it. 222. 24 Jahrgang.2. Ktilm Ks Jotrairts" Knlim KlksdlMFnternaticnaler Bergarbcitcrfeongreß.Salzburg, 20. September.(Privat-Telegr.)An den Antrag der Belgier und Franzosen, betreffend dieFestsetzung einer Rente für Bergarbeiter nach Lbjähriger Arbeit,die mit wenigstens 600 Fr. bemessen werden soll, knüpfte sich einekurze Debatte.Abg. Cingr begründete hierauf folgende Resolution:„Die letzten großen Grubenkatastrophen haben wieder diegroßen Mängel der Grubenkontrolle bewiesen. Nur in der An-stellung von Grubenkontrolleuren aus den Reihen der praktischenBergarbeiter ist eine wirksame Reform der Bergwerkskontrollezu erblicken. Diese Arbeitsinspektoren müssen von der Arbeiter-schaft gewählt, aus Staatsmitteln besoldet werden und das Rechthaben, so oft sie wollen oder die Arbeiter es verlangen, die Be-triebe zu inspizieren."Im Anschlüsse an diese Resolution befürworteten die Belgierfolgenden Antrag:„Dieser Kongreß erklärt sich zugunsten häufiger Unter-suchungen durch Arbeiter, welche von den Leuten selbst zu In-spektoren ernannt und auS öffentlichen Mitteln bezahlt werden."Beide Resolutionen fanden bei dem Kongresse die gewünschteUnterstützung.Der Bergarbeiterkongrrtz und der Krieg.Delegierter G o r m i a u x beleuchtete in einer bemsrkens�werten Rede die Stellung der Bergarbeiter zu einem Kriege. Erbedauerte eS, daß die Haager Friedenskonferenz zu keinempositiven Resultat gelangt sei. Die Einsetzung eines Schiedsgerichtes, dem die Anerkennung aller Nationen zugesichert werdenmüßte, hätte die wünschenswerte Lösung herbeigeführt. Die fran-zösischen Arbeiter würden im Falle eines Krieges ihr Vaterlandgewiß nicht verraten, trotzdem aber— unbeschadet ihrer patriotischen Gesinnung— können sie einen Krieg nicht billigen, der aufgewaltsame Unterdrückung anderer Nationen abzielt. Den Berg.arbeitern seien Mittel an die Hand gegeben, den Ausbruch einesKrieges zu verhindern, der gegen das sittliche Empfinden verstoße,daS Menschlichkeitsgefühl verletze. Die Arbeiter dürfen sich nichtinehr als Kriegsopfer hinschlachten lassen und darum müsse derKongreß der Bergarbeiter seine Stimme gegen den Krieg erheben.Nach dem Referenten G o r m i a u x sprach der BelgierM a r o i l e. Er erklärte, die Belgier seien begeisterte Anhängerder Friedensidee. Wer daS Kapital bekämpfe, müsse auch ein ent-fchiedener Gegner des Krieges sein. Die Arbeiter dürfen nichtdulden, daß eine Zivilisation durch einen mutwilligen Krieg zu»gründe gerichtet werde.Sodann sprach Reichstagsabgeordneter H u e. Er sagte, diedeutschen Arbeiter seien aus Humanitären Gründen gegen denKrieg, aber sie sind der Anschauung, daß die Erörterung dieserFrage auf einem Berufskongreß nicht zulässig sei. Die Be»kämpfung des Krieges fei Sache der politischen Parteien. Esgenügt daher, wenn der Kongreß seine volle Sympathie für dieFriedensbewegung ausspreche und die ganze Angelegenheit demInternationalen Komitee zuweise. Es werde Sache dieses Komiteessein, für den Fall, wo ein Krieg drohe, die nötigen Vorbereitungenzu treffen und eventuell abermals einen Bergarbeiter-Kongreßzur definitiven Stellungnahme einzuberufen.Auch die Oesterrcicher gaben ihre Zustimmung.Namens der Engländer sprach der Parlamentarier Brace,welcher erklärte, dag die Engländer auf dem Standpunkt derFranzosen und Belgier stehen. Als vor einigen Jahren in Süd»afrika Krieg geführt wurde,>seien die Bergarbeiter an demselbenim hohen Maße interessiert gewesen. Die englischen Delegiertenhaben, als sie nach Salzburg gefahren sind, 1000 Pfund Sterlingnoch Johannisburg geschickt zugunsten der dortigen Bergarbeiter.Er erklärte sich mit den Anschauungen