Darüber mag sich Herr v. Lieber't mit der preüßijchen Re- giernug und den Gönnern des Reichsverbandes' aus- einandersetzen. Jedenfalls hat Herr v. Liebert recht, wenn er sich selbst für einen„völlig unabhängigen Politiker" erklärt; wenigstens haben wir noch keinen Generalleutnant z. D. gesunden, der in ähnlicher Vorurteils- loser Weise die preußische Politik seit Friedrich II. charakterisiert hätte. Herr v. Liebert sollte häusiger derartige schöne politisch- historische Artikel im„Tag" veröffentlichen. igSix werden vielleicht manches daraus brauchen können.---- Marokko . Spanisch -französische Differenzen. Paris , IS. September. Der„Eclair" versichert, daß zwischen Frankreich und Spanien sehr erhebliche Differenzen wegen der Besetzung Tangers bestehen, da Spanien unbedingt seme führende Stellung erhalten und behaupten wolle. Infolge dieser Meinungsverschiedenheiten habe sich auch die Entsendung der Polizei nach Tanger und den anderen marokkanischen Häfen ver- zögert. Mobilisierung des Mittelmeergeschwaders. Paris , IS. September. Marineminister Thomson ordnete an, daß die Arbeiten an sämtlichen Panzerschiffen des Mittel meergeschwaders nach Möglichkeit be- sch leunigt werden sollen; die Linienschiffe„Patrie", „Bouvet",„Souffren" und„Gaulois" sowie der Panzerkreuzer «Victor Hugo " sollen schon im Laufe des Oktobers dienstbereit sein. Fortschritte deS Gcgensultans. Tanger , 18. September. Der Gouverneur der Provinz S u s gab, wie gemeldet wird, seine Tochter Mulah Hafid zur Frau, wodurch eine enge Verbindung zwischen Mulay Hafid und der großen Südprovinz hergestellt wird. Mulay Hafid befestigt seine Macht im Süden und scheint das Ver- halten der Nordstämnre abwarten zu wollen. potttiscbe Cleberllcht. Berlin , den 19. September 1907. Die Wallfahrt nach Norderney . Nach den Kaempf, Schräder und P a h e r und anderen sind nunmehr auf Einladung des Reichskanzlers die Agrarier Dr. Nösicke, Wangenheim und O e r t e l nach Norderney gewallfahrtet. Der Freisinn hat seine Bc- dingungen gestellt, nunmehr sollen auch die Vertreter des nationalen Schweins ihren Segen zur Paarung von Agrarier- tum und Börse geben. Das kann für sie ja auch nicht schwer fallen, hat doch die freisinnige Visite in Norderney schon den Erfolg gehabt, daß der Parteitag der Freisinnigen Volkspartci über den Berliner Antrag, dem Brotwucher durch Suspendierung der Zölle entgegenzutreten. zur Tages- o r d n u n g übergegangen ist. Auch die demokratische Wahlreform ist preisgegeben worden; der Freisinn tvill sich mit einer F l i ck r e f o r m begnügen, die das Klassenwahlrecht konserviert! Trotzdem werden die Agrarier dem Fürsten Bülow zu verstehen geben, daß er ihnen„sonst was" könne, wenn er nicht noch weiteres Wasser in den Musbacher des„Libera- lismus" gieße I Und der Freisinn wird auch noch zu weiteren Konzessionen bereit sein, wenn nur der B ö r s e ein paar Er- lcichterungen verschafft werden!— Eine törichte Ausrede leistet sich die„Freisinnige Zeitung". Wir hatten dem Freisinn vorgeworfen, daß er seine Busch-P arade ä la Würzburg perfiderweise— durch Massenaufgebot von Einschläferungs- rcdnern und Abmachungen mit dem Lokalinhaber— so arrangiert hätte, daß die W ä h l e r selbst unmöglich zum Wort kommen konnten. Was sagt nun dagegen die„Freisinnige Zeitung"? Man höre: „Ganz lächerlich ist es, wenn der„Vorwärts" die Verän- staltcr der Versammlung deshalb angreift, weil sie sie erst um 12 Uhr beginnen und schon um