Schiffshygiene, Generalarzt Professor Kern. Sektion 8, Demo graphie, Präsident van der Borght. Ueber die Wohnungsfitrsirge für Minderbemittelte sprachen Cachcux-Paris , Aldridgc-Leicester und Prof. Fuchs-Fre bürg i. B. Chacheux- Paris hob hervor, datz in Frankreich die Frage der privaten und öffentlichen Wohlfahrtspslege zur Schaffung billiger Wohnungen von allen Seiten gefördert würde. Die Privat. Wohltätigkeit unterstützte Personen, die außerstande sind, ihre Miete zu bezahlen, sie verbessere Wohnungen, die sich im schlechten Zustande befinden und stelle sie dann Arbeitern, die einer Hüls bedürftig sind, zur Verfügung. Neuerdings wolle man auch billige Wohnungen direkt erbauen. In gleicher Weise fange jetzt auch die öffentliche Wohltätigkeit an, sich der Wohnungsverbesserung anzu nehmen. Redner spricht den Wunsch aus, daß die Wohltätigkcits anstalten, die Klöster, Hospize und andere Wohlfahrtsanstalten den Arbeitern so viele gesunde und billige Wohnungen zur Verfügung stellten als nur irgend möglich ist. Als Mittel zu diesem Ziele macht der Redner folgende Vorschläge: 1. Verlosung ihres Mobiliar- besitze? so, daß möglichst viel Lose für Bauplätze an. den Markt gebracht werden; 2. sie könnten die Bildung von Gesellschaften zum Bau billiger Häuser dadurch erleichtern, daß sie Aktien und Schuld berschreibungcn dieser Gesellschaften erwerben; 3. könnten sie in Fällen von großer Bedürftigkeit selbst Häuser bauen, die allmählich gegen jährliche Abzahlung verkauft werden.— A l d r i d g e, Sekretär des Nationalrats für Wohnungsreform in England, ist der Meinung, daß mit Ausnahme besonderer Fälle die Wohnhäuser, die den Minderbemittelten gewidmet sind, auf billigem Gelände an der Peripherie und nicht auf dem teuren Baugrund im Mittel Punkt der Städte erbaut werden. An der Herstellung der Wohn- Häuser müßten sich Privatunternchmungen, philantropische Privat gesellschaftcn und die Stadtbehörden beteiligen. Die Wohnungs mieten müssen so gehalten werden, daß sie die Zinsen, die Amorti sation, Steuern, Reparaturen usw. decken. Alle derartige Unter- nchmungen müßten kräftig unterstützt werden. Nach dem Vor- schlage von Kampffmeher- Karlsruhe, der über Gartenstädte gesprochen und eine gemeinnützige Regelung der Wohnungs- und Bodenpreise empfohlen hatte, wurde folgende Resolution angenommen: „Der Kongreß erblickt eine wesentliche Förderung der Volks gesundheit in einer durchgreifenden Wohnungs. und Bodenbesitz- reform. Er empfiehlt die Ausgestaltung der bestehenden Ort- schaften sowie der Begründung neuer Sicdelungen, die Ziele dieser Gartenstadtbewegung zugrunde zu legen, welche in den der- fchiedenen Kulturländern hygienisch vorbildliche Ansiedelungen gc schaffen hat oder zu schaffen bemüht ist." In einer zweiten Resolution heißt es: „Der Kongreß tritt dafür ein, daß die Städte möglichst diel Land in Eigenbesitz zu bekommen suchen und diese Ländereien in einer Weise aufzuschließen suchen, durch die jede Spekulation aus geschaltet wird. Wie das geschehen soll, bleibt den einzelnen Ländern und Gemeinden überlassen." Prof. Fuchs. Freiburg glaubt, daß die Kleinwohnungsfrage in Dcutfchland nicht isoliert durch Maßregeln gelöst werden kann, welche aus Beseitigung oder Verhinderung ungesunder Wohnungs Verhältnisse, durch Wohnungsinspektion und Baupolizei hinzielen zur Lösung der Kleinwohnungsfrage in Deutschland ist viel mehr eine umfassende WohnungSreform grossen Stile? erforderlich. Prof. Fuchs schlägt hierfür vor: 1. Reform auf dem Gebiete des städtischen RealkrediteS, Verbot der Beleihung von Baustellen durch Hypothekenbanken, Einführung einer Berschuldungsgrenze oder Unterscheidung von MeliorationS - Hypotheken und einfachen Bodenschulden bei der grundbuchlichen Eintragung. 