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gt. 219. 24. Jahrgang. 1. KcilM des Joriuitls" Kcriim palblilnlt. Dounerslllg. 19. Zeptember 1907. Der Parteitag in Cffen. tTelegraphischer Bericht.) Dritter Verhandlungstag. Essen, 18. Septemver. Lormtttagssitzung. Bemoll eröffnet die Sitzung um 9M Uhr. Eingegangen ist ein Begrüßungstelegramm vom Komitee deZ jüdischen Bundes Rußlands   und Polens  . Vor Eintritt in die Tagesordnung erhält da? Wort Kaden: Mit der Angelegenheit, die ich vorzubringen habe, hat sich bereits der Mannheimer   Parteitag beschäftigt. Der Allgemeine Metallarbeiterverband Wiesenthaler Richtung in Berlin   hatte sich darüber beschwert, daß derVorwärts" die Aufnahme seiner An- zeigen abgelehnt hatte. Die Berliner   Preßkommission und' der Parteworstand haben das gebilligt, und auch die Kontrollkommission und der Mannheimer   Parteitag gaben ihre Zustimmung. Nun hat sich während dieser Zeit die dem Kartell angeschlossene Frei« Ver- einigung mit dem Allgemeinen Metallarbeiterverband verschmolzen. Aus dem der Kontrollkommission vorgelegten Material ergibt sich aber, daß nicht etwa der Allgemeine Metallarbeiterverband in die Freie Vereinigung aufgegangen ist, sondern umgekehrt. Mithin be- steht der Mannheimer   Beschluß noch zu recht, welcher besagt, daß jede Alsplitterung von der modernen Arbeiterbewegung zu ver- urteilen ist. Um Mißverständnissen zu begegnen, verlese ich aus dem Protokollbuch den Beschluß, den die Kontrollkommission in dieser Angelegenheit gefaßt hat: Die Beschwerde deS Gewerks chastskartells für Berlin   und Umgegend vom 7. September d. I. gegen den Beschluß des Zentralvorstandes von Groß-Berlin und deS Parteivorstandes, dem Allgemeinen deutschen Metallarbeiterverband, Wiesenthal  » scher Richtung, die Spalten desVorwärts" für Publikationen zu sperren, wird von der Kontrollkommission zurückgewiesen, nachdem sie �das vorgelegte Material geprüft und die Beteiligten gehört hatte. Als Beteiligte waren anwesend: je ein Vertreter des Parteivorstandes und des Zentralvorstandes von Groß- Berlin einerseits und des Gewerkschaftskartells für Berlin   und Umgegend und des Allgemeinen deutschen Metallarbeiterverbandes sogenannter Wiescnthalscher Richtung andererseits. Die Kontroll- kommission tritt der Ansicht des Parteivorstandes und des Zentralvorstandes von Groß-Berlin einstimmig bei, daß die Ver- einigung der Metallarbeiter Deutschlands  , alte lokalistische Rich- tung, der die Spalten desVorwärts" nach einem bestehenden Beschluß offenstanden, in dem Allgemeinen deutschen Metall- arbciterverband, Wiesenthalscher Richtung, aufgegangen ist und daß damit für diese Organisation die vom Parteitag in Mann- heim beschlossene Sperre desVorwärts" nach wie vor gilt." Tie Kontrollkommission hofft, daß der Parteitag diesem Be- schluß beitritt. Hierauf wird die Debatte über den Bericht über den Inter  - nationalen Kongreß fortgesetzt. Ledebour  -Berlin  : Ich bin zu meinem Bedauern genötigt, als erster Redner heute daS Wort zu nehmen, da der Genosse David, der vor mir auf der Renderliste gestanden hat, sich wieder hat streichen lassen.