichen Veranstaltungen früherer Jahre verglich. Von den Verhandlungen selbst entrollte er in großen Zügen ein Bild, da er voraussetzen konnte, daß die Anwesenden aus den Berichten desVorwärts" darüber unterrichtet waren. Nur hier und da verweilte er des längeren und. gab oft recht interessante Kleinschilderungen aus dem bunten Gemisch der Ver- treter aller Nationen, wie es sich zum Beispiel bei dem Meeting auf den weiten Wiesen vor der Eröffnung des Kongresses cnt- faltete. Bei der Zusammenkunft mit Jaures   lernte er verstehen, woher dieser Mann einen so großen Einfluß in Frankreich   aus- übt; Jaures   besitze eine Anziehungskraft, die jeden Zuhörer ge- fangen nehme und noch stärker wirke wie bei Bebel. Unangenehm habe Herve berührt, wie er die Deutschen   mit Hohn überschüttete ob ihrer Ohnmacht und ihrer Fesseln, die sie in Deutschland   noch tragen müssen. Die derbe Zurechtweisung durch Vollmar habe Herve wohl verdient. Die deutschen   Genossen leiden schwer unter dem Druck der bestehenden Machtverhältnisse und kämpfen dagegen an, aber daß Herdes Vorschläge oder seine Wünsche daran nichts ändern könnten, darüber war sich die deutsche Delegation einig. Was der Redner als besonders wertvoll bei einer internationalen Zusammenkunft mehrmals hervorhob, war der Gewinn, den alle Teilnehmer daraus ziehen, daß ihr Verständnis für das, was die anderen Nationen wollen, sich ungemein vertieft. Dadurch, daß man die Führer der Bewegung in den anderen Ländern kennen lernt und eine Aussprache mit ihnen Pflegt, werde vielem Streit die Schärfe genommen. Man lernt besser verstehen, wie es die anderen meinen. Fast rührend sei es gewesen, wie der Delegierte von Japan   für seine armen Landsleute eintrat, die in ihrer Heimat ein jämmerliches Leben führen, und wenn sie an Aus- Wanderung denken, dem Haß und der Verachtung begegnen; er wandte sich damit besonders an die Amerikaner. Lächelnd hörten die Versammelten zu, als Wolderski erzählte, wie tragisch die Engländer die Ausweisung von Queich   nahmen und schwermütige Abschiedslieder sangen, während die Deutschen  , trotz aller Ent- rüstung über die Ausweisung, doch nur eine ihnen wohlbekannte Maßregelung darin erblickten. Der Redner besprach die ein- zclnen Resolutionen, die in den Hauptfragen zur Annahme ge- langten und erklärte, wie sich die deutsche Delegation zur Frage der Maifeier stellte. Die Maifeier wurde in der Diskussion noch eifrig besprochen und ebenso wieder die Angelegenheit der lokal- organisierten Genossen. Wolderski hatte es in seinem Referat als Unrecht bezeichnet, daß die deutsche Delegation die Mandate der beiden Lokalisten nicht gelten lassen wollte. Es sei anzu. erkennen, daß das Internationale Bureau den Fehler der Deutschen  wieder gutgemacht habe. In der Diskussion sprach zuerst Genosse Unger, der die Tagesordnung des Kongresses noch einmal kurz beleuchtete und seiner Befriedigung über die verschiedenen Resolutionen Ausdruck gab. Er kam auf die Angelegenheit Luxemburg   und Lewinsohn zu sprechen und protestierte gegen die diesbezügliche Auslassung des Genossen Noske. Genosse Wagner erörterte die Frage der Maifeier: er habe den Eindruck aus der Beratung der deutschen Delegation gewonnen, daß die gewerkschaftliche Seite zu ängstlich die Kosten erwägt. Er ging dann auf die Kongreßverhandlungen ein und bemerkte zu den Ausführungen von Herve, daß dieser viel zu scharf