2. LandeSgesctzliche Erzwingung der allgemeinen Ein- führung abgestufter Bebauungspläne und Bauordnung mit Unter- scheidung von Wohnungs- und Äcrkehrsstraßen, sowie Herabsetzung der Anforderungen für Kleinhäuser bezw. Bürgerhäuser. 3. Be- förderung des BaueS von Kleinwohnungen seitens der privaten wie der gemeinnützigen Bautätigkeit insbesondere durch Gewährung billigen öffentlichen Kredite?. 4. Landesgesetzliche bezw. reichs- gesetzlich geregelte Wohnungsaufsicht. S. Bessere Aufsicht der Bau- und Wohnungsstatistik sowie des Wohnungsnachweises. S. Eni- Wickelung der Verkehrsmittel, insbesondere oeS Schnellverkehrs für die Großstädte. Ein weiterer Punkt der neuen Sektion betrasen die Ledigenheime. Dr. Singer- München, Direktor de» dortigen städtischen statistischen Amtes, führte aus, daß die Frage der Unterbringung lcdiger Personen infolge der wachsenden Konzentration unselbständig Erwerbstätiger in der Industrie, im Handel und Verkehr eine steigende Berücksichtigung verlange. Jedoch sei es nicht tunlich, die Frage generell zu behandeln. Es müßten vielmehr die bei der bis- herigen Unterbringung der Ledigen aufgetretenen Mißstände und ebenso manche Vorteile durch exakte Erhebungen zunächst festgestellt werden. Neben den hygienischen Mißständen schlechter Wohnungen und neben den Mißständen persönlich sittlicher Art ungeeigneter Wohnweise sind zahlreiche Falle vorhanden, in welchen durch die Aufnahme von Aftermietern der an sich ausreichende Wohnraum ungenügend wird. ES sei deshalb zu fordern: 1. Wo stark fluktuierende Bevölkerung, wie in den Großstadt- gentren des Verkehrs und der Industrie vorhanden ist, sollen moderne Unterkunftshäuser, welche nach Art der englischen Rowton- Häuser mit allen hygienischen und wirtschaftlichen Vorzügen aus- gestattet sind, geschaffen werden. Die Anlage ist nur dann ren- tabel, wenn sie in großem Maßstäbe erfolgen kann. 2. Einen speziellen Fall bilden die Ledigenhäuser der industriellen Werke, bei welchen eventuell Rücksicht auf die Umwandlung in Familien. Wohnungen genommen werden soll. 3. Für die Unterbringung ständig beschäftigter Personen erscheinen Heime nach dem Muster des Stuttgarter Arbeiterheims als zweckmäßigste Lösung. 4. Auf- gäbe der Wohnungsinspektion auf dem Gebiete der Teilvermietung ist es, dahin zu wirken, daß die bei dem Aftermietwesen noch ver bleibenden Nachteile mehr und mehr vermieden werden. In der dritten Sektion sprach Dietrich-Steglitz über das „Fürsorgewesen für Säuglinge". Die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahre mache einen wesentlichen Teil der Gesamtsterbltchkeit aus, in Deutschland etwa ein Drittel. Die hohe Kindersterblichkeit sei ein wirtschaftliches und nationales Unglück, weil zahlreiche volkswirtschafliche Werte alljährlich unter erheblicher Belastung der Betroffenen zwecklos geschaffen und vorzeitig wieder vernichtet werden, und weil die Ursachen der hohen Kindersterblichkeit zugleich die