auSgeMosicn bleiben, alle anderen bisherigen Beschränkungen da-gegen wegfallen sollen.Bezüglich der Gründung neuer Vereine, auch der politischen,bleibt für den Vorstand lediglich die Verpflichtung bestehen, dieTatsache der Gründung bei der zuständigen Behörde anzuzeigenund gleichzeitig die Statuten einzureichen. Den politischen Ver-einen nicht zugerechnet werden sollen die Verbände und Vereine,die unter den Z lb2 der Gewerbeordnung fallen, also Berufs-vereine der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, doch bleibt vorbe-halten, deren vermögensrechtliche Verhältnisse, vor allem die Er-langung der Rechtsfähigkeit durch Eintragung in ein amtliches Re-gistcr, nötigenfalls durch eine entsprechende Ergänzung der Be-stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu ordnen. Die p o l i-zeiliche Ueberwachung der Versammlungen.bleibt bestehen. Der Vertreter der Polizei soll aber künftignur dann eine Versammlung schliesten und auflöse»dürfen, wenn der Vorsitzende selbst es wiederholt unterlassen hat,bei Aufforderungen eines Redners zu gesetzwidrigen Handlungeneinzuschreiten und ihm das Wort zu entziehen. Auch dürfte dasRecht der vorläufigen Schließung von Vereinen der Polizei ge-ncmmcn und den ordentlichen Richtern übertragenwerden.Demnach entspricht— vorausgesetzt, daß die Angaben richtigsind— der Entwurf ungefähr den Vereins- und Versammlungs-gcsetzen, die schon heute in süddeutschen Staaten bestehen. Vielweniger wird das Gesetz auch trotz aller Vorliebe der Regierungfür die Erhaltung der sogen, berechtigten preußischen Eigenheitenkaum bieten können, wenn er die Zustimmung dieser Staat nlerlangen soll.—_ZentrumS-TerroriSmuS. Die ultramontane Presse liebt es,ihre Leser mit allerlei Erzählungen über sozialdemokratischenTerrorismus zu unterhalten, obgleich die politische und religiöseUnduldsamkeit nirgends besser gedeiht, als in den Herrschaftssitzendes Zentrums. Ein neues Beispiel dafür liefert eine Meldungder„Voss. Ztg." auS Bamberg. Danach wurde in Kronach eineVersanunhing des Verbandes staatlicher Forstarbeiter, in der derbekannte liberale Renommierpfarrcr Grandinger sprechen ivollte,vom katholischen Arbeiterverein unter der Führung eines Kaplansund des ultramontancn Landtagsabgeortrnetcn Schwarz gesprengt.Grandinger wurde dabei schwer bedrängt.—„Alles oder nichts!"Unter den vielen„Fehlern", die da? Zentrum an derSozialdemokratie zu tadeln wußte, stand von jeher, in erster Reiheder„unpolitische Sinn", der nicht verstand, sich mit dem Erreich-baren zu begnügen, der sich immer auf daS Ganze versteifte, anstattvorläufig mit einem Teil vorlieb zu nehmen— zum Unterschiedvom Zentrum, das auch mit wenigem zufrieden war, wenn es nichtalles erreichen konnte und daS auf diese Weise durch viele kleineErfolge so„Große s" erreicht hat. So haben wir es unendlichoft in Zentrumsblättern gelesen und von Zentrumsagitatoren ge-hört. Gegenwärtig nun stellt sich in der preußischen Wahlrechtsfrageder Freisinn auf den Standpunkt des Zentrums. Genau wiecS bisher die Zentrumsleute in der Sozialpolitik unserer Parteigegenüber taten, halten die