geschossen habe, aber man sollte in der Agitation gegen den Militarismus etwas mehr leisten. Genosse Schwabedahl 'pricht ebenfalls über die Maifeier und findet es erfreulich, daß ran sich in der deutschen Delegation darüber geeinigt habe. In bezug auf die Lokalisten teilt er die milde Auffassung von Wol- derski durchaus nicht, man habe es mit Zerstörern und Zec- splitterern zu tun, gegen die man rücksichtslos vorgehen müsse. Genosse Lucht, der Vorsitzende, wendet sich gegen den Vorredner. Die Lokalisten seien als Parteigenossen zu achten; es sei tief be- dauerlich, daß in der deutschen Delegation die Mandate nicht an- erkannt wurden; man ziehe gern scharfe Grenzen nach links, sei aber zur Nachsicht bereit, wenn es nach rechts gehe. Genosse Täterow bedauert, daß in den Diskussionen regelmäßig Mai- fcier und Lokalistenfrage zum Ucberdruß behandelt würden. Taktische Fragen seien am besten von Fall zu Fall zu entscheiden. Er bespricht kurz den Kongreß und erklärt, welchen großen Ein- druck er davon gewonnen habe. Genosse B e n a d a wendet sich gegen Schwabcdahl und sieht cmcn großen Fehler darin, wenn die Partei gegen die Lokalisten Schritte unternehmen wollte. Nach einem kurzen Schlußworte von Wolderski, in dem er seine Stellung zu den Lokalisten verteidigte, macht Genosse Lucht auf die Kämpfe der Bergarbeiter im Nicoerlausitzer Kohlen- decken aufmerksam und fordert die Genossen auf, nichts zu ver« absäumen, um den Arbeitern die vollste Unterstützung zu leihen. * Die Versammlung im zweiten Wahlkreise war nur leidlsch besucht. Den Bericht über den internationalen Kongreß erstattete K ö ck e r i tz. Die deutsche Delegation habe am Sonnabend, den 17. August, in einer vollen Tagesberatung zur M a i f e i e r Stellung genommen. Nicht weniger als 16 Redner hätten hierzu das Wort ergriffen, und schließlich sei die bekannte Resolution angenommen worden, welche die endgültige Regelung der Maifeier dem Essener Parteitag über- Iveist; der internationale Kongreß brauchte sich somit mit der Mai- feier nicht zu beschäftigen. Die Kolonialfrage habe die Kommisston in zwei Sitzungen beschäftigt. Daß wir nun eine kapitalistische Kolonial- Politik machen werden, sei trotz der nicht ganz einwandsfreien Re- solution auch für ferner ausgeschlossen. In den Verhandlungen über die Kolonialpolitik wurde mehrfach aus jene Ausführungen Bebels hingewiesen, die dieser am 1. Dezember 1906 im Reichstage inachte. Dort habe unser Vertreter den prinzipiellen Stand- Punkt der Partei klargelegt und gesagt, was unsere Partei unter Kolonialpolik verstehe. Einer Unterstützung der kapitalistischen   Kolonialpolitik habe Bebel nicht das Wort geredet und im Sinne seiner Ausführungen konnte man der Re- solution in Stuttgart   zustimmen. Uebergehend zürn Frauenwahlrecht bezeichnet Redner es alS erfreulich, daß diese Frage auf die Tagesordnung kam. Unsere Partei fordert das Wahlrecht für die Frauen nicht aus frauenrechtlichen Gründen, sondern sie erstrebt die allgemeine Rechtsgleichheit für beide Geschlechter und erwartet von der Gewährung des Stimm- rechtes an die Frauen eine Stärkung des proletarischen Klassen- kampfeS. Zu den Verhandlungen über die Stellung der politischen Parteien z u den Gewerkschaften lasse sich eigentlich nicht viel sagen. Die Gleichberechtigung der politischen und gewerkschaft- lichen Altion müsse anerkannt werden, unser Kampf und unsere Organisationen