der Arkeiter nachzuweisen, war bisher das schöne Vorrecht derkapitalistischen Jnteressenvertreter. Der Ausdruck„Hungerivahlen"bezog sich auf die damalige Fleischteucrung, durch welche dieArbeiter zweifellos beeinträchtigt wurden. Gab Calwcr diesemWorte eine andere Deutung und glaubte er mit dem Rüstzeugseiner Wissenschaft dagegen losziehen zu müssen, dann mnstte dieseWissenschaft auch hieb- und stichsicher sein. Er hat abermit einem Urteil, das mehr auf Annahme und vorgefaßter Meinungals auf Tatsachen beruht, den Gegnern der Arbeiterbewegung ganzunnötigerweise willkommene Waffen in die Hand gedrückt.In der in der vorigen Sonnabendnummer abgedruckten PolemikCalwerS gegen den„Vorwärts" erklärt er, die strittige Frage be-deute für ihn ein Problem. Wie hat er daS Problem gelöst? Inseinem„Handel und Wandel 1906" schreibt er:„In welchem Grade das Arbeitereinkommcn gewachsen ist, dasist auch nicht annähernd zu schätzen."(Seite 319.)Calwer hat weiter berechnet, daß der Fleischverbrauch im Jahre1906 gegen das Vorjahr um 1 Kilogramm pro Kopf der Be-völkerung zurückgegangen ist. Trotzdem ist das Problem für Calwergelöst I_Zur Frage:„Wie wirken die Handelsverträge und der neueZolltarif" schreibt die Zentralstelle für Vorbereitung von Handels-Verträgen: Jede exakte Untersuchung muß sich in erster Linie aufdie handelSstatistischcn Materialien stützen. Die Zahlen der Ein-und Aussuhr nach dem 1. März 1906 sind mit denen vor diesemTermin zu vergleichen; selbstverständlich nicht nur die Gesamt-zahlen, sondern auch die Zahlen für alle einzelnen Artikel. EineVergleichung solcher Art ist aber heute, nachdem seit März 1906ein neues statistisches Warcnschema zur Anwendung kommt, nurin beschränktem Umfange und nur nach schwierigen, umständlichenBerechnungen möglich. Private Kreise können diese Berechnungenüberhaupt nicht anstellen, weil sie das für die Gestaltung derZahlen ausschlaggebende Urmatcrial nicht in Händen haben unddeshalb nicht mit Sicherheit übersehen können, aus welchen Spezial»artikeln sich eine statistische Sammelposition zusammensetzt. Dieeinzige Stelle, von der die Arbeit geleistet werden könnte, ist dasStatistische Amt des Deutschen Reiches. Hier kennt man diegenaue Zusammensetzung und Bedeutung aller einzelnen Positionenund ist in derLage, das gleichartige einander gegenüberstellen zukönnen. Die Arbeit erfordert aber einen so bedeutenden Aufwandan Zeit, daß sie mit dem für die laufenden Geschäfte zur Ver-fügung stehenden Personal unmöglich geleistet werden kann. Esist deshalb auch durchaus nicht verwunderlich, wenn den bishererschienenen statistischen Nachweisungen solche Berechnungen zurHerbeiführung der Vergleichbarkeit mit den früheren Jahren nichtbeigefügt sind. Es wird der Bewilligung besonderer Mittel bedürfen, um dies umfangreiche, praktisch hoch bedeutsame Werk inAngriff nehmen zu können. Das sollte aber möglichst bald geschehen,denn schon heute macht sich die mangelnde Vergleichbarkeit nichtnur für wirtschaftspolitische Erörterungen, sondern auch für ge-schäftliche Zwecke sehr übel bemerkbar. ES läßt sich unmöglich an-nehmen, daß die Rcichsregicrung die Inangriffnahme einer solchenArbeit nicht schon aus eigener Initiative in Zlussicht genommenhaben sollte. Sie selbst hat für