teitS zum Abschluß gediehen. Kanada hat einer großen Zahl fran- zösischer Produkte den Mitteltarif bewilligt. Verhandlungen mit der Schweiz und Italien sollen in Aussicht stehen, so daß mit einer baldigen Ausdehnung des Mittcltarifs auch auf schweizerische und italienische Erzeugnisse gerechnet werden muß. Mit dem In- krafttretcn des Mitteltarifs verschärft sich die Differenzierung, der deutsche Waren im Vergleich zur übrigen, nicht englischen Konkur- renz auf dem kanadischen Markte unterliegen. Bei Fortdauer der gegenwärtigen Verhältnisse würden deutsche Waren nicht nur um den vollen Betrag der Zuschlagszölle, sondern außerdem noch um die Differenz zwischen Mittel- und Generaltarif schlechter gestellt sein. Eine solche verschärfte Differenzierung fällt allerdings Frankreich , der Schweiz und Italien gegenüber weniger ins Ge- wicht. Sehr bedenklich dagegen müßte sie wirken, wenn auch die amerikanische Union in den Genuß des Mitteltarifs gelangte. Amerika ist bekanntlich der bedeutendste und gefährlichste Konkurrent in Kanada . Im Gegen- saß zu allen übrigen englischen Kolonien steht in Kanada nicht das Mutterland, sondern Amerika an der Spitze der Einfuhr- länder. Es muß aber als durchaus wahrscheinlich betrachtet werden, daß es auch Amerika gelingen wird, seinem Export nach Kanada die Vorteile des Mitteltarifs zu sichern. Damit wäre eine weitere, hochbedenkliche Zurückdrängung des deutschen Exports in die Wege geleitet. Sie kann nur verhütet werden, wenn auch wir ein vertragsmäßiges Anrecht» auf den Mitteltarif erwerben, das uns wenigstens die Gleichstellung Amerika gegenüber garantieren würde. Die königliche Eisenvahndirektio» in Königsberg sendet uns folgende Erklärung: .Unter Bezugnahme auf den Artikel.Terrorismus der E i s e n b a h n v e r w a l t u n g" in der Nr. 164 Ihrer Zeitung vom 17. Juli d. I. ersuchen wir folgende Berichtigung aufzunehmen und uns ein Belagsexemplar zu übersenden. ES ist allerdings richtig, daß an einzelnen Tagen insbesondere am Sonnabend und Sonnlag sowie zu den Vieh- und Wochen- Märkten bei einzelnen Zügen Reisende mit Fahrkarten IV. Klasse wegen Platzmangel haben in die Hl. Klasse überwiesen werden müssen. ES ist aber in solchen Fällen nie der Unterschied zwischen den Preisen IV. und III. Klasse eingezogen worden, sondern die Reisenden sind auf Grund Ihrer Fahrkarten IV. Klasse ohne weitere Zuzahlung in der IH. Klasse befördert worden. Dieses Verfahren entspricht den bestehenden Vorschriften. Rinnet.* Wir überlassen es unserem Königsberger Korrespondenten, sich nochmals zur Sache zu äußern. Zwei schöne Seelen. Der alte Streit zwischen den Schriftstellern HanS Leuß und Maximilian Harden beschäftigte gestern wiederum das Gericht, und zwar diesmal die 4. Strafkammer des Land- gerichts III unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Schutt. Der von Herrn Leuß wegen Beleidigung angeklagte Herr Maximilian Harden ist seinerzeit vom Schöffengericht freigesprochen worden und die Strafkammer hatte die Berufung des Privatklägers der- warfen, weil sie dem Angeklagten den Schutz des§ 193 zubilligte. Das nunmehr angerufene Kammergericht hob das Urteil auf und verwies die Sache vor das Landgericht III. Im gestrigen Termin war nur der Privatkläger Leuß unter Beistand des Rechtsanwalts Bahn erschienen, während Maximilian Harden vom Rechtsanwalt Suse- Hamburg verteidigt wurde. Der Anlaß zu dem Streit dürfte im allgemeinen noch bekannt sein. Leuß hatte ein Memoirenwer! über den Freiherrn v. Hammer- stein erscheinen lassen, welches in der„Zukunft" einer kritischen Besprechung unterworfen wurde. Gegen diese