sollen einheitlich sein. Die in diesem Sinne ge- haltene Resolution wurde mit großer Mehrheit vom Stuttgarter  Kongreß angenommen. Zur Frage der Ein- und Auswanderung verweist Redner auf die Verhandlungen und auf die Resolution, die jeder Genosse genau studieren niöge. Das Internationale Bureau erhielt den Auftrag, diesen Gegenstand im Auge zu behalten. Material zu sannneln und dieses für einen späteren Kongreß zu verarbeiten. Der Militarismus und die internationalen Konflikte be- schäftigte die für die Vorberatung eingesetzte Kommission durch volle fünf Tage. Große Deeinungsverschiedenheiten galt es zu überivinden, aber um so erfreulicher war dann die endlich erzielte Uebereinstimmung. In der Bekämpfung des Volks- und kulturschädlichen Militarismus sind sich die Genossen aller Länder einig und wenn die deutsche   Partei eine andere Taktik übe wie die Genossen in Frankreich  , dann liegt das an den speziellen Verhältnissen unseres Landes. Fülle als erster Diskussionsredner regt die Verminderung der Mandate an. Deutschland  , Oesterreich-llngarn und England entsandten allein bö3 Delegierte, eine Zahl, die an sich genüge, das gesamte internationale Proletariat zu repräsentieren. Redner unter- breitet der Versammlung die nachstehende Resolution, welche die Grundlage seiner weiteren Ausführungen darstellte: Die Versammlung begrüßt es mit Genugtuung, daß die Mehrheit des Internationalen Kongresses in der Kolonialfrage eine Resolution angenommen hat, die unzweideutig den prinzipiellen Standpunkt der Sozialdemokratie zur Kolonialpolitik darlegt. Für so selbstverständlich es die Sozialdemokratie hält, daß eine sozia- listische Gesellschaft auch zur Hebung der Lage der Eingeborenen kulturell rückständiger Länder nach Kräften beizutragen hat, so hält sie doch die Bezeichnung dieser sozialistischen   Kulturarbeit mit dem Namen der Kolonialpolitik für irreführend und namentlich in unserem heutigen Zeitalter der imperialistischen Kolonialpolitik des Kapitalismus für höchst bedenklich. Die Versammlung steht auf dem Standpunkt, daß die kapitalistische Kolonialpolitik nur ein Mittel der Verlängerung der kapitalistischen   Klassenherrschaft und der Unterdrückung und Aus- beutung des Proletariats darstellt. Sie mißbilligt deshalb di? Aeußerungen einzelner Redner auf dem internationalen Kongreß, wonach die Sozialdemokratie sich mit der Kolonialpolitik abzufinden und ihre Tätigkeit lediglich darauf zu beschränken habe, die Schäden dieser Kolonialpolitik nach Kräften zu mildern. So selbstverständlich es ist, daß die Sozialdemokratie getreu ihrer bisherigen Taktik alles aufzubieten hat, um die Greuel und die Ausbeutungstendenzen der Kolonialpolitik nach Kräften zu mildern, so wenig kann sich in dieser Tätigkeit die Aktion der Sozialdemokratie erschöpfen. Die nachdrücklichste und prinzipielle Bekämpfung der Kolonialpolitik und all ihrer Begleiterscheinungen auf marinistischem und imperialistischem Gebiete ist vielmehr die erste Pflicht des sozialistischen   Klassen- kampfes.' Zum Militarismus übergehend, bemerkt Redner, der Mili- tariSmus berge in sich große kulturelle Gefahren. Wir sollten ihn mit aller Energie bekämpfen, ohne die bestehenden Gesetze zu verletzen. Der Resolution über Partei und Gewerkschaften stimmt Redner zu, sie bringe jedoch nicht viel Neues. Fülle gibt sich der Hoffnung hin, daß die großen und kleinen Gewerkschaften