alle weiteren handelspolitischenEntschließungen dies Material dringend nötig.Baukiertag. Zu dem Thema Verlängerung des ReichsbankPrivilegs wurde eine Resolution einstimmig angenommen. Diesefordert eine in den Grundzügen unveränderte Verlängerung desRcichsbankprivilegS etwa auf 25 Jahre, Beibehaltung der gegen-wärtigen steuerfreien Notengrenze und den Ausbau deS Giro-Verkehrs, eventuell unter Anlehnung an hie Posteinrichtung. � DieResolution besagt ferner, die Höhe des Neichöbankdiskonts sei nurdurch die allgemeine, wirtschaftliche Lage bedingt, eine Veränderungder Währungspolitik, ebenso wie die Verstaatlichung der ReichSbank,fei untunlich und eine Erhöhung des Grundkapitals und deS Reservekonds der ReichSbank nicht erforderlich.Der EroberungSzug der AankeeS in Südamerika. Wie«merikanischeS Kapital von den Vereinigten Staaten aus dieübrigen Länder der beiden Kontinente, besonders Südamerika, er-obert, wird in einem Finanz-Fachblatt, dem„Bankers Magazine",von sachverständiger Seite, aus beleuchtet. In Mexiko sind700 Millionen Dollar angelegt und es werden immer neue Ge-legenheiten wahrgenommen, sich dort einzunisten. In Kuba sindseit dem spanisch-amcrikanischcn Kriege 1S0 Millionen Dollar vonamerikanischen Kapitalisten angelegt worden und unter den übrigenwestindischen und mittelamcrikanischen Staaten ist nicht einer, indem nicht mindestens 10 Millionen profitbringend investiert wurden.Wie in dem Fachblatt bemerkt wird, steht man erst am Anfangeeines großartigen Eroberungszugcs durch Südamerika. Besondersviel verspricht man sich von der EntWickelung in Brasilien, einesLandes voll unerschöpflicher Rcichtumsqucllen. Im Laufe einesJahrzehnts erwartet man. daß der panamerikanische Handel sichauf 1000 Millionen Dollar belaufen werde. Im abgelaufenenRechnungsjahre hatte er die Höhe von 610 Millionen erreicht; vorzehn Jahren waren es erst 203 Millionen. Die Ausfuhr aus denspanisch-amcrikanischcn Ländern nach den Vereinigten Staaten be»trug im vorigen Jahre 360 Millionen Dollar, die VereinigtenStaaten sandten nach jenen Ländern für Löv Millionen Waren.Verhältnismäßig hat der Handelsverkehr zwischen den VereinigtenStaaten und den spanisch-amerikanischcn Ländern mehr zu-genommen als der mit irgend einem anderen Lande der Handels-Welt; Argentinien hatte 60 Proz. an Zunahme aufzuweisen,Brasilien"b0, Mexiko 200 und Zentrakamcrika 80 Proz. DieglankecS rechnen auch damit, daß viel europäisches Kapital in Süd-amerika Anlage suchen wird, besonders in Brasilien.—Elektrischer Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen. Mit Vertretern der Regierung deS Kantons Uri haben Vertreter' deS Bundesrats, der Bundesbahnen und der Gotthardbahn einen Vertrag ab-geschlossen, wonach Uri für den elektrischen Betrieb der Gotthard-bahn dem Bunde zirka 20 000 bis 25 000 Pferdekräfte auf dieDauer von 50 Jahren aus der Reuß überläßt gegen eineAbfindungssumme von 250 000 Fr. und einen JahreSzins � von72 000 Fr. Der Bund übernahm ferner die Verpflichtung. 7000 Pferde-kräfte für industrielle Zwecke zu reservieren und den Gemeinden dieKraft zu Beleuchtungszwecken zum Selbstkostenpreis zu liefern. Mitden bereits im Tessin gesicherten Wasserkräften verfügt der Bundüber 50 000 für den Betrieb der Gotthardbahn, womit er der größteWasserkrastbesitzer im Lande ist.