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Lokal vereinen gesprochen Ijat. Genosse Ebert konnte natürlich ebensowenig wie im vorigen Jahre der Genosse Molkenbuhr wissen, daß die nach Hunderten zählenden Orte unseres Jndustriebezirkcs niemals ihre eigenen Lokalvercine gehabt haben, daß unsere Mit- glieder von jeher in den Kreisen Solingen , Remscheid , Lennep , Mettmann und Elberfeld zerstreut umher wohnten, daß diese Kreise für unsere Kollegen ganz Deutschland bedeuten, weil außer- halb derselben jede Arbeitsgelegenheit aufhört und daß es sich daher bei den Solinger Gewerkschaften von allem Anfang an um klassische Z e n t r a l verbände gehandelt hat. Es ist aber höchste Zeit, daß einmal mit dem fast allgemein außerhalb Solingens verbreiteten Irrtum aufgeräumt oder abe» unsere Behauptung widerlegt wird. Mit Parteigruß gez. RobertBöhmer. Sie tuiiilche Revolution. StolypinsNeutralität". Äahrend selbst den harmlosenKadetten" die Legalisierung ihrer Parteiorganisation verweigert wurde, ist jetzt wie der Russ. Korr." aus Petersburg berichtet wird der»Verband zur aktiven Bekämpfung der Revolution" re- gistriert worden. Bekanntlich wurde den Kadetten als Grund der Verweigerung angegeben, daß sie die Mittel und Wege, durch welche die Kadetten die bestehende(I) konstitutionelle Staatsordnung aufrechterhalten wollen, in ihren Statuten nicht klar erläutert hätten. Die Statuten desVerbandes zur aktiven Bekämpfung der Revolution" scheinen demgegenüber in ganz klaren Worten abgefaßt zu sein, und es bleibt nur die Frage, wozu die russische Regierung zu den Kriegs- und Feldgerichten greift, wenn sie die Ausübung ihrerBeruhigungstätigkeit" den Händen der niedrigsten Klasse der schwarzen Hundert anvertraut. Der weiße Terror ist jetzt, trotzdem Stolypin behauptet, daß im Landevollkommene Ruhe" herrsche, von der Regierung auf Umwegen sanktioniert. In den von der Behörde genehmigten Statuten des neuen Verbandes heißt es:Mitglieder desVer- bandes zur aktiven Bekämpfung der Revolution" können mit Aus- nähme von Juden alle russischen Bürger werden, welche anerkennen, daß in Rußland ein unbeschränkter Selbstherrscher(!) herrscht. Um die Jugend von revolutionären Ideen abzulenken, veranstaltet der Verband Uebungen im Turnen, Fechten und Schießen(I)." Die Ermordungen von Herzenstein und Jollos, die auf das Konto dieses Verbandes zu setzen sind, zeigen seine wirklichen Ziele sehr deutlich. Und ein solcher Verband wird von der»konstitutionellen",neutralen" Regierung Stolypins legalisiert. Die Kampforganisatione» derwahrhast russischen Leute". Die Ankunft und die erste Tätigkeit des neuen Stadthaupt- «tanns von Odessa , Nowizkij, dem der Minister Stolypin noch be- sondere Vorschriften und Instruktionen mit auf den Weg gegeben hat, übte auf denVerband wahrhaft russischer Leute" auch nicht den geringsten Einfluß aus, umsoweniger, als trotz der entsetzlichen Greueltaten und Judenmetzeleien, die in Odessa ausgeführt wurden. nur einige unwesentliche Verhaftungen vorgenommen worden sind. Schon sind die wahrhaft russischen Leute wiederum Herren der Situation, und sie hausen in Odessa nach Belieben weiter. Recht erfolgreich in ihrem Vorgehen sind die berüchtigten b e- sonderen Kampforganisationen desVerbandes wahrhaft russischer Leute". Diese Kampforganisationen werden in Petersburg formiert(zumeist kleine Gruppen von je zehn Mann, die sich vorwiegend aus Reservisten und den auf dem Kriegsschau- platze tätig gewesenen Soldaten rekrutieren) und von den Provinz. komitees des Verbandes derart verteilt, daß in jeder bereits be- stehenden Kampforganisation stets eine genügende Anzahl ge- eigneter Jnstruktoren und Leiter für den Fall einer aktiven Tätig. keit desVerbandes