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nicht zum Bewußtsein. Alle diese SStrTuuften werden noch gesteigert durch die Kohlensaure, die auf die Schleimheit des Magens so wirk, daß sie imstande ist. den SUMjo[ rascher hindurchschlüpsen zu lassen. Vor allem ist von Einfluß aus die Wirkung des Alkohols die Be- fchaffenheit des MagcnS an sich. Je leerer der Magen ist, um so rascher dringt der Alkohol in den Organismus ein. Beim gefüllten Magen ist die Wirkung eine weit weniger verheerende wie beim leeren. Von manchen Abstinenten wird bestritten, daß der Alkohol auch ein Nahrungsmittel ist. ES ist aber durch wissenschaftliche Forschungen festgestellt, daß der Alkohol nicht nur ein Gift, sondern auch ein Nahrungsmittel ist. Aber eS ist mit aller Schärfe zu betonen, daß »oie Prof. Neumann in Heidelberg   festgestellt hat. der Alkohol ein nnrationelleS, sehr teueres und auch gefährliches Nahrungsmittel ist, Die gefährlichen Folgen des Alkoholgenusses sind Ihnen allen bekannt. Seine Wirkungen sind erstens persönlicher, zweiten? sozialer Art. Bei einzelnen ruft er Krankheitserscheinungen hervor, es ent« steht zunächst Heiserkeit und Husten, die Organe sind schließlich nicht mehr widerstandsfähig, es treten Magen- und Darm- störungen ein. dem Trinker schmeckt kern Essen mehr, infolgedessen trinkt er noch mehr, durch die Störung der Magenfunktionen wird daZ Eindringen von Metall� teilchen erleichtert, worunter fa namentlich die Buchdrucker zu leiden haben. Durch die viele Flüssigkeit, den Wasserreichtum des Bieres, wird eine Vergrößerung des Herzens hervorgerufen, und diese führt wieder zu Erkrankungen verschiedener Art. ES treten Nierenerkranklmgen und Leberanschwellungen ei«, der Stoffwechsel leidet, dazu gesellt sich die Nervenzerrüttung. Durch den Alkohol- genuß wird oie ArbeitZfähigleit herabgesetzt und die Sicherheit der Arbeiter beeinträchtigt, so daß sie in höherem Maße Unfällen aus- gesetzt sind. Ich will nicht so weit gehen, wie ein Forscher, der ineinte, daß die Folge deS AlkoholgenuffeS die Geburt schwachsinniger Kinder sei, während Professor Bring meint, daß der Alloholgenuß die StillungZfähigkeit der Mütter schädlich be- einflussen müsse. Derartige Uebertreibungrn rufen jene Zerrbilder hervor, die von manchen Abstinenten an die Wand gemalt werden und dadurch die entgegengesetzten Wirkungen hervorrufen, die sie er- zielen wollen. Daß die Alkoholwirkungen sHädlich sind, daß sie Schädigungen hervorrufen können, darüber existiert nirgends ein Zweifel; die Frage ist nur, unter welchen Bedingungen sie»intreten, ob in der Tat jeder Tropfen, den wir über die Lippen bringen, Gift ist. Die Profefforen Hüppe und Binz   erklären aus Grund ein- gehender Forschungen nnd Experimente mit Entschiedenheit, daß nicht jeder Alloholgenuß schädlich sei, sondern daß die schädigenden Erfcheinungen erst von einer geiviffen Grenze ab eintreten, daß diese Wirkungen aber auch nicht für alle Menschen die- selben sind. Wie bei den ansteckenden Krankheiten die Gefahr ihrer Verbreitung auf der einen Seite auf das Eindringen der Keime von außen, aus der anderen Seit« auf die Disposition des Individuums zurückzuführen ist, so ist es auch beim Alkoholgenuß. Die wissenschaftlich festgesetzte Grenze für den normalen Menschen bei gesunder