ßerichts- Zeitung.Die Leiben eines Lehrers mit zu liberaler Gesinnung. Indem mittelfränkischcn Dorfe Roßbach lebt ein Volksschullehrer imverzweifelten Kampfe mit den liberalen Gebietern der Schule: demBezirksamt und dem protestantischen Pastor, welche Faktoren zu-sammen die Distriktsschulinspektion und somit die Vorgesetzten deSLehrers bilden.Der Lehrer— Müller ist sein Name— hat den großen Fehler.km Gegensatz zu seinen Gebietern nicht liberal zu sein; er gehörtdem bayerischen Bauernbund an. Diesen Fehler des„Unter-gebenen" könnten seine Gebieter aber schließlich noch verschmerzen,wenn der„Kerl" nicht die„Frechheit" besitzen würde, wirklich liberalzu sein, trotzdem er in politischen Versammlungen die offiziellenLiberalen bekämpft und zwar aus dem Grunde bekämpft, weil erdie Liberalen als das Gegenteil von liberal hat kennen lernenmüssen IDer„inoffizielle" liberale Lehrer hat im März vorigen Jahresangesichts der herannahenden bayerischen Landtagswahl in einerVcrsammlungSrede vor Bauern unter anderem gesagt, daß dieKinder in der Schule zu viel biblische Geschichte auswendig lcrucnmüßten, wodurch die Ausbildung in anderen, für das praktischeLeben nützlichen Lehrfächern schwer beeinträchtigt würde. An dieKonstatierung dieser Tatsache knüpfte der Lehrer die Bemerkung,daß der Geistlichkeit anscheinend daran gelegen sei, die Bauern inder Dummheit zu erhalten. Diese ganz allgemein gehaltenen Wortewurden dem Lehrer zum Verhängnis. Denn durch den über-wachenden Gendarmen bekam die Distriktsschulbehörde davonKenntnis und die Folge„dieses taktlosen Verhaltens eines Unter-gebenen gegenüber seinem Vorgesetzten", dem Pfarrer Haas, warein auf dem Disziplinarweg erteilter Verweis mit Eintragung indie Oualifikationsliste des Lehrers. Außerdem erwuchsen demLehrer aus diesem Disziplinarverfahren 37 M. Kosten.In einer zweiten Bauernbundsversammlung gab der wegenseiner liberalen Anschauung von seinen liberalen Vorgesetzten dis-ziplinierte Lehrer von dem Vorfall Kenntnis und außerdem ver-wertete der Baucrnbundsredakteur Anton Memminger die Sachein seiner„N. B. Landesztg.". Das trug dem„untergebenen" Lehrereinen zweiten disziplinaren Verweis ein. Bemerkenswert bei derSache ist, daß der Pfarrer als Ankläger bei der wiederholten Dis-ziplinicrung des Untergebenen auch zugleich als Richter mitwirkte.Mit dem zweiten Verweis wurde dem Lehrer die Geschichtedoch endlich zu dumm. Unter Beobachtung der gleichen Höflich-keitsformen, die man ihm, dem„Untergebenen" gegenüber an-wandte, reichte er an die Regierung von Mittelfranken Beschwerdeein. Durch die Art der Abfassung der Beschwerdcschrift fühlten sichder Bezirksamtmann und der Pfarrer als Einzelpersonen, fernerbeide zusammen als DistriktsschulbehSrde und endlich auch noch daSBezirksamt als solches beleidigt. Es lagen also 4 Strafanträgevon zwei Personen in ein und derselben Sache vor. In der Ver-Handlung vorm Amtsgericht Neustadt a. Aisch vertrat der Bezirks-amtsasseffor» also der„Untergebene" des eigentlich beleidigten Be-zirksamtmannes, die Anklage. Er beantragte gegen den„Unter-gebenen" seines Chefs die Kleinigkeit von 4 Monaten Gefängnis!Das Urteil lautete auf 109 M. Geldstrafe.Der Lehrer legte Berufung