im Sinne der Resolution handeln werden; geschehe das, dann wird es mit den proletarischen Kämpfen vorwärts gehen. Der Genosse Richard Fischer führt auS: Die internationalen Kongresse haben einen hohen demonstrativen Wert; nimmt man für die Wertschätzung die Beratungen zur Grundlage, dann liege die Sache aber«was anders. Die Ueberflutung, von der Fülle geredet. mache sich nicht nur auf den internationalen Kongressen, sondern auch auf unseren Parteitagen bemerkbar. Kommen Angelegenheiten zur Beratung, denen die Reife fehlt, dann kommen Resolutionen zu stände, die sich unter Umständen selbst widersprechen. Zweckmäßig wird eS fein, künftig nicht nur die Zahl der Delegierten zu be- schränken, sondern die Resolutionen schon vor dem Kongreßtag durch die Kommissionen beraten zu lassen, damit Zeit gewonnen werde, alle Fragen auch im Plenum gründlich zu behandeln. Was die sozialdemokratische Partei leiste, das kann uns keine andere Partei nachmachen, und was bedeutet es angesichts dieser Tatsache, wenn innerhalb der deutschen   Partei Meinungsverschiedenheiten z. B. über die Kolonialpolitik bestehen. Wie würde eS um dte Partei bestellt fein, wenn unsere Gedanken so uniform wären, um jede Meinungs- Verschiedenheit auszuschließen? Wenn sich jetzt vereinzelte Genossen und Parteiblätter, darunter der.Vorwärts", als Parteiretter auf- spielen, so darf man daS nicht zu ernst nehmen. Es gibt eben Leute, die, wenn ein Stteichholz brennt, schon die Feuersbrunst sehen und in Parteifragen päpstlicher sind als der Papst. Man soll sich doch endlich in der Partei darangewöhnen, auch abweichenden Meinungen tolerant zu begegnen. Die Angriffe auf Genosse Dr. David seien ganz unberechligt. Selbst Genossen wie Wurm haben sich für die Kolonialpolitik bedingungsweise erklärt, indem er sich mit David doch auf die umstrittene Einleitung für die fragliche Resolution einigte. Genosse van Kol habe von dem angeblichen Nutzen und Schaden der Kolonialpolitik gesprochen, wenn aber nichts andere? auf der Tagesordnung stand wie die«, dann brauchte man nicht lange zu diskutieren. Aber zur Verhandlung stand ja auch die Erschließung bisher unkultivierter Länder, eine Frage der historischen Kultur, eine kulturhistorische Frage. Redner erklärt, er unterschreibe Wort für Wort, was Bern- stein gesagt habe. Der negative Standpunkt Ledebours führe zu dem Gedanken, die Kolonien aufzugeben. Die Weltherrschaft Eng- lands war unter anderem bedingt durch seine Kolonien, es konnte seine überflüssigen Arbeitskräfte dorthin abschieben. Ganz richtig habe van Kol gesagt, wie Europa   durch den Kapitalismus, so müßten wir auch durch die Kolonialfrage hindurch. Die Resolution Davids betone den Gegensatz zwischen kapitalistischer und sozialistischer Kolonialpolitik. Es ist keine Anerkennung des Kapitalismus oder der Kolonialpolitik, wenn man deren Existenz konstatiert, van Kohl will die parlamentarische Aktion ausnützen, den unterdrückten und ausgebeuteten Eingeborenen in den Kolonien bei- zustehen. Ueber den Artikel imVorwärts"Sozialdemo- kratte und Kolonialpolitik" will Fischer sein Urteil nur dahin abgeben, daß es sich dabei geradezu um eine Entstellung der Wahrheit und skrupellose Redaktionsfllhrung handelt. Warum schließe man die David und Bernstein   denn nicht aus? Aber ein Dresden   kommt nicht zum zweitenmal! Die Resolution Fülle versetzt dem Kongreß, insbesondere jedoch der