Einzelbild herunterladen
 

Ar. 219. 24. Iahryany. 3, 5tilU des Jotmirtf ptfliiitt Pulbliliill. Donnerstag, 19. Zeptember 1907. Zur flbweljr gegeu ungerechte Anfälle. Genosse van Kol sendet uns diese Zuschrift: Die Swttg arter Resolution über die K o l o n i a I f r a g e hat hauptsächlich bei unseren deutschen Genossen vielen Staub auf- gewirbelt, viel mehr als nötig und gut war. Das letzte Wort über diese Frage ist noch nickt gesprochen und ich hoffe mich nach Kräften zu beteiligen an einer sachlichen Besprechung dieser Frage, freilich erst später, wenn die Atmosphäre etwas Narer und die Gemüter einigermaßen beruhigt sind. Einstweilen aber muß ich, um einer weiteren Verbreitung von Unwahrheiten zuvor zu kommen, ein paar Mißverständnisse aus dem Wege räumen, einige der vielen Unrichtigkeiten in der Parteipresse aufzeigen und mich gegen die Angriffe verwahren, die Genosse Ledeböur in seiner Berliner Rede gegen mich gerichtet hat. Dem AusdruckSozialistische Kolonialpolitik" hat man ver­schiedene Bedeutungen beigelegt: 1. versteht man darunter die Politik, welche erst nach dem Sturz der kapitalistischen Gesellslbaftsordnung der sozialistische Teil der Menschheit vielleicht noch treiben muß; 2. andere verstehen darunter die reformatorische Tätigkeit der Sozialdemokratie auf kolonialem Gebiete im heutigen Staate; und 3. giebt es Leute, die von dem Adjektivkolonial" gar nichts wissen wollen, weil sie alle.Kolonialpolitik" von vornherein für den Inbegriff des Bösen erklären. Jedoch, dies alles war bis jetzt nur ein Streit um Worte; denn damit sind die meisten doch wohl einverstanden: eine vom Geiste des Sozialismus gewogene politische Aktion, in allen Ländern welche Kolonien besitzen, macht unseren Genoffen zur Pflicht, die Rechte der Eingeborenen zu schützen, ihre Ausbeutung zu verhindern usw. In dieser Hinsicht wird sich wohl bald mehr U e b e r e i n st i m m u n g in den Meinungen ergeben. Einstweilen folgende Richtigstellungen: t. van Kol sollte erklärt haben, daßdie sozialistische Kolonial- Politik die brutale Gewalt der Waffen nicht ent- behren kann".(Vorwärts", 29. August 1907.) Kautsky ging in einer großen Versammlung zu Leipzig noch weiter, indem er sagte:van Kol erklärt, man müsse mit bewaffneter Hand in die Kolonien gehen".(Vorwärts". 4. September 1907.) Also: Gewalttaten, welche ich mein Leben lang, inner« und außerhalb unseres Parlaments ohne Aufhören gerügt habe, schärfer als irgendwo einer, sollte ich meinem Beifall schenken! Wie hat man das glauben können? 2. Nicht weniger falsch ist die Behauptung, ich wünsche eine Annäherung an die bürgerlichen Auffassungen der Kolonial- Politik. Man lese bloß die von mir formulierten(Sätze(610), welche den Hauptbestandteil der angenommenen Resolution bilden. und man wird anerkennen müssen, daß genau das Umgekehrte wahr ist. An der praktischen Politik, welche wir Holländer in unserem Klassenkampf im Parlanient auf kolonialem Gebiet schon seit 10 Jahren gewieben haben, braucht denn auch durch die jetzige Resolution nichts geändert zu werden. Am schlinnnstcn aber macht es Genoffe Ledebour . Meine Acußerungen sollten weniger zuverläsfig sein, weil ich viele Jahre ein Beamter der holländischen Regierung in Indien war, mir Reichtümer erwarb durch Ausbeutung der Eingeborenen, welche Reichtümer mich in Stand setzten, eineSpritztour" durch die niederländischen oft- und westindischen Kolonien zu iitachen.... Diese Angriffswaffen sind mir jedoch nicht unbekannt. Sie stammen ans der Rumpelkammer Domela Nieuwenhuis und anderer Anarchisten, und werden seit Jahren noch gerne benutzt von unfern wenig gewissenhaften katholischen Gegnern. Dank der Liebens ivürdigkeit Lcdebours können sie diese rosttgen Waffen jetzt wieder einmal neu onfputzen. 