Jreisinnsmänner eifernde Reden gegendie„Alles oder nicht S"-Politik, und danken bereits im vor-aus für ein Reförmchen, wenn die Regierung eine gründliche Re-form nicht bewilligen will. Da nun aber das Zentrum gegenwärtigdem Freisinn wegen seiner Blockpolitik grollt, so bekommt der Frei-sinn von der Zcntrumspresse recht bittere Worte zu hören, weil erin der preußischen Wahlrechtsfräge so operieren will, wie dasZentrum bisher st e t s operiert hat. So heißt es z. B.in einem Artikel, der sich in einer Anzahl ultramontaner Blätterfindet:„Was die Formel„alles oder nichts" angeht, so muß manunterscheiden zlvischcn ihrer sachlichen und ihrer praktischen Be-deutung. Im Interesse der Sache liegt es in der Regel, Ab-schlagk.zahlungen anzunehmen und den Fortschritt Schritt fürSchritt, von Stufe zu Stufe zu betreiben. Es können aber auchFälle vorkommen, in denen der guten Sache mit einerAbschlagsreform nicht gedient ist, weil durch diesekleinen Zugeständnisse die wirkliche Reformauf lange Zeit hinausgeschoben wird."Und weiter belehrt die Zcntrumspresse die Freisinnigen,„daßes ein wesentlicher Unterschied ist, ob man als ohnmächtige Minder-heitspartei sich Abschlagszahlungen gefallen läßt oder ob man alsausschlaggebender Teil der Regierungsmehr-heit„tapfer zurückweicht"."Man mag nun den Einfluß des Freisinns„als ausschlag-gebenden Teil der Regierungsmehrheit" noch so hoch einschätzen,jedenfalls reicht er bei weitem nicht heran an den Einfluß, den dasZentrum ein Jahrzehnt als ausschlaggebende Partei im Reichs-tag gehabt hat. Und während dieser Zeit ist das Zentrum so oft„tapfer zurückgewichen" vor der Regierung, hat es sich sooft mit Abschlagszahlungen begnügt und auf diese Weise manche„wirkliche Reform auf lange Zeit hinausschieben" helfen.—Selbstverständlich bekämpfen auch wir die Haltung des Frei-sinns, der seine Feigheit hinter„staatsmännische" Erwägungenüber die Verwerflichkeit der„Alles oder nichtS".PoIitik zu ver-bergen sucht, filber ebenso wie er hat es das Zentrum von jehergetrieben und der Sozialdemokratie gegenüber als den Inbegriffwahrer Volkspolitik gepriesen.Amerika.Zum Prozeß in Idaho.Es erscheint jetzt sehr zweifelhaft, ob nach dem AusgangedeS Prozesses gegen Haywood die Verhandlungen gegenPettibone, der zunächst an der Reihe wäre, und dann gegenMoyer überhaupt eröffnet werden! Die 100 000 Dollar, dieder Staat für die gesamten Anklagen bewilligt hat, sindschon durch den Fall Haywood allein zum allergrößten Teilaufgezehrt. Wie dieses Geld verbraucht wurde, darüber sindallerlei Enthüllungen gemacht worden, die große Entrüstunghervorriefen. Die Geheimagenten haben sich nämlich vielegute Tage gemacht und lange Rechnungen eingereicht überExtratouren mit reichen Vergnügungen, um„auf der Spur"zu bleiben.— Ob der Staat neue Mittel bewilligen wird,ist fraglich..Gegen die Ankläger in dem Prozeß gegen Haywood, denSenator Borah, ist jetzt die Anklage wegen Beteiligung aneiner Verschwörung zuin Landdiebstahl, die ihn schon längstbedrohte, formell erhoben worden I Mit ihm werden nocheine Reihe anderer„großer Männer" im Staate beschuldigt,im September 1901 sich zu dem Zweck verbunden zu haben,auf ungesetzliche Weise große Wälder im Distrikt Boise inihren Besitz zu bringen, also Holzdiebstahl im großen be-gangen zu haben.