Kritik wandte sich der Privatkläger in einem Artikel der Wochenschrift„Europa ", in welchem Harden höhnische und hämische Angriffe gegen sich er- blickte. Es entspann sich daraus eine lebhafte Kontroverse. Der Privatklägcr glaubte aus einem Artikel Haidens den Vorwurf der Korruption auf Grund seines Eintretens für die Rheinische Me- tallwarcn- und Maschinenfabrik herauslesen zu sollen und fühlt sich dadurch beleidigt, daß Harden in der Polemik gegen ihn Aus- drücke wie„Lümmelei", Klippschülergeschwätz" und „R ü p e l r e d e n" in Anwendung gebracht hatte. Der Beklagte hatte wiederholt erklärt, daß er den Vorwurf der Korruption gar nicht habe erheben wollen, die beiden ersten Instanzen erkannten an, daß ein solcher Vorwurf in dem betreffenden Artikel der„Zu- kunft" nicht enthalten sei, sie waren im übrigen übereinstimmend der Ansicht, daß der Beklagte nicht in der Absicht persönlicher Be- lcidigung, sondern zur Abwehr von Angriffen die inkriminierten Artikel geschrieben habe und billigten ihm den Schutz des Z 193 zu. Das Kammergericht hielt eL nicht für bedenkenfrei, daß die Aus- drücke„Lümmelei" und„Rüpclreben" durch den Z 193 geschützt werden könnten, gab aber dem neuen erkennenden Gericht zur Er- wägung anheim, ob etwa Z 199 Str.-G.-B. Platz greife, wonach die Möglichkeit einer Kompensation gegeben ist, wenn eine Beleidigung äuf der Stelle erwidert wird. Nach den Reden der Rechtsanwälte beider Parteien erklärte der Gerichtshof, daß er eine Kompensation nicht für gegeben halte, hob das erste Urteil auf und verurteilte den Angeklagten Harden wegen Beleidigung in zwei Fällen zu 20 M. G e l d st r a f e. Der Gerichtshof hat sich im allgemeinen den Gründen der früheren Urteile angeschlossen und lediglich die Worte„Lümmelei" und„Nüpelreden" für strafbar er- achtet. franhreicb. Die„reinliche Scheidung". Paris , 20. September. Die Zeitungen veröffentlichen Er- klärungen der Politiker Delpech, Maxime Lecomte und Pelletan, in welchen diese jede Verbindung mit den„unpatriotischen Sozialisten" zurückweisen.— Belgien. Kolonialgesetz. Brüssel , 20. September. Die Regierung wird heute abend an die Abgeordneten Aenderungsvorschtäge zum Entwurf des Kolonial- Sesetzes, die von allen Minislern gegengezeichnet sind, verteilen lassen. ir den Vorschlägen wird vor allem die Eigenschaft des Kongo- ftaates als einer vom belgischen Staate getrennten juristische» Person betont. Da? Budget der Kolonien soll in zwei Teile geteilt werden. Der eine, der der Aussicht der Kammern unterliegt, betrifft die Zentralverlvaltung, der andere, der vom König festgesetzt wird, die eigentliche Verwaltung. Die Zusammensetzung des Kolonialrats ist von der Regierung so beibehalten worden, wie sie von der parla- mentarischen Kommission vorgenommen wurde. Italien . Ein Riesenprozeß, der im Sande verläuft. Rom , 13. September. sEiss. Ber.) Während des Landarbeiterstreiks von Capparo im vorigen Juni ließ die Regierung, um die Streikenden einzuschüchtern, blind- lings Massenverhaftungen vornehmen und strengte dann gegen 137 Arbeiter— in der Mehrheit Parteigenossen— einen Prozeß wegen.Bildung einer verbrecherischen Vereinigung* an. Nachdem die Verhafteten 76 Tage in Untersuchungshaft gesessen haben, endete jetzt die Voruntersuchung mit der E i n st e l l u n g des V e r- fahrens gegen alle 187! So hat die Regierung also ungestraft Hunderte von Familien auf Monate ihrer Ernährer beraubt, ohne irgendwelchen ausreichenden Grund außer dem: die Polizeiwillkür zugunsten der Kapitalisten in die Wagschale zu werfen.