wahrhaft russischer Leute" vorhanden sind. AlS Sammelpunkt für diese Kampforganisationen dient vorläufig ein großes, in der Schukowskajastraße zu Petersburg gemietetes HauS, in dem ein russischer Oberst die Formierung der Kampf- organisationen vornimmt. Dieser Oberst, der gleichzeitig den TitelKommandeur aller Kampforganisationen des Verbandes wahrhaft russischer Leute" trägt, hat mit seinen Gehülfcn jetzt Tag und Nacht zu tun, da derVerband wahrhaft russischer Leute" jetzt verschiedentlich, in Odessa , Kiew usw., tüchtig bei derArbeit" ist. Die Zahl der Freiwilligen für diese Kampforganisationen wächst von Tag zu Tag, da ihnen viele Vergünstigungen, weit- gehende Zugeständnisse nebst einem Monatsgehalt von etwa 85 Rubeln zugesichert wird. Vorläufig haben die Frvwilligen dieser Kampforganisationen Privatwohnungen inne und erscheinen nur täglich in der Schukowskajastraße zur Entgegennahme der Anordnungen, beziehungsweise um sich truppweise nach der einen oder der anderen Stadt zu begeben. ES besteht aber die Absicht, besondere Kasetznen für diese Kampforganisationen zu er- richten! Wie man sieht, trifft derVerband wahrhaft russischer Leute" alle Vorbereitungen, um jeden Augenblick zu Pogromen gegen Juden und sonstigeinnere Feinde" gerüstet zu sein. Sie flilaten an der Blefthüfte fiord- amerikas. London , 17. September. (Eig. Ber.) In den westpazifischen Ländern ist der Haß gegen die asiafische Einwanderung zu einem mächtigen politischen Faktor geworden. Es bleibt sich dabei ganz gleich, ob die Länder zu den Vereinigten Staaten von Amerika oder zum britischen Reiche gehören; denn so- wohl in Kalifornien wie in Britisch-Kolumbia(Kanada ) werden Chinesen, Japaner und Hindu nicht geduldet. In allen diesen amerikanisch -britischen Staaten kamen in letzter Zeit feind» liche Demonstrafionen gegen die asiatischen Einwanderer vor. Sehnlichen Erscheinungen begegnet man in allen englischsprechenden neugegründeten Gemeinwesen. Erscheinungen, die meines Erachtens teils ökonomisch en, teils nationalistischen Ursachen ent- springen. Die Herabdrückung der Löhne, die Senkung der Lebens- Haltung, die die asiatische Einwanderung zeitweilig nach sich ziehen kann, spielt dabei sicherlich eine bedeutende Rolle. Aber sie ist nicht die einzige Ursache. Denn wäre sie die einzige Ursache, so müßte sich der Haß auch gegen Syrier, Araber und die osteuropäische Einwanderung richten. Wirsehen aber.daß diese Einwanderung, wennsie auchgleichfalls Beschränkungen unterworfen ist, doch zu keinen Konflikten führt. Die ökonomische Ursache kann also nicht die einzige sein. Die andere Ursache nun dürste wohl darin zu finden sein, daß staaten- gründende Nattonen, besonders aber englisch sprechende, einen starken Widerlvillen gegen Volkselemente haben, die nicht assimilierbar sind. Das Gefühl aber, daß Chinesen. Japaner und Hindu sich nicht assimilieren lassen, im Verein mit der Sorge, daß sie die Lebens- Haltung herabdrücken, führten zu den bedauerlichen Ausschreitungen und zu den engherzigen Einwanderungsgesetzen in Nordamerika , Australien und Südafrika . Indes, unsere Aufgabe ist hier nicht, die Ursachen dieser Er- scheinungen aufzudecken, sondern die Konflikte der asiattschen und nordamerikanischen Arbeiter an der westpazifischen Küste zu be- sprechen und ihre Wirkungen auf die äußere Politik der Vereinigten Staat« und des britischen Reiches zu berühren. Der Zeit nach ist zuerst Amerika zu behandeln, wo diese Konflikte bereits zu einer Verschiebung der Flotte nach dem Stillen Ozean geführt haben! Die Beschränkung und das Verbot der chinesischen Einwanderung kommen hier weniger in Betracht, da das chinesische Reich noch schwach ist und an eine Wiedervergeltung nicht denkt. Das