enden ließen. Ganz abge- sehen davon, daß die Zeit von drei Stunden für den mit der Versammlung verbundenen Zweck ganz und gar ausreichte, waren die Veranstalter auch gezwungen, sich auf diese Stunden zu beschränken; einem Ansang vor 12 Uhr stand das Verbot der Polizei, einem Tagen nach 3 Uhr die ausdrück- liche Anordnung des Besitzers des Zirkus gegen- über. Wie unter diesen Umständen die Versammlung, selbst wenn man es gewollt hätte, verlängert werden konnte, darüber muß uns erst der„Vorwärts" aufklären." Unsere Aufklärung ist sehr einfach. Die Versammlungsein- berufer hätten erstens nicht neun Referenten vorschicken und durch sie die armen Besucher in Grund und Boden reden lassen, unt� zweitens kein solches Abkommen mit dem Be- sitzer treffen sollen? Denn da der ZirkuS Busch seine erste Vor- stellung erst heute, Dannerstag, gibt, hätte er doch leicht sein Lokal auch noch auf ein bis zwei Stunden hergeben können. Aber dem Freisinn war ja nichts willkommener, als die„ausdrück- liche Anordnung", um 3 Uhr Schluß eintreten zu lassen!— Klerikale und„nationale" Knltur. DaS ultramontane„Schroben hauser Wochenblatt" bringt zu einem Fest folgende Reliquien in empfehlende Er- imterung: 5. Eine große silberne Monstranz. Darin ist folgendes Heiligtum: Von dem wahren, rose n färben«» Blut, das unserem lieben Herrn Jesu Christo aus seiner heiligen Seite am Stamm des heiligen Kreuzes geronnen ist... 7.... von dem Erdreich, darauf die Jungfrau Maria den Heiligmacher Jesum geboren hat; von dem Steine, worauf unser Herr und Heiland gebetet hat; von einer Windel, darin Jesus , unser Herr, gelegen ist; vom hl. N eine diu S. der ein Graf von Tauern und mit den Stiftern unseres Gotteshauses verwandt gewesen ist, ein F i n g e r. auch eine Armröhre und sonst zwei Stücke von ihm. Ebenso von dem Haare der Maria Magdalena ; auch ist in dieser Monstranz ein großes Stück von dem Rock der Mutter Gottes.... 17. Sankt Petrus' Bild. In diesem Bilde sind Heiligtümer: Erstens von dem hl. Petrus, Apostels, ein Zahn; ferner von seinem Leibe vier Stücke; von seiner Bahre ein Stück; von seinem Kreuze ein Stück und von dem hl. Papst Leo ein Stück.... 21.... Vom hl. ErHardt ein s ch ö n e s B e i n l e i n.... 24. Sankt Matthias Bild. Hierin ist Heiligtum: Bon dem Apostel Matthias zwei Stücke. Von dem brennenden Busch des Moses zwei Stücke. Die„Tägliche Rundschau" druckt dieses Dokument„aus dem dunkelsten Deutschland " hohnvoll ab. Gerade dies Blatt der „Gebildeten" hat freilich am wenigsten Anlaß dazu. Hat es doch erst vor einigen Tagen als Dokument patriotischer Be- geisterung den Brief eines übergeschnappten Backfisches ab- gedruckt, der in geradezu ekelhafter Weise den Byzantinismus un- freiwillig parodierte. Die Kronprinzenschwärmerei konnte nicht nur an Läppischkeit, sondern auch an süßlich sexueller Ueberhitzung mit dem Verwegensten konkurrieren, was je in sinnlich überreiztem Marienkult ein fieberkrankes Schwärmerhirn hervorgebracht hat! Anerkennenswerte Selbsterkenntnis. Die trotz aller Reklamekünste an zunehmendem Abonnenten- schwund kränkelnde„Staatsbürger-Zeitung" leistet sich in ihrer heuttgen Nummer folgende unfreiwillig-humoristische Abonnements- Einladung: Ich lese Ihr Blatt gerne. So schreiben unS vcrehrliche Leser und bemerken dazu: Ich lese es täglich im Lokal oder beim Nachbarn. Damit führen sich verschiedene Leute bei uns ein, wenn sie eine Aus- kunft oder dergleichen Gefälligkeit von uns haben