1. Was für eine Schande wäre eS für einen Sozialisten als Staatsingenicur auf Java nützliche Jrrigationsarbeiten auszuführen und somit das Leben und Treiben der Eingeborenen kennen zu lernen? Zudem betonte ich dabei so öffentlich meine sozialistische Gesinnung, daß ich durch eine List aus dem Gouvernementsdienst entfernt wurde. 2. Geniert sich Genoffe Ledebour nicht, daß er gegen mich die- selben Verdächtigungen anwendet, deren unsere Feinde sich seit Jahren bedienen gegen dieFabrikanten" Engels und Singer, gegen denErben" Bebel, denSchloßbewohncr" Vanderaelde, den Bankier" Hyndman usw. usw. Weil ich einige Aktien besitze von einer Kaffeeplantage aus Java, wo die Eingeborenen es beffer haben als sonst irgendwo? Ueber die Sage von meinen Reichtümern will ich mich jetzt nicht auslassen; ich bedauere nur, daß sie so ganz falsch ist; wie viel mehr könnte ich sonst finanziell tun für die Partei, der ich jetzt schon mehr als 33 Jahre diene! 3. Von einerSpritztour" zu sprechen, wenn einer viele Monate lang zu Fuß und zu Pferde Gegenden durchkreuzte, welche bis dahin nur von wenigen Europäern befucht wurden; wenn er manchmal in Gefahren allerlei Art geriet und sich Strapazen unterzog, wie nur Wenige nun. das ist mehr lächerlich als ärgerlich. Noch einen Wunsch zum Schluß: Möge die deutsche sozial- demokratische Partei sich systematischer und eingehender wie bis jetzt mit dem Kolonialproblem beschäftigen; uniersuchen, welche Reformen in den verschiedenen Kolonien nötig sind, und nach der kritischen auch einmal ihre schöpferische Tätigkeit und Fähigkeit zeigen. Noch ist in der kolonialen Frage der Weisheit letzter Schluß nickt gefunden; und unsere große Bruderpartei, welche über so gute Kräfte verfügt, wird keine ehrliche Kritik scheuen. Alle zusammen müssen wir Steine herantragen zum Bau eines Programms für sozialdemokratische Kullurpolittk aus kolonialem Gebiete. Oder will man alles nur gehen lassen, wie eS den Kapitalisten gefällt? H. v a n K o l. Wir möchten dazu nur bemerken: 1. Wennn Genoffe van Kol sich beschwert, daß ihm Acußerungen unterschoben worden seien, die er nicht getan habe, so mag er sich an die Berichterstatter halten, die seine Ausführungen so aufgefaßt und wiedergegeben haben, wie sie vomVorwärts" und verschiedenen Genoffen zitiert worden sind. 2. Genoffe van Kol hat die Acußerungen Ledebours völlig irrig aufgefaßt. Ledebour hat weder vonSpritztouren" van Kols gesprochen, noch ihm seine Beamtentätigkeit und seine Beteiligung an einem Kolonialunternehmen zum Vorwurf gemacht, Er hat. durch die Ausführungen eines Diskussionsredners dazu veranlaßt, lediglich Tatsachen konstatiert. Nach Ledebours gestrigen Ausführungen in Effen erübrigt sich jedes weitere Wort hierüber. 3. Alles, was Genoffe van Kol übersozialistische" Kolonial- Politik und die Aufgaben der Sozialdemokratie auf kolonialem Ge- bieteschöpferische tätig zu sein sagt, ist so widerspruchsvoll und unbestimmt, daß eine Antwort daraus weder möglich noch nötig ist. Wenn Genoffe van Kol später Bestimmteres zu sagen hat. soll er unS zur DiSlusfion jederzeit bereit finden. Die russische Revolution. Die Moskauer Junkerparade. Der soeben beendeteKongreß"(wenn man diesen lauten Namen gebrauchen will) der junkerlichen Landschaftsvertreter in Moskau , der