nationale Gefühl ist dort erst im Entstehen begriffen, und es werden noch Jabre vergehen, ehe China zu einem positiven Faktor in der internattonalen Politik wird. Hinzu kommt noch die Tatsache, daß die Washingtoner Verwaltung jetzt alles tut, um die chinesische Regierung für sich zu gewinnen und sie gegen Japan zu verhetzen. Ebensowenig kommt die schlechte amerikanische Be­handlung der Hindus, die britische Untertanen sind, in Betracht. Vor zwei Wochen wurden in Billingham an der westpazifischen Küste 600 ostindische Arbeiter von Amerikanern mißhandelt. Die britische Regierung wird nichts Ernstes dagegen unternehmen, da die Hindus sogar in britischen Kolonien, wie Natal und Transvaal , nicht als Bürger betrachtet und unter Ausnahme- gesetze gestellt werden. Das Hauptinteresse konzentriert sich auf die Japaner. Japan hat ein starkes nationales Gefühl. Es steht international auf gleichem Fuße mit allenzivilisierten" Staaten. Es verlangt deshalb eine zivilisierte Behandlung für seine Bürger im Auslande. Es verlangt, daß seine inter - nationalen Verträge gewahrt werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben aber diesen Forderungen nicht gerecht werden können, da die Staaten an der westpazifischen Küste die Japaner ebenso behandeln wollen, wie sie die Chinesen und Hindu behandeln. Der Konflikt begann vor zwei Jahren in Kali- formen, also beim Abschluß des japanisch-russischen Krieges. Die Kalifornier verlangten den Ausschluß der Japaner aus den Ver- einigten Staaten. Die Agitatton wurde bis zum Herbst 1906 noch im Zügel gehalten, bis die Munizipalbehörden von San Francisco die japanischen Schüler aus den Unterrichtsanstalten für weiße Kinder ausschlössen und sie in dieSchule für Orientalen" verwiesen. Die japanische Regierung legte Protest ein und bezeichnete diese Maßregel als eine Verletzung der Vertrags- rechte, auf Grund welcher die Amerikaner in Japan und die Japaner in den Vereinigten Staaten Bewegungs- und Handelssteiheit ge- meßcn. In seiner Dezemberbotschast an den Kongreß nahm Präsi- dent Roosevelt bekanntlich Gelegenheit, eine Lobeshymne auf Japan anzustimmen und die Kalifornier zu einer zivilisierteren Behandlung der Japaner aufzufordern. Die Botschaft hat viel böses Blut an der westpazifischen Küste gemacht, und die Kalifornier setzten die Hetze gegen die Japaner fort. Die japanische Regierung bestand aber auf den Bertragsrechten und erklärte der Washingtoner Verwaltung:Kalifornien geht uns gar nichts an. Wir kennen nur die Regierung der Vereinigten Staaten , die die Pflicht hat, ihre Verträge zu wahren." Kalifornien berief sich indes auf feine souveränen Staatsrechte, in die die Regierung der Vereinigten Staaten nicht eingreifen dürfe: das Schulwesen sei Sache der einzelnen Staaten, aber nicht der Bundesregierung. In dieser Ver- legenheit berief Roosevelt die Vertreter der Munizipal- behörden San Franciscos zu einer Konferenz nach Washington . Das Resultat dieser Konferenz war: die Munizipalbehörde San FranciScoS gibt die antijapanische Schulpolitik auf; dafür aber soll das neue Einwanderungsgesetz die Einwanderung der japanischen Arbeiter verbieten, außer wenn sie mit einem japanischen Paß direkt nach den Vereinigten Staaten kommen. Letztere Bedingung bedarf der näheren Erklärung: Die meisten japanischen Arbeiter, die nach den Vereinigten Staaten kamen, waren schon vorher in Hawaii als Zuckerarbeiter beschäftigt gewesen, wohin sie unter Kontrakt gingen und wohin die Reisekosten sehr niedrig waren, da die Japaner von den Unter- nehmern für die Zuckerkultur dorthin gebracht wurden. Diese Ein- fuhr von Arbeitern ist bekanntlich in den Vereinigten Staaten un- gesetzlich, aber die kapitalistischenJnteressenstehenja üb er dem