Verfaffnng und ausgereistem Alter wird gegeben durch den Genuß von 20 bis 30 Gramm Alkohol in 2t Stunden. Diese Menge liegt unterhalb der Gistwirknng. Wem, vom Alkohol die Rede ist, so ist damit der reine, wassersreie Alkohol gemeint, den wir nicht über die Lippen bringen können, weil er uns verbrennen würde, Wir müssen daher einen kurzen Blick auf de» Alkoholgehalt der allo- holischen Getränke werfen. Da» älteste Gettänk, da» so alt ist wie die Menschheit, ist der Wein. Sie wissen, wie begeisterte Anhänger der Wein gesimden bat. Sie wissen aber auch, daß die Bibel uns recht ergötzliche Ge- schichten davon erzählt, wie der Wein die Sinne verwirrt. Die Ge- schichten von Noah und Loth haben in manchem das Bewußtsein gekräftigt, daß der Weingenuß in größerer Menge traurige Folgen habe. ES hat aber nichts geholfen, und die semitischen Böller haben den Weingenuß unter anderen Völker verbreitet, und er hat seinen Einzug in alle Länder gehalten. Der Wein enthält 9 12 Proz. Allohol, der spanische und der ungarische Süßwein, die noch mit Alkohol versetzt werden, enthalten 1220 Proz. Alkohol. Man dar den Wein nicht als Nahrungsinittel betrachten, sondern nur als Genußmittel. Der Obstwein enthält bi» z» 6 Proz. Alkohol. Der jüngere Bruder dcS Weine» ist das Bier. Schon im alten Aegypten gab e« ein alte» München   Pelufium. Von Aegypten   kam das Bier nach Europa  . Bei uus bekam das Bier erst durch die Klöster Be« dentung, die die Stätten jeglichen Fortschritts waren und auch das Bier bereiteten, und sie haben dies auch noch bis heute bei- behalten. Luther   kprach von der Bierpest. Da» ist eigentlich ein Widerspruch gegen seinen Ausspruch:Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt«in Narr sein Leben lang'. Es meinen einig«, daß Luther   sich nur gegen das Bier geäußert habe, weil er den Wein vorgezogen habe.(Heiterkeit.) Die Historiker bemühen sich allerdings festzustellen, daß Luther   den Wein gar nicht gelobt habe. Da» Vier. daS damals gebraut wurde, war aber nicht das Bier, was ivir heute trinken; sein Genuß war auf den Ort der Entstehung beschränkt, eS war obergäriges Bier, das nicht gelagert werden könnt«. Die oberaärigen Brauereien waren infolgedessen Kleinbetriebe. DaS vbergarige Bier hat 23 Prozent Alkohol und 2 5 Prozent Zucker. ES ist verschwunden, seitdem ein anderes Bier in Bayern   erfunden ist, daS bei niedrigerer Temperatur gärt und gelagert werden kann und jetzt in ganz Deutschland   verbreitet ist. ES enthält 40 Proz. Alkohol nnd 67 Proz. Zucker. Dieses Lager vier wurde von einigen Seiten überschätzt, eS wurde als Nahrung» mittel bezeichnet. Dem muß entschieden entgegengetreten werden. ES ist so gut wie kein EiweiS darin, und eS ist nicht wahr, wie eS in einem hübschen Kellerspruch heißt:.Der Gerstensaft enthält de» Weine» Geist deS Brotes Kraft'. Nährwert hat im Bier nur der Zucker, und den bezahlen wir im Bier viel zu teuer, das Bier wäre also als Nahrungsmittel viel zn teuer. Der dritte Bruder unter den alkoholischen Getränken ist der Branntwein. Cr ist ein Destillat vom Wein, daS von Alchimisten im frühesten Mittelalter hergestellt wurde. Man behauptet, daß der Branntwein alle Lebensgeister auswecken könne und bezeichnet ihn al« LebenSivasser, aqua vitao. Diese» Lebenswasser, daS so viele Leben