eine Demonstration der konservativen Politik sein sollte und auf dessen Verlauf die Regierung'große Hoff- I nungen setzte, war in Wirklichkeit ein Syniptom für die «-moralische und Politische Schwäche der Reaktion. Im �Sommer während der Hochfluten der Konterrevolution hatte der Londschaftskougreß noch vermocht, in gewissen Teilen der Bevölkerung Anklang zu finden. Ganz anders jetzt. wo der Kongreß zu Ende gegangen ist, ohne jemand zu befriedigen. Schon die Zahl der Kongreßmitglieder war eine lächerlich geringe: es waren im ganzen nur etwa 70 Vertreter der Landschaftsinstitutionen erschienen l Auf der Tagesordnung stand die Beratung der Landschaftsreform, wie sie von der Regierung projektiert worden ist, der Kongreß brachte es aber zustande, den Regierungsentwurf überhaupt beiseite zu lassen. Daran knüpfen sich jetzt in der kon- servativen Presse Betrachrnngen, welche zeigen, wie isoliert die Regierung dasteht und daß sie selbst in jenen Schichten keine rechte Stütze findet, die nach�dem neuen Wahlgesetz in der dritten Duma mit der Regierung zusammen arbeiten sollen.» Am 12. d. M. ist in denPetersburger Nachrichten", einem stockkonservativen Blatte, das Ergebnis der Kongreß- beratungen folgendermaßen zusammengefaßt: Der Kongreß habe bewiesen, daß die russische Regierung von allen Schichten der Bevölkerung förmlich ignoriert werde 1 Das Projekt der Regierung sei mit einer beispiellosen Geringschätzung bo handelt worden. Die ganze russische Gesellschaft, so führt das Blatt weiter aus, behandelt die Regierung als eine Erscheinung niedrigerer Ordnung l Der Kongreß habe klar bewiesen, daß die Regierung weder in der russischen Gesellschaft noch im Volke einen Verbündeten habe. Der konservativeGraschdanin", bekanntlich gleichfalls ein sehr konservatives Blatt, faßt sein Urteil dahin zusammen. daß jene Kreise, an denen die Regierung bei der Ausarbeitung des neuen Wahlgesetzes eine Stütze zu finden hoffte, nicht fähig seien, an dem Reformwerk Rußlands mitzuarbeiten I Auf dem Kongreß sei die landschaftliche und die adlige Geistes aristokratie vertreten gewesen und doch habe die Beratung ein trauriges Schauspiel geboten. Wie soll es werden, fragt derGraschdanin", wenn die dritte Duma ähnlich aussieht, wie der abgelaufene Kongreß? Selbst das BureaukratenblattNowoje Wremja" ist init dem Kongreß unzufrieden; es erklärt offen, daß er niemand be friedigt habe. Dieser Verlauf des Kongresses ist, wie bereits gesagt, für die Lage sehr kennzeichnend; man kann ihn als die Nieder läge der künftigen Adelsduma betrachten und als ein An zeichen dafür, daß, wenn es der Regierung nicht gelang, selbst in den Kreisen der jetzigen reaktionären Landschafter Hülfe zu finden, es ihr auch fortan unmöglich sein wird, ihre Kräfte zu erneuern, oder auf die Dauer sich über Wasser zu halten. Die Junkerelique hat sich als vollständig unfähig erwiesen, polittsch und parlamentarisch zu arbeiten. Bei den Wahlen wird diese Manifestation der geistigen Inferiorität des russischen Junkertums eine nicht geringe Rolle spielen. Bon der Agrarpolitik der Regierung.' In letzter Zeit veröffentlicht der offizielle.Regierungsbote'-eine ganze Reihe in Tönen höchsten TriunipheS gehaltene Berichte über die Tätigkeit der bureaukratifchen Agrarkommifsionen, denen nach den Absichten der Regierung die Pflicht obliegt, Hand in Hand mit der Bauernbank die Agrarfrage auf dem Lande zu lösen einerseits durch Vermehrung des bäuerlichen Grundbesitzes. was durch Vermittelung und Vewerkstelligung von Bodew