des Abg. H u e vollkommeneinverstanden und schloß mit den Worten, die Größe eines Landeshänge nicht von seiner Flotte und seiner Armee, sondern von seinerwirtschaftlichen Wohlfahrt ab.Die polnischen Delegierten gaben die Erklärung ab, daß siegegen die Resolution stimmen werden, da die Polen mit den Ver»Hältnissen in Deutschland vollkommen unzufrieden sind.ReichsratSabgcordneter W i n a r S k i begrüßte den Kongreßnamens der österreichischen Sozialdemokratie und namens derparlamentarischen Fraktion. Er wies darauf hin, daß die Parteistets für die Forderungen der Bergarbeiter eingetreten sei. DerAbg. P einer st orfer habe im Parlament schon im Jahre 1894einen Antrag auf den Achtstundentag eingebracht. Redner verweistweiter auf die Anträge, welche die Sozialdemokraten im öfter.reichischen Parlament auch Heuer zugunsten der Bergarbeiter ein»gebracht haben. Abg. Winarski gab die Versicherung, daß dieSozialdemokraten im österreichischen Abgeordnetenhause den Berg-arbeitern, welche zu den Siegen, die die Partei errungen hat, redlichbeigetragen haben, in jeder Weise entgegenkommen werden unddafür sorgen, daß ihre Forderungen entsprechende Berücksichtigungerfahren.Es gelangte sodann die Resolution über die Arbeiter-Jnspektorate zur Verhandlung und wurde dieselbe nach einemReferate des Abg. Cingr angenommen.Dieselbe zielt dahin ab, daß Grubenkontrolleure aus denReihen der praktischen Bergarbeiter gewählt und aus Staatsmittelnbesoldet werden, welche das Recht haben, die Betriebe, so oft siewollen oder so oft die Arbeiter es verlangen, zu inspizieren.Desgleichen wurde folgender Antrag, zu welchem AbgeordneterJarolim sprach, angenommen. Derselbe lautet:„Auf demWege des Abschlusses von Tarifverträgen müssen die Bergarbeiter-organisationen einen Minimallohn festzulegen suchen."Folgende Anträge wurden dem internationalen Komitee zu-gewiesen:„Nach der Ansicht deS Kongresse? ist eS notwendig, daß eininternationaler Feiertag für Bergarbeiter erklärtwird; der erste Montag im August soll für diesen Zweck gewähltwerden."„Der Kongreß erklärt, daß eS im Interesse der Bergarbeiterist. daß ihnen jedes Jahr 14 Tage Ferien gewährt werden, eineWoche im April, die andere im September."Als nächster Kongreßort wurde der Sitz des Generalsekretariatsin England, Bristol» bestimmt.Kweii kontra Leo Schmidt.Telephonischer Bericht.Köln, 21. September.In der heutigen Sitzung richtete der Vorsitzende Amtsgerichts-rat Kuhn an den Beklagten Schmidt die Frage: Halten Sienach dem Verlauf der Beweisaufnahme den Vorwurfgeae'�-ber Herrn Geheimrat Roeren aufrecht, daß er seine Aus-führungen im Reichstage wider besseres Wissen gemachthabe? Ich stelle diese Frage an Sie. um möglicherweise eineUnterlage fürVergleichSvorschlägezu haben.—» Angekl. Schmidt: Ich möchte die Beantwortungmeinem Herrn Verteidiger überlassen.— RechtsanwaltBredereck: Wir wären bereit, sofern der Privatkläger ein-verstanden«st, auf Vergleichsvorschläge einzugehen, in Vcrhand-langen einzutreten. Eine persönliche Beleidigung hat dem Privat-beklagten vollständig fern gelegen.— Geheiinrat Roeren:Herr Präsident! ES ist nicht persönliche Rachfucht gegen den An,geklagten, die es mir absolut unmöglich macht, auf irgend welcheVergleichsvorschläge einzugehen. Es hat diese Angelegenheit seiteinem Jahre die Oeffentlichkeit beschäftigt und ich bin seit einemJahre verfolgt und mit Anwürfen bedacht worden, so daß ichglaube, daß ein Vergleich meinen Privatdispositionen nicht ent-spricht. Ich bin deshalb absolut nicht in der Lage, in einen Vergleich eingehen zu können. Ich möchte dabei noch eine Erklärungabgeben. Ich habe an den Vorgängen von vorgestern und gesternüber die Verhaftung der Missionare zu erklären, daß kein Zweifelin meine Worte gesetzt werden kann,- daß ich alles, was ich überdiese Verhaftung gesagt habe, voll und ganz auf»recht erhalte.