vernichtet hat. ist seit dem IS. uitd 16. Jahr- hundert auch in Ländern produziert worden, die keinen Wein besaßen. Er wurde auS Getreide destilliert und man bezeichnete dieses Produkt al» Korubranntlvein. Diese Produktion deS KornbraimtweinS war wieder ein Kleiw gewerbe und zwar ursprünglich ein städtisches Gewerbe in ein- zelnen besonders getreidereichen Gegenden. Einzelne Orte gelangten dadurch zur besonderen Berühmtheit, ich erinnere an Nordhausen  . DaS blieb aber nur so bis in das vorvorige Jahrhundert. Aus den Städten wanderte die Produltion auf die Güter, besonders am Niederrhein  , in preußisch Sachsen  , Brandenburg  , Hannover  . Braun schweig wurde daS Getreide zu Branntwein verarbeitet. Diese Produltion stieg nicht, wie eingangs der Katzensteinschen Resolution irrtümlich behauptet wird, dank der kapitalistischen  Großproduktion alkoholischer Getränke, sondern sie war die Folge jener Verwüstung, die in Deutschland   durch die Kriege herbeigeführt wurde. Die Not und daS Elend haben von der ersten Stunde an die Branntweinproduktion geleitet, und Not und Elend haben sich an ihre Fersen geheftet bis auf den heutigen Tag. Nicht die Produktirn hat künstlich ein Bedürfnis nach Alkohol hervor« gerufen, sondern umgekehrt die wirtschaftlichen Verhaltnisse haben da» Bedürfnis erzeugt, und dem genügte dann die gesteigerte Produftion. Allerdings wurde dann, weil der Bedarf stieg, das Kleingewerbe zur Großproduktion gewisser Güter in aetrcide- reichen Gegenden. Aber diese konnten sich ihre» Vorsprunges nicht lange erfreuen, denn bald nach der zwangsweisen Än- sührung der Kartoffel al» Nahrungsmittel lernte nian auch aus Kartoffeln ein gärendes Gebräu hervorrufen, und man destillierte e«. da eS sonst überhaupt nicht zu trinken Ivar, und stellte so jenen Kartoffelvrannlwein her. der bis auf den heutige» Tag seine unheil- volle Roll» spitlt. Auch daS Bedürfnis nach diesem Kartoffelbrannt- wein ist hervorgerufen worden durch die gesteigerte Verelendung der Bevölkerung. ES ist kein Zufall, daß nach den napoleonilchen Kriegen die vranntwrlnpest, speziell die Kartosfelbraimtweinprst. in Deutschland   um sich griff, und daß damals die ersten großen Kartoffel- bremiereieu überhaupt entstanden. Speziell war es Dentschkand, da» den traurigen Ruhm genoß, die ganze Welt mit seinem Kartoffeltusel zu vergiften rntd in Deutschland   wieder besonders Preußen, das die führende Bolle auch auf diesem kulturlvidrigen Gebiet hatte. Dazu kam, daß in Preußen die Junker die Möglichkeit hatten, mit Hülfe der reaftionären Gesetzgebung auS den Aermsten, den armen Bauern, daZ Kapital herauszuschinden, da» sie für die Anlage ihrer Brenne- reien brauchten. Friedrich Engels   hat im Jahre 1873 im.Volks- staat" in einem Artikel:.Preußischer SchnapS im deutschen Reichs- tag' zum erstenmal diese Zusammenhänge zwischen SchnapS und Politik klargelegt. Von dem Geld«, mit dem eS den Bauern von einer gütigen Regierung gnädigst gestattet wurde, daS ihnen früher widerrechtlich Geraubte zurückzukaufen, wurden in Ostelbien 1316 die ersten Kartoffelbrewiereien von den Junkern errichtet. Nur dadurch ckonnten sich die Jirnker vom wirtschcfftlichen Zusammenbruch noch retten. ES ist kein Zufall. daß bis heutigen TageS das konservative Regiment in Deutschland  aus der Schnapsflasche beruht.