Verkäufen seitens der Grundbesitzer an die landarmen Bauern zu erfolgen hat, andererseits durch Förderung der persönlichen Bodew besttzreform, d. h. durch Verkauf des Bodens nur an einzelne Personen zur individuellen Wirtschaftsführung, nicht aber an ganze Gemeinden oder Genossenschaften. Dies die Absichten der Regierung, so wie sie in dem die Einsetzung der Kommissionen begleitenden Erlaß nieder- gelegt find. Die nunmehr vomRegierungsboten" veröffentlichten Berichte bieten einiges Material zur Beurteilung dessen, inwiefern die Kommissionen den ihnen gestellten Aufgaben gerecht werden. Von Anfang Juli an dem Zeitpunkte, zu dem die Berichte zu erscheinen begannen haben die Kommissionen insgesamt 275 000 Dessjätinen Bodenliquidiert", wobei durchaus im unklaren bleibt, was unter dieserLiquidation" zu verstehen ist: ob die tat« sächlich bewerkstelligten Verkäufe oder nur die eingelaufenen An bezw. Verkaufs g e s u ch e. Aber selbst wenn man den günstigeren ersten Fall annimmt, so sind doch die 295 000 Dessjätinen nur ein Tropfen auf den heißen Stein des vorhandenen Bodenmangels, der nach den allerbescheidensten Berechnungen für daS europäische Ruß land allein zirka 20 Mill. Dess. beträgt I Es bedürste somit bei diesem Schneckentempo eines Zeitraumes von 20 Jahren, um den Mißstand zu beseitigen; dabei wäre aber nicht einmal der natürliche Bevölkerungszuwachs berücksichtigt. Bietet also der auf Beseitigung des Bodenmangels gerichtete Teil der Kommissionstätigkeit recht wenig Anlaß zum Triumph gefchrei, so sieht es mit der Förderung der persönlichen Bodenbesitz form recht kläglich aus; denn es geht aus den Berichten mit dankenswerter Klarheit hervor, daß der Bodenverkauf an Einzel Personen nur dort in ausgiebigem Maße stattgefunden hat, wo diese Eigentumsform ohnehin eingebürgert ist, vor allem in Süd- und fälschlich,»Südwestrußland. So waren z. B. im Gouvernement Wolhynien 94 Proz. allerLiquidationen" Einzelverkäufe, im Gouvernement Podolien 92 Proz., in Kleinrußland bereits weniger, nämlich 50 bis 75 Proz. In denjenigen Gouvernements aber, wo der Gemeindebesitz noch vorherrscht, in Zentkalrußland, in den Gonvernements Ssaratow. Tambow , Woronesch u. a. ist die Zahl der Einzelverkäufe so gering, daß die Berichte sich darüber einfach ausschweigen. Zu bemerken ist ferner, daß die per fön« liche Eigentumsform den kaufenden Bauern oft direkt auf- gezwungen wurde durch Erhöhung der Bodenpreise um 30 bis 40 bis 50 Rubel für die Gemeinden und durch Erschwerung der Beihülfe der Bauenibank.... Ein besonderes Licht auf die Tätigkeit der Kommissionen wirst aber der Umstand, daß selbst die geringe von ihnen bewirkte Ver« mehrung des bäuerlichen Grundbesitzes in einer großen Anzahl von Fällen keine dauernde ist I In den Berichten der Koinmissionen findet man zwar natürlich keine Hinweise darauf, wohl aber in den Berichten der Bauernbank, mit deren Hülfe durch Vorschüsse, Darlehen usw. die meisten Verkäufe stattfinden. In einer nicht unbedeutenden Anzahl von Fällen wird den Bauern der unlängst erst gekaufte Boden von der Bank wieder abgenommen und versteigert, da die Bauern den im Kaufvertrag übernommenen Ver« pflichtungen nicht nachkommen! So versteigerte z. B. die Filiale der Bank in Smolensk 327 Parzellen mit ö4>/z Tausend Dessjätinen Bodenfläche, im Gouvernement Pensa 70 000 Dessjätinen, in dem einen Kreise Jeletz(Gouvernement Orel) 10000 Dessjätinen usw. 44,7 Rubel pro Deffjätin 91,0» 127,0. 