(Hörtl hörtl) Es ist mir das um so unbegreiflicher, als David den dringendsten Anlaß hatte, nachdem Bebel durch seine gestrigen Ausführungen die Behauptung Davids widerlegt hat, daß Bebel in seinem von David immer und immer wieder angeführten Zitat sia zu einer sozialistischen   Kolonialpolitik bekannt habe, daraus zu erwidern. Sie wissen, daß die Ausführungen Davids es in der Hauptsache gewesen sind, die dazu beigetragen haben, die Mehr hcit der deutschen   Delegation auf dem Stuttgarter   Kongreß irre- zuführen. Nachdem nun Bebel in ganz unzweideutiger Weise diese Behauptung Davids genau in derselben Weise zurückgewiesen hat und genau in derselben Weise seine eigenen Ausführungen erklärt hat, wie ich das in Stuttgart   getan habe(Hört! hörtl), war David meiner Ansicht nach verpflichtet, entweder hier aufzutreten und zu erklären, daß er sich geirrt hat, er mußte vor allen Dingen die schweren Beschuldigungen zurücknehmen, die er im Laufe der Diskussion in Stuttgart   gegen mich erhoben hat, oder er mußte versuchen, Bebel zu widerlegen. Da hat David wieder der Vor. ficht lesseres Teil gewählt.(Heiterkeit.) Ich muß mich aber leider auch mit den Ausführungen Bebels auseinandersetzen. Bebel hat in seinen sachlichen Ausführungen gestern vollinhaltlich sich auf den Standpunkt der auf dem Inter  - nationalen Kongreß angenommenen Resolution zur Kolonialfrage gestellt. Er hat außerdem genau dieselbe Auslegung seiner früheren Ausführungen über die Kolonalpolitik gegeben, die ich in Stuttgart  wiederholt, allerdings vergeblich, gegenüber David zur Geltung zu bringen suchte. Trotzdem hat Bebel es für notwendig gehalten, gegen mich und die anderen Vertreter derselben Ansicht die Be- schuldigung zu erheben, wir hätten einen unnützen Zank, unnütze theoretische Auseinandersetzungen in Stuttgart   geführt. Die tbeoretischcn Auscinandersetzaingen, zu denen es gekommen ist, sind eben wie bei allen Parteiauseinandersetzungen das notwendige Er- gcbnis einer jeden Diskussion, welche überhaupt zu einer prinzi- piellcn Klärung einer Frage führen soll. Ich glaubte gestern nach- gewiesen zu haben, daß gerade der Mangel einer scharfen Präzision der in dieser ganzen kolonialpolitischen Erörterung gcdrauchten Begriffe eine der wesentlichsten Ursachen zu mannigfachen Miß- Verständnissen gewesen. Die erste notwendige Voraussetzung für die Klärung einer Frage ist, daß man eindeutige Begriffe schafft, mit denen man operiert. Sowie die Begriffe vieldeutig sind, versteht der Eine darunter dies und der Andere jenes, und man kommt nie zu einer Verständigung. Also die theoretischen Auseinandersetzungen, die da vorgekommen sind, waren absolut notwendig. Aber ich will, um die ganze Geschichte zu erklären, nur kurz erwähnen, wie überhaupt in der Kommission sich die ganze Sache abgespielt hat. Bebel hat uns auch den Vorwurf gemacht, wir hätten ja in der Kommission eine Einigung leicht herbeiführen können, wenn wir gesagt hätten, über die Zukunftspolitik, wenn der Sozialismus zur Herrschaft kommt, brauchen wir uns nicht zu verständtgen, es genügt eine gemeinsame Kampfestaktik dem Gegenwartsstaat gegenüber festzustellen. Ich habe ihm damals schon zugerufen: das ist ja der Standpunkt, den ich eingenommen habe. David aber stellt sich auf den Standpunkt: wir müssen not- lvendigcrweise ein Zukunftsprogramm haben, wir müssen feststellen, wie wir uns zur Zeit des Sozialismus zu der Kolonialpolitik stellen. Van Kol hat eine Resolution ausgearbeitet, die nachher als Majoritätsrcsolution vorgelegt wurde, da habe ich van Kol überzeugt, daß es richtiger sei, wenn wir in dem von Bebel uns gestern väterlich empfohlenen Sinne vorgehen, und er ließ sich über- zeugen, daß es besser sei, den Eingangssatz seiner Resolution zu streichen. So wurde die Resolution vorgelegt ganz in demselben Sinne, wie Bebel es uns empfohlen hat, weil er offenbar von den Kommissionsverhandlungen gar keine Ahnung hatte.