(Sehr richtig I) Nachdem der deutsche SchnapS vom Wellmarft auS verschiedenen Gründen zurückgedrängt war, habenvdie Junker dann zum Ersatz dafür, daß sie mm weniger produzieren konnte», sich jene LiebeSgaben-Gesetzgebimg geschaffen, die ihnen auS den Taschen der Elendesten und Aermfteu jährlich 46 Millionen Mark zuschanzte. Ich will hier einschalten: Man spricht immer davon, daß der Branntwein durch die Fuselwirkung besonders vergiftend auf die Bevölkerung eiuwirkt. Da muß ich ihm ein besseres Zeugnis ausstellen. Der schädliche Fusel ist tatsächlich nur dort vorhanden, wo das gegorene Ge- tränk derart destilliert wird, daß da» Destillat nur 40 bis 00 Prozent Alkohol enthält, d. h. in jeuer Zeit des Klein- betriebe», als die großartigen DesttllierungSapparate noch nicht existierten. Je mehr aber die Großproduktion bei der Branntwein- erzeugung auS Kartoffeln zugenommen hat. umsomehr ist der Kusel  - geholt zurückgegangen. Man hat auch hier die soziale Disposition mit den physiolo gifchen Eigenschaften verwechselt. Man beobachtete nämlich, daß der Branntwein auS Wein scheinbar weniger schädigende Wirkung hervorrief, wie der Branntwein auS Kartoffel- schnaps. Man vergaß aber dabei, daß die Bevölkerungsschichten, in denen der Branntwein als Wein getrunten wird, weit wohlhabender, also widerstandsfähiger find. Auch der fuselfreie Alkohol ist genau so ein Feind deS Menschen, ja sogar umgekehrt: gerade der gute SchnapS, der Konibranutwew, enthält weit mehr Fusel, al» der schlechte KartoffelschnapS. Was ist nun die MäßigkeitSgreuze. von der ich vorher sprach? Sie bedeittet inZ praktische übertragen, daß ein normaler, erwachsener Mensch ruhig täglich>/, bis 1 Liter Lagerbier, oder V« bis Vs Liter Wein, oder 60 bis 80 Kubikzentimeter Branntwein,»der 30 bis 00 Kubikzentimeter Kognak trinken darf, ohne feinen Körper zu schädigen. vorausgesetzt, daß er ein vollständiger normaler, widerstandsfähiger Mensch ist.(Hört l hört!) Und da» ist da» wesentlich«. ES gibt Menschen, die sub das zumuten dürfen, während andererseits gerade jene Schichten, die diese Aufpeitscbung gebrauchen, um fich aufzu- raffen, nicht normal sind, sie sind unterernährt, übermüdet, zcr- malmt und widerstandsunfähig. Di« Frage, ob Mäßigkeit oder Abstinenz ist also individuell zn entscheiden unter Berück- sichtigung des sozialen Milieus, d. h. der einzelne muß seine Person prüfen, ob er bis zu dieser Grenze gehen kann, er muß ferner feine soziale Lage beurteilen können, ob er nicht durch die äußeren ans ihn einwirkenden Schädigungen zu jenen gehört, die widerstaudSlnifähig find. Ernährung, Alter, Geschlecht find von ent- scheidendem Einfluß. ES gibt große Massen, die infolge ihrer Lage unbedingt nötig hätten, den Allohol völlig zu vermeiden.(Sehr richtigst Und leider ist eS so, daß gerade die Schichten, die durch äußere Verhälbiisse zum Alkohol getrieben werden, ihn eigentlich vermeiden müßten, weil er auf sie verderblich einwirkt.(Sehr wahrst Eines der grausamsten Verbrechen, das Eltern an ihren Kindern begehen können, isteS.wennfieihnendenSlkohol in irgendeiner Form geben.