139,7. Die Ursache dieser abnormen Erscheinung zu ergründen, kann nicht schwer fallen, wenn mau die von der Bank betriebenen Boden- Preissteigerungen in Betracht zieht. Die durchschnittlichen Boden- preise der Bauernbank betrugen(nach den hauptsächlichsten Perioden ihrer Tätigkeit): Von 1883 bis 1895.. 1893 3./XI. 1905 Von 3./XI. 1905, l./L 1907 , l./I. 1907, 1./V1L 1907 Somst entfällt auf die letzten 20 Monate die Periode der energischen Tätigkeit der Bank und der Kommissionen eine Preis­steigerung von zirka 50 Proz. Diese künstlich gesteigerten Boden- preise stehen aber in keinem Verhältnis zur Rentabilität des BodenS und die Differenz müßte daher der Bauer aus eigener Tasche an die Bank auszahlen; das zu tun. ist jedoch gerade der bodenanne, wirtschaftlich schwache Bauer nicht imstande und er sieht sich schließ- lich gezwungen, den gekauften Boden trotz der geleisteten Anzahlung aufzugeben. Es sind auf diese Weise nur die kapitalkräftigere Bauernschicht, die aufstrebende dörfische Bourgeoisie imstande, an dem gekauften Boden zäh festzuhalten. Die Ursache der Unwirksamkeit der KommissionS- und Bauern- banklätigkeit liegt aber nicht nur in dem Mißverhältnis zwischen dem wirklich vorhandenen Uebel und den zu seiner Bekämpfung vorgeschlagenen Palliativmittelchen, sondern auch in der Absicht. in der diese Tätigkeit von der Regierung geleitet wird: der Verkauf von Boden an die Bauern ist für sie nur ein V o r w a n d. um ihrem guten Freunde, dem zarentreuen Adel, die verschuldeten Güter zu hohen Preisen abzukaufen und die Last dieser Preise nachher auf den Bauen» abzuwälzen. Die rege Ankaufstätigkeit der Bauernbank in der letzten Zeit steht daher in unmittelbarem Zusammenhange mit der ökonomischen Krise, in der sich jetzt der feudale adlige Grundbesitz befindet. Internationaler Uiergarbeiterkongreß. Salzburg , 17. September. (Privattelegramm.) In der heutigen Vormittagssitzung des Bergarbeiterkongresses waren die Beratungen vorwiegend der Frage der Einführung des Achtstundentages im Bergbaubetriebe gewidmet. Diesbezüglich lagen mehrere Resolutionsanträge vor. Der englische Delegierte Fred H a l erstattete Bericht über die Achtstundenbewegung in Eng- land und führte hierzu aus. daß das englische Parlament sich erst vor kurzem zugunsten dieser Bestrebungen ausgesprochen habe. Die Regierung wolle jedoch dieser Vorlage mancherlei Klauseln an- hängen, mit denen die Arbeiter nicht einverstanden sind. Die Bergarbeiter Englands haben 20 Jahre für dieses Prinzip gekämpft und werden gegen jedes Zugeständnis an d,e Bergwerksbesitzer, welche eine schrankenlose Vermehrung der Ueberstunden fordern» auftreten. Der englische Parlamentarier Whitefil sprach sich gleich- falls gegen die Vermehrung der Ueberstunden aus und sagte dann: Die Bergwerksarbeiter aller Länder haben die Macht, ihre Forde. rungen durchzusetzen, denn sie sind im Falle eines Krieges in der Lage, durch Arbeitseinstellung die Kriegs- sührung zu vereiteln. Die Arbeiter werden es sich wohl m Zukunft auch überlegen, ob sie es den regierenden Klassen er- möglichen sollen, einen Krieg im eigenen Interesse zu führen. In diesem Falle wäre eS am besten, wenn die Bergarbeiter der ganzen Welt anfstünden und einfach sagten: Wir werden keine Kohlen liefern und eS Euch derart unmöglich machen, einen Krieg zu führen! C a v r o t- Belgien teilte mit, daß in Belgien noch eine elf« bis dreizehnstündige Arbeitszeit bestehe. Seit einem Jahre jedoch habe sich die öffentliche Meinung zugunsten einer Verkürzung der Arbeitszeit der Bergarbeiter ausgesprochen. ES wäre hoch an der teit, daß