Widerstands- fähigkcit der überlebenden Säuglinge herabsetzen und die Kraft der Nation in ihrem Nachwuchs schwächen. Diese nationale Gefahr gewinnt noch dadurch an Bedeutung, daß die Zahl der Geburten von Jahr zu Jahr abnimmt. Sie legt den öffentlichen Faktoren im Staate die Pflicht auf, geeignete Fürsorgemaßnahmcn zum Schutze der Säuglinge zu treffen. Gchcimrat Dietrich faßt zunächst eine allgemeine Fürsorge durch Belehrung und praktische Maßnahmen inS Auge, in letzter Beziehung unter anderem eine Förderung der Geburts- und Wochenbetthygiene und eine all- gemeine Wiedereinführung des Stillens der Säuglinge. Dazu gehört auch eine Verbesserung der Ausbildung und der materiellen Lage der Hebammen. Für da? Werden und Gedeihen deS Kindes ist die Fürsorge für die Mutter eine ausreichend lange Zeit vor und nach der Geburt von der größten Bedeutung. Redner macht dann besondere Vorschläge für eine bessere Fürsorge für die obdach. »osen, elternlosen und sonst sürsorgebedürftigen Sauglinge. Es schloß sich an den Vortrag eine Besprechung der Frage der Säuglingsheime und der Frage der Hebung de« Hebammen- standes. Schließlich wurde eine Resolution angenommen, welche sich für die obligatorische Schwangerschafts- und Wöchnerinnenversscherung ausspricht. Die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Armentoft war das in der 2. Sektion gestern behandelte Thema. Die Aus- führungen des Medizinalrats Professor Max Nubner gipfelten in folgenden Sätzen: 1. Unter Armenkost ist eine Kost zu verstehen, welche aus Mangel an Subsistenzmitteln aus genußmittelarmcn, billigen Vcgetabilien zusammengesetzt werden mutz, und zur Erhaltung eines normalen Körpergewichts, wie es der Körpergröße entspricht, nicht genügt. 2. Die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Armenkost sind demnach zu suchen in erster Linie in der Herabsetzung des Ernährungszustandes der davon Betroffenen; daraus folgt die Ver- Minderung der Arbeitskraft dieser Klassen, ihre geringere Ver- wendbarkeit, die hohe Kränklichkeitsziffer und Moralität, die starke Inanspruchnahme der Krankenkassen, wahrscheinlich auch die Mehrung der Unfälle und traumatischen Verletzungen, das körperliche Zurückbleiben der Kinder solcher Minderernährten, die Ge- fahren dieser Klasse als erste Nährböden bei Epidemien, ferner ist bedeutungsvoll die Rückwirkung solcher Kost auf den Gemütszustand. 3. Ein Mensch ohne zureichenden Ernährungszustand ist von hygienischer Seite betrachtet stets mindergünstig zu bewerten, eS muß das Bestreben sein, die Zahl solcher Personen zu vermindern. 4. Unter allen Umständen ist die Ernährung der Arbeiter mit stärkerer Muskelarbeit so zu gestalten, daß erstcre zur Erhaltung eines kräftigen Körpers hinreicht. S. Ungenügende Ernährung ist nicht immer als Wirkung eines ungenügenden Einkommens anzu- sehen, sondern kann in schlechter Führung des häuslichen Budgets, unzweckmäßiger Ernährung, mangelnder Kochkunst, ferner auf den Genutz alkoholischer Getränke beruhen. 6. Zum Studium der öffentlichen und Volksernährung ist die Errichtung einer staat- lichen Zentralstelle, eines Nahrungsamtes, unabweislich. Zu demselben Thema sprach auch noch B l a u b e r g» Odessa Seine Ausführungen skizziert ein Zuhörer dahin: Der russische Professor gab sich als Gegensatz eines deutschen , spitzfindigen Theoretikers. Er übersprang kühn all den theoretischen Misch-Masch weltenfremder Gelehrter.