—_Die Einwanderung in die Vereinigten Staaten im ver-gangenen Jahre umfaßte»ach dem amtlichen Bericht, der amSonnabend herausgegeben wurde, 1400 000 Personen. Der Be-richt läßt erkennen, daß die Bestrebungen, den Einwandererstromstärker als bisher nach den Südstaaten abzulenken, zum Teilerfolgreich waren.Huftralien.Die Arbeiterpartei hat nach den endgültigen Resultatenbei den letzten Wahlen zum Staatsparlament in Neu-Süd-Wales sieben Sitze gewonnen.—Eoeren kontra Geo Schmidt.Köln, den 18. September.(Telegr. Ber.)2. BerhandlungStag.Bei Beginn der heutigen Sitzung, zu der sich ein starker An-drang des Publikums bemerkbar macht, wird nochmals ZeugeRechtsanwalt Court aufgerufen. Die Verteidigung hat an ihneine Reihe von Fragen zu stellen. Rcchtsanw. Bredereck: DerZeuge hat gestern vier schwarze Zeugen aufgeführt, welche zuun-gunstcn Schmidts ausgesagt hatten. Ich möchte ihn fragen, ob nichtauch vier bis fünf Zeugen vernommen worden sind, welche zu-gunsten Schmidts aussagten?— Zeuge: Das muß ich erst inmeinen Handakten nachsehen.— RechtSanw. Brcdercck(zum Zeugen,der in seinen Aktcnbündeln herumblättert): Run, das werden Sicdoch wohl wissen müssen, ohne nachzusehen, daß noch mehrereZeugen vernommen wurden.— Zeuge Court: Das mutz mir dochwohl überlassen bleiben. Ich will meine Aussagen jedenfallsgenau machen. Ich habe yier notiert, daß der Dolmetscherder Station vernommen worden ist. Dieser sagte, es sei wiegewöhnlich geprügelt worden, Schmidt habe an einemTisch gesessen und Uneshagen habe die Hiebe abgezählt. Nichtalle hätten 2b Hiebe erhalten. Der Zeuge habe sich nicht erinnert,ob die Haut bei den Leuten heruntergeschlagenworden sei.— Nechtsanw. Bredcreck: Ist nicht der schwarzePolizist auch vernommen worden?— Zeuge Court: Das warder Gefreite, den ich gestern schon anführte.—Nechtsanw. Bredereck: Nein, eS ist noch ein schwarzer Polizist, derSohn eines Häuptlings vernommen worden.— Vors.: Ist eS nichtmöglich, daß Sie nur das notiert haben, was zugunsten ihre?Klienten war, weil das natürlich allein für Sie Interesse hatte?—Zeuge: Nein, ich habe alles notiert.— RechtSanw. Bredcreck:Nach unserer Darstellung sind noch 4 bis fünf Zeugen vernommenworden, welche entlastende Aussagen für Schmidt machten. Davonsagte der Zeuge gestern nichts.— Zeuge Court: Auch nach demGerichtsprotokoll, von dem ich Abschrift genommenhabe, ist sonst niemand vernommen.— Der Verteidigerspricht nochmals Zweifel aus, daß die vom Zeugen photographiertenNarben von der 2 bis 3 Jahre zurückliegenden Prügelexekutionhergerührt haben könnten. Auf die Frage, in welcher Weise erseiner Entrüstung Ausdruck gegeben habe, erwidert Zeuge Court,daß er das sowohl durch Mienen als auch durch Wortekundgegeben habe. Zeuge Oberleutnant S m e n d war inder Verhandlung gegen Pater Müller am 26. Januar 1006 wegenBeleidigung des Privatbeklagten Schmidt in Lome als Zuhöreranwesend. Der einzelnen Zeugenaussagen undVorgänge erinnert sich Zeuge nicht mehr genau.Dolmetscher und der Alvctepolizist hätten aber ausgesagt, daß mildegeprügelt worden sei. Die Mehrzahl der Zeugen habe jedenfallsden Eindruck gehabt, daß Schmidt bei der Exekution keine Roheitbewiesen habe. Zeuge hat von der Entrüstung der Richter nichtsbemerkt oder gehört.