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stellt Mächst fest, Last Kohl ein öolles Drittel Kr badischen Richter bisher kein anderes politisches Blatt las als das genannte geisteSarme Karlsruher Sensationsblatt, daß sie und ihre Familien also ihre regelmäßigen Informationen über alle Vor- kommnisse im öffentlichen Leben lediglich aus der sogenannten parteilosen Gcneralanzciger-Presse holten, demselben Blatt, das während des Burenkriegcs dem ödesten Engländerhaß die wildesten Konzessionen gemacht, vor dem Auszug nach China   den Grafen Waldersee mit Siegeslobhymnen überschüttet habe und mit byzantinischen Berichten über jeden Fürsteneinzug die Volks- secle zu vergiften pflege. Menschen, die regelmäßig dieFranks. Zeitung", denVorwärts", dieKöln  . Zeitung" oder dieGermania  " läsen, seien ganz andere als die, denen Blätter vom Schlage der Bad. Presse" genügten. Dann fährt gegen den nationalliberalcn Landgerichtsrat Mainhard der demokratische Blockbruder im .Landesboten" wörtlich fort: .Merkwürdig berührt unS in den Ausführungen dcS Land­gerichtsrats Mainhard jener Satz in Gedankenstrichen, mit dem er voller Verwunderung konstatiert, daß die s o z a l d e m o- kratische Presse der Hauptstadt sich bei der Besprechung des Falles Hau korrekt benommen habe. Auch da tut sich ein Stück Weltanschauung auf. Voll Verwunderung glaubt er das konstatieren zu müssen, und diese Verwunderung tönnen wir uns nur dadurch erklären, daß er diese Presse nicht kennt und doch bisher glaubte, ein Urteil über sie zu haben. Das soll kein Vorwurf gegen ihn sein. Denn auch er ist ein Kind seines Milieus. Aber wir denken, wie wird es sein, wenn ein sozialdemokratischer Ar- beiter wegen eines Streikvergehens als An- geklagter vor ihm steht? Er wird nach bestem Wissen und Gewissen richten. Aber seine Anschauungen über SoziaO l i s m u s und Sozialdemokratie, die die Jungen all- mählich überwinden, müssen mit innerer Notwendigkeit sein U r t e, l beeinflussen. Ob er die Ethik des Streiks ver­steht? Ob er weiß, daß der Streikbrecher ein Mann minderer Ehre und der Streikende ein ehrlicher Kämpfer ist? Weiß er auch, daß eS einem badischen Beamten das Genick brechen kann, wenn er denVoltsfrcund" liest, daß es noch vor wenigen Jahren gefährlich war, denBadischen Landesboten" zu lesen, daß aber die Lektüre der sensationslüsternen, nach oben aber frommen Bädischen Presse" gerne gesehen war?" Treffender und klarer ist kaum einmal in einem sozialdemo- Iratischen Blatte der Charakter unserer modernen Strafrechtspflege als Klassenjustiz gekennzeichnet worden, jener Justiz, die, ohne bewußt parteiisch zu sein, doch in politischen und sozialen Vorurteilen befangen ist und bei allen Entscheidungen, denen Tatbestände politischer oder sozialer Natur zugrunde liegen, sich lediglich von Anschauungen dcS eigenen gesellschaftlichen Milieus leiten läßt, weil eS ihren in diesem aufgewachsenen Repräsentanten nicht möglich ist, stch aus dem Denk- und GefühlSkreiS der eigenen Klasse herauszuheben und sich in denjenigen zu versehen, in dem der ihrer Rechtsprechung überantwortete Angeklagte sich bewegt. Am zwingendsten wirkt diese Logik bei der Anwendung auf daS wirtschaftliche Kampfmittel deS Streiks, besser gesagt: auf die Beurteilung der moralischen Qualitäten des Streikenden und des Streikbrechers, die in ihrer grellen Verschiedenheit den ganzen unüberbrückbaren Abgrund zwischen der Denk- und Gefühlswelt deS Proletariates und der der Bourgeoisie aufzeigt. Wie eingangs schon gesagt, sind daS für Leute, die im prole- karischen Klassenkampf stehen, gewiß keine neuen