„Edel fei der Mensch, hülfrcich und gut", und so sei es die Devise der russischen Aerzte zu helfen zu teilen mit dem Geringsten der Brüder. Er kam dann auf di- Ernährung der Bevölkerung zu sprechen während der chronischen tungerjahre in Rußland und wies nach, daß so und so viel Gramm iweitz pro Hungernden tagtäglich verabreicht werden konnte- Die Diskussion bewegte sich in scharfer Kurve nach abwart? und ein deutscher Privatdozent glaubte wissenschaftlich den Nach- weis führen zu können, daß in Ruhland eigentlich verfluchte Gurmands— die„Hungernden" feien—.nur so und so viel Gramm Eiweiß wären nötig.— volkswirtschaftlich also — eine Ueberernährung. Der Russe hatte recht,— einem Hungernden rechnet man daS Zentigramm Eiweiß nicht nach,— ein bißchen Ethik, werter Kollege, so schloß er seine interessanten Ausführungen. Professor C z e r n h- Breslau sprach über Die Neberarbettung in der Schule. Seiner Ansicht nach ist eine Ueberarbeitung durch die Schule für normale Kinder von keiner Seite erwiesen, fl) Die Krankheits symptome , welche auf Ueberarbeitung gezogen werden, sind zu- meist Folgen der Wärmestauung bei mangelhafter Ventilation der Schule. Objektiv feststellbare Störungen durch angebliche Ueber arbeitung in der Schule finden sich nur bei nervös veranlagten Kindern. Als prophylaktische Maßnahme ist eine zweckmäßige Er ziehung der Kinder im Hause schon vor dem Schulbesuch und auch während der Schulzeit in Betracht zu ziehen. In der Diskussion trat Prof. Griesbach- Mülhausen, Vorsitzender des Deutschen Vereins für Schulhygiene, der Ansicht deS Referenten entgegen. Er berichtete gleichzeitig über die einschlägigen französischen Verhält- nisse und teilte mit, daß eine Ueberbürdung der Schüler in Frank» reich in allen Lehranstalten vorhanden fei, von den Kleinlinder- schulen angefangen bi» hinauf zu den Lyceen. In der vierten Sektion sprach Regierungsbaumeister E is n e r Berlin über die Ermüdung durch Berufsarbeit. Er hat eine Umfrage bei den Industriellen verschiedener Berufs zweige veranstaltet und bestätigt gefunden, daß, von Verhältnis- mäßig wenigen Aussagen abgesehen, der deutsche, normale, d. h gesunde, auf die Arbeit und die Arbeitsstelle eingewöhnte Arbeiter in der heute normalen Arbeitszeit ohne erhebliche Ueberstunden, bei den heutigen Fabrikeinrichtungen und unter den heutigen sozial- politischen Verhältnissen berufsmäßiger Pflicht bis zu einer Er- müdung arbeitet, welche ihn dauernd schädigt. Da aber ohne Zweifel jedes bei Versuchen über eine Gesundheitöfchädigung infolge von Ermüdung gefundene Ergebnis die weitere Durchführung deS änitären maximalen Arbeitstages unterstützen, so verhalte er sich nicht gegen daS Stadium der Ermüdung im allgemeinen ablehnend Vorher fei aber eine vorbereitende Untersuchung ratsam, wie eine möglichst vollständige Gesundheitsgeschichte eines jeden Arbeiters zu erreichen wäre. Ohne eine solche wäre die Ermüdung aznes einzelnen Arbeiters medizinisch und physiologisch nicht sicher fest- i-ustellen.