— Zeuge Court: Ich stand unmittelbarneben den Richtern.— Zeuge Smcnd: Ich befand mich im Zuhörer-räum und hatte den Eindruck, daß Pater Müller verurteilt wordenwäre, wenn nicht Court die nochmalige Vernehmung des HerrnUneshagen mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Aussage für PaterMüller beantragt hätte und wenn nicht deshalb Vertagung ein-getreten wäre. Der Zeuge bemerkt noch, es sei in Europa vielfachdie Ansicht verbreitet, als ob die Beamten aus reinem Vergnügendie Prügelstrafe ausübten. Er könne erklären, daß es nichtsUnangenehmeres und Ekelhafteres gäbe,, alsdie Prügelstrafe zu vollstrecken. Keinem Beamten machteS Vergnügen, wenn sie dennoch verhängt wird. Das geschehe inder Erkenntnis,baß die Priigelstrafe unbedingt notwendig sei.Er würde für die Sache kein Wort sprechen, wenn er nicht diefeste sittliche Ueberzeugung hätte, daß Schmidt Unrecht geschehensei. Wir müssen die Prügelstrafe nicht vom Standpunkt desEuropäers betrachten. Der Neger ist nicht so empfind-lich, er empfindet die Prügel nicht so schwer.Bei einem Afrikaner erregt cS keine Verwunderung, daßWunden geschlagen werden. Es ist daS keine Ausnahme.(Bewegung im Publikum.) Aber das ist ja gar nicht soschlimm.(Lachen im Publikum. Ter Vorsitzende droht mitRäumung des SaaleS.) Das ist nicht so schlimm, weil die Wundennur leicht sind. Der Stock ist weniger gefährlich alsdas eigentlich vorgeschriebene Tauende.— Vors.Hat in der Verhandlung nicht ein Stock vorgelegen?— ZeugeSmend: Ich erinnere mich nicht.— Nechtsanw. Brcdereck: DieGegenseite habe erklärt, daß Müller den Ausdruck nicht gebrauchthabe, eS seien die Fetzen herunter geflogen. Dannmüsse man sich wundern, daß Herr Roeren diesen Ausdruck imReichstag gebrauchen konnte.— RechtSanw. Schreiber: PaterMüller hat diesen Ausdruck selbst nicht gebraucht, sondern von einemEpidermisverlust gesprochen. In der Beurteilungder Sache selb st hatPaterMüller aber dieselbeAnsicht, wie sie der Abgeordnete Roeren imReichstage vorgetragen hat. Die Gegenpartei hativieder Bemerkungen gemacht, die in daS Plädoyer gehören.—Der Vorsitzende unterbricht den Verteidiger und ersucht die Par-tcien, diese Ausführungen zu unterlassen.— Justizrat GammerS-bach(aufspringend): Ich bitte, einen Gerichtsbeschluß herbei-zuführen, ob es den Parteien gestattet werden soll, über die AuS-sagen der Zeugen Bemerkungen und Auslassungen zu machen, oderob sie sich auf die Fragestellung beschränken wollen. Wenn daSerstere gestattet werden sollte, so beantrage ich, daß das nicht nurbei einer, sondern bei beiden Parteien in gleichem Maße geschieht.— RechtSanw. Schreiber: Ich stelle fest, daß von der Gegenseitewiederholt Bemerkungen gemacht wurden, und mir, wenn ich er-widern wollte, das Wort abgeschnitten worden ist.— DerVorsitzende erklärt, daß beide Parteien gleiche Rechtehaben.