Wahrheiten; einen besonderen Wert erhalten sie erst dadurch, daß sie von einem Angehörigen der bürgerlichen Klasse ausgesprochen werden, und zudem von einem Manne, der durch langjährige enge Berührung mit unserer Nichterwelt über die darin maßgebenden Anschauungen aufs beste informiert ist. Man wird sich in unseren Kreisen das, was der bürgerliche Herr über den Charakte» unserer Justiz und über die moralische Wertung des Streikenden und des Streikbrechers zu sagen wußte� mexketl. Iflarohho. Friedensderhandlungen Waffenstillstand eS sind überraschende Nachrichten, die aus Casablanca kommen. Noch läßt sich nicht beurteilen, ob in der Tat eine für die Franzosen günstige Wendung eingetreten ist, oder ob etwa nur eine Kriegslist der Marokkaner hinter ihren Angeboten steckt. Zu diesen eigenartigen Meldungen kommt die andere, daß Mulay Hafid, der Gegensultan, französische Hülfe in Anspruch nimmt, um mit den Mächten zu verhandeln, sowie daß der Kommandant eines französischen   Kriegsschiffes die Besorgung der Mulay Hafidschcn Briefe übernommen hat. Eine Handlung, die zweifellos eine Parteinahme der Franzosen zugunsten Mulay Hafids gegen seinen Bruder Abdul Aziz bedeutet. Die deutsche Regierung hat inzwischen ihre Antwort auf die Forderung der französischen   Regierung gesandt, ihr zu ge- statten, entgegen der Akte von Algeciras   französische   Polizei- truppen in den Hafenstädten einzusetzen. Ucber den Inhalt dieser Antwort teilt dieNordd. Allg. Ztg." nut: Die deutsche Regierung habe die Befugnis Frankreichs  , sich für die Vorgänge von Casablanca Genugtuung zu verschaffen, anerkannt und be- absichtige nicht, der von Frankreich   aus diesem Anlaß unter- nommenen und durch außergewöhnliche Umstände motivierten Aktion Schwierigkeien zu bereiten. Sie hoffe und wünsche jedoch, daß sich schwere Schädigungen der fremden Kaufleute, wie die in Casablanca erlittenen, nicht wiederholen möchten. Die deutsche Regierung mache deshalb darauf aufmerksam, daß mach Ansicht des deutschen   Geschäftsträgers in Tanger   die, in der Akte von Algeciras   nicht vorgesehene Aufstellung fremder Polizeikorps unter den gegenwärtigen Verhältnissen einen Angriff der Bergstämme auf die Stadt und ernste Gefahr für Leben und Gut der Europäer hervorrufen könnte, zumal wenn jene Maßregel nicht unter dem Schutze militärisch unbedingt genügender Kräfte vollzogen würde. Die gleiche Gefahr dürfte auch in anderen Hafenorten bestehen.> Die Meldungen des Sonntags und Montags lauten? Madrid  , 8. September. Ein Telegramm derCorrespondencia be Espano" besagt, daß drei Marokkaner dem General Drude im Namen der Kabylen anboten, die Waffen niederzulegen und um einen Waffen st ill st and von 48 Stunden baten. Zwei von den Unterhändlern blieben als Geiseln im französischen   Lager. Paris  , 7. September. Der in Casablanca am 6. Sev- tember abgeschlossene Waffenstillstand wird am Sonnabeno- mittag zu Ende gehen. Die Einstellung der Feindseligkeiten war durch das Eingreifen des Kaid Maisi, des Häuptlings des Choukla- Stammes, veranlaßt, der mit dem französischen   Geschäftsträger die Grundzüge eines Einvernehmens festzusetzen wünschte. Der Scheik, der nicht genügenden Einfluß auf die Stämme zu haben schien, um seine Ansichten zur Geltung zu bringen, sollte heute früh eintreffen und wurde noch um 3 Uhr erwartet. Pari«, 8. September. DieAgence HavaS" veröffentlicht folgende Note: Die Regierung hat ein Telegramm des Generals Drude erhalten, in dem dieser mitteilt, daß die Delegation vor- nehmer Marokkaner, die der Scheik El Maisi nach Casablanca führen sollte, nicht eingetroffen