(Heiterkeit.) Nun, was geschah da im Einverständnis mit Perncrstorfer? Den Oesterreichern ist ja stit den letzten Wahlen die Staatsmännigkeit bis in die Kniekehlen gefahren.(Heiterkeit.) Pernerstorfer trat für die Notwendigkeit einer Schlvcnkung in der Kolonialpolitik ein und er sagte zu mir: Wenn es Ihnen auch gelingt, diesen Be- schluß wieder umzustoßen, so ist es schon ein großer Erfolg, daß hier eine Kommission für die Kolonialpolitik eintritt!(Hört! hört!). Der belgische Genosse Terwagne, um die Annektion des Kongo  - staates durch Belgien   zu rechtfertigen, sprach in demselben Sinne und verlangte eine Abstimmung über die Prinzipienfrage, ob Kolonien nützlich für uns seien in der Gegenwart oder nicht. Da erklärte van Kol: Ja, wenn so viele hervorragende Genossen aus allen Ländern verlangen, daß der Eingang meiner Resolution wieder hergestellt wird, so kann ich nicht widerstehen und muß den Eingang wieder herstellen. Da ließ er dann über die Prinzipien- frage abstimmen, die fand die Mehrheit der Kommission und so ist dieser Beschluß zustande gekommen. Da habe ich vergeblich ver- sucht, in der Delegation und später im Plenum, diesem Beschlüsse entgegenzutreten und unsere Ausführungen haben wenigstens den Erfolg gehabt, die anderen Genossen von der Prinzipienwidrigkeit des van Kölschen Vor)chlages zu überzeugen. Ich habe gesagt, daß Bebel kein Papst sei und Bebel hat mir zugestimmt. Wie ist denn das gekommen? David hat ja fortwährend mit der Autorität Bebels operiert und hat der Mehrheit der Delegierten schließlich den Glauben beigebracht, daß Bebel sich wirklich aus diesen Standpunkt stellt.(Zuruf: Unlauterer Wettbewerb! Große Heiterkeit.) Da habe ich erklärt, daß wir uns auch nicht von einer Autorität wie der Bebels bestimmen lassen, und wenn Bebel diese Ansicht habe, so würde ich genau so gegen Bebel vorgehen, wie gegen David. Also: Ihr sauler Witz mit dem unlauteren Wettbewerb paßt nickt. (Große Heiterkeit.) Nun erinnere ich Sie daran, wie ist denn diese ÄutoritätSbehauptung in die Welt gesetzt worden? Seit Jahren geht durch die ganze bürgerliche Presse die Behauptung, Bebel spiele die Rolle des Diktators, des Imperators, und Fürst Bülow   läßt sich keine Gelegenheit entgehen, auf dieser Albernheit herumzu- reiten. Woher stammt sie? Die Aeußerung stammt vom Dresdener  Parteitage von Vollmar. Jetzt sind es gerade die Revisionisten, die Bebel auszuschlachten suchen als Diktator, und wenn Bülow im Reichstage oder sonstwo wieder mit dieser Albernheit auftritt, dann kann er sich darauf berufen, daß allerdings die Revisionisten den Versuch machen, Bebel als Autorität aufzustellen, daß aber die Radikalen sich in keiner Weise dadurch beeinflussen lassen, unbe- dingt gegen die Autoritätsdogmen Front machen und gegen Beb'l genau so polemisieren, wie gegen irgend einen anderen Genossen. (Lebhafter Beifall.) Haase-Kattowitz  (O.