— Zeuge v. Rottberg: Herr Vorsitzender, darfich noch eine Frage stellen?— Vors.: Ich bedaurc, dem Zeugennicht daS Wort geben zu können, die Beweisaufnahme ist bereitsgeschlossen. Sie müssen sich schon privatim mit dem Herrn Privat»klüger, wenn Sie etwas von ihm wünschen, in Verbindung setzen.Justizrat Gammersbach:Die Verhandlungen haben ein unerfreuliches Bild über dieZustände in einer unserer Kolonien entrollt, ein Bild, das nounerfreulicher ist, als nach der Rede des Herrn Geheimrats Roedangenommen weichen konnte. In seiner Rede besprach Herr Roerenin erster Linie die Verhaftung der Missionare inTogo. Die Umstände, die zu dieser Verhaftung führten, stehen mitder Tätigkeit des Angeklagten in einem derartig innigen Zu-sammenhang, daß man die ungesetzliche Verhaftung nicht mit demrichtigen Verständnis darstellen kann, ohne auf Herrn Schmidteinzugehen. Die Besprechung der in Togo vorhandenen Mißständedurch Herrn Roeren k�itte Erfolg gehabt, daß die Quelle mehrererMißstände durch Verordnungen von maßgebender Stelle in-zwischen verstopft worden ist. Die Verhältnisse in Togo, mitdenen sich Herr Roeren seit Jahren beschäftigt, weisen in ihrenersten Anfängen auf den Angeklagten Schmidt hin. Man kannheute nicht sagen: WaS geht mich die Verhaftungsgeschichte anund die ganze Schuld auf Herrn v. Rottberg schieben. DieVerhaftung der Missionare ist untrennbar verknüpft mit der Ver-waltung deS Herrn Schmidt. Seine Anzeige an Herrn v. Rottbergseine fortgesetzte Verteidigung oder besser gesagt Angriffsweiseging immer dahin: alle Beschwerden der Eingeborenen sind nur das Werk der Mission.Es steht fest, daß der Angeklagte über die Aveteleute die Prügel»strafe verhangt hat, die auch vollzogen wurde. Diese Züchtigungen sind nicht, wie es Vorschrift ist, mit Ruten oderStäbchen ausgeführt worden, sondernmit Knütteln,wie Sie hier einen gesehen haben. Bier Stöcke waren zu jederZüchtigung notwendig» we,ldrei Stöcke auf dem nackten Menschenkörper zerbrachen,so daß sich das blutige rohe Fleisch zeigte. PaterMüller, der medizinische Bildung hat, sprach von einem großenEpidermisverlust. Er fügte hinzu, daß er, vulgär ausgedrückt,sagen würde: D i e Fetzen hingen herunter. Nach dreiJahren sah Herr Rechtsanwalt Curt noch die Narben derEingeborenen. Welche Straftat haben denn eigentlich die Avete-leute begangen. Sie haben sich ungehorsam gezeigt und nicht dieArbeit des Umzäunens der Bäume ausführen wollen. Manzeige mir aber eine Bestimmung, nach welcherauch nach dortigem Recht der Ungehorsam einDelikt ist. Lag aber kein Vergehen der Leute vor, dann wardie Verhaftung undBerprügelung der Aveteleute ungesetzlich.Man muß über das dort beliebte Verfahren sehr erstaunt sein.Da wird durch etwa 20 Polizeisoldaten eine Schar Eingeborenerzusammengetrieben, es wird auf eine Schar von 40 Schwarzeneingesprochen und sie werden zur Prügelstrafe verurteilt.Und das, obwohl der Angeklagte nicht einmal die Mutter-spräche der Leute verstand! Wenn es kein Gesetzgäbe, so würde mir das gesunde Gerechtigkeitsgefühl sagen, daßman niemand ungehört verurteilen darf. Es mußtejeder Einzelne der 40 Mann gehört werden. Aber derDolmetscher spricht in die Schar hinein, und ohne daß der An»geklagte sich vergewissert hat, ob der Dolmetscher die Fragenden Leuten überhaupt richtig vorgelegt hat, werdendiese zur Prügelstrafe verurteilt. Das soll die Unterlage für einGerichtsverfahren