sei. Infolgedessen habe der General beschlossen, den El Maisi bewilligten Waffenstillstand bis heute abend auszudehnen. Die Operationen sollen morgen wieder besinnen, wen» die marokkanischen Abgesandten nickt im Laufe des Mends kommen, LtN sich zu unterwerfen. Das TekeMMm Drudcs teilt ferner mit, daß seit Eintreffen der Truppen jn Casablgnca 800 Marokkaner getötet worden seien- politifcbe CUberlicht. Berlin  , den 9. September 1907. Die schmunzelnden Kriegstreiber. Ucber die Ergebnisse der HaagerFriedens- konferenz" schreibt das weiland Kruppsche Organ, die Verl  . Neuest. Nachr." schmunzelnd: Von den altehrwürdigen Bäumen deS Haager Schloßparks fällt das Sommerlaub, und wer noch nicht allen Mut zu ernst- hafter Fragestellung verloren hat, frägt nach dem Ertrag der Haager FciedenSwochen. Sieht man von den wenigen wirk- lich'wertvollen Teilergebnissen der Konferenz ab' in erster Linie wäre die Abänderung der Haager Konvention vom 29. Juli 1899 über die Pflege der Verivundeten im Seekriege dahin zu rechnen so lassen sich die Arbeiten des Haager Kongresses wohl am besten als Beiträge zur Biisgeftaltung des KriegsrcchtcS charakterisieren. Nicht positive Eriedensarbeit wurde geleistet, sondern der Krieg und die riegführ Ung wurden zum Teil auf neue theoretische Formeln gebracht. Für die Praxis deS Krieges kommen Beschlüsse wie das Verbot des Bombardements von nichtbefestigten Städten und Dörfern ohne Kriegsvorräte, das Verbot von automatisch ex- plädierenden Kontaktminen, der Schutz der Rechte von Neutralen oder die Bildung von Prisengcrichten schwerlich in Betracht. Hier entscheidet die Gelegenheit und der Zwang des Augen- b l i ck s... Ueber die innere Wahrhaftigkeit feines(Englands) A b- r ü st u n g s v o r s ch l a g e s, der sich nach vielfältigem Sieb- verfahren am Ende in eine schattenhafte Resolution über die Notwendigkeit desM a te r i a l s amm e l ns" auflöste, hat ja alle Welt längst den Stab gebrochen. Bliebe als diskutierbar höchstens der noch ausstehende Plenarbeschluss über das obligatorische Weltschiedsgericht. Aber auch in dieser Frage macht eine fatale Klansel, die kaum zu umgehen sein wird, jede praktische Wirksamkeit eines eventuellen Beschlusses illusorisch. Der Vertrag soll nämlich nicht für solche Fälle gelten, in denen nach Ansicht eines der be- teiligten Staaten seine Ehre oder seine vitalen Interessen in Frage kommen. Dieser Ehre und diesen vitalen Interessen wird man voraussichtlich jedesmal begegnen, wenn in Zukunft die Frage der Einsetzung eines Schieds- gerichtS akut werden sollte; denn es ist s e l b st v e r st ä n d l i ch, daß die Staaten in allen Fällen, wo ihnen der Weg des Krieges erwünscht wäre, von dieser angenehmen Klausel Gebrauch machen würden." Die internationalen Konfliktsschürer, Panzerplatten- Patrioten und Kanonenfabrikanten können sich in der Tat die Hände reiben I DerFriedenskongreß" hat für sie wackere Arbeit geleistet l_ Karl Peters   als Ethiker. Die vielfachen Ehrungen, die Herr Karl Peters   nach seinein Münchener   Prozeß von den Vertretern des echten Deutschtums und von sittsamen hysterischen Jungfrauen meist des gleichen Kalibers, wie die schönen Verehrerinnen HauS erfahren hat, scheinen sein Selbstbewußtsein sehr gekräftigt zu haben. Während er es bisher nur als feine göttliche Mission betrachtete, Kolonien zu erobern und in das Innere Afrikas   deutsche Kultur und deutsche Keuschheit zu tragen, fühlt er neuerdings den Beruf in sich, auch unser gesamtes öffentliches Leben zu versittlichen und auf die Höhen seiner eigenen reinen Moral zu heben. Jn denHan, burger Nachr." leistet