deutschen   Delegation, eine Ohrfeige. Die Tendenz derVor- wärts"-Artikel laufe darauf hinaus, die Parteizugehörigkeit gewisser Genossen in Zweifel zu setzen. Was das Mandat der Genossin Luxemburg   anbelangt, so müßte hier als billig gelten, was seiner- zeit gegenüber der Genossin Lilh Braun als recht galt. Mit der Mandatsungültigkeitserklärung habe die deutsche Delegation ganz richtig gehandelt. Das treffe auch für die Vertreter der Lokalisten zu, die auf ausgesprochen anarchosozialistischem Standpunkt stehen. In seiner Leipziger   Rede hat Genosse Kautsky   gesagt, man ver- stehe, weshalb die deutsche Delegation sich konservativer als die übrigen zeigte, wenn beachtet wird, daß die Hälfte der Delegierten aus Gewerkschaftern bestand. Das ist eine Herabsetzung eines Teiles unserer Genossen. In derselben Rede wird Genosse David als der Hirtenknabe bezeichnet, der die deutsche Delegation wie eine Hammel- Herde bald rechts bald links leiten kann. Diese von Kautsky ge- gebene Schilderung sei total unrichtig. Es könne ruhig eingestanden werden, daß selbst ganz hervorragende Parteigenossen bei der Ab- stimmung über die Kolonialresolution ganz im unklaren waren, wozu die von Singer gehandhabte Art der Abstimmung ebenfalls beitrug. Rief David der deutschen   Delegation zu, wie sie stimmen sollte, dann hat er nur von seinem Rechte Gebrauch gemacht. Ihn zum Leiter einer Hammelherbe dieserhalb zu stempeln sei verfehlt. Genosse Fischer polemisiert dann noch gegen die Genossin Zetkin   und entscknildigt eS als einen lapsus lin�uas, wenn diese sage, wir Deutsche   hätten einen Anspruch auf internationale Führerschaft. In derNeuen Zeit" sagt Kautsky   zutreffend das Gegenteil. Man könne das Schwinden unseres Einflusses begrüßen, weil dies auf das Wachsen der Kräfte unserer Brüder zurückzuführen ist. Redner geht dann in scharfen Ausführungen gegen jene Journalisten vor, die in jeder Mciiuingsdifferenz ein Anpassen an die bürgerliche Gesellschaft erblicken. Er wendet sich dann noch gegen die Redaktion desVorwärts", die ihre Artikel, bevor sie dieselben in die Welt hinausgehen läßt, besser prüfen sollte. Die weiteren Ausführungen Fischers erstrecken sich auf die Ein- und Auswanderungssrage, wobei er die Anschauung vertritt, daß wir uns gegen die Einwanderung von Arbeitern, die der Aufklärung unzugänglich und nicht organisierbar find, zur Wehr setzen können. Wenn Marx und Engels auSriefeuProletarier aller Lander, ver- einigt euch!", dann haben sie hierbei nicht Sklaven und Kulis, sondern freie Arbeiter im Auge gehabt. Bezüglich der Maifeier werde ja der Essener Parteitag die Regelung vornehmen. Die Gewerkschaften haben in Stuttgart   selbständig in einer Vorberatung zur Maifeier Stellung genommen, und wäre es nicht mehr wie recht und billig gewesen, hier einen Vertreter der Parteileitung hinzuzuziehen. Was die Resolution Fülle anbelangt, so sagt sie nicht, welche Reden gemißbilligt werden. Viel wird sich die deutsche Delegation aus ihr nicht macheu, aber von der Versammlung werde sie leben- falls abgelehnt werden. Ströbel erhebt gegen Fischer den Vorwurf, dieser habe mit seiner langen Rede Obstruktion zu dem Zwecke getrieben, die anderen Redner in ihren Ausführungen zu beschränken. Den Vorwärts" habe er angegriffen und madig gemacht in einer Weise, wie sie Parteigenossen nicht zukommt. Er unterschiebe demVor- wärts" Motive, die, falls dieser