Gesetz. Hatten dann die japanischen Arbeiter etwas Geld gespart, so fuhren sie von Hawaii nach den Vereinigten Staaten , wo sie keinen Be- schränkungen unterlvorfen werden konnten, da sie aus einem amerikanischen Gebiete(Hawaii ) kamen. Nach dem neuen Gesetze sollte auch diese Einwanderung unmöglich gemacht werden, da nur direkt aus Japan und mit Pässen versehene japanische Arbeiter nach den Vereinigten Staaten einwandern durften, und direkt kamen nur wenige. Die Washingtoner Verwaltung wandte sich mit diesem Plane nach Tokio , von wo sie aber in kurzen Worten eine katego- rische Ablehnung erhielt. Es war jene Ablehnung, die Roosevelt im Juni veranlaßte, den berühmten Befehl zu geben, die amerika - nische Flotte nach dem Stillen Ozeanauf Manöver" zu schicken! Trotz aller Friedensversicherungen haben sich die japanisch- amerikanischen Beziehungen nicht gebessert. Diplomatisch macht jetzt die amerikanische Regierung in Peking große Anstrengungen, den japanischen Einfluß zu verdrängen.(In Peking spielen sich jetzt zwischen Amerika und Japan ähnliche Intrigen ab, wie früher in Söul zwischen Rußland und Japan .) Auch in London ist die amerikanische Diplomatte nicht untätig. Die Anleihe, die Japan zum Zwecke des Ausbaues des mandschurischen Bahnnetzes auf dem Londoner Geldmarkte im Juli aufnehmen wollte, jist nicht zu stände gekommen. Die antijapanische Agitatton in Kalifornien hat jetzt auch nach Britisch-Columbia übergegriffen. Man sagt, daß die Agi- tation dort von Amerikanern geleitet wurde. Sie wäre aber sicherlich nicht erfolgreich gewesen, wenn unter den Ar- beitern Kanadas nicht eine antiasiatische Stimmung vorhanden gewesen wäre. Infolge der Agitatton kam es vor etwa zehn Tagen in Vancouver , dem Hafen Brittsch-ColumbiaS oder richttger dem wichtigsten pazifischen Hafen Kanadas , zu heftigen blutigen Zusammenstößen zwischen britischen und japanischen Arbeitern, wobei aber die Behörden die Japaner schützten und sie zur Selbstverteidigung ermunterten. Ebenso korrekt war die Haltung der kanadischen Regierung, die sofort dem Vertreter Japans ihr Bedauern über das Vorgefallene aussprach. Auf Grund des englisch -japanischen Vertrages vom Jahre 1894, dem Kanada zustimmte, hatten sich die Kontrahenten ja gegenseittg Be­wegungs- und Handelsfreiheit tn ihren Ländern zugesichert. Die Konflikte in Vancouver kamen der kanadischen Regierung auch sonst sehr ungelegen, da sie jetzt gerade bemüht ist, die Handelsbeziehungen mit Japan und überhaupt mit dm ostjapanischen Häfen enger zu knüpfen. Fast gleichzeittg mit den Ereignissen in Vancouver kam eS in Billingham, auf dem benachbarten amerikanischen Gebiete. zu schlimmen Ausschreitungen der amerikanischen Arbeiter gegen 600 Hindu, die den Schutz der britischen Regierung anriefen und nach Britisch-Columbia flüchteten. Vorläufig hört man nichts von einem Eingreifen Englands zugunsten seiner indischen Untertanen. Die englischen Imperialisten schämen sich zwar, das wahre Wesen des Imperialismus aufdecken zu müssen und der Welt zu zeigen, daß es einzig und allein in der Ausbeutung schwacher Rassm be- steht, aber es wird nichts für die Unterdrückten geschehen. In unserer Gesellschaft gibt es eben nur ein einziges Verbrechen: Schwäche. Wer schwach ist, dem ist nicht zu helfen....