— RegierungS- und Geh. Medizinalrat Dr. Roth- Potsdam: Um einer chronischen Uebermüdung vorzubeugen, müsse die Arbeitsintensität der Leistungsfähigkeit deS Arbeiters angepaßt ein. Je anstrengender die Arbeit und je weniger ausreichend die Arbeitspausen sind, um die Ermüdungsstoffe fortzuschaffen, um so rüher tritt Ermüdung ein und um so kürzer muß die Arbeits- muer bemessen werden. Betriebsgefahren, hohe Temperaturen, zezwungene Körperhaltung, hohe Feuchtigkeitsgrade, heftige Er- Hütterungen, einseitige Inanspruchnahme einzelner Muskeln, un- Zureichende Ernährung und ungeeignete Lebensführung be- chleunigen den Eintritt der Ermüdung. ES muß in allen gewerb- lichen Betrieben auf ausreichende Zufuhr frischer Luft gesehen werden. Durch Förderung aller auf eine rationelle Ernährung gerichtete Maßnahmen, Fernhaltung von alkoholischen Getränken und sonstige geeignete Maßnahmen wird einer ungünstigen Ein Wirkung dieser Faktoren zu begegnen seien. Arbeiten, die an die Verantwortlichkeit und Aufmerksamkeit der beschäftigten Personen besondere Anforderungen stellen und die mit andauernder geistiger Anstrengung einhergehen, sind geeignet, den vorzeitigen Eintritt- der Ermüdung zu begünstigen. Dasselbe gilt unter Umständen von Eintönigkeit der Arbeit. Für die Beurteilung etwaiger Berufs» chäden im allgemeinen und der Folgen körperlicher oder geistiger keberanstrengung im besonderen sind außerdem von einer ent- brechenden MorbilitätSstatistik der Krankenkassen, die außer Zu» geHörigkeit zum Berufe auch die Altersgrenze zu berücksichtigen hätte, wertvolle Aufschlüsse zu erwarten. Privatdozent Dr. T r e V e S- Turin hält es für höchst wünschenswert, daß alle Re- gierungen nach dem schon jetzt in Belgien , Holland . England und anderen Staaten vorhandenen Beispiel neben der gesetzlichen tech. nischen Ueberwachung der Arbeit und Arbeitszeit eine planmäßige ärztliche Ueberwachung einführen. keichsliigeavei'bznllz- Zeitungsschreiber. Nachdem erst vor einigen Tagen der Redakteur eines Reichs- lügenverbandsblatteö in Fürth wegen Verleumdung der Sozial- dcmokratie bestraft worden ist, wurde nun auch in Augsburg das Handwerk eines Soldschreibers des Reichslügenverbandes vor Gericht näher beleuchtet. Der Journalist Eduard Offen- brunner in Augsburg hat— wie er behauptet— von der Maschinenfabrik Augsburg in seiner Eigenschaft als Leibjournalist der Direktion und als journalistischer Rekommandeur der„Gelben" einen Artikel zum Abdruck in seinem Winkclblatt Stadtfraubas" erhalten, worin, speziell auf Augsburger Verhält- nisse zugeschnitten, den Arbeiterführern Schlemmerlcben auf Kosten der Arbeiter und anderes vorgeworfen wurde. Auf Kosteu der Maschinenfabrik ist der Schmähartikcl dann in mehreren tausend Exemplaren als Separatabdruck vor der Fabrik an die Arbeiter verteilt worden. Dem Sekretär der Augsburger Metallarbeiter, Genossen Wcrnthaler, waren diese Lügenbeuteleien nun doch etwas zu stark. Er stellte Privatklage an. Ossenbrunner wurde vom dortigen Schöffengericht freigesprochen. Die Be-, gründung ging dahin, der Artikel enthalte zwar schwere Be- leidigungen, aber es sei der Beweis nicht erbracht, daß damit der Kläger Wcrnthaler gemeint sei. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Augsburg wurden nun zwei Sachverständige vernommen darüber, ob mit dem Artikel Wernthaler als Arbeiterführer ge- meint sein und ob Wernthaler überhaupt als„Arbeiterführer" gelten könne.— Genosse Wernthaler hatte den Rechtsbeistand des Deutschen Mctallarbeitervcrbandcs, Rcchisanwalt Schweizer- Stuttgart, als Sachverständigen, der Ossenbrunner dagegen den Direktor der Maschinenfabrik, Dr. Guggen- heimer, einen früheren Landgerichtsrat, als Sachverständigen laden lassen.