sie angewandt, hellste Entrüstung unter den Genossen hervorgerufen hätten. Ter betreffende Artikel sei durchaus sachlich gehalten und enthalte keinen einzigen Satz der Art, wie sie Fischer heute zu Dutzenden vorbrachte. Fischer be- zeichnete das etwaige Fehlen von Meinungsverschiedenheiten als einen bedauerlichen Zustand. Aber Meinungsverschiedenheiten sollen, wenn sie einmal da sind, ausgetragen werden, und gerade in der Kolonialfrage ist eine sachliche Austragung angebracht. Ge- nassen, die die wissenschaftliche Auffassung der Partei vertreten, verdienen nicht die von Fischer erhobenen Vorwürfe. Die neue Vorwärts"-Redaktion hat sich stets bemüht, den Kampf sachlich zu führen und prinzipiell die Stellung der Partei klarzulegen. Es müsse zurückgewiesen werden der Borwurf der Wichtigtuerei, mit der man im.Vorwärts" die Parteiretten" wolle. WaS den Artikel anbelangt, so wendet er sich mit keinem Worte gegen Ge- nossen David, sondern nur gegen van Kol und Bernstein  . In längeren, häufig von Zwischenrufen unterbrochenen Ausführungen polemisiert Ströbel gegen van Kol, der im heutigen Staate die Kolonialgreuel beseitigen wolle. Wie van Kol reden ja auch die Freisinnigen und das Zentrum, die uns beide durch Besserung der Kolonialpolitik den Rang ablaufen. Früher sagte van Kol, die Kolonalpolitik triefe von Schmutz und Blut zu allen Zeiten und überall, und jetzt will er sie im modernen Staate verbessern und reformieren. Wer bisher eingetreten ist. daS Los der Eingeborenen in den Kolonien zu erleichtern, daS waren Bebel und Ledebour und nicht die Revisionisten, und auch imVorwärts" hat diese Richtung nicht das Wort ergriffen. Der sogenannten radikalen, negativen Richtung gelte es, ohne jede Rücksicht den Standpunkt der Partei hochzuhalten. Fischer habe früher selbst gesagt, es gebe kein Land mehr, das erst zu erschließen wäre. Aber wo sind denn jetzt diese Länder mit einemmal hergekommen? Diese Frage möge er doch einmal ebenso konkret, wie sie jetzt gestellt ist. beantworten. Wie kann Fischer den Mut haben, nach der hundertjährigen Selbständigkeit. Nordamerikas   als von einer Kolonie zu sprechen? Englands Vorherrschaft soll auf'seiner Kolonialpolitik beruhen? Wenn sich Fischer mehr mit Statistik beschäftigte, müßte er wissen, daß der Strom der englischen   Aus- Wanderer nicht nach den Kolonien Englands, sondern nach Nord- amerika   ging. Die Kolonialpolitik ist keine Kulturiache. sie gehört zur imperialistischen Aera, mit ihr in, Zusammenhang steht die Marincpolitik. Wir haben die Kolonien nicht uottvendig, um unsere Jndustrieprodukte dort abzusetzen, denn unser Absatz geht nach industriell hochentwickelten Ländern. Daß die besitzende Klasse von der Kolonialpolitik Vorteils hat, versteht sich von selbst. Wenn Dernburg   jetzt Afrika   absucht, für den Bau von Eisenbahnen Terrain zu gewinnen, so kann sich darüber nur das Großkapital freuen. Das proletarische Interesse gebietet unsere Gegnerschaft zur Kolonialpolitik. Bernstein   jedoch habe i» der Tat von dem Abfinden mit den Kolonien, die einmal da seien, gesprochen und von dem Rechte der Bevormundung der Eingeborenen durch sogenannte Kulturvölker geredet. Wollen wir Kultur verbreiten, dann kann damit in Deutschland   begonnen werden, und auch in Berlin  , wo sich heute noch die Leute darum reißen, den Schweif des Kronprinzcnpfcrdcs zu erhaschen, wo man noch das alte Hufeisen an