sein! Also dieses Verfahren hat ja auch dazugeführt, daß ein oder zwei Unschuldige mit verurteilt worden sind.Der Angeklagte entschuldigt sich damit, daß diese Leute sichhätten melden können. Die Leute, die von P o l i z e« so l d a t enzusammengetrieben waren,«nögen, wenn sie die An»rede deS Dolmetschers überhaupt verstanden hätten, so ein»geschüchtert gewesen sein, daß sie sich gar nicht zu melden wagten.Es ist ein fundamentaler Satz, daß im gerichtlichen Verfahrenjeder einzelne Beschuldigte gehört werden muß. Auch der Schwarzehat einen Anspruch auf solches Recht. Das Gesetz schreibt aus-drücklich vor, daß über jedes gerichtliche Verfahren ein Protokollaufzunehmen ist. Der Herr Reichskanzler hat sehr wohl gewußt,warum er diese Bestimmung in feine Verordnung aufgenommenhatte. Er wollte Vorsorge treffen, daß nicht Willkür, sondern Gesetzund Recht herrschen solle. Wenn aber gesetzliche Bestimmungenaußer acht gelassen waren, dann war Herr Roeren berechtigt,dieses Verfahren als ungesetzlich zu bezeichnen. Nach welchenGrundsätzen sollten denn die Leute überhaupt zur Arbeitsleistunggeztvungen werden? Kammergerichtsrat Wilcke sagte, sie solltenan Stelle von Steuer Arbeit leisten. Diese Deduk»tion ist unrichtig. Lesen Sie unbefangen den Z 17! Dayach kannnur gedacht sein an ein vertragliches Dienst» und Arbeits-Verhältnis, alsoeine Art Togoer Gefindeordnnng.Nach Laband besteht aber außer der Grundsteuer für Togonur noch eine Farm st euer, das ist eine Gewerbesteuer. Esfehlt also die Voraussetzung für die Bestrafung und Verhaftungder Leute. Aber die Bestrafung selbst ist auch in ungesetzlicherForm vollführt worden. Assessor Tich hat zugunsten deS An»geklagten angenommen, daß die Prügelstrafe mit Ruten vollzogenworden sei. Aber UieseS Instrument(auf den Stock zeige ird) istkeine leichte Gerte oder das Tauende, wie es im Interesse einesmilden Vollzuges der Prügelstrafe vorgeschrieben ist. E s st i m m tsomit Satz für Sah, was Herr Roeren über dieAveteleut'e im Reichstag vorgetragen hat. Wieman da behaupten kann, daß Herr Roeren wider besseres Wissengehandelt hat, ist mir unverständlich. Ich bin gespannt, ob mandas heute noch wird aufrecht erhalten und begründen wollen. Ichwende mich nun zu dem Falle Kukowina. Kukowina glaubteUrsache zu haben, sich über Herrn Schmidt zu beschweren, wassein gutes Recht ist. Ein weiterer fundamentaler Grundsatz unsererRechtspflege ist, daß niemand in feiner eigenen Sache Richter seinkann. Herr Schmidt aber hat den Kukowina, der sich über ihnbeschwerte, festnehmen lassen und ungefähr 14 Tage in Haft be»halten. ES liegt ein ungesetzlicher» von Herrn d. Horn bereitsgenügend charakterisierter Uebcrgriff vor. Vor allem möchte ichwissen, welches.Delikt Kukowina überhaupt begangen haben soll.Hier ist ein Mann, der von seinem Recht Gebrauch gemacht undsich beschwert hatte, widerrechtlich verhaftet worden. Wenn eswahr ist, was Pater Müller hier bekundet hat, dann hat bei derVernehmung des Kukaivina der Unglückliche schließlich die Händeausgebreitet und zu Schmidt gesagt: Schieß mich tot. ichbin die ewige Vexation satt. ES war nicht nur dasRecht, sondern auch die Pflicht deS Mg. Roeren, diesen Vorfallzur Sprache zu bringen. Ich komme zu dem nächsten Fall, derAnordnung des nächtlichen Tanzes.Da soll der Ausrufer auch die Strafandrohung für denFall, daß die Mädchen nicht kommen sollten, hinzugefugt haben,ohne daß der Angeklagte davon Kenntnis gehabt habe. De«Ausrufer ist aber nicht in Strafe genominenworden. Das sonderbarste ist, daß die Mädchen auf die Stationzum Tanz befohlen wurden. Aber an allen Fällen ist ein Momenthochgradig