— Amtsoberrichter Meyer aus Togo, gegenwärtig aufUrlaub in Deutschland, sagt als Zeuge auS, daß er den Fall nurflüchtig aus den Akten kennt. Er habe nicht den Eindruck ge-Wonnen, daß Schmidt über daS erlaubte Maß hinausgegangen sei.Unter großer Spannung wird der Missionsvorstand, PaterMüller als Zeuge aufgerufen. Er bekundet, daß bei den vomZeugen Arendt vorgenommenen Arbeiten drei bis vierSchwarze12 frische, handtellergroße Wunden hatten.DaS Fleisch war bloßgelegen. Bei einem war die Wundesogar zwei Handtellerflächen groß. Schon durcheinen Brief deS Lehrers Bergmann aus Avete sei er auf die Miß-Handlungen aufmerksam gemacht worden. Die Leute selbst sagten,daß die Wunden von den Z ü ch t> g u n g e n h c r r ü h r t e n. Erhabe keinen Zweifel gehabt, daß dies der Fall sei. Auf die Fragedes Rechtsanwalts Schreiber erklärt er, daß er die Leute nichtnäher untersucht habe.DaS rohe Fleisch sei zu sehen gewesen.Vors.: Sie selb st haben Schwarze nicht beeinflußt?— Zeuge Müller(mit großer Bestimmtheit): Ich nehme es aufmeinen Eid, daß von mir niemals Zeugen be-einflußt worden find.— Angekl. Schmidt: Haben Sieden Angaben des Lehrers geglaubt? Er war doch wegen Unter-schlagungcn und SittlichkcitSvcrgehens von der Mission entlassenworden. Außerdem soll er syphilitisch gewesen sein.— ZeugeMüller: Von alledem weiß ich nichts. Ich weiß nur,daß er Schulden hatte.— Justizrat Gammersbach: Ist von derMission auf die Eingeborenen gewirkt worden, daß die Leute dieUmzäunungsarbeiten unterlassen sollten? Zeuge: Ich habenicht auf dieLeute eingewirkt. Ich erhielt erst nachhervon den Vorgängen Kenntnis.— Vors: Sie nicht, aber auch keinanderer?— Zeuge: Ich glaube, auch dies auf meinen Eidnehmen zu können, daß es kein anderer war.— RechtSanw. Brcdereck: Können Sie es auf Ihren Eid nehmen, daß die Leuteniemals von der Mission zu Ungehörigkeiten gegen dieGesetze aufgefordert wurden?— Zeuge: Jawohl.Verteidiger: Ist nicht direkt von der Mission eine Aufforderungerlassen worden, einer Regierungsverordnung denGehorsam zu versagen?— Zeuge: Ich habe die Pflicht.die Leute zum Gehorsam gegen die göttlichen und menschlichenGesetze aufzufordern. Wenn ein Bezerksleiter eine Ber-o r d n u n g erlätzt, wie die der nächtlichen T a n z-Verfügung, die gegen die göttlichen und menschlichenGesetze verstößt, so ist es meine Pflicht, den Leuten zu sagen,daß das nicht gesetzlich sei.— Nechtsanw. Brcdercck: Sie sindmit dem Angeklagten scharf verfeindet?— Zeuge: Nicht persönlich.sondern nur sachlich.— Bert.: Hat der Zeuge nicht den Versuchgemacht, Schmidt aus dem Amte zu bringen?— Zeuge: Nein.—Vert.: Haben Sie nicht Uneshagen gesagt, Schmidt müsse entfern»werden und wenn es Tausende kostet?— Zeuge: Nein.— ZeugeUneshagen(vortretend):Jawohl, das hat er gesagt.Es war nach der Verhaftung der Missionsleute gewesen. Da sagteer weiter noch: Wenn man so behandelt und eingesperrt wird,dann darf man sich nicht wundern, wenn man sich mit allenMitteln wehrt.— RechtSanw. Schreiber: War jemand bei demGespräch zugegen?— Zeuge Uneshagen: Nein, wir warenallein.