-Schl.): Ich möchte die Aufmerksamkeit des Parteitages auf die Frage der Aus- und Einwanderung lenken, die mit dem Bericht vom Internationalen Kongreß zusammenhängt und in der Diskussion noch nicht gestreift worden ist. Hunderttausende polniscyer und ruthcnischer Arbeiter werden über die Grenze gebracht, arbeiten in der Landwirtschaft, in Ziegeleien, als Bauarbeiter, als Erd- arbeiter. Sie arbeiten unter den elendesten Bedingungen, Hausen gewöhnlich in elenden Wohnungen, künstlich abgeschlossen von den einheimischen Arbeitern. Man hat in der Stuttgarter   Kommission über das Unwesen des Systems der Kontraktarbeiter gesprochen, denen durch den Kontrakt die Möglichkeit der freien Verfügung über ihre Arbeitskraft genommen worden ist. Edenso schlimm steht es aber mit den Arbeitern, die zu ihrer Arbeitsstätte durch einen Agenten oder Aufseher gebracht werden ohne Kontrakt, aber auch in voller Unwissenheit dessen, wohin sie gebracht werden sollen, wo und unter welchen Arbeitsbedingungen sie beschäftigt werden sollen. Diese Transporte machen den Eindruck von Gefangenen- transPorten, die von der Außenwelt streng abgeschlossen werden. Vor Jahren ist es mir an der Grenze in Myslowitz öfter ge- lungen, mit den Einwanderern in Fühlung zu treten. Später hat man es verstanden, die Transport« so einzurichten, daß es fast un- möglich war. mit den Einwanderern auch nur zu sprechen. Die Agenten behandeln die Einwanderer alsihre Leute", an die kein ..Unbefugter" herantreten solle und sie werden dabei von den Behörden unterstützt. Deshalb sind die Leute im fremden Lande gänzlich Hülflos. ein williges Werkzeug in den Händen der Agenten. Hier muß nun eingesetzt werden. An den Einwanderungsorten müssen die Parteigenossen, die Gewerkschaftskartelle, die Arbeiter. sekretäre versuchen, mit den Leuten in Berührung zu treten, ihnen hülfreich zur Seite zu stehen, ihre Arbeits, und Lebensverhältnisse zu erforschen und zu veröffentlichen und für die Aufklärung dieser Arbeiter zu sorgen. Ich unterstreiche, daß in erster Linie eine ein- gehende Erforschung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der Ein- Wanderer Not tut, da in dieser Beziehung noch volles Dunkel herrscht. Und nun die Rechtsverhältnisse der Einwanderer. Nach den verschiedenen Handelsverträgen sollen die ausländischen Ar- beiter in Deutschland   dieselben Rechte genießen wie die deutsclzen Staatsangehörigen. Tatsächlich ist es ganz anders. Ueber den Köpfen der ausländischen Arbeiter schlvebt ständig das drohend- Schwert der preußischen Ausweisungsbefugnis, die von jedem Regierungspräsidenten beliebig und ohne jede Begründung gegen denlästigen" Ausländer verhängt werden kann. Die verschiedenen Regierungs- und Polizeiverordnungen, die das polizeiliche Vorgehen gegen ausländische Arbeiter regeln, kennen wir nicht. Es wäre notwendig, die Regierung zu provozieren, alle diese Verordnungen zu veröfsent- lichen. Diese Ausweisungsbefügnis ist eine schwerwiegende Macht. bcfugnis. die dazu dient, die ausländischen Arbeiter nicht nur Poll- tisch, sondern vor allem wirtschaftlick rechtlos zu machen und in veller sklavischer Abhängigkeit zu erhalten. Der ausländische Ar- beiter ist dem Unternehmertum und dem Junkertum genehm, so- lauge er sich widerstandslos jede Rücksichtslosigkeit gefallen laßt. solange er für einen niedrigen Lohn arbeitet. In dem Augenblick aber, m dem der ausländische Arbeiter seine Rechte fordert macht er sich nach den bestehenden Praktikenlästig" und wird aus- gewiesen. Die Unternehmer wissen das; in jedem solchen Falle sagen sie dem ausländischen Arbeiter:Wenn Sie nicht willig sind rufe ich die Polizei." Und was die Polizei dann tut darüber