— Rechtsanwalt Schweizer besprach die Tätigkeit eine? Zahlftcllengeschäftsführcrs im allgemeinen und kam zu dem Schluß, daß ein solcher, von dessen Fähigkeit und Talent die ganze Bewegung am Orte abhänge, ohne weiteres als„Arbeiterführer" im üblichen Sinne gelten könne.— Der juristische Fabrikdirektor und Oberscharfmacher des bayerischen Jndustriellenverbandcs„be- wies" das Gegenteil. Selbstverständlich wollte auch der angeklagte Soldschreiber der Großindustriellen den Kläger mit den Per- Icumdungen„nicht gemeint" haben; seine Ausflüchte machten einen jämmerlichen Eindruck. DaS Gericht hob die erstrichtcrliche Freisprechung auf und verurteilte den Beauftragten der Großindustriellen zu 13 Mark Geldstrafe, Urteilspublikation und Tragung aller, auch der dem Privatkläger erwachsenen Kosten. Trotz aller Verurteilungen werden wohl die Reichsverbands- agenten das Verleumden der Arbeiterbewegung und ihrer Führer selbstverständlich fortsetzen— eS ist ja ihr Geschäft. Und daß sie freigesprochen oder geringfügige Strafen erhalten, darf man inS- besondere nach dem„Gutachten" ihres Mitarbeiters nicht für aus- geschlossen halten._ öericbte- Zeitung „Die nationale Kriickengardc." In Oespel bei Dortmund kämpften die Genossen jahrelang um die Erringung eines Lokals. Auch der Wirt V. folgte den Ein- flüsterungen und dem Druck der„nationalen" Gegner und ver- weigerte fein Lokal der Partei wie auch den Gewerkschaften zu Ber- sammlungen. Nun griffen unsere Genossen zum Boykott. Nach langem hartnäckigem Kampfe kapitulierte der Wirt und stellte sein Lokal zu Versammlungen zur Verfügung. Der Boykott wurde aufgehoben. Die Boykottkommisfion veröffentlichte in der Dortmunder „Arbeiterzeitung" einen Aufruf an die Gewerkschaftler und Parteigenossen, den Sieg auszunützen, da- mit„die nationale Krückengarde" nicht wieder an Einfluß gewinne. Wie sehr diese Niederlage gewissen„nationalen" Elementen schmerzte, bewiesen der Rektor Fischer und zwei„nationale" Berg- leute von Oespel dadurch, daß sie gegen den Genossen Arno Franke , den Redakteur der„Arbeiterzeitung", wegen der Worte „die nationale Krücke ngarde" Privatklage ein- reichten, obschon kein Mensch an die drei Personen auch nur ge- dacht hatte. Es sollten durch die Wendung nur ganz allgemein die gesamten Gegner in Oespel bezeichnet werden. Das Dortmunder Amtsgericht konnte zuerst auch nicht be- greifen, wie sich gerade die drei Personen durch den Artikel beleidigt fühlen konnten und lehnte die Erhebung wegen un- genügender Begründung ab. Die angeblich Beleidigten erhoben Beschwerde. DaS Dortmunder Landgericht gab dieser statt und ordnete die Strafverfolgung an. Nun hat am DienStag vor dem Dortmunder Schöffengericht die Hauptverhandlung stattgefunden. Die Strafantragsiellcr legitimierten sich als Kläger damit, sie seien Mitglieder eines nationalliberalen Vereins, jeder Genosse in Oespel lache sie aus, dem müsse ein Ende bereitet werden. Durch den Ausdruck„nationale Krückengarde" seien die Mitglieder deS nationallibcrolcn Vereins, also auch die Kläger , a l S g e i st i g e Krüppel hingestellt worden. Vergeblich wandten der Beklagte und sein Rechtsbeistand ein, daß mit der Bezeichnung„nationale Kriickengaide" die gesamten Gegner gemeint gewesen seien. Es gebe doch