auffällig, das ist die Proklamierung einerFrauen königin, eine Institution, die bis dahin und heutenicht mehr m Atakpame gebrauchlich war und überhaupt nur beieinigen Christenstämmen üblich ist. Es ist nicht zu verstehen, wienur die Leute in Atakpame die Sehnsucht nach einer Frauen-königin bekommen haben sollen, bor allem die Häuptlinge»denen damit doch ein erheblicher Teil ihrer Macht-befugnisse genommen wird. Die Frauenkönigin hatnun aber eine sehr böswillige Gerichtsbarkeit ausgeübt. Sie hatmehrfach zum Fetischessen verurteilt, daS schon ineiner Reihe von Fällen zum Tode geführt hat. Deshalb beschwertesich der MissionLnachfolger Graf v. Zechlin, und der Krauen-königin Ssisagbe wurde die Gerichtsbarkeit über die Männer ent-zogen. Herr Schmidt stellte in Abrede, daß die Ssisagbe seineKonkubine sei. Herr Roeren hatte feine Informationendarüber im Kolonialamt vom apostolischen Präfekten Bücking er-halten, also von durchaus glaubwürdiger Seite. Wir wissen vomPgter Müller, daß die allgemeine Volks st imme dieSsisagbe als Konkubine des StationSchesS bezeichnete. Jedenfalls hat Herr Sckimidt nicht so gelebt, wie eS im Interesse derHebung der Sittlichkeit notwendig war. Ich verweise darauf, daßHerr Schmidt eineSchar von fünf kleinen schwarzen Mädchenauf der Station hielt und noch ein weiteres Mädchen, dieAbdjao hinlockte. Wir wissen aus dem Leben des HerrnSchmidt, daß er sich selbst Mädchen hielt und daß er mit derAbdjao und der Pombo geschlechtlich verkehrt hat,wenn er auch erst für eine spätere Zeit dies zugab. DieserUmstand muß beim Lesen der Alten über die Aussagen derMädchen Abdzao und Pombo wichtig erscheinen und man war be»rechtigt zu einer von dem Urteil abweichenden Auffassung derDinge. Wenn man die Verhandlung an sich vorüberziehen läßt,so müssen in mancher Beziehung doch Zweifel auf-tauchen. Herr Roeren hatte das Gefühl und er hat demselbenAusdruck gegeben, daß man den Aussagen der Weißen eine»in-verhältnismäßig große Bedeutung beilege gegenüber den Aus-sagen der Schtvarzen. Ganz zutreffend scheint mir die Auf-sassung des Herrn v. Nottberg zu fein, der sagte, man könne be-züglich der Glaubwürdigkeit der Eingeborenen keine allgemeinenRegeln aufstellen, wie auch nicht über die Glaubwürdigkeit derWeißen. In den Akten findet man auch keinen Widerspruch derAbdjao in ihren Aussagen. Man muß aber erwägen, welche»sonderbare Bild sich von der Gerichtsbarkeit in Togo ergeben hat.Wir haben gesehen, wie die Leuteohne Grund verprügelt und verhaftet wurden»wie sogar die Missionare verhaftet wurden. Da sindwir wohl berechtigt, erhebliche Zweifel an der Gesetzmäßigkeit undObjektivität der Rechtspflege in Atakpame zu haben, 5ie wir auchden Eingeborenen gegenüber hochhalten müssen, wenn wir sie aufunsere Kulturstufe heben wollen. Aus diesem Rechtszustande her-auS war Herr Roeren berechtigt, die Gerichtsakten und die Aus-sagen mit kritischem Blick zu betrachten. Aber Herr Roeren hatcS dahin gestellt sein lassen, ob Herr Schmidt im Fall der Abdjaoschuldig sei. Den Fall Abdjao mußte er aber unumgänglich an-sühren, denn er war der letzte Anstoß zu dem Fall, der HerrnRoeren veranlaßte, die Sache zur Sprache zu bringen, nämlichdie Verhaftung der Missionare. Da» Verfahren gegen dieMission war ein ungesetzliches. Wenn Sie sich den TatbestandvergegelUvärtigen, wird man Herrn Roeren die Berechtigung zu-billigen müssen, von Willkür zu sprechen. Eine solche Kritik zuüben war seine Pflicht. Der Angeklagte macht die Wahrnehmungberechtigter Interessen für sich geltend. Der ganze Brief ist vollBeleidigungen, er stellt keine Verteidigimg, keine Rechtfertigung,keine