(Lebhafte Zustimmimg.) Aver werfen wir keinen Stein auf jene Eltern, spielen wir uns nicht als Pharisäer aus I Wie kommt eS denn, daß so große Mafien von Kindern aufwachsen mit dem Lutschbeutel im Munde, der vorher in Schnaps getaucht ist? Da finden wir denn, daß da» bei jene» armen Müttern der Fall ist, die auf Arbeit gehen oder zu Hause arbeiten müssen, sich um ihre Kinder nicht kümmern können und sie infolgedessen zu beruhigen suchen. Dazu komnien die Eltern, die wenn sie einmal dcS Abends ausgehen, ihre Kinder mitnehmen müssen, und können sich keine Bonne halten, daS Kind bekommt auch Durst und da die Eltern kein Geld haben ihm etwa? andere? zu kaufen, und da sie die große Gefahr des Alkohol? nicht kennen, geben sie ihnen Bier zu trinken. WaS für die Kinder gilt, gilt auch für die Fugendlichen. Sie werden nun ftagen, ob es angesichts der geschilderten Ge- fahren nicht richtiger wäre, weim wir unS für die Abstinenz er­klärten. Wenn ich und die, die mit mir derselben Meinung find, sich der Abstinenzbcwegnng nicht anschließen, so geschieht das aus den Gründen, die ich schon in Mainz   dargelegt habe, weil wir wissen, daß die Bedingungen, die heute den Alkohol in gewissem Sinne der Bevölkerung aufzwingen, nur durch die polilffche Be­tätigung gerade unserer Partei bekänipft und ausgerottet werden und daß unsere ganze Tätigkeit den größten und wirksamsten Kampf gegen die Gefahren des Alkohols bildet, nicht nur des Alkoholmißbrauchs! Unsere Tätigkeit ist weit wirksamer, als alle jene wohlgemeinten Predigten, die so oft an das Pharisäertum er« inner». Der Satz, daß wir Menschen nicht mäßig sein können, ist absolut nicht wahr. Gewiß, eS gibt viele Menschen, die sich nur mit Hülfe der absoluten Abstinenz helfen können, weil sie nicht mäßig sein lönnen, die sich dann ans irgend eine andere Weise schadlos halten, indem sie z. B. den ganzen Tag die Zigarre nicht aus dem Mund lassen. Aber selbstverständlich gibt es auch und die große Masse der Abstinenzler gehört dazu überzeugte Menschen, die eS für nützlich halten. Maß zu halten und die die Pflicht in sich fühlen, durch ihr Beispiel anderen zu beweisen, daß man auds ohne Alkohol existieren kann.(Sehr richtig!) Aber gerade darin tauschen sie sich über die Möglichkeit zu wirken, weil sie vergessen, daß eS etwas gibt, gewaltiger als daS eindrucksvollste Vorbild, und das sind die wirtschaftlichen Berhältnifle, die zur Trunkenheit verleiten. Man sagt unS scheinbar geistreich: aber wie könnt Ihr denn sagen, daß das Trinken eine Folge der sozialen Verhältnisie sei. während Ihr doch seht, daß der KreiS der besitzenden Klaffe nicht minder, ja noch mehr trinkt, als die arbeitende und notleidende Klaffe! Man vergißt eben, daß die sozialen Verhältnisse nicht nur eine körperliche Rot hervorgerufen haben, sondern auch eine geistige Rot. und daß auch jene, die heute im Besitz der wirtschaftlichen Macht sind, an dem Widerspruch leiden, den die kapitalistische WirtschastS- ordnung in sich wägt. Die geistige Oede hat auch die herrschenden Klassen erfüllt, sie iühlcn daS BedürftiiS. sich darüber hinweg- zutäuschen und suchen im Rausch Vergessenheit, genau so wie der ärmste Proletarier, der sich bettinlt, bis er im Riimstein liegt, weil er keine andere Erholung kennt, als die, im Rausch zu vergessen. «ne vornehmen Herren, die sich bei den edelsten Getränken ihren opf verwüsten, sie find um nicht» bester, aber auch genau so entschuldbar, wie jene Kreise, die