— Diese sich jetzt immer häufiger wiederholenden Massenvcrhaftungen bei Streiks. aus die kein Prozeß folgt, meucheln die von der Verfassung garantierten Freiheiten. Doch das ficht die Regierung nicht weiter an. Sie ist— wie's scheint— noch stolz darauf, einen Weg gesunden zu haben, um— wenn auch mit gesetzwidrigen Mitteln— jeden Streik gewaltsam niederzuträmpeln, das heißt: so lange die Arbeiter nicht auch für d i e s e Heimsuchung Gegen- mittel finden.— Kanada . Zur Japanersrage wurde auf dem Arbeiterkongreß in Winnipeg einstimmig eine Resolution angenommen, die ver- langt, daß Kanada an Englands Verträge mit Japan , die unbeschränkte Einwanderung der Japaner betreffend, nicht ge- Kunden sein soll. Angebote einer japanischen Einwander- agentur an eine Bergwerksgesellschaft in Britisch Columbia, alle weißen Arbeiter durch Japaner zu ersetzen, wurden ver- lesen und riefen große Entrüstung hervor. Es wurde erklärt, daß es, wenn keine Gegenmaßregeln getroffen würden, nicht lange mehr dauern könnte, bis die weißen Arbeiter von den gelben aus allen Bergwerken. Fischereien und Holzlagern ver- drängt wären.(?)_ ver(Parteitag in Cilen. (Schluß aus der 1. Beilage.) Heinrich Schulz- Berlin : Die Abstinenzler stimmen selbstverständlich nicht mit allen Ausführungen von Wurm übcrein, aber dem größten Teil seines Referats stimmen wir zu. Wir freuen uns über seine lichtvollen Darlegungen und möchten nur wünschen, daß die Genossen daraus ihre Schlüsse ziehen. Gerade die abstinenten Genossen befürworten nachdrücklichst den Antrag, das Referat als besondere Broschüre erscheinen zu lassen. Ich bin nicht Abstinent geworden auf Grund irgend welcher wissenschaftlichen Untersuchungen oder auf Grund der Abstinenzliteratur, auch nicht aus welchen persönlichen, vielleicht gesundheitlichen Gründen, sondern auS praktischer, nüchterner Er- wägung heraus. Ich bin Abstinent geworden, weil ich Sozialdemo- krat war. Ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß man als Soldat im Befreiungskampf des Proletariats besser marschiert und besser kämpft, wenn man sich den Tornister nicht mit dem Alkoho» lismus bepackt, und ich habe weiter erkannt, daß man in der Pro- paganda gegen den Mißbrauch Des Alkohols besser kämpfen kann, wenn man selbst Abstinent ist. Man könnte sagen, es geht doch auch mit Mäßigkeit, man braucht nicht unbedingt Abstinent zu sein! Gewiß, aber der Begriff der Mäßigkeit ist nicht genau festzustellen und außerdem wird jeder, wenn Sie ihn zur Mäßigkeit mahnen, Ihnen zurufen:„Das tue ich ja, ich weiß ganz genau, wieviel ich vertragen kann."(Sehr wahr!) Wir müssen den Arbeitern zum Bewußtsein bringen, daß man auch ohne Alkohol ein ganz vernünftiger Mensch und Genosse sein kann. Die Abstinenz gilt uns als Kampfprinzip. Ueber die schäd» liehe Eigenschaft des Alkohols als Ballast im Befreiungskampf des Proletariats sind wir uns llar. Als vor einigen Jahren im Ruhr- revier der gewaltige Bergarbeiterstreik tobte, da forderten unsere hier erscheinenden Parteiblätter täglich zur Vermeidung des Alkohols auf. Ich weise ferner darauf hin, daß die russischen Revolutionäre ihre praktische Tätigkeit stets immer zuerst auf die Vernichtung der Schnapsläden richteten und den Schnaps in den Rinnstein gössen, damit er nicht der Soldateska als Stimulus dienen könnte. Auch Bebel soll ja nach dem Jenaer Parteitag einem Genossen gesagt haben: Wenn wir den Massenstreik be- schließen, dann verkünden wir auch sofort die Notwendigkeit der Abstinenz.(Hört, hört.) Ich weiß nicht, ob das richtig ist, aber daS eine steht fest, daß uns die Abstinenz eine wertvolle Waffe und ein Bundesgenosse in einer der entscheidenden Fragen ist. Darüber, daß für einen Genossen, der nach Bildung strebt, die Ausschaltung des Alkohols notwendig ist, will ich kein Wort verlieren.