Wahrnehmung berechtigter Interessen dar. sondern er ist derverschärfte Ausdruck der Mißachtung und Verhöhnung für einenMann, den Kolonialdirektor Dernburg am S. Dezember imReichstage als einen hochangefehcncn Parlamentarier bezeichnethat. Ich bitte, bei Mwägung des Strafmaßes alle diese Um-stände erwägen zu wollen.Hierauf trat eine kurze Pause ein,Rechtsanwalt Schreiber:ES ist hier eintrauriges Bild von Rechtspflege in den Kolonienentwickelt worden. Dieses Bild mußte aufgerollt werden, dflurnur so kann eine Rcmcdur der bestehenden Zustände erwirktwerden. Bei einer Arbeit, bei der wir daS Christentum zu diesenLeuten tragen wollen, bei.der wir Weiße und Schwarze sich alsBrüder entgegentreten lassen, sollen sie sich nicht alS blondeB e st i e n und schwarze Bestien entgegentreten. Nicht HerrDernburg hat eine Eiterbeule aufgestochen, sondern der Herr Ab-geordnete Roeren.— RechtSanlvvlt Schreiber wendet sich dagegen,daß man bei den Beamten mit Bezug auf ihr sittliches Leben, sobaldsie Europa verlassen haben, nicht die Grundsätze der Moral desChristentums, sondern die Moral der Schwarzen anwenden will«Wenn man die Kolonien nur mit schwarzer Moral haben könnte.'o würde er sagen, dann lieber keine. Die Verhandlungen haben>en sittlichen Ernst desjenigen Abgeordneten gezeigt, der gegenalle diese Dinge in seiner ReichStagsrede vorgehen mußte.— Rechtsanwalt Schreiber setzt dann auseinander, daß der Beklagte durch-aus kein Recht habe, sich auf den Schutz des Z 198 des St.-G.-B«zu berufen. Nach der ganzen Form des offenen Briefes war esseine Absicht, den Privatklägcr in schärfster Form zu beleidigen.Wenn Sie alles zugunsten des Beklagten auslegen wollten, würdeman doch sagen müssen, daß der Angeklagte in schwerster Formdas Schutzgebiet de?§ 193 übertreten hat. Deshalb beantrage ichdie Bestrafung des Angeklagten.Rechtsanwalt Bredereck:Wenn daS Interesse am Prozeß so groß ist, dann geschiehtes nicht deshalb, weil hier zwei Weltanschauungen aufeinander-platzen, sondern weil der Prozeß zeigt, daß eS in Deutschlandim 20. Jahrhundert möglich ist, daß ein Mann, der seineKraft und sein Leben in den Dienst deS Vater»landeS gestellt hat, der bemüht war, den Kindern desVaterlandes neue Siedelungen zu verschaffen, sich hier ver,t cid igen muß, weil er einige Schwarze geprügelt und dioGrenzen seines AmleS überschritten hat.(I) Für den An»geklagten handelt eS sich um Ehre und Existenz. Um das zu ver.stehen, müssen wir in Betracht ziehen, wie sich überhaupt die Dingeso zugespitzt haben. Der Angeklagte hat lange Jahre im Kolonial-dienst gearbeitet. Seine Tätigkeit speziell in Togo wird imgünstigsten Lichte geschildert. Wir haben vesehen» wie HerrSchmidt in der ersten Zeit mit der Partei, die später s'cinoGegenpartei wurde, in bestem Eindernchmen lebte. Jahrelanghat die Mission mit ihm aufs freundfchaft-lichste verkehrt. Es soll hier nicht untersucht werden, durchwessen Schuld dieser Zwist zuerst ausgebrochen ist. Der Kampfhat sich aber zugespitzt und wurde so hartnäckig, daß man sichwundern mutz, daß der Angeklagte solange Stand gehalten hatund daß seine Nerven solange ausgeholten haben. Keine einzigeWoche verging ohne Anträge der Mission, ohne daß Herr Schmidtals Zeuge vor Gericht stand, ohne daß er sich gegen Anschuldigungenvor seiner Behörde zu rechtfertigen hatte. So hat er zwei Jayrc�lang fast täglich um seine Ehre, sein Ansehen, sich mit seineuGegnern herumschlagen müssen. Noch jetzt sind 5 bis6 Prozesse nicht erledigt. Warum das geschchen, liegtin den Verhältnissen begründet, die wir dem Privatkläger zurLast legen, Als dann 1906 ein Ruhepunkt in dem Kampf xin»