wollen. Da wir höfliche Menschen sind, tun wir ihnen Bescheid, müssen aber künftig beifügen: Ihre Versicherung, daß Sie unser Blatt gerne und täglich lesen, nützt uns gar nichts. Abonnieren sollen Sie die Zeitung, denn nur Abonnenten haben das Recht, unsere Gefälligkeit in Anspruch zu nehmen. Ob Sie das Blatt immer bei anderen Leuten lesen, ist für uns nicht von Belang und kein Zeichen Ihres Wohlwollens für unsere Zeitung. Wenn Sie aber das Blatt abonnieren, brauchen Sie es gar nicht zu lesen und können doch darauf rechnen, daß wir stets bereit sind, Ihren Anliegen zu entsprechen. Mit aller Hochachtung ergcbenst „Staatsbürger-Zeitung". Also nur abonnieren sollen die„verehrlicheu Leser" die „Staatsbürger-Zeitung"; daran, daß ihre schriftstellerischen Leistungen auch gelesen werden, liegt der Redaktton„ g a r nichts". Wohl selten hat eine Redaktion den Wert ihrer geistigen Produkttonskraft richtiger eingeschätzt, als in diesem Falle das Antisemitenblatt. Nur meinen wir, wenn die Redaktton selbst ihre geistige Tättgkeit so richttg beurteilt, dann sollte sie doch diese einstellen und dafür sorgen, daß das von ihrem Verlag bedruckte Papier nicht in der Form einer Zeitung, sondern direkt seinem natürlichen Zwecke entgegen- geführt wird.— Eisenbahnerträge. Während der Juli den preußisch-hessischen StaatSeisenbahnen im Vergleich zum Julimonat des vorigen Jahres einen Einnahme- ausfall von VA Millionen Mark gebracht hat, lieferte der August dieses Jahres gegenüber dem Vorjahre eine Mehreinnahme von insgesamt 12, g Millionen Mark, wovon 4,2 Millionen Mark auf den Personenverkehr, 7,3 Millionen Mark auf den Güterverkehr und 1,4 Millionen Mark auf sonstige Einnahmen kommen. Wie von der„Nordd. Allgem. Ztg." hierzu ausgeführt wird, könnte die Mehreinnahme des August aus dem Personenverkehr für den Fernerstchenden angesichts der Mindereinnahmen im Juni und Juli überraschend fem, zumal darin ein Ausfall von etwa 0,7 Mit- lionen Mark enthalten ist, der sich rechnungsmäßig aus der Per- soncntarifreform ergibt. Es ist indes früher bereits auf die Ver« schiebungen hingewiesen worden, die sich zwischen den einzelnen Monaten durch den Fortfall der Rückfahrkarten er- geben. Der August bildet für einen großen Teil des Landes den Schluß der im Juni und Juli angetretenen Ferienreisen, die früher fast ausschließlich auf Rückfahrkarten(zusammenstellbare Rundreisehefte und dergl.) zurückgelegt wurden. Der Betrag für die Rückreise floß im Vorjahre noch den Monaten zu, in denen die Fahrkarten für die Hinfahrt gelöst waren, also dem Juni und Juli; in diesem Jahre dagegen gelangen sie erst im August in die Staats- kasse. Diesem entgehen dafür natürlich die Einnahmen für die Rückfahrt aus den Rückfahrkarten, die im Vorjahre im August ge- löst sind, und man würde für einen gewöhnlichen Monat wohl an- nehmen können, daß sich Zuwachs und Abgang annähernd aus- gleichen werden. Für den Monat August aber trifft das aus den angegebenen Gründen offensichtlich nicht zu. Die Wirkung dieser Verhältnisse ist anscheinend noch dadurch verschärft worden, daß im Vorjahre mit dem 1. August die Fahrkartensteuer zur Einführung gelangte, wegen deren manch» ihre Fahrkarten noch im Juli ge- kauft haben locrden, während in diesem Jahre umgekehrt viele durch das schlechte Wetter des Juni und Juli veranlaßt sein werden, ihre Erholungsreisen soweit wie möglich hinauszu- schieben.