au» materieller Not dem Allohol verfallen. Wir als politische Partei haben das Volk nicht bei seinem Müßiggang aufzilsuchen, sondern bei seiner Arbeit, wir haben zu ragen, welche Moniente die Ursache dafür sind, daß jene geistige und körperliche Not in solchen immer steigendem Maße vorhanden ist. Da müssen wir uns heute genau so wie immer zu den An- chauungen bekennen, die unser Friedrich Engels   bereits 1845 dargelegt hat, jene Anschauungen, die selbst bi» in unsere Reihen hinein von Leuten, die fich hypcrethisch veranlaßt fühlen, de- i weifelt werden. In seiner Schrift über die Lage der arbeitenden Klassen sagt Engels:»Alle Lockungen, alle möglichen Versuchungen vereinigen sich, um die Arbeiter zur Truukincht zu bringen. Der vraiintwein ist ihnen fast die einzige Freudenqueue und alle? ver- einigt sich, um sie ihnen recht nahe zu legen. Der Arbeiter konimt müde und erschlafft von seiner Arbeit heim; er findet eine Wohnung ohne alle Wohnlichkeit, feucht, unfreundlich und schmutzig; er oedart dringend einer Aufheiterung, er muß etwas haben, das ihm die Arbeit der Mühe wert, die Aussicht auf den nächsten sauren Tag erträglich macht... sein geschwächter Körper, geschwächt durch schlechte Lust, durch schlechte Nahrung, verlangt mit Gewalt nach einem Stimulus von außen ber. sein gesellige» Bedürfnis kann nur in einem WirtShause bc- friedigt werden, er hat durchaus keinen anderen Ort, wo er seine Freunde treffen könnte und bei alledem sollten wir Arbeiter nicht die stärkste Versuchung zur Trunksucht haben, sollte er imstande sein, den Lockungen deS Trunkes zu widerstehen?... Im Gegenteil, es ist die moralische und physische Notwendigkeit vorhanden, daß unter diesen Umständen eine sehr große Menge der Arbeiter dem Trünke versallen muß.... Die Trunksucht hat nicht aufgehört ein Laster zu fein, für das man die Lasterhasten verantwortlich machen kann, sie wird ein Phänomen, die notwendige, unvermeidliche Folge gewiffer Bedingungen auf ein wenigstens diesen Bedingungen gegenüber willen- loseS Objelt. Diejenigen, die den Arbeiter zum bloßen Objekt gemacht haben, mögen die Verantwortlichkeit tragen." DaS sind die Anschauungen von Engel», aber er hat nicht etwa ich brauche daS wohl nicht erst zu lagen die Hände müßig in den Schoß gelegt, nein, ihm verdanken wir es ja, daß wir so kräftig gearbeitet haben und arbeiten können und deshalb sagt er:«Aber mit derselben Not- wendigkeit, mtt der eine große Menge der Arbeiter dem Trünke ver« fallen, mit derselben Notwendigkeit äußert der Trunk sttne zerstörenden Wirkungen auf Geist und Körper seiner Opfer'. Für uns als sozialdemokratische Partei ist eS daS wichtigste, die Ursachen zu untersuche», die besonders die Arbeitermassen zum Alkoholgeimß bestimmen. Wir bekämpfen nicht nur die Ursachen der Trumsucht, sondern auch des Trinkens, das ja erst zur Trunksucht führt. Gewiß, der Trmkzwang mag manchen schließlich zum Trinken ver- leiten, aber die Hauptsache ist doch der Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen imd dieser Gewöhnung. Der große Irrenarzt Professor Kraepelin   sagt in seiner sonst trefflichen Schrift über Alkohol und Jugend:Da trinkt der Schmied wegen der Hitze, der Kutscher wegen der Kälte, der Maurer ivegen deS Aufenthalts im Freien, der Müller wegen de» StaubeS  , der Schiffer wegen des Meeres, dieser wegen seiner bösen Frau und jener wegen des Rück- gangS seines Geschäfts. Schon die Mannigfaltigkeit dieser Gründe zeigt deutlich genug, daß kein einziger stichhalttg ist.' Ach nein, gelehrter Herr Professor, diese Mannigsaltigkeit der Gründe zeigt, wie mannigfaltig das Leben ist und wie mannigfaltig die Ur- fachen sind, die zum Alkoholismus treiben. Die Ursache deS Alkoholgenusses bei der Arbeit entspringt zu- nächst der geistigen Uebermüdung durch zu lange Arbeitszeit. Darüber sind wir uns alle einig, auch die Kreise im bürgerlichen Lager, die fich sonst um soziale Fragen nicht kümmern. Anders steht eS mit der Frage: wie wirkt denn überhaupt die heutige Arbeit auf die Arbeiter, gibt eS nicht eine geistige Erniüdung, die dadurch hervoraerusen wird, daß der Arbeiter heute, wie Marx sagt, ein Anhängsel der Maschine geworden ist?(Lebhaste Zustimmung.) Gerade diese geistige Ermüdung durch die Oede der heutigen Arbeit ist es. die gleichzeitig in so hohem Maße die Aufmerksamkeit des Arbeiters erfordert, wenn er nicht mit seinen Knochen unter die Räder kommen oder daS Produtt verderben und auf die Straße gesetzt werden will. Gerade jene geistige Ermüdung ist es, die die geistige Abtötung hervorruft, die dazu führt, daß er nach Schluß der Arbeit für nichts Interesse hat. ES ist lächerlich, wenn S t e h r meint:.Daß die in steter Bewegung befindliche Maschine den Arbeiter mehr fesselt, das heißt ihm fortwährend mehr Reize zu strömen läßt als die frühere Handarbeit, daß somit die Maschinen- arbeit weniger langweilig ist.'(Lachen.) Ich glaube, Sie können schon daraus die geistige Höhe erniessen, auf der sich jener Herr Doktor bewegt. Die geistige Ermüdung bei der Arbeit ist eS. also nicht nur die Uebermüdung. die jene PrädiSposition schafft, die zum Alkohol treibt. Dazu kommen die zahlreichen Ur- fachen, an denen das Unternehmertum und die Regierung die Schuld trägt.(Sehr richtig!) Rehmen wir zunächst mal jene Betriehe,' in denen durch den Staub Durst erzeugt tvird,>oo aber niemand dafür sorgt, daß die Arbeiter Getränke haben, die nicht alkoholisch sind. Für einige Staats- und Komiimnatbetriebe hat man ja endlich in den letzten Jahren vorgeschrieben, daß die Arbeiter alkoholfreie Getränke bekommen. Aber die große Mehrzahl der Unternehmer erklärt noch immer frech: Ihr dürft keinen Alkohol trinken, tut jedoch nichts, um das Durstgefühl des Arbeiters zn stillen oder um dafür zu sorgen, daß der Arbeiter überhaupt nicht erst Durst bekommt. Ich erinnere an die Zement- industrie. Jahrzehittelaug haben wir dafür gekämpft, daß die Zement- fabriken eine genügende Ventilation bekommen, aber eS ist nichts geschehen, bis eines Tages ein kluger und findiger Ingenieur ent- deckte, daß man, wenn man den Staub durch geeignete Ventilation abzieht, ein Prodult gewinnt, für das man hohe Preise erzielen kann. Ich habe damals im Reichstage gefragt, warum die Arbeiter nicht noch etwa» herauSzahlen müssen für den Staub, den sie Jahre lang umsonst geschluckt haben.