ein. weil er unter Verweigerungdes Z 193(Wahrung berechtigter Interessen) nicht freigesprochenwurde, der Amtsanwalt erhob Berufung, damit der„Schulmeister"von der nächsten Instanz gehörig eingesperrt werde.Die Bcrufnngsverhandlung vor dem Landgericht in Fürth ge-staltete sich recht interessant. Dem liberalen Pfarrer Haas genügteder liberale offizielle Ankläger nicht, er trat in dieser Verhandlungals Nebenkläger auf und brachte als seinen Vertreter, damit alsoals zweiten Ankläger gegen den wegen seiner wirklich liberalenAnschauung mit ihm in Konflikt geratenen„Untergebenen" auchnoch den Vorsitzenden des nationalliberalen Vereins in Nürnberg,den Rechtsanwalt Bayer, mit.Ein als Sachverständiger vernommener Lehrer aus Fürth er-klärte, wenn dem angeklagten Lehrer zugemutet wird, in190 Stunden pro Jahr 83 biblische Geschichten„durchzuhauen", stlsei das entschieden zu viel. ES sei ein großer Irrtum, zu glauben,die Religiosität des Kindes werde dadurch vermehrt, daß manmöglichst viel biblische Geschichten und Sprüche in die Köpfe ein-paukt, das sei lediglich eine Gedächniskultur und die religiösen Er-bauungsstunden würden dadurch zu gefürchteten Drillstunden.Ferner wurde in der Verhandlung gegen den Willen desPfarrers ein von diesem an das Bezirksamt gerichtetes längeresSchreiben verlesen, das alles, nur nicht den christlichen Geist derLiebe und Duldsamkeit atmet, und das von direkten Beleidigungengegen den Lehrer nicht frei ist. Trotzdem ließ der liberale Pfarrerdurch seinen liberalen Anwalt da? Gericht um eine Freiheitsstrafefür den Lehrer bitten. Der Staatsanwalt erklärte, daß er zwarden Antrag des Amtsanwalts in der Vorinstanz, der auf vierMonate lautete, für zu hoch halte, jedoch eine Freiheitsstrafe seifür den Lehrer am Platz; er beantragte 6 Wochen Hast.Der Verteidiger, Genosse Dr. Süßheim, schilderte die Leiden,die der Lehrer mit wirklich liberalen Anschauungen von seinenangeblich liberalen Porgeschten zu erdulden hatte und beantragteunter Berufung auf§ 193 Freisprechung, denn eine Beschwerdegegen Ungerechtigkeiten oder vermeintliche Ungerechtigkeiten derVorgesetzten sei ohne Angriffe auf jene nicht denkbar und zudemsei aus Form und Umständen die Absicht der Beleidigung nicht zuerkennen.(Es handelte sich um Worte wie'.„das ist das Gegenteilvon Mut",„es fehlt dem Bezirksamtmann wohlwollende Objek-tivität",„der Abschnitt 3 deS DiSziplinarbescheidS enthält eineLüge" usw.)/Das Urteil verwarf beide Berufungen. ES bleibt also bei derGeldstrafe von 100 M.Dieser Fall ist zur Beurteilung unserer heutigen Liberalensehr wertvoll. Er zeigt aber auch, wie den Lehrern daS Recht derfreien Ueberzeugung und politischen Betätigung genommen wird,wie sie niedergezwungen werden, wenn sie wirklich liberale An-schauungen zum Ausdruck bringen, niedergezwungen von dennämlichen Liberalen, die vor den Wahlen, aber auch nur vor denWahlen sich dem Volke als einzige Verteidiger der Kultur em»pfählen, in der Praxis aber mit den Muckern und DuckelmännernHand in Hand gehen in dem Bestreben, dem Volke die Religion,recht viel Religion zu erhalten IWar man bei diesem Prozesse auch bestrebt, seine politischeSeite abzuleugnen und nur die angeblich beleidigende Beschwerde»schrift als Objekt der Verhandlungen gelten zu