—_ Brutal ehrlich. Eine selten zu beobachtende Ehrlichkeit legte der Amtsvorsteher in Oswitz bei Breslau an den Tag. Er schickte dem Gastwirt Knabe, der nach langem Widerstreben seinen Saal auch den Arbeitern zur Verfügung gestellt hatte, folgepden offenherzigen Schreibebrief: Oswitz, den 17. September 1907. Amt Oswitz Nr. O. 1293. An Herrn Nestaurateur Knabe in Oswitz. Nachdem Sie Ihr Lokal zum offiziellen Parteilokal der revolutionärc» Partei hergegeben und feine Benutzung zu öffent- lichen sozialdemokratischen Versammlungen freigestellt haben, befürchte ich, daß durch den stärker werdenden Besuch Ihres Lokals seitens der Mitglieder der Sozialdemokratie es zu Rcibrrcir» und Unverträglichkeiten zwischen diesen und dem bis- herigen bürgerlichen Publikum Ihres Lokales kommen wird. wie solche sich erfahrungsgemäß(Ij am leichtesten bei Gelegenheit öffentlicher Tanzmusiken ereignen. Da somit eine Störung der öffentlichen Ruhe. Sicherheit und Ordnung zu befürchten ist, halte ich Ihr Lokal zur Abhaltung von öffentlichen Tanzvergnügen zur Zeil für nicht geeignet. Ich widerrufe daher die Ihnen für den laufenden Monat bereits erteilten Tanzcrl.nibnissc aus obigen Gründen und erkläre Ihnen, daß ich bis auf weiteres eine Er- laubnis zur Abhaltung von öffentliche» Lustbarkeiten in Ihrem Lokal nicht erteilen werde. Aus gleichem Grunde mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Sie die gesetzliche Polizeistunde(10 Uhr abends) genau inne- zuhalten haben. Der Aintsvorstehcr. Dr. Guradze. Das Schreiben sticht wohltuend von denen anderer Behörden ab. Gewöhnlich werden ähnliche Gewaltmaßregeln mit allerlei faden- schemigen Gründen zu rechtfertigen versucht. Damit nur ja niemand im unklaren darüber blieb, daß die Maßnahme des Amtsvorstehers tatsächlich eine Gcwaltmaßnahme sei, postierte er den ganzen Tag zwei Gendarmen vor daS Lokal des Saalbesitzers. Erreichen wird der Mann voraussichtlich nichts. Da Oswitz ein sehr beliebter Ausflugsort, von Breslau nur dreiviertel Stunden ent- fernt und durch die Straßenbahn für 10 Pf. zu erreiche» ist, werden die Breslauer Arbeiter dem Wirt das Rückgrat steifen. Bestrafte Ordnungsrettcrei. Die preußische Justiz arbeitet langsam, aber sicher. Hatte da am 25. Januar d. I., dem Tage der Reichstagswahl, ein schlichter Arbeiter in der BrunSschen Gastwirtschaft in Eckerde, Kreis Linden, nachdem er zuvor den Eigentümer um Erlaubnis gefragt, auf einen Tisch neben den dort befindlichen bürgerlichen Stimmzetteln mehrere sozialdemokratische gelegt. Bald darauf tritt der Wahl- und Gemeindevorsteher Herr v. Heimburg aus dem Wahllokal in die Gaststube, ergreift voll nionarchischen Ingrimms die sozialdemokra- ttschen Stimmzettel, z e r r e i ß t sie und wirft sie in den Ofen mit den Worten:„So wird'S gemacht!" Der sozialdemokratische Wahllciter für den S. hannoverschen Wahlkreis, Genosse Stein, Limmer, erstattete wegen dieser heraus- fordernden Gesetzcsverletzung Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Hannover . Der Erste Slaatsanwalt lehnte indessen ein Einschreiten ab. DaS klassische Schreiben lautet: „Auf die Anzeige vom 21. März 1307 gegen den Gemeinde- Vorsteher v. Heimburg in Eckerde wegen Sachbeschädigung: Ich bin nicht in der Lage, die öffentliche Klage zu erheben, da nicht ersichtlich ist, daß Sie der Eigentümer der v. Heimburg zerrissenen Wahlzettel waren, oder daß Sie sonst zur Stellung des Sttafanttages berechtigt wären. Es kann daher unerörtert bleiben, welche rechtliche Bedeutung dem Umstände