(Sehr gut.) Auch bei den Reichstagswahlen gilt der Alkohol den Gegnern als Verdummungsmittel, man schleppt sie mit Schnaps an die Wahlurne heran. Wir wollen nicht, daß wir alle Abstinenten werden, wir wünschen nur, daß der 5dampf gegen den Alkohol schärfer aufgenommen wird. Die Bremer Resolution genügte uns Abstinenzlern nicht. Jetzt haben wir eine Resolution, mit der wir alle zufrieden sein können. Ich bitte die Resolution Wurm anzu- nehmen.(Beifall.) > Wissel-Lübeck: Die Ausführungen der beiden Vorredner, die gleich mir Absti- nenzler sind, haben bewiesen, daß grundsätzliche Einwendungen gegen das Wurmsche Referat nicht zu machen sind, es hat unsere Erwartungen übertroffen, die wir ursprünglich an ein Referat von Wurm gestellt hatten.(Sehr gutl) Bereits Katzenstein hat darauf hingewiesen, daß Wurm nicht genügend den Unterschied zwischen uns und den bürgerlichen Abstinenten betont hat. Wir sozialdemo- kratischen Abstinenten stimmen mit Wurm über die Sirtschaft- lichcn Ursachen des Alkoholismus sehr überein, daß es unserer ganzen Aufgabe widersprechen würde, wollten wir etwa sagen, es ist der böse Wille, der den einzelnen zum Alkoholgenuß zwingt. (Sehr richtig!) Nicht wir abstinenten Sozialdemokraten sind es, die das predigen, sondern das geschieht aus bürgerlichen Kreisen heraus.(Sehr richtig!) Es muß aber hervorgehoben werden, daß auch in bürgerlichen Kreisen die sozialen Ursachen scharf betont werden. Katzenstein hat ja schon den Ausspruch von Grunewald zitiert. Wir abstinenten Arbeiter verlangen nicht, daß uns unsere Abstinenz als Verdienst angerechnet wird; wir sagen, es bedarf gar nicht einmal der Ucbcrwindungskraft, die Wurm bei uns als vorhanden angenommen; vielleicht liegt das daran, daß wir am Alkohol keinen so großen Genuß finden. UnS gehen die bürgcr- lichen Abstinenzler nichts an. Unsere ganzen Grundanschauungen trennen uns von ihnen. Wurm hätte deshalb nicht an die sozial- demokratischen, sondern an die bürgerlichen Abstinenzler sich Mlt seinen Vorwürfen wenden müssen. Auch darin hat Wurm nicht recht, daß lediglich die sozialen und wirtschaftlichen Ursachen ver- antwortlich sind. Zum größten Teil trifft das zu, aber aus eigener Anschauung heraus— ich habe zwei Jahrzehnte an der Drehbank gestanden— weiß ich, daß eS nicht nur die geistige Oede der Arbeit ist, die den Arbeiter zum Trunk zwingt. Ich habe mich gefreut, daß die Gewerkschaften dazu übergehen, den Zwang zum Genuß alkoholischer Getränke bei ihren Zu- sammenkünften zu beseitigen. Die Partcipresse hat die dankens- werte Aufgabe, gerade darauf hinzuwirken. Es stände besser um die Wirkung unserer Reden, wenn der Trinkzwang nicht vorhanden wäre.(Sehr richtig!) Die Parteigenossen sollten in Zukunft uns Abstinenten ein willigeres Ohr leihen. Wenn das das Ergebnis der Verhandlung der Alkoholfrage auf dem Parteitage ist, können wir Abstinenten damit sehr einverstanden sein. Wir erstreben nicht Sondervorteile für uns, sondern wünschen nur, daß die Arbeiter- schaft unserem Kampf Verständnis entgegenbringt. Wir arbeiten mit an unserem großen, gemeinsamen Ziel und wenn unsere Ideen in die Arbeiterschaft eindringen, wird sie besser befähigt zum Ver- ständnis dieses Zieles. In dieser Absicht finden wir uns alle zu- sammen und somit können wir mit den heutigen Verhandlungen vollkommen zufrieden sein.