er sich eine gar wunderschöne Moralpredigt, in der eS heißt: Die Sozialdemokratie, Vertreterin der weniger gebildeten Klassen unseres Volkes, will nicht beweisen; sie schimpft. Mich bezeichnet sie mit dem geschmackvollen AusdruckHänge-PeterS" oderHänge-Karl". Meinen Freund Dr. Otto Arendt vcr- sucht sie abzustempeln alsMeineid-Otto", während doch erwiesen ist, daß. wenn in München   ein falscher Eid ge- leistet ward, sicherlich nicht Arendt, sondern jemand sonst ihn geleistet hat. Nebenbei, auch ich habe beim Durchgehen meiner Akten vor einer Woche einige Dokumente gefunden, die Frau Geheimrat Kayser und ihre Hintermänner interessieren werden. Der K i st e n d i e b st a h l, der mich meiner Verteidigung vor Gericht 1896/97 wesentlich beraubte, ist nicht vollständig erfolg- reich gewesen. Ich werde in der Lage sein, einige Akten dem nächsten deutschen   Gerichtshöfe, mit dem ich zu tun haben werde, vorzulegen. Wenn ich gegen sozialdemokratische Zeitungen jetzt gericht- lich vorgehe, so geschieht das in der Hoffnung, das deutsche Bürgertum veranlassen zu können, gegen den pöbelhaften Ton dieser Presse mit allgemeinen Gesetzen einzuschreiten. Wir müssen, wie wir die Preß- freiheit von den Briten   übernehmen, so auch die Schntzmaßregeln für die Ehre des Einzelnen aus diesem Lande einführen. Das Eindringen des Proleiariats in die Politik darf am Ende nicht zur V e rp ö b e Iis i e r un g unseres gesamten öffentlichen Lebens führen." Peters als Ethiker das hat gerade noch gefehlt. Wie wir hören, hat der Zirkus Busch einen Sohn Morengas   als große Attraktion" engagiert. Wir möchten ihm empfehlen, sich auch die Mitwirkung dergroßen" Karl Peters   zu sichern. Jn der Rolle des empfindsamen Moralpredigers würde er entschieden die Konkurrenz sämtlichen Klowns schlagen._ Nachklänge von der Reichstagswahk. Vom Schöffengericht zu Ibbenbüren  (Westfalen  ) wurden vor einiger Zeit die Genossen T. und E. aus Rheine   wegen HauS- ftiedenSbruchS zu je 10 Tagen Gefängnis verurteilt, weil sie in Ibbenbüren   am Tage der Reichstagswahltrotz Aufforderung des Wahlvorstehers das Wahllokal nicht verlaffen" hatten. Der Vorgang war folgender: Im ersten Lokale diente eine Suppenterrine( I), im zweiten ein blechernes Kästchen als Wahlurne( I). Bei jeder Stimmabgabe. wurde der Deckel abgenommen und die KudertS aufeinander gestapelt. Als einige Wähler ihr Wahlrecht ausgeübt hatten, traten die Genoffen an den Wahlvorsteher, Kaufmann Jörgens, mit dem Bemerken heran, daß die Urne nicht den Vorschriften entspreche. Höflichst ersuchten fie um Abänderung. Sie kamen aber schön an. Wie heißen Sie? Sind Sie in diesem Bezirk wahlberechtigt?' daS war die Antwort, die den Genoffen zuteil wurde. Und als Genosse T. darauf erklärte, es sei nicht notwendig, daß er Wähler des Bezirkes sei, hieß eS:.Heran» aus dem Lokal l" T. ließ sich nicht verblüffen. Die Wahlhandlung fei, erwiderte er, eine öffentliche. Er habe daher daS Recht, auf Mißstände beziehungsweise Verstöße gegen daS Wahlrecht aufmerksam zu machen und ersuche, seinen Protest gegen die beanstandete Urne zu Protokoll zu nehmen. Das wurde brüsk abgelehnt.Heraus aus dem Lokal I" schallte es ihm nochmals entgegen. Darauf verließen beide das Lokal. Alsbald erfolgte eine Anklage wegm Hausfriedensbruches. Sie endete, wie bereits bemerkt, mit der Verurteilung zu zehn Tagen Gefängnis! Natürlich legten die Genoffen gegen diese eigenartigeSicherung deS Wahlgeheimnisses" durch das Schöffengericht in Ibbenbüren   Berufung ein. Das Landgericht Münster   hat nun daS Urteil aufgehoben Und die beiden Genossen freigesprochen