(Heiterkeit.) Dann haben wir oie zahlreichen anderen Arbeiterkategorien, die bei hoher Hitze zu arbeiten gezwungen sind. Gehen Sie nur einmal in die Arbeiter- wohlfahrtSauSstellnng in Eharlottenburg I Da finden Sie eine Kohlen- lunge, eine Bleilung», eine Sleinlunge, alles Lungen, die mal einem lebenskräftigen Arbeiter gehört haben, die aber verwüstet und vernichtet sind durch den Staub, der in der Fabrik herrscht und den kein Unternehmer zu beseitigen sich anschickt, weil das Geld kostet und weil der Staat nicht mit der gelingenden Schärfe vorgeht, wie auf anderem Gebiete.(Sehr richtig!) Also wir ver- langen nicht allein, daß in jenen Betrieben alkoholfreie Getränte bereit gestellt werden, sondern wir verlangen vor allem die Bc- seittgung jener Mißstände, die den Staub hervorrufen, und da klage ich denn die Abstinenten an, die immer bloß sagen:.Trinkt nicht alkoholische Getränke, sondern Wasser oder etwas anderes!' Rein, der Schwerpuntt ist nicht, wa» sie winken sollen, sondern, daß sie überhaupt nicht zu trinken brauchen, daß sie nicht erst dazu ge- ziounaen werden!(Sehr richtig!) Wir haben große Gruppen von Arbeitern, wo die Hitze den Durst hervorruft, zum Beispiel die Glasbläser, die täglich mindestens fünf Liter Wasser zu sich nehmen müffen. DaS belommt ihnen aber übel, der Körper tranSpi- rtert dadurch noch mehr und sie verfallen dem Alkohol. Auch da heißt eS nicht, ihnen andere Getränke zur Verfügung stellen, sondern gute LentitationSeinrichtungeii zu schaffen und die Arbeitszeit herab- zusetzen I(Sehr richtig I) Dazu kommen die Dünste, die ekelhaften Gase, die Uebelkeit und Schmerzen hervorrufen, wie eS bei der Blei­vergiftung der Fall ist. Obwohl für einen an Bleikolik Leidenden der Alkohol das allerschädlichste ist, greift er doch dazu, um sein- furchtbaren Schmerzen zu beseitigen, und dadurch schädigt er sich mehr und mehr. Auch hier heißt eS nicht, ein andere« Getränk, sondern fort mit dem Blei l Genau so ist es mit den Quecksilber- arbeitern. Ich erinnere an die große Kategorie der Maler und Anstreicher, vis heute der Bleivergiftung ausgesetzt sind, obwohl man da» Bleiweiß   mit Leichtigkeit verbieten könnte. Statt deffen heuchelt man Arbeiterschutzvorschristen vor. Die Bergarbeiter, oie Maurer und Zimmerer, Bauarbeiter über- Haupt. Dachdecker usw. sind schonungslos jeder Unbill der Witterung ausgesetzt, vielfach stehen den Bauarbeitern noch keine Baubuden zur Verfügung; sie müffen auf der Siraße ihr Essen einnehmen. bei Hitze und Kälte auch ihre Pausen im Freien verbringen. Ihr Abstinenten, Ihr Sittlichkeitsprediger, ich klage Euch an.' daß Ihr nicht genügend auf diese Zustände hingewiesen habt. Den Ziegelei- arbeilern steht häufig nicht einmal Trinkwaffer zur Verfügung, sie müssen fich Wasser auS Lehmpfützen holen. Die Folge ist. daß sie winken, was sie bekommen können, weil niemand sich um sie kümmert, weil der Staat in abscheulichster Weise seine Pflicht vernachlässigt. Wie die körperverwnstende Hitze und Kälte wirkt, sehen wir ja am besten hier im Rnhrrevier, wo die Tauiends und Abertausende von Arbeitern unter der Erde und in den großen Werkstätten der Industrie schaffen müsien unter Bedingungen, die da? Elend des AlkoholmißbrailchZ mit hervorrufen, der gerade auch hier zu Hause ist. Auch hier würden Verkürzung der Arbeitszeit, bessere hygienische Zustände längst mehr erreicht haben als Tausende von Reden gegen den AlloholiZmirS. Ich sagte schon, daß der Alkohol um so schlimmer wirkt, je leerer der Magen ist, und baß der Anreiz zum Alloholgenuß dann