ist kein Zweifel. Erst in den letzten Tagen ist in einem Artikel des Organs des Bundes der Landwirte ausgeführt worden, daß die Polizei die Ausweisungsbefugnis gegenkontraktbrüchige" aus- ländische Arbeiter viel energiscker und viel systematischer anwenden müsse. Es kommt da den Junkern nickt darauf an, den einen oder anderen ausländischen Landarbeiter über die Grenze zu schieben, sondern darum, daß diese Landarbeiter wissen und empfinden sollen, daß sie in Preußen den Junkern auf Gnade und Ungnade überliefert sind unter der Drohung der Ausweisung. Genau so machten es die oberschlesischcn Großindustriellen. Bei dem Auf- sckwung der Berg, und Hüttenindustrie in den letzten Jahren haben die obcrschlcsisckcn Unternehmer Tausende ausländischer Arbeiter in die Gruben und Hütten gezogen, speziell dort, wo die Arbeit so gesundheitsgefährlich ist. daß die Arbeiter in Massen weglaufen. Nun hat dabei der Oberschlesische Berg- und Hüttenmännische Ver- ein, der Scharfmacherverband der oberschlesischen Machthaber, der Regierung erklärt(dem Sinne nach), die Behörde brauche keine Sorge darum zu haben, daß die Einwanderer in politischer Be- ziehungnachteilig" auf den oberschlesischen Bezirk wirken könnten. Und tatsächlich sie sorgen dafür. Die ausländischen Arbeiter werden in Werkswohnungen untergebracht, zu denen kein Fremder" Zutritt hat. Täglich kommen diese Berg- und Hütten- arbeiter zu uns und klagen über die unwürdige Behandlung und die schlechten Arbeitsbedingungen. Sie erzählen uns, daß sie da- gegen nichts tun können und zwar deshalb, weil bei dem geringsten Widerstand gegen unwürdige Arbeitsbedingungen die Unternehmer die Polizei herbeirufen, um die sofortige Ausweisung zu bewirken. So sind denn die ausländischen Arbeiter in Deutschland   vollständig rechtlos. Die polizeiliche Ausweisung ist eine mäcktige Waffe in den Händen der Junker und Unternehmer gegen die Arbeiter. Ich bin der Ansicht, daß diese ganze Frage eine schwerwiegende ist. Wir müssen Material sammeln, um die Frage genügend zu beleuchten. Dann aber muß die Fraktion einen Vorstoß zur gcsetz- lichen Regelung der Rechtsverhältnisse der Ausländer in Deutsch  - land machen!(Bravo  !) Leutert- Apolda  (zur Geschäftsordnung): Ich will keine Ausstellung an der Ge« schäftsführung des Vorsitzenden machen, aber ich protestiere dagegen, daß sich Genossen die Geschäftsordnung in einer Weise zunutze machen, wie es bisher nicht üblich war. Ich will keine Beschränkung der Redefreiheit, ich stelle auch keinen Antrag, aber man soll nicht immer das letzte Wort haben wollen, man soll sich nicht erst streichen lassen, und dann alle Augenblicke hinten wieder ein- schreiben lassen, wie David das tut. Ich bitte die anderen Ge- nossen, diese neue revisionistische Methode nicht nachzuahmen. (Große Heiterkeit und lebhafter Widerspruch.) Vorsitzender Gemoll: Es ist richtig, daß das so geschehen ist. ich werde aber streng daraus achten.daß das nicht mehr geschieht. (Stürmischer Widerspruch, eine Reihe Delegierte melden sich zur Geschäftsordnung.) Bebel: Gegen die Geschäftshandhabung, wie sie der Vorsitzende ankündigt, protestiere ich.(Lebhafte Zustimmung.) Ich kann mich jeden Augenblick streichen lassen, wenn ich beabsichtige, überhaupt nicht mehr zu sprechen, es kann aber nachher ein Redner auftreten, der mich zum Reden provoziert und da wäre es doch wunderbar. wenn ich mich nicht wieder einzeichnen sollen könnte. Der Partei» tag könnte mir nur durch den Schluß der Debatte das Wort ab- schneiden, aber ich mutz mich so häufig einzeichnen können, wie ich will.