— Zeuge Müller: Erstens weiß ich, baß ich das nichtgesagt habe, dann aber bitte ich die Akten durch-zusehen. Man wird dort finden, daß Uneshagen schon voreinigen Jahren diese Worte dem Herrn Präfekt Bückingin den Mund gelegt hat.— Zeuge Uneshagen: Ich er»innere mich nicht, daß ich das getan habe. Wenn das aber wirklichder Fall sein sollte, so habe ich mich natürlich nur geirrt. HerrPräfekt Bücking war immer sehr gemäßigt.(Lachen im Publikum.)Der Vorsitzende läßt deshalb das im Vorraum immer stärkerversammeltePublikum auS dem Saale entfernen.Nach Wiederaufnahme der Verhandlung bittet RechtSanw. Bredcreckum das Wort. Der Zeuge Pater Müller hat angegeben, daß ermedizinisch vorgebildet sei. Er hat gesagt, die Epidermis sei ver-letzt gewesen, die Cutis sei aber noch vorhanden gewesen. Nun istmir von medizinischer Seite die Bedeutung der beiden Ausdrückeerklärt worden und danach kann von einem Durchschlagen keineRede fein. Andererseits hat der Zeuge Müller aber auf die Frageder Gegenseite erklärt: Ja, cS war das rohe Fleisch zusehen. Wie erklärt der Zeuge diesen Widerspruch?— ZeugeMüller: Wenn die Epidermis weg ist und eS dann blutet, so sagtman vulgär„das ist das rohe Fleisch" und„es hängen die Fetzenherunter". Ob die Cutis durchgeschlagen war, habe ich nichtfeststellen können, denn ich habe die Leute nicht näher unter-sucht.— RechtSanw. Schreiber: Ich erfahre soeben, daß ein Akten-stück besteht, daß Uneshagen noch einem dritten Herrn, demMissionöbruder Kobus, dieselbe Aeußerung, die Müller getanhaben soll, in den Mund gelegt hat.— Die ZeugenPater Kost, Schneider(Bruder DamasuS) und KaplanSchmidt(früherer Missionspater in Togo) b e st ä t i g e n dieAngaben des Pater Müller von blutigen Wunden. Sie bestreiten,daß von der Mission Leute beeinflußt worden seien.Darauf wird zunächst der Fall des Häuptlings Kukowinerbehandelt. Der Abg. Roeren hatte Schmidt im Reichstage borge«worfen, daß er Zeugen direkt und offen beeinflußthabe. Einer der ältesten und geachtetstcn Leute in Lome, soführte Herr Roeren am 3. Dezember v. I. aus, brachte für sich undim Auftrage einer großen Zahl von Mitcinwohncrn beim Gouver«ncur Horn eine Beschwerde über den Bezirksleiter Schmidt vor.Es wurde dann auch ein Verfahren gegen Schmidt eingeleitet. AlsSchmidt davon hörte, ließ er— also der Angeschuldigte I— dieBeschwerdeführer vor sich laden. Er spie Kukowina alsLügner an und forderte ihn auf, seine Aussagenzu widerrufen. Er ließ ihn dann verhaften und i ndas Gefängnis werfen, wo der alte Mann 14 Tage sitzenniußte, bis er bald nach der Entlassung starb.—Angekl. Schmidt: Ich will beweisen, daß Kukowina durch dieMission aufgehetzt war. Er hatte direkt eine Verschwörunggegen mich angezettelt, an der die Lehrer der katholischen Missionund die katholischen Händler beteiligt waren. Ich ließ eine An-zahl Leute kommen und stellte fest, daß Kukowina mit Hülfe derMission die Leute aufgehetzt hatte. Ich ließ ihn deshalb inHaft nehmen. Der Abg. Roeren stellte die Sache so hin, daßich den Mann mißhandelt hätte und daß der Mann bald daraufgestorben sei. DaS ist nicht wahr. Kukowina war auch kein alterMann, sondern ein Mann von 40 bis 45 Jahren, ein baumlanger,starker Kerl. Das ließ sich auch aus den Akten nicht herauslesen,das kann kein Laie herauslesen, viel wenigeraber ein OberlandeSgerichtsrat.