(Lebhafter Beifall.) Weißmann-KarlSruhe : Als erster Nichtabstinent, der in dieser Diskussion zum Worte kommt, drücke ich meine Freude darüber aus, daß die?lbstincnten so zufrieden mit dem Referat und der Resolution Wurm sind, daß sie ihre Resolution zugunsten der Wurmschen zurückgezogen haben. Wir schulden den Arbeiterabstinenten großen Dank, sie haben sich Verdienste um die Arbeiterbewegung erivörben. Personlich bringi ich den Abstinenten die größte Hochachtung entgegen; sie wirken durch Erziehung und Beispiel. Ich halte es für eine erfreuliche Tatsache, daß in fast allen Gelverben und Organisationen die Zahl der Abstinenten zugenommen hat. Nur um eines möchte ich die Arbeitcrabstinenten bitten— um etwas mehr Toleranz seitens einzelner Abstinenten.(Zustimmung.) Das Organ der Abstinenten sollte etwas wlerantcr sein. In Deutschland haben wir noch lange mit dem Biergenutz zu rechnen. Ein Ersatz für das Bier, der ebenso wohlschmeckend wäre, ist noch nicht gesundem Auch bei unseren Arbeiterfestcn könnte mehr getan werden, um den Alkohol zu bannen. Wichtig ist vor allem die Agitation dagegen, daß den Kindern Bier, Alkohol gereicht wird.(Lebhafte Zustimmung.) Die Alkoholfrage bleibt auch eine Lokatfrage. Die Organisationen sollten daran gehen, den Wirten eine Entschädigung für die Her- gäbe der Säle zu zahlen. Die Organisation ist um so schwieriger, je mehr Alkohol getrunken wird. Man kann nicht verlangen, daß ein Mann von heute auf morgen Abstinent wird, wohl aber kann man Mäßigkeit verlangen. Ich bestreite, daß es keine Grenze beim Alkoholgenuß gibt. Es gibt eine individuelle Grenze.(Zu- ftimmung.) Gerade den Arbeitern im Ruhrrevier können wir lein passenderes Geschenk bringen als diese Resolution, und daß wir. nach ihr handeln.(Bravo !) Die weitere Diskussion wird auf die Nachmittagssitzung vertagt. Gcyer-Lcipzig erklärt, daß sein Name ohne sein Wissen auf die Vorschlagliste für die Kontrolleure gekommen ist, und bittet, voll seiner Wahl Abstand zu nehmen. Schluß 1 Uhr._ GcwerkfcbaftUcbc� Keine organisierten Arbeiter— keine Dividende! Mit grimmem Haß verfolgt das Unternehmertum die organisierten Arbeiter, weil es von diesen, und durchaus nicht mit Unrecht, eine Schmäleruug des Profits und der Unter- nehmerherrlichkeit befürchtet. So sehr aber den Unternehmern die organisierten Arbeiter verhaßt sind, sie können sie nicht entbehren, denn diese repräsentieren durchgeheuds die intelligenten, geschulten Arbeitskräfte, ohne die kein Be» trieb auf die Dauer gedeihen kann. Diese für die Unternehmer bittere Wahrheit wird jetzt in einem für die Scharfmacher de- sonders lehrreichen Falle verschämt eingestanden. Die VereinigtenGummiwarenfabrikenHarburg- Wien vormals M e n i e r- I. N. N e i t h o f f e r, die im Jahre 1902/03 noch 20 Proz. Dividende verteilten, dann aber auf 12'/z Proz., im vorletzten Jahre auf 7>/z Proz. herabgingen, können für das verflossene Geschäftsjahr eine Dividende nicht zur Verteilung bringen. Das ist um so auffälliger, als alle neueren Gummifabriken in der Lage sind, den Dividendenhunger ihrer Aktionäre vollauf zu befriedigen. Dieser Rückgang und das schließliche Versiegen der Dividenden der Vereinigten Gummi- fabriken Harburg -Wien in der Zeit eines beispiellos Wirt- schaftlichen Aufschwungs macht sogar bürgerliche Blätter stutzig und veranlaßt sie zu der Forderung, die Verwaltung der Ge- sellschaft möge in ihrem Geschäftsbericht auch über„die inneren Verhältnisse der Gesellschaft" eingehende Mitteilungen machen „im Interesse der beunruhigten Aktionäre". Hätten diese nur Augen zu sehen, wären sie nicht mit kapitalistischer Blindheit geschlagen, dann würden sie die Ursache des Niederganges ihres früher gutgehenden Unter- nehmens längst erkannt haben, mindestens würden sie jetzt