zuzumessen ist, daß die Wahlzettel zum all- gemeinen Gebrauch auf den Tisch der Brunsschen Gastwirtschaft in Eckerde gelegt wurden." Aus seine Beschwerde bei.der Oberstaatsanwaltschaft in Celle erhielt Genosse Stein unterm 11. Juni folgenden Bescheid: „Ich habe den Ersten Staatsanwalt in Hannover ersucht, weitere Ermittelungen zu veranstalten und Sie von neuem zu bescheiden, falls er wiederum zur Einstellung des Verfahrens ge- langen sollte. In Verttetung: (Name unleserlich.)" Unterm 27. Juli ftagte St. bei der Staatsanwaltschaft in Hannover an, wie weit die v. Heimburgsche Angelegenheit gediehen sei. Hierauf antwortete der Amtsanwalt in Wennigsen , daß er „gegen den Gemeindevorsteher v. Heimburg die öffentliche Klage wegen Sachbeschädigung erhoben und das Hauptverfahren bereits eröffnet habe". Dieser Tage fand nun bor dem dortigen Amtsgericht die Ver- Handlung statt. Der angeklagte Edle führte zu seiner Verteidigung aus, daß er von mehreren Gemeindemitgliedern gebeten worden sei, doch zu verhindern, daß so viele verhetzende sozialdemokrattsche Flugblätter an die Dorfbewohner verteilt würden; er habe sich infolgedessen in erregter Stimmung befunden und in dieser die Tat verübt. Der Amtsanwatt beanttagt 10 M. Geldstrafe als angemessene Sühne. DaS Urteil lautete auf fünf Mark Geldstrafe eventuell ein Tag Gefängnis. Be- gründend wurde ausgeführt, Herr v. Heimburg fei sich der Straf- barkeit feines Vorgehens sehr wohl bewußt gewesen. Weder als Gemeinde-, noch als Wahlvorsteher habe er zu der erfolgten Beseitigung der sozialdemokrptischeu Sttmmzettel ein Recht gehabt, durch ivelches Vorgehen er d i e Wähler, die den sozialdemokratischen Kandidaten wählen wollten, der Möglichkeit beraubte, in diesem Sinne ihr Wahl- recht auszuüben. Bekanntlich ist der Genosse Klübescheid aus Mücken- berg, der bürgerliche Stimmzettel beseitigt hatte, wegen der dabei gezeigten„niederen Gesinnung" vom Schöffengericht zu Elsterwerda zu drei Tagen Gefängnis verurteilt worden. Eine abermalige Ovambo-Katastrophe? Wie den„Verl . Neuest. Nachr." vom 17. September aus Lissabon gemeldet wird, verzeichnen die dortigen Zeitungen „Paiz" und„Noticias de LiSboa" das Gerücht, daß die unter dem Befehl des Gouverneurs von Huilla, Hauptmann Ro?adas, stehende Expedition im Ovambolande durch die Kuamatas zurückge- warfen sei. Die offiziellen Organe„Jornal da Noite" und „Diario Jllustrado " bleiben jedoch dabei, daß die in das Ovambo- land entsandte Expedition durchaus genügende Mannschaften und reichliche Munition und Verpflegung besitze, um das zu erreichen, was sie beabsichtige; das Ausbleiben von Nachrichten er- kläre sich aus der Unterbrechung der Telegraphen- l i n i e. Die Unruhe in der Bevölkerung läßt sich jedoch dadurch nicht beschwichtigen, zumal bereits vor 10 und vor 3 Jahren portugiesische Expeditionen durch die Kuamatas, den kriegerischsten und tüchtigsten Ovambostamm, zum Rückzug gezwungen wurden. Die Schwierigkeiten eines Ovambofeldzugcs, der diesmal doch von Portugal im größten Maßstabe unternommen worden ist, sollten Deutschland ein warnendes Beispiel sein!— ßolland. Die Thronrede. Amsterdam , 17. Sept.