(Lebhafte Zustimmung.) Vorsitzender Gemoll  : Wenn der Parteitag mit dieser Aus» fassung einverstanden ist, ist die Sache damit erledigt. David- Mainz: Es ist nicht wahr, daß ich mich fortgesetzt in der Rednerliste habe streichen lassen. Ich habe mich nur einmal eintragen lassen und mich dann allerdings streichen lassen, weil ich meinte, daß ich, nachdem sowohl Singer wie Bebel in unzweideutiger Weise mir bekundet haben, daß es nicht in der Absicht liegt, die Delegation des Stuttgarter   Kongresses etwa hier zu desavouieren, eine weitere Debatte allerdings für überflüssig hielt. Als mir dann aber Ledebour den Vorwurf machte, ich wolle kneifen, ließ ich mich wieder auf die Rednerliste setzen, denn gegen diese Unterstellung muß ich mich denn doch verwahren. Ich will mich auch ,m übrigen nur gegen die anderen Unter» stellungen Ledebours noch verwahren, denn um auf die ganze Sache einzugehen, ist die Zeit viel zu kurz. Zunächst muh ich dagegen Verwahrung einlegen, daß ich, wie Ledebour sagte, unmittelbar nach der Rede Singers gestern hätte auftreten müssen, um mich gegen Singer zu verwahren. Dazu hatte ich gar keinen Grund. Ja, wenn Singer das gesagt hätte, was Ledebour ihm unterstellt hat, dann würde ich mich allerdings sofort zum Worte gemeldet haben. Ledebour hat es so dar- gestellt, als ob Singer hier erklärt habe, die Mainzer   Resolution stehe im Widerspruch und sei unverträglich mit dem Antrag der deutschen   Delegation in Stuttgart  . Davon hat der Genosse Singer kein Wort gesagt(Sehr gut!) und er konnte eS auch gar nicht sagen. Im Gegenteil, er bemerkte, nachdem der allerdings leicht zu Mißverständnissen Anlaß gebende erste Satz der ursprüng- lich v a n K o l scheu Resolution beseitigt war, sich dann die Fassung des deutschen   Antrages sehr wohl auch mit der Mainzer   Resolution vertrage. Das ist auch ganz richtig, denn auch in der Mainzer  Resolution wird Protest erhoben gegen die Raub- und Eroberungs- Politik, wie sie heute getrieben wird, dann wird aber in ihr auch davon gesprochen, daß es wünschenswert und erforderlich sei, auf alle zurückgebliebenen Völker kulturell erzieherisch zu wirken. (Ledebour: Das ist keine Kolonialpolitik!) Es wird dort davon gesprochen, daß wir durch Lehren und Bcisviel alle Völker für die Aufgaben der modernen Kultur und Zivilisation zu ge- Winnen haben. Freilich nicht mit den Mitteln, wie eS heute geschieht das wird ausdrücklich betont, das haben wir aber auch betont. sondern nur mit den Mitteln der Humanität, die Bestand haben vor unserer sonstigen Wellanschauung und unseren sonstigen Auffassungen. Nun sagt Ledebour, das ist keine Kolonialpolitit. Singer hat gestern gesagt, man könnte das vielleicht besser Zivilisationspolitik nennen, aber> hat er auch ganz richtig hinzugefügt das ist doch mehr oder weniger nur ein Streit um Worte.