nicht einen Augenblick mehr darüber im unklaren sein. Heißt es doch in einer Mitteilung der Verwaltung: „Obgleich die Zweigniederlassungen der Gesellschaft in Wien - Wimpassing und Linden-Hannover zufriedenstellend gearbeitet und eine höhere NutzungSziffer aufgewiesen haben als im Vorjahre, hat das Harburg er Werk, empfindlich unter der späteren Inbetriebsetzung der durch Feuer zerstörten Fabriken zu leiden gehabt. Es haben sich, ivie solches bei ganz neuen maschinellen Einrichtungen oft unvermeidlich ist, außerordentliche Schwierigkeiten, die Fehlfabrikationen zur Folge hatten, eingestellt, und dadurch ist das Resultat des Harburger Werkes ungünstig beeinflußt worden. Zum großen Teil sind die Schivierigleitcn behoben, und es stehb zu hoffen, daß dieselben in Kürze ganz überwunden sein werden, so daß die Aussichten auf eine Besserung für daS kommende Jahr gegeben find, vorausgesetzt, daß es gelingt, de« noch vor- handrnrn Mangel an geschulten Arbeitskräften zu bchcbc»." Also nur wenn es gelingt, den noch vorhandenen Mangel an geschulten Arbeitskräften zu beheben, ist Aussicht auf Besse- rung vorhanden. Das ist der Fluch der bösen Tat I Der fatale Mangel an geschulten Arbeitskräften beruht nämlich auf frevelhaftem Selb st verschulden deS Harburger Werkes. Wegen lumpiger zwei Pfennige Lohnerhöhung, die die Arbeiterinnen einer Abteilung jenes Werkes im Frühjahr 1901 forderten, kam es zu einem nionatelangen Streik der Gesamt- arbeiterschaft, nach dessen Beendigung dieorganisicrtcn Arbeiter nicht wieder eingestellt wurden. Daher der Niedergang des Werkes seit jener Zeit. Der Haß gegen die organisierten Arbeiter hat sich bitter gerächt an den Aktionären und wird sich weiter rächen; denn— und dies möfjen sich auch die Arbeiter anderer Werke merken, die organisierten Arbeiter sind und bleiben die so unentbehrlichen„geschulten Arbeitskräfte". Wollen die Aktionäre.der Vereinigten Harburg -Wien -Wcrke die früheren dividendenbringendcn Zeiten zurückkehren sehen, dann müssen sie die Verwaltung des Harburgcr Werkes ziviugen, ihren blöden Haß gegen die organisierten Arbeiter aufzligeben. Hier heißt es: Friß, Vogel, oder stirb. Keine organisierten Arbeiter— keine Dividende. Berlin und Umgegend# Achtung, Metallarbeiter! Bei der Firma Sentker, Müller- straße, haben die Kernmacher wegen Abzug die Arbeit niedergelegt. Ebenso sind die Schlosser bei der Firma Härtung, Alticn-Gcsell- schaft, Prenzlauer Allee 44, wegen Richtbcwilligung ihrer Forderung einer lOprozentigen Lohnerhöhung in den Ausstand getreten. Wir ersuchen um Fernhaltung des Zrizuges. Ortsverwaltuug Berlin des Deutschen Metallarbeiter-VerbandeS. veurkedes Beied. Ein Ricsenkampf der niederschlrsischen Bergleute steht nun auch unmittelbar bevor. Bereits haben die Bergknappen in neun großen Versammlungen beschlossen, wegen Nichtbeachtung ihrer Forderungen und ihres Bcrbandes durch die Grubcnherren die Kündigung einzureichen. Hunderte von Kündi- gungSzetteln sind bereits mit Unterschriften an- gefüllt, und als ein Zeichen des Fortschritts kann konstatiert werden, daß sogar Hirsch-Dunckersche, ch r i st l i ch e und r e i ch s- treue Knappen— entgegen der Hetze ihrer Führer I— ebenfalls unterschreiben. Die Werksherren glauben einstweilen noch nicht an den Ernst der Situation. Sie rechnen auf den Einfluß der ch r i st I i ch e n Sekretäre und anderer für sie tätigen Agenten. Allein es be- steht alle Aussicht, daß die Massen diesmal ihre verräterischen Führer im Stiche lassen und zunächst darauf bedacht sind, ihre elende Lage zu verbessern.
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