die Türschivelle nagelt und zur Karten- legcrin läuft. FülleS Resolution soll keine Ohrfeigen verabreichen, sie soll das monieren, was Bernstein   und van Kol vertreten. Hier handele es sich lediglich um Erfüllung einer Parteipflicht. Wurm: Die Debatte zeige, welcher Wirrwarr durch den ja scbließlich abgelehnten Einleitungssatz zu der Kolonialresolution geschaffen worden ist, und wie notwendig es ist, daß die auf dem Kongreß zu behandelnden Fragen vorher in der Kommission er- örtert werden, so daß für die Delegationen und das Plenum Zeit zu einer wirklichen Erörterung der Fragen bleibe. Zur Vertretung in der Kommission über die Kolonialfrage wurden Bock, David, Ledebour   und Redner gewählt. Bock mußte leider abreisen. In der Kommission wendeten sich Ledebour und Redner im Verein mit französischen   Genossen gegen den von van Kol vorgeschlagenen Ein- leitungssatz. Dieser enthielt zwei wesentliche Fehler. Zunächst gab er der, wie Redner bereits in der Kommission dem Antrag- steller gegenüber ausgeführt habe, durchaus unsinnigen Auffassung Raum, daß die Kolonien den Arbeitern irgendwelchen Nutzen schaffen. Der zweite Teil des Einleitungssatzes enthielt die Ge- fahr, daß die Auffassung nach außen hin Raum gewinne, als könnte heute schon unter dem gegenwärtigen, kapitalistischen Regime Kolonialpolitik im Sinne sozialdemokratischer Kultur möglich sein. Der Delegation hat eS leider an Zeit gefehlt, die sogenannte Mehrheitsresolution, die diesen van Kölschen Einleitungssatz ent- hielt, ausreichend zu diskutieren. Nach Darlegungen von David und Ledebour  , die leider des persönlichen Charakters nicht ganz entbehrten, trat Schluß der Debatte ein. da um 10 Uhr die Per- Handlungen des Plenums begannen. Die Delegation konnte also nur von 9 bis 10 Uhr überhaupt beraten. Nur durch den Umstand, daß rheinische Delegierte erklärten, sie würden durch diese Rcso- lution bloßgestellt, das sei Zentrumspolitik, sie müßten eventuell dagegen im Plenum Protest erbeben, kam es nochmals zu einer Delegationssitzung. Hier erhielten dann David und Redner den Auftrag, den Satz, der von dem Nutzen der Kolonien sprach, zu ändernd Der Auftrag ist ausgeführt, wie das David imVor- wärts" näher dargelegt hat. So entstand die neue Fassung de« ersten Absatzes, in der der unsinnige Satz von dem angeblichen Nutzen der Kolonien für die Arbeiter nicht mehr enthalten war. Der zweite Satz des ersten Absatzes mußte allerdings bei- behalten werden, weil ja ein gebundenes Mandat vorlag. Nach wir vor habe Redner den ganzen ersten Absatz für falsch gehalten. Die neue Fassung dieses Absatzes fei nicht ein Kompromiß ge» Wesen, sondern eine Verbesserung de? früheren Absatzes. Aber auch diese Fassung gab immerhin dem Mißverständnis Raum, als ob dem Gedanken Ausdruck gegeben werden solle, daß die Partei zur- zeit sozialdemokratische Kolonialpolitik treiben wolle. Mir gegen- über, fährt Genosse Wurm fort, hat David auf ausdrückliches Be- fragen erklärt, daß er gar nicht daran denke, eS sei in der gegen- kuärtigen Zeit dem Sozialismus möglich, nach seiner Auffassung Kolonialpolitik zu treiben. Auf dem Kongreß wurde dann die so- genannte Minoritätsresolution, welche den prinzipiellen Stand- Punkt der Partei und der Ablehnung auch der neuen Fassung des ersten Absatzes präzisierte, angenommen. David war nun der Mei- nung, die so umgestaltete Resolution sei abzulehnen. Die Abstim-