lassen, so vermochtendie„Vorgesetzten" deS„Untergebenen" nicht zu verhindern, der Ge-schichte des Liberalismus ein hübsches MomcntbAd einzuverleibenund den Tiefstand unserer Schulen sowie die geistige Unfreiheit derdeutschen Staatsbürger aufs neue in beschämender Weise zu zeigen.Ist die widerrechtliche Benutzung eines Automobil« strafbar?Eine sehr aktuelle Rechtsfrage, die schon wiederholt zu denweitgehendsten Erörterungen Gelegenheit gegeben hat, ist nunmehrvom Reichsgericht entschieden. ES handelte sich um die vielfacherörterte Frage, ob die widerrechtliche Benutzung eincS Automobil«als Diebstahl oder als ein turtum usus, d. h. als eine straffreie Eni-Wendung zu Gebrauchszwecken anzusehen sei. Der Chauffeur Max'Kochan stand am 2. Januar d. I. vor der 8. Strafkammer deS Landgerichts I unter der Anklage des Diebstahls. Der Tatbestand warfolgender: Der Angeklagte hatte zu wiederholten Malen iniApril v. I. des Nachts aus einer in der Turmstraße gelegenenAutomobilwerkstatt und Garage den L4pferdigen Benzinwagen desRechtsanwalts Elsbach herausgeholt und mit Bekannten eine nächt-liche Spazierfahrt gemacht. Auch aus der Automobilausstellungam Lehrter Bahnhof hatte der Angeklagte im Februar v. I. wieder-holt ein dem Fabrikanten Schulz gehöriges Automobil deS Nachtszu Spazierfahrten benutzt. Die Besitzer der Fahrzeuge erlangtenauch keine Kenntnis davon, daß die Wagen in dieser Weise hinterihrem Rücken benutzt wurden. Der Angeklagte reinigte die Fahr-zeuge sofort nach der nächtlichen Fahrt, so daß ihnen nicht dasgeringste anzusehen war. Erst durch einen Zufall kam man nachgeraumer Zeit hinter das Treiben dieses nächtlichen Automobilisten.Da er sich nur durch Benutzung eines Nachschlüssels, der zu derGarage paßte, in den Besitz deS Wagens fetzen konnte, wurde gegenihn Anklage wegen schweren Diebstahls erhoben. In der damaligenVerhandlung machte Rechtsanwalt Bmgfch als Verteidiger geltend,daß, so eigenartig der Fall auch liege, niemals eine Bestrafung desAngeklagten eintreten könne, da die Tatbestandsmerkmale des8 242 St.-G..B. keinesfalls durch die Handlungsweise de» Ange-schuldigten erfüllt seien. Die Absicht des Chauffeurs fei in ersterLinie gar nicht auf eine Zueignung des Automobils selbst gerichtet,vielmehr habe er sogar die Absicht gehabt, das Fahrzeug am nächstenMorgen schön blank geputzt wieder in den Gewahrsam des Besitzerszurückzubringen. Die Benutzung deS Automobils selbst sei straf-rechtlich nicht zu verfolgen, da hierin ein furtum usus zu er«blicken sei, der straflos bleiben müsse. Die Strafkammer erkannteauch diesen Ausführungen gemäß auf Freisprechung des Chauffeurs.Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein.Das Reichsgericht erkannte auf Aufhebung des freisprechenden Er-kenntnisscs unter folgender interessanten Begründung: DaS Land-gcricht habe in seinem Urteil eine rcchtsirrtümliche Auffassungüber den Begriff Zueignung zum Ausdruck gebracht. Das Er-fordernis der Zucignungsabsicht in dem Diebstahlsparagraphen 242St.-G.