«ber die Stellung Englands in Asien wird durch diese Ereignisse nicht verbessert werden. ßelchsverband, sächsische Hmtspresse und Vahlagltatlon. «cht Personen: Drucker, Verleger, Redakteure der sächsischen Amtspresse, nämlich vom Döbelner , Waldheimer, Nosscner und Roßweiner Amtsblatt» hatten Privatbeleidigungsklage gegen unseren Genossen Täte aus Hartha , den Vorsitzenden der Organi- sation des 19. sächsischen Reichtagswahlkreises, erhoben. Er soll sie durch ein Flugblatt, betitelt:Die Verleumder der Sozialdemokratie", beleidigt haben. Thate, der als Ver- leger verantwortlich gemacht worden war, hatte in dem Flugblatt von den schmutzigen Mitteln des Reichslügenverbandes gegen die Sozialdemokratie gesprochen. Und seine Vergiftung des öffentlichen Lebens habe fast die ganze sogenannteanständige" Presse mit- gemacht, vorneweg die Amtspresse.' Trotzdem habe diese Amtspresse, mit wenigen Ausnahmen, keine Entgegnung, Berichtigung, keine Inserate der angegriffenen und beschimpften Sozialdemokraten aufgenommen. Das Flugblatt demonstrierte diese Lügen 26 oculus und nahm sich dazu 8 bekannte Fälschungen vor: den Schwindel von denzweibeinigen Tieren", die Abstimmung gegen die Arbeiter- Versicherungsgesetze, das angebliche Strickezerschneiden sozial- demokratischer Arbeiter an Baugerüsten in Ingolstadt und Mann- heim, dieErpressung" von Partei- und Gcwerkschaftsbeiträgen durch dieFührer", damit die Angestellten und Redakteure gut leben können, daß Bebel auf dem Münchcner Parteitage vom bornierten Stand der Bauern und nicht der Agrarier gesprochen habe usw.... In der Verhandlung scheiterte zweimal ein Einigungsversuch, den der Vorsitzende angeregt hatte. Auf Befragen erklärte Thate: Die im Flugblatte geschilderte Tätigkeit von Reichsvcrband und Amtspresse habe ihn erregt. Am meisten aber das Alkoholflugblatt des Reichsverbandes, das nach einer bildlichen Darstellung des Alkoholverbrauches damit schließt, daß die Sozialdemokraten dieses belehrende Blatt aus guten Gründen nicht aushängen würden, denn was wäre die Sozialdemokratie ohne Wirtshaus und ohne Alkohol? Bei jeder Gelegenheit klären die Parteipresse sowie die Partei- und Gewerkschaftsagitatoren über d'ie unsere Bewegung hemmenden nachteiligen Wirkungen des Alkohols auf. Deshalb wäre diese Behauptung eine aus den Fingern gesogene Unwahr- heit. Vorsitzender: Wird behauptet, daß von der Amtspresse objektive Unwahrheiten oder Lügen verbreitet worden seien? Daß in der Presse objektive Unwahrheiten vorkommen können, ist doch sehr leicht möglich. Irren ist menschlich. Wenn aber vom Lügen und Verleumden gesprochen wird, dann ist das strafbar. Rechtsanwalt Harnisch- Chemnitz, Vertreter des Genossen Thate: Seit Jahren kehren diese Lügen wieder, trotzdem sie zum so und so dielten Male von der Sozialdemokratie als unwahr erwiesen sind. Darum fehlt dieser Behauptung der gute Glaube. Die Amtsblattredakteure brauchten nur einen Blick in das politische Tatsachenmaterial zu tun, um zu wissen, daß diese Behauptungen nicht wahr wären. Wir wollen den Wahrheitsbeweis antreten. Rechtsanw. Dr. Adler(Vertreter des Nebenklägers): Wir auch. Das Flugbltt des Reichsverbandes über den Alkohol bedauere ich lebhaft. Wenn so etwas Erbitte- rung und Empörung hervorruft, dann begreife ich das durchaus. Aber so wie hier, durfte sich die Erbitterung nicht zeigen. Nach längeren Auseinandersetzungen des Rechtsanwalts Harnisch meint der Vorsitzende: Ich bin überzeugt, daß das Flug- blatt der Amtsblattredakteure(diese hatten auf das vom Genossen Thate geantwortet) die Wahrung derechtiger Interessen in sich tragt. Rechtsanwalt Harnisch: Sollte das nicht auch im sozialdemo- kratischen Flugblatt der Fall sein? Vors.: Ich bezweifle das! Beim zweiten Verglerchsversuch macht der Vorsitzende den geg- nerischen Anwalt aufmerksam, daß daS Thatesche Flugblatt doch in der Erregung nach dem-Wahlkampfe geschrieben sei. E s i st d 0 ch sonst nicht üblich, daß in solchen politischen Sachen das Gerichtsverfahren eingeleitet wird!