(Sehr richtig!) Wenn nun doch das Wort Kolonialpolitik angewandt wurdb, so geschah das eben aus dem Grunde, weil vor Stuttgart   kein Mensch irgendwie darauf herum- geritten ist und weil auch in der Fraktionserklärung und in der Erklärung Bebels auch von Kolonialpolitik gesprochen wird, von einer Kolonialpolitik, die eine Kulturpolitik sein kann, wenn sie eben jenes Ideal der Aufschließung der Naturschätze und der Emporhebung aller Menschen zu den höchsten Stufen der Kultur verfolgt. Nun hat Ledebour erklärt, ich hätte Mißbrauch mit dieser Erklärung des Genossen Bebel getrieben. Und ich hätte damit die Mehrheit der Delegierten in Stuttgart   irrezuführen gesucht. Nun. ich glaube, ich brauche wohl die Delegation in Stuttgart   nicht gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, daß sich annähernd 300 doch immerhin auserlesene Partei- und Gewerkschaftsgenossen so gröb- lich irreführen ließen, wie es hier Ledebour unterstellt. Genosse Bebel ist ja hier, er kann sagen, ob und inwiefern irgendwie Mißbrauch mit seiner Erklärung stattgefunden hat und ob in dem Antrag der deutschen   Delegation irgendetwas steht, was nicht auch in dieser seiner Erklärung wörtlich oder implizite ausgedrückt ist. Ich soll auf die Autorität Bebels herum» geritten sein. Auch das ist nicht richtig. Ich habe ein einziges Mal prinzipiell in der Kommission gesprochen, und da habe ich mich allerdings auf die Ausführungen Bebels gestützt, weil sie gar nicht mehr die Ausführungen Bebels allein waren. Diese Ausführungen Bebels sind dem Stuttgarter Kongreß vom Parteivorstand im Bericht unterbreitet worden mit der ein- leitenden Bemerkung, daß darin der Standpunkt der deutschen  Sozialdemokratie zur Kolonialfrage gut umschrieben sei. Darum habe ich mich darauf berufen und habe vorgeschlagen, wir sollten diesen Gedanken als Einleitungsgedanken der Resolution voraus- stellen, die dann die scharfe Zurückweisung der heutigen Raub- Politik enthält. Das war der Vorgang in der Kommission. Ich will nicht aus all das weiter eingehen, was Ledebour uns noch erzählt hat. Ich glaube, der Parteitag weiß zur Genüge schon von sich aus, da die nötigen Abstriche zu machen. Ich könnte natürlich meine Zeit damit auch noch verbrauchen, um Position für Position, das, was er angeführt hat, als unrichtig zu widerlegen. Die Erklärung Bebels ist weiter auch in dem Bericht über den Stuttgarter   Kongreß aufgenommen, der hier vorliegt, und sie ist auch in dem HandbuchWahllügen der bürgerlichen Parteien", das soeben erschienen ist, wieder aufgenommen. Sie kehrt also in allen unseren Agitationsmittcln wieder, und da sollen wir uns nicht auf diese Erklärung berufen können!(Sehr richtig!) Ich stehe nicht im Verdacht nach früheren Ereignissen, daß ich nicht unter Umständen auch meine Meinung im scharfen Gegensatz zum Genossen Bebel vertrete. Aber daraus nun die Folgerung zu ziehen, daß ich immer, auch wenn gar kein Anlaß zu einem fach- lichen Gegensatze vorliegt, mich einfach gegen eine Sache wenden sollte, weil sie von Bebel kommt, das ist doch eine Zumutung, die nur der Genosse Ledebour   stellen kann.(Oho!) Es ist dann weiter von Ledebour unterstellt worden, daß wir in Stuttgart   eine Kolonialpolitik mit Zwangsmitteln befürwortet hätten. Daß wir eine Konzession in der Richtung an die heutige Raubpolitik hätten machen wollen, daß wir auch mit brutaler Gewalt auf die Eingeborenen einzuwirken suchen wollten. Keine Silbe davon ist richtig, ich protestiere ganz energisch gegen diese Unterstellung Ledebours, die ihm nur dazu dient, um einen Angriffspunkt zu bekommen. Sie dient auch nur dazu, um uns nachher die Agitation im Lande zu erschweren. Ich stelle also fest, daß es nicht in der Absicht liegt, irgendwie die deutsche Dele- gation in Stuttgart   zu desavouieren, und da? hatte in der Tat