-V. besage, daß derjenige, der eine fremde bewegliche Sacheeinem anderen wegnimmt, dies in der Absicht tun muß, die Sachein sein Vermögen zu bringen, sei es, um sie für sich zu behaltenund sie ihrer wirtschaftlichen Bestimmung gemäß zu benutzen odersie auf Grund einer besonderen WillcnScntschließung einem Drittenzuzuwenden. Eine solche Absicht fehlt, wenn der Täter die fremdeSache lediglich zu dem Zwecke wegnimmt, um sie zu beschädigenoder zu vernichten. Eine dahingehende Entscheidung des Reichs-gcrichts in einer anderen Sache, auf die das freisprechende Urteilder Strafkammer gestützt wird, sei jedoch in dem vorliegendenFalle als nicht anwendbar anzusehen. Daß der Angeklagte, als ervon dem Benzin in den Automobilen Besitz ergriff, lediglich dieAbsicht gehabt habe, die Eigentümer durch die Vergasung bezw.Verbrennung zu schädigen, ist bei Lage deS Falles von vornhereinausgeschlossen. Der gegebene Sachverhalt spreche vielmehr dafür,daß er das Benzin als AntricbSmittel zur Fortbewegung des Fahr-zeugs habe verwenden, in diesem Sinne al;o seinen Interessen hatdienstbar machen wollen. Hat der Angeklagte aber auf solche Weisedas fremde Benzin seiner Substanz nach für sich verbraucht, so hater eS, wenn auch nur vorübergehend, seinem Vermögen zugeführt.Darin liegt aber, daß er es sich rechtswidrig zugeeignet hat. DieAnsicht des Vordcrrichtcrs, daß der Angeklagte tzar nicht das Benzinin sein Vermögen gebracht habe, sei absolut irrig, da gerade derwirtschaftliche Wert einer Sache ja zumeist darin bestehe, daß siedurch den Gebrauch verzehrt(bezw. zerstört) wird. Durch den Ge-brauch des Benzins habe aber der Angeklagte sein Vermögen inindirekter Weise bereichert. Daß der Angeschuldigte im vor-liegenden Falle mit der in der Absicht einer Zueignung bewirktenWegnahme des Benzins auch eine Wegnahme des Automobils ohnedie Absicht einer Zueignung verbunden hat, vermag an der recht-lichen Beurteilung der Sache nichts zu ändern.— Das Reichsgericht führt demnach aus, daß sich der Angeklagte lediglich durchdie Benutzung des in dem Automobil enthalten gewesenen Benzinsstrafbar gemacht habe, nicht aber auch durch die vorübergehendeBenutzung des Automobils selbst. Dies führt zu der Konsequenz,daß der Angeklagte in dem vorliegenden Falle nur das fremdeBenzin aus dem Reservoir hätte herauslassen und es miteigenem, mitgebrachtem Benzin wieder hätte füllen müssen, umabsolut straflos zu bleiben. Die Strafkammer nahm der Ent-scheidung des Reichsgerichts gemäß nunmehr einen Diebstahl anund erkannte auf die bei schwerem Diebstahl niedrigste zulässigeStrafe von 3 Monaten Gefängnis.Ein„Heiratsvermittler" auf der Anklagebank.Wegen Betruges hatte sich gestern vor dem Rixdorfer Schöffen»gericht der„Privatdetektiv" und Inhaber des Heiratsvermittclungs-bureaus„Zukunft", Ernst Rodrian, zu verantworten. Angeklagterübernahm im Dezember 1905 von dem jetzigen Makler Grütterdas Bureau„Zukunft" und annoncierte in bürgerlichen und sichparteilos nennenden Zeitungen:„Eine Waise mit 250 000 M. Vermögen möchte sich bald ver-heiraten."Aus wie viel Dummen der Leserkreis der Blätter, die solcheAnnoncen aufnehmen, besteht, läßt die Tatsache ahnen, daß nachden beschlagnahmten Büchern der„Zukunft" Rodrian mit nichtweniger als 1 8 4 0 Bewerbern um die reiche Waise aus demMonde in Verbindung trat. Er verlangte per Nachnahme13,20 Mark. Hunderte lösten die Nachnahme ein und erhieltendafür— 4 oder 5 wertlose Photographien, unter denen sollten sieaussuchen. Wer nun die Adresse der also