(Eig. Skr.) � Am heutigen Dienstag wurden die Generalstaaten mit einer von der Königin verlesenen Thronrede eröffnet, in der die Friedenskonferenz mit ein paar kühlen Worten abgetan wird. Der allgemeine Zustand des Landes sowie der Kolonien wird bc- fricdigend genannt, wobei selbstverständlich der durchaus nicht bc- friedigende Zustand der Arbeiterklasse einfach übersehen ist. Eilig dagegen hat es diese sich„sozialgcsinnt" nennende Regierung — gleich ihren Vorgängerinnen— mit der Erweiterung der Küstenverteidigung und der Verstärkung der Herrschaft über Indien , so dem Militarismus und dem Imperialismus im Interesse des Kapitalismus dienend und Millionen über Millionen auf Kosten deS Volkes vergeudend. Die lange zugesagten Gesetzentwürfe betr. Arbeitervcrsicherung und zur Vermeidung von» Schiffsunfällen sollen„bald" eingereicht werden, und die übrigen angekündigten Entwürfe, die Sozial- gesctzgebung betreffend, sollen„in ihrer Vorbereitung weit fort- geschritten" sein.— Das langsame Tempo der Regierungstätigkcit auf diesem Gebiete läßt also für die Arbeiterklasse im bevor- stehenden Sitzungsjahre wenig erhoffen. Von der von der Ar- beiterschaft einstimmig verlangten gesetzlichen Arbeitszeit» Verkürzung spricht die Thronrede überhaupt kein Wort. Aber, wie auch immer das weitere Verhalten der Regierung und ihr Eifer in bczug auf die Sozialgesetzgebung sein wird, Hauptsache für die Arbeiterklasse bleibt der Kampf um das unbeschränkte allgemeine Wahlrecht. Die Absichten der Regierung über dieses werden in der Thronrede in folgendem recht zweideutigen Satze erwähnt:„Anträge zur Herbeiführung von Veränderungen im 3. und 4. Abschnitt der Verfassung werden sie(die Kammer»/ „demnächst" erreichen." Anscheinend ist also innerhalb einiger Wochen oder Monate der Entwurf zur Verfassungsänderung zu erwarten.— Italien . Antiklerikale Volksdemonstration. Rom , 17. September. (Eig. Bcr.) Am 20. September, dem Tage des Falles der weltlichen Herr» schaft der Päpste, wird das italienische Proletariat sich in allen Städten und Dörfern der Halbinsel zu antttlerikalen Massen- kundgebungen zusammenfinden. Die sozialistische Partei und die Konföderation der Arbeit haben schon vor Woche» ihre Mtgliedcr aufgefordert, die Organisation der Demonstration in die Hand zu nehmen nnd sie veröffentlichen jetzt eine von den Borstäudcu beider Organisationen unterzeichnetes Manifest. Dieses Manifest, das in allen Orten angeschlagen und in Hunderttausenden von Exemplaren als Flugblatt verbreitet wird, wiederholt zunächst die bekannten praktischen Reformforderungen und fährt dann fort: „Arbeiter! Als unversöhnlicher Feind jedes wissenschaftlichen, politischen und sozialen Fortschritts ist der Priester Euer Feind. Die Gelehrten, die das Licht deS Gedankens in die Finsternis der Unwissenheit tragen wollten, sind von dem Priester verfolgt worden; die Männer, die gegen Tyrannei und Fremdherrschaft ausstanden, fanden den Priester stets im Bunde mit Tyrannen und Zwing- herren, und wenn heute die Arbeiter mit gekreuzten Armen oder mit der Waffe des Wahlrechts gegen Ausbeutung und Bedruckung ankämpfen, so finden sie den Priester im Bunde mit Ausbeutern und Bedrückern. Von den ursprünglichen Ideen deS Christentums lehrt die Priesterschaft den Arbeiter nur den Geist der Selbstverlengmmg und der Ergebung, um so die Armen im Joche der Herrschenden zu halten. Die Kirche hat die Gottheit in den Dienst der Uugercchtig- keit und des Privilegs gestellt, um Macht und Reichtum zu erobern; sie hat dem freie» Gedanken das D o g m a entgegengesetzt, hat die Inquisition geschaffen. Scheiterhaufen errichtet, gegen Andersdenkende gewütet. Aber weder Dogma, noch Jnquisttton, noch Schelterhaufen,
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