in Oespel auch noch einen Kriegerverein und sonstige„nationale" Elemente. DaS Gericht nahm an, daß mit der Bezeichnung„nationale Krücken- garde" die drei Kläger beleidigt worden seien und verurteilte den Genossen Franke zu 20 Mark Geldstrafe. Da Genosse Franke in der Wertschätzung der„nationalen Krückengarde" anderer Meinung ist, wie daS Schöffengericht, fo wird auch da» Dortmunder Landgericht sich noch mit der Sache befassen müssen. Wir find zwar auch der Meinung, daß das Urteil völlig unhaltbar ist. Es ist doch ein gar seltsames Stück, daß ein Redakteur deshalb 20 M. blechen soll, weil ein paar Leute durch Gericht sest- gestellt wissen wolle», wenn von geistigen Krüppeln die Rede sei müßten sie damit gemeint sein. Absperrung der Arbeitsstätte beim Strastenbau. Hohe Schadenersatzansprüche macht der Kriminalkommiffar a. D, S. in Bielefeld gegen die Maurermeister L. und K. dortselbst geltend. S. ist am 8. März 1V0t, abends gegen S Uhr. als er das Hotel„Zur Krone" in Bielefeld verlassen halte, wo er sich zur Er- ledigung eines AmtSgeschäfteS aufgehalten, über eine Schnur gc- allen, welche Arbeiter der Beklagten gezogen hatten, um daS Publikum vom Betreten einer zu pflasternden Straßen- trccke abzuhalten. Durch den Fall erlitt er Kopfverletzungen, die ein Nervenleiden zur Folge hatten, durck, welch' letzteres er dienstuntauglich wurde. Seine Ersatzansprüche belaufe» ich auf 1074, SS Mark Heilungskosten sowie 10 000 Mark Schmerzensgeld und weitere 1127,90 Mark Heilungskosten, neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in steiaendeil Beträgen bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres und Gewährung von Pensions- und Erziehungsgeldern nach seinem Tode für seine Witwe und seine Kinder. Das Landgericht Bielefeld erkannte nach diesen Anträgen, Dahingegen änderte das OberlandeSgertcht Hamm die Ansprüche des Klägers dahin ab. daß eS daS Schmerzensgeld auf 4000 M, ermäßigte und die für die Hinterbliebenen erhobenen An- Sprüche für den Todesfall des Klägers abwies. Das Berufungsgericht nimmt ein Verschulden ber beiden Be- klagten an der Entstehung des Unfalles und des dem Kläger da- durch entstandenen Schadens an. Die Beklagten hätten als Unter- nehmer der Pflasterarbeiten das Publikum vor der Gefahr sichern müssen, dadurch zu Schaden zu kommen. Die Schnur, die von ihren Arbeitern auf dem Bürgerstcige der verkehrsreichen Bahnhofsstraße und gerade vor dem Ausgange eine« vielbesuchten Hotels gespannt worden sei, habe am Abend auch bei ordnungsmäßiger Straßen- belellchttliia schwer wahrgenommen werden können und sei deshalb für de» Verkehr gefährlich gewesen, selbst wenn sie, wie die Beklagten behauptet haben, ursprünglich 60 Zentimeter hoch traff gespannt worden sei, da sich vorauSiehen ließ, daß alsbald emand gegen die nicht sichtbare Schnur anlaufen und sie dadurch .ackern und herunterziehen würde. So sei eS auch geschehen und als der Kläger stürzte, habe die Schnur sich nur noch 15�20 Zenti- meter vom Erdboden befunden; dadurch fei der Kläger über die Schnur gefallen und verletzt ivorden. Die Beklagten hätten als Unternehmer jedenfalls für die Anbringung einer Sturmlaterne an der Schnur Sorge tragen müssen. Da« fei von ihnen fchuldhaster- weife unterlassen worden und sie könnten sich nicht darauf berufen,
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