Auserwählten zu er-fahren verlangte, erhielt von Rodrian abermalSNachnahme-Sendungen im Betrage von 22.50 bis 86 M. Der Inhalt warwertloses Zeug. 2 74 Geschädigte, darunter verschiedene Arbeiter,haben Anzeige erstattet. Natürlich ist durch den Angeklagten keineinziges„Geschäft" zustande gekommen, die auf die Annonce Hinein-gefallenen sind ledig geblieben. Angeklagter bestritt sichschuldig gemacht zu haben. Denn er habe stets heiratslustigeDamen mit Vermögen bis 3 Mill. Mark auf Lager gehabt, erhabe auch mit einem" leibhaftigen Prinzen in Verbindung gestandenusw. Der Amtsanwalt beantragte wegen des gemeingefähr-lichen fortgesetzten Betruges 3 Monate Gefängnis. DaSGericht erhob diesen Antrag zum Erkenntnis.Nicht minder schuldig als der Angeklagte, wenn auch nicht imstrafrechtlichen Sinne, dürften die Blätter sein, die solche Schwindel-annoncen ausnahmen und durch ihren redaktionellen Teil eifrigbemüht waren, die Dummheit ihrer Leser möglichst zu verstärken.Rodrian sollte zum Generaloberst des liberal-konservativ-parteilosenBlocks ernannt werden._____Schadenersatz wegen unvorteilhafter Jagdverpachtnng.Der Gemeindevorsteher M. von X. ist Mitglied der Jagd«genösse nschaft in Groß-Soocko in Posen. Als Vertreterder mit der Jagdverpachtung beauftragten zwei Schöffen verpachteteer für das Jahr 1905 die Jagd für 50 M. an s e in e n N e f f e n,obgleich dem Angebot ein anderes eincS Gutsbesitzers Meier inHöhe von 300 M. gegenüberstand. Da die meisten Mitglieder derJagdgenossenschaft diese Verpachtung beanstandeten und eineSchädigung der Genossenschaft erblickten, klagte die Jagdgenossen«schaft gegen den Gemeindevorsteher M. auf Zahlung der Differenz-summe von 250 M. an die Genossenschaft.DaS Landgericht und Oberlandesgericht Posen sowie in diesenTagen daS Reichsgericht erkannten die Klage als gerechtfertigt anund verurteilten den Beklagten zur Zahlung der250 Mark. In den EntscheidmigSgründen des Oberlandesgerichtsist ausgeführt: Der Beklagte habe den Schaden zu ersetzen, da erals Beamter, wenn nicht vorsätzlich, so doch grobfahrlässig seineAmtspflicht verletzt habe. Zwar fei darin, daß er e» unterlassenhabe, die Pacht öffentlich durch Meistgebot zu vergeben, eine Ver-letznna der Amtspflicht noch nicht zu erblicken, dagegen bestehe dasschüldhafte Verhalten darin, daß er das Angebot von 800 M. deSGutsbesitzers M. unberücksichtigt gelassen habe.Fanatlsierte Zentrumswähler haben einige Tage vor derbayerischen Landtagswahl in dem schwarzen Kehlheim an derDonau eine liberale Versammlung gesprengt und die Liberalenverhauen. Einer der frommen Leute erhielt 10 M. Geldstrafe, derandere 14 Tage Gefängnis.Wasserstauds-Nachrichteuder LandeSanstrilt sür Gemässerkimde, mitgcteiBerliner Ketterbureau.WasserstandMemel, TUsitV r e g e l, JnsterburgWeichsel, ThornOder, Ratibor» Krossen. FrankslirtWarthe, Schrlnem. LandSoergNetze, BordammElbe, Leitincritz. Barbh. MagdeburgSaale, GrochlitzWasserstandHavel, Spandau„ Rathenow')Spree, Spremberg, BccSkowWeser, Münden„ MindenRh ein. WaldZhut. KaubKölnNeckar, HcilbronnMain, WcrthelmMosel, Trier+ bedeutet Wuchs,— Fall.—») Nntechegel.Nach telegrapbllcher Meldung betrug der Wasserstand der Oder beiRatibor heute zwischen 12 und 1 Uhr nachtS 410 cm, um 8 Uhr vormlltagS880 cm.