— Der Vorsitzendeersucht den Angeklagten, derartige persönliche Bemerkungen zuunterlassen.— Kammergerichtsrat Wilckc: Schmidt habe ange-geben, daß er Kukowina wegen Verleugnung und Fluchtverdachtsin Haft genommen habe. Nach den Zeugenaussagen hat der Toddes Kukowina mit der Verhaftung keinen Zusammenhang. Esliegen zwei Protokolle vor; das eine ist vom VertreterSchmidts aufgenommen worden und stellt fest, daß Schmidt einePression nicht ausgeübt und die Leute nicht unwürdig behandelthabe. Das zweite gegenteilige Protokoll stammt vonder Mission, wo ebenfalls Leute vernommen worden sind. Die5lommission sei zu einem n o n I i g u e t gekommen.— Vors.: Wassagen Sie dazu, daß die Mission Zeugen vernommen hat?—Zeuge Wilcke: DaS wäre ein Urteil, dazu halte ich mich nicht be.rechtigt.— Zeuge Müller: Herr Schmidt habe die Mission beschul-digt, sie sei der Urheber der Kukowinasache. Wir haben aber vor-her von der Beschwerde gar nichts gewußt. Kukowina habe nurdie allgemeine Volksstimmung in Atakpame wiedergegeben. Kuko-wina war sehr angesehen und ein sehr vermögender Mann.—RechtSanw. Brcdercck: Haben Sie nicht über jeden Beamten No-tizen gemacht?— Zeuge Müller: Ich habe nur das notiert, wasfür die Berichte an meine Vorgesetzten mir notwendig erschien.—Veit.: Haben Sie nicht auch versucht, Uneshagen auf IhreSeite zu ziehen? Haben Sie ihm nicht geraten, wenn einAufstand ausbricht, nicht Schmidt, sondern dem Gouverneur An-zcijje zu machen?— Zeuge Uneshagen: Jawohl, das wurdemir gesagt.— RechtSanw. Schreiber: Kann nicht eine Ver-wechselung mit einem anderen Missionspatcr vorliegen?— ZeugeUneshagen: Nein, das ist ausgeschlossen.— Der ZeugeMüller erklärt weiter, daß die Leute bei den Vernehmungen durchdie Beamten auS Furcht zurückhaltend feien und bei den Vernch-mungen durch die Missionen viel glaubhafter erscheinen.Zeuge Müller: Von dem Onkel des Kukowina wurde mir mit-ckeilt, daß Kukowina bei der Vernehmung in der Zeit von 8 bisNbr barhäuptig in der brennenden Sonne stehen muhte und daß.als er bat, wie die anderen in den Schatten treten und sich,etzcn zu dürfen, Schmidt ihm gesagt habe: Nein,damit Dir die Lust vergeht, Dich zu beschweren.Der Zeuge hat keinen Zweifel an der Wahrheit dieser Aussagegehabt, weil der Onkel des Kukowina gar keinen Anlaß gehabt habe,ie Unwahrheit zu sagen.— RechtSanw. Bredereck: Dann berufenwir unS auf das Zeugnis eines in Deutschland weilenden weißenZeugen, den der Zeuge Müller selbst als glaubwürdig bezeichnethat.—Die nächste Sache betrifft die Verfügung de? nächt-lichen Tanzes. Der Abgeordnete Roeren hatte gesagt, dasdion plus ultra an Willkür, Ungehörigkcit usw. trete in dem Ver-»uhrcn hervor, das auf Veranlassung dicseS Stationsleiters Schmidtzegen die Mission in Togo stattgefunden hat. Der Stationsleiterührte sich in seiner Stellung damit ein, daß er am 26. April 1903>urch den amtlichen Ausrufer Jakuwa bekannt machen ließ: Der