unter Uebernahme derKostenauf die Staatskasse- Interessant ist die Be- grundung. Der Genosse T. habe, heißt eS, zwar seineBefugnisse überschritten," als er entgegen dem Verbot des Wahlvorstehers im Lokal verweilte, aber: T. sei Reichstagskandidat ge- wesen, er befasse sich mit Politik. Demnach habe er sich Wohl über den Wahlakt informieren könn eu. Auch möge er der festen Ueberzeugung gewesen sein, daß er sich im Rechte befinde, wenn er der Ausforderung des Wahlvorstehers zun' Verlassen des Lokals nicht Folge leiste l Eine mehr als sonderbare Begründung. Das gerettetea. D." Oberst a. D. G ä d k e. berühmter wegen seiner Prozesse um das ,a. D.", als durch seine ostasiatischen Kriegsprophezeiungen, von denen keine in Erfüllung gegangen ist, hatte abermals vor dem Berliner   Schöffengericht einen Strauß um seinen TitelOberst a. D." zu bestehen. Er erlebte jedoch die Genugtuung, abermals als Sieger aus diesem Streit hervorzugehen. Es gelang allerdings Herrn Gädke nicht, Herrn Dr. Romen, den bekannten Unsachverständigen für sozialdemokratische Meineide und derzeitigenGeheimen Kriegsrat", durch seinen Protest aus dem Gerichtssaal zu entfernen. Herr Gädke forderte, daß dieser Herr, der ihn selbst in derwiderwärtigsten und a n i m o s e st e n W e i s e" in der Presse bekämpft habe, nicht als amtliche Aufsichtsperson" der Verhandlung beiwohnen dürfe. Da jedoch der Staatsanwalt erklärte, daß Dr. Romen nicht als Aufsichtsperson, sondernnur im Auftrage des Kriegsmimsters" der Verhandlung beiwohne, wurde Gädkes Protest uubeachtet ge- lassen. Besseren Erfolg hatte Herr Gädke in der Sache selbst. Er der- wahrte sich dagegen, daß man ihm seinen TitelOberst a. D." durch ein militärisches Ehrengericht aberkennen könne: Man habe ihn un- gerecht und ohne jeden Grund vor ein Ehrengericht ge- zogen und nichts gefunden, was auch nur nach dem Lot gemessen, ihm zur Unehre gereichen könnte. Und dieses Ehrengericht habe ihm seinen in langer Dienstzeit erworbenen Titel aberkannt, daS heißt eine Strafe ausgesprochen, die nur bei ganz schweren ehrenrührigen Handlungen angängig sei. Dem vor einiger Zeit wegen Betruges verurteilten Major Zander habe man seinen Majortitel nicht nehmen können, ebenso liefen Offiziere, die wegen Päderastie und anderen ehrenrührigen Dingen schleunig st ihren Abschied erhalten haben, ruhig mit ihrem Osjizierstitel herum, und im Gegensatz dazu wolle man ihm, der nie etwas Ehrenrühriges begangen, seinen Titel rauben! Nach der Verfassung können Strafen nur in Gemäßhcit deS Gesetzes erkannt werden. Ein Gesetz sei nicht da, es handle sich also um einen willkürlichen Akt. Auch die Krone sei nicht befugt, willkürlich Strafen zu verhängen. Die Strafe sei»»gesetzlich und die königliche Order, die ihm seincu Titel entzogen habe, widerspreche der Verfassung. Der Gerichtshof erkannte auf Freisprechung. DaS Gericht ist, wie der Vorsitzende in längeren Ausführungen juristlicher Natur dar- legte, zu der Entscheidung gekommen, daß die königliche Verordnung ein A r m e eb es e h l ist, dem nur die zur Armee gehören- den Personen unterstehen. Für den Angeklagten, der aus daS Recht zum Tragen der Uniform verzichtet hat und dieses Verzichtrecht steht außer Zweifel sei d a S Ehrengericht nicht mehr zuständig, denn unter Militär- Personen, die der Kommandogewalt deS Oberbefehlshabers unter­stehen, seien die Offiziere a. D. nicht zu verstehen. Damit entfalle die Möglichkeit, sie der Armeedisziplin zu unterstellen. Ein Akt aber, durch welchen NichtMilitärs der Titel entzogen wird, sei als Rc- gierungsakt zu betrachten, und ein solcher