die internationalen Organisationen einheitlich für die inführung des Achtstundentages eintreten. G o n i a u x- Frankreich versicherte, daß die französischen Berg» arbeiter bemüht sein werden, die Kommisston, welche zur Prüfung dieser Frage eingesetzt wurde, zu zwingen, die Gesetzesvorlage end- lich der Kammer zu unterbreiten. Mendt- Deutschland beschuldigte die Zentrumspartei , daß sie die den Bergarbeitern gegebenen Versprechungen nicht gehalten habe. Die deutschen Bergarbeitergesetze seien vollkommen unzu- länglich und die Schaffung eines Reichsgesetzes unbedingt not. wendig. Der Vertreter der österreichischen Union, Ebert, berichtete über den Stand der Frage in Oesterreich , und sagte, daß die Berg- arbeiter auch hier gegen das Bestreben der Unternehmer, die Ueber» stunden zu vermehren, harte Kämpfe führen müssen. In Oester- reich bedürfe auch die Frage der Frauenarbeit einer gründ- liehen Regelung, da hier 6000 Frauen in Kohlengewerken be» schäftigt sind. Der Kongreß nahm sodann mehrere Resolutionen an, und zwar zunächst eine von der Föderation Großbritanniens beantragte folgenden Inhaltes: Dieser Kongreß ist der Ansicht, daß die Zeit nun gekommen sei, um größere Fortschritte zu machen in der Erringung deS Achtstundentages in Bergwerken(einschließlich Ein- und AuS- fahrt). Wir verpflichten uns deshalb, alle unsere Kräfte anzu- strengem um diese Frage mit größerer Wucht den Parlamenten der auf diesem Kongreß vertretenen Nationen aufzudrängen, bis daß der Achtstundentag Gesetz wird. Auf Antrag von Belgien und Frankreich wurde weiter be- schloffen: Die Arbeitsstunden in den Bergwerken dürfen nicht 8 pro Tag überschreiten und diese Stundenzahl mutz noch weiter re- duziert werden in Bergwerken, in welchen schlagende Wetter, hohe Temperatur oder feuchte Atmosphäre herrschen. Endlich gelangte auf Antrag von Deutschland und Oesterreich ' folgende Resolution zur Annahme: Durch die Landesgesetze ist die Schichtzeit für alle Arbeiter in der Bergwerksindustrie auf höchstens 8 Stunden zu beschränken. In den unterirdischen Betrieben ist bei hoher Temperatur nur eine höchstens sechsstündige Arbeitszeit zu gestatten. In der Nachmittagssitzung kam es aus Anlaß der Bericht- erftattung über die Prüfung der Delegiertenmandate zu einer intereffanten Debatte über die Zulassung der außerhalb der sozial- demokratischen Verbände stehenden Organisationen zu dem Kongreß. Den Berichten ist zu entnehmen, daß die englische Gruppe durch 60 Delegierte für 916 043 Arbeiter vertreten ist, während in Eng. land überhaupt 1 263 900 Bergarbeiter beschäftigt seien. Am stärksten find die Distrikte Dorkshire mit 75 000, Laneashire mit 60 000, Südwales mit 117 000, Schottland mit 60 000 und Durham mit 95 000 Arbeitern vertreten. 375 525 Bergarbeiter in den Ver- einigten Staaten sind durch zwei Delegierte vertreten; ferner Belgien , 139 000 Arbeiter, hiervon organisiert 65 000, durch zehn Delegierte; Frankreich , 182 000 Bergarbeiter, hiervon organisiert 30 000, durch 6 Delegierte; Oesterreich (135 000 Bergarbeiter, or- ganisiert 33 000) durch 19 Delegierte; Deutschland hat vier Gruppen zum Kongreß entsendet: der Verband der Bergarbeiter(102 000 organisiert), der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter(77 000), die polnische Berufsvereinigung(28 000), der Gewerkverein deutscher Arbeiter(2000). Die.Gesamtzahl der deutschen Berg- arbeiter beträgt 689 000.» An die Bekanntgabe der Ziffern knüpfte sich eine Debatte über die Zulassung der letztgenannten drei Gruppen.