> Rechtsanwalt Harnisch stellt nunmehr eine Reihe von Beweisanträgen: Ein Fabrikant soll geladen werden, der be- zeugen soll, daß er in einem Telephongespräch sagte: Sa g e n S i e, daß morgen die russischen Studenten nach- beln kommen. Am nächsten Tage st and ta t s ä ch l i ch in der Amtspresse: Die russischen Studenten seien als Wahlhülfe für die Sozialdemokratie angekommen, das sei ein Skandal. Dann müßte Bebel und Singer geladen werden, um sich über die gegen sie und andere Führer der Sozialdemokratie verbreiteten Lügen auszulassen. Minister von Hohenthal soll bezeugen, daß die Re- gierung die Amtspresse die sie politisch beeinflusse angewiesen habe, weißes Papier für die bürgerlichen Parteien zur Verfügung zu halten und daß die Amtsblätter im amtlichen Teil Empfehlungen für dienationalen" Kandidaten zu bringen verpflichtet worden seien. Ueber die Lügen betreffend dieErpressung" von Bei- trägen durch die Sozialdemokratie sollen die Abgeordneten Legien und Robert Schmidt vernommen werden. Nach überraschend kurzer Beratung wurden alle diese Beweis- antrüge abgelehnt, weil man es nur mit dem Flugblatte Thates und nicht mit Dingen, die außerhalb dieses lägen, zu tun habe. In seinem Plaidoyer bezog sich Rechtsanwalt Dr. Adler auf Posadowsky dafür, daß die Sozialdemokratie alle Versicherungs­gesetze abgelehnt haben solle. Es stünden, meinte er. die Amts- blättcr seiner Klienten im Dienste keiner Partei, auch nicht im Dienste des RcichsverbandeS. Rechtsanwalt Dr. Harnisch ging noch einmal im einzelnen die Tätigkeit des Reichsverbandes im Wahlkampfe durch. Die Regierung habe die Amtspresse dazu be- nutzt, um ihre politische Meinung inS Publikum zu lancieren. Er habe den Beweis für die Lügen und dafür angeboten, daß die Amtsblätter nicht nur im amtlichen Teil gegen die Sozialdemo- kratie gekämpft, sondern auch Flugblätter des Reichsverbandes verteilt haben. Das haben ja die Privatkläger auch zugegeben. Nach kurzer Beratung lautete das Urteil: Thate wird zv 199 Mark Geldstrafe verurteilt. Die Privatkläger haben das Recht der Publikation in den genannten 4 Amtsblättern und derChem- nitzer Volksstimme". Die Privatklägcr hätten in gutem Glauben gehandelt, meint der Vorsitzende in seiner Urteilsbegründung. In der Widerklage Thates gegen einen der Widerklager. Seidel, wird Seidel freigesprochen. Zwar enthalte dessen Flugblatt gröbliche Wendungen, aber der Schutz des§ 193 stände Seidel zur Seite. Internationaler Bergarbeiterkongreß. Salzburg , 18. September. (Privattelegramm.): In seiner heutigen Sitzung trat der Bergarbeiterkongrcß in die Beratung der Frage der Versicherungsgesctze ein. Diesbezüglich verlangen die Delegierten aus Oesterreich und Deutschland , daß den Bergarbeitern im Wege der Gesetzgebung bei vorübergehender Ltrantheit oder dauernder Invalidität eine Rente gesichert werde, welche zur anständigen Lebensführung genügt, und daß gleichfalls eine Rente für die Hinterbliebenen verunglückter oder verstorbener Bergarbeiter gesetzlich festgelegt werde. Ein zweiter Antrag der Delegierten aus Frankreich und Belgien erklärt, daß für Unfälle in Bergwerken die Arbeitgeber verant- wortlich gemacht werden müssen. Jeder Arbeiter, dem ein Unfall zustößt, soll während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit den vollen Arbeitslohn als Entschädigung erhalten, bei Unfällen mit tödlichem Ausgange sei den Witwen und Waisen, letzteren biS zur Er- reichung des 16. Lebensjahres, eine zur angemessenen Lebensführung genügende Entschädigung zu bezahlen. Bergarbeiterstreik in England und Holland . Einige englische Delegierte sind im Laufe des heutigen TagcS abgereist, weil nach heute eingelangten Nachrichten der Aus- bruch eines Bergarbeitcrstreiks in England unmittelbar bevorsteht. Noch bevor die Kündigungsfrist zu Ende geht, wollen die Gewerk- schaftsfiihrer zum Zwecke der Intervention an Ort und Stelle lein.