bedürfte nach Artikel der preußischen Verfassung der ministeriellen Gegen- zeichnung. Der Gerichtshof habe daher auf Freisprechung erkannt und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt. Der Hochverratsprozeh des Genossen Liebknecht  . Die Ansehung des Verhandlungstermins ist nun- mehr erfolgt. Am 9. Oktober, vormittags 9 Uhr, soll sich Genosse Dr. K a r l Liebknecht vor dem Reichsgericht zu Leipzig   ver- antworten. Dr. CurtiuS. der Präsident der evangelischen Kirche AugS- burger Konfession im Rcichsland, scheidet am 1. Oktober aus seinem Amte. Man hat ihn, seit er sich durch die Herausgabe der Hohen- loheschen Memoiren die Ungnade dcS Kaisers zugezogen hat, gesell- schaftlich derart geschnitten und verfchmt, daß er cS vorzieht, zu gehen. Der ganze Fall ist wieder ein neues Beispiel der Freiheit der Meinungsäußerung im Deutschen   Reiche. Freisinniger Marasmus. Man schreibt uns aus Königsberg  : Der im Absterben begriffene ostpreußische Freisinn, der auch in Königsberg   bei der letzten Hottentottenmahl mit Hülfe des zustande gekommenen reaktionären Blockkartells und der unter An- Wendung verwerflichster Mittel aufgescheuchten indifferenten Wählermassen noch einmal auf kur�e Zeit neues Leben und sogar das Mandat gewann, liegt nun wieder sehr schwer danieder, so daß an seinem Aufkommen selbst von seinen Freunden gezweifelt wird. Der große Herr Justizrat G h ß l i n g, Landtags- und Reichs. tagsabgeordneter, sollte oder wollte am letzten Montag in Königs- berg in einer vom Wahlverein der Freisinnigen Voltspartei ein- berufenen Versammlung, zu der auch die Mitglieder der anderen liberalen Parteien eingeladen waren, Bericht über die Reichstags- und LandtagSsession erstatten. Ferner sollte die große freisinnige Versammlung Stellung nehmen zum Parteitag in Berlin   und zu den Anträgen für denselben. Auch sollten Delegierte gewühlt werden. Um 8 Uhr sollte die Versammlung beginnen, aber erst nach 9 Uhr hatten sich nach und nach zusammen einige b0 Herren der Freisinnigen Volkspartei  , der Freisinnigen Vereinigung   und der Nationalliberalcn Partei eingefunden, die rings um die leeren Stühle auf den Seitenbänken des SaaleS Platz nahmen. Der Herr Abgeordnete Güßling eröffnete, leitete und unterhielt die S eehrte Versammlung ein Stündchen mit seiner aalglatten, ge- hmeidigen, nichtssagenden Rede. Eine Diskussion kam nicht zu- stände. Entweder ivaren die Herten   durch die salbungsvolle Rede des freisinnigen Helden derartig erschüttert, oder sie waren eingc- schläfert worden, daß sie nicht reden wollten. Denn bedeutsam genug für sämtliche Blockbrüder auch außerhalb Königsbergs muß doch die Rede gewesen sein. Brachte doch dieHartungsche Zeitung  " am anderen Tage in 6 langen Spalten der Welt Kunde von der großen Rede des freisinnigen Land- und ReichStagsabgeordnetcn, sowie der von ihm verlesenen nichtssagenden Anträge zum Partei- tag. Der Freisinn in Königsberg liegt nun wieder, einsam und verlassen von seinen Kampfgenossen, in den letzten Zügen. Aber sein'.abgeordneter, er lebt, als Walirzeichen einer, wenn auch nur kurzen, jedoch glanzvollen unvergeßlichen freisinnigen Machtperiode. Uuterfchleife bei der Gelsenkirchener   Steuerkasse. Zu den Unterschlagungen der verhafteten Steuerrendanten LooS und Bock wird amtlich mitgeteilt, daß die Höhe der ver- untrcuten Gelder sich auf etwa 30 0 00 Mark belaufen wird. Die Unterschlagungen sind anscheinend gemeinsam verübt. Jetzt ist gegen einen weiteren städtischen Beamten. den Pollzersekretär Thiemann, der im vorigen Jahre Jagdgelder veruntreut haben soll, Anklage erHoven. Der Stadt-