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stand genommen. Gerade die Kommunen werden immer mehr genötigt, Natiorialökonomen anzustellen, je mehr ihre Aufgaben wachsen und je mehr Betriebe sie in eigene Verwaltung nehmen. Bei einem etwaigen Beschlüsse solle man sich dahin aussprechen, daß die Verwaltungsbeamten genügende staatswifseaschaftliche Vor- bildung besitzen. Dr. B o r g i u s, Sekretär des Handelsvertragsvereins, hält im Gegensatz zu den Referenten und den meisten Diskussions- rednern juristische Vorbildung durchaus nicht für ausschlaggebend. Die volkswirtschaftliche Bildung müsse aber mehr eine praktische sein. In den Kartellen, wirtschaftlichen Vereinen und charitativen Vereinigungen habe sich oft genug gezeigt, daß die Juristen eine geradezu rührende Hülflosigkeit an den Tag legten. Geh. Rat Prof. G i e r ck e- Berlin: In der Frage des Rechtsstudiums der Beamten sttmme er dem Grundgedanken der beiden Referenten zu. Das Ideal wäre allerdings die Ausbildung auf beiden Gebieten, dem juristischen und volkswirtschaftlichen. Aber dieses Jd.eal liege noch in weiter Ferne. Dasz der Jurist mehr als bisher sich Volks- wirtschaftliche Kenntnisse aneignen müsse, habe er stets betont, ebenso dah die Vorbildung unserer Verwaltungsbeamten manche Lücken aufweise. Aber darauf wolle er hier nicht eingehen, denn das stehe nicht auf der Tagesordnung. Es werde aber vielleicht ein dankenswertes Thema für eine spätere Versammlung sein. Die nationalökonomische Vorbildung der Verwaltungsbeamten und der staatliche Verwaltungsdienst werde aber immer auf juristischer Grundlage beruhen müssen, wenn wir nicht in den Polizcistaat verfallen wollen. Wenn aber den Verwaltungsbeamten juristische Vorbildung enrp fohlen werde, so müsse sie ausgehen von privat- rechtlichen Grundrechten. Höchst gefährlich sei jedenfalls die juristische Halbbildung bei einem volkswirtschaftlichen Beamten. lBcifall.) Reichstagsabgeordneter Dove(Syndikus der Aeltesten der Berliner   Kaufmannschaft) pflichtet den Ausführungen Prof. Gierckes bei. Er ergänzt dieselben durch einige Beispiele aus der Praxis. Das Wort: Qermama docet!(Deutschland   lehrt!) müsse übersetzt werden mit: Deutschland   mache Lehrpläne.  (Heiterkeit.) Man könne sich heute sehr leicht populär machen in Deutschland  , wenn man auf die Juristen schimpfe, und auf die Stadt Berlin  . (Große Heiterkeit.) Die großen Städte hielten sich jetzt schon eine doppelte Garnitur von Juristen und Volkswirten, aber entbehren könne man die Juristen nicht. Der Formalismus sei etwas sehr Notwendiges. Seinem Blockgenossen und Kollegen Fischbeck wolle er erwidern, dasjenige, was die wirtschaftlichen Interessengruppen an sozialem Empfinden haben, verdanken sie allein ihren Beamten. Neulich habe man in Berlin   den sehr bedauerlichen Beschluß in der Zuwachssteuer gefaßt. In der Kommission habe man zum Zwecke der Verdünnung mit dem Begriff Rückwirkung operiert. Da seien eS gerade die sozial gesinnten Juristen gewesen, die sich dagegen wandten. Wenn Fischbcck sagt, wir haben ein schönes Börsengesetz gemacht, aber das Reichsgericht hat es uns ver- schlimmert. dann glaube ick. daß sie sich beide in den Ruhm teilen können.(Heiterkeit.) Vielleicht wäre daS Gesetz auch anders gc- worden, wenn Sie unsere Gerichte besser gekannt hätten. Wir sollten uns freuen, daß es Berufe gibt, in denen tüchtige Leute Unterkunft finden, aus welchem Beruf sie auch kommen mögen. (Beifall.) Prof. K n a p p- Straßburg: Ich habe mich zum Wort gemeldet, weil hier auf einen Punkt bisher nicht hingewiesen ist. Ich bin seit 1872 Mitglied und spreche heute zum ersten Male. (Heiterkeit.) Ich wollte darauf hinweisen, daß der Hauptwert der Universitätsbildung in der wissenschaftlichen Durchbildung, in der Heranbildung des logischen Denkvermögens liegt. Glauben Sie nicht, daß man nur dazu Jurisprudenz studiert, um zu wissen, was im Bürgerlichen Gesetzbuch steht. Die Verbindung der National- ökonomie mit der Jurisprudenz ist notwendig, sonst bilden wir nur hülflosc Praktiker heraus. Dr. Soetbeer. Generalsekretär des Deutschen Handelstages, spricht auS einer 20jährigen volks­wirtschaftlichen Beamtenpraxis heraus in demselben Sinne wie der Vorredner. Prof. Dr. v. Halle-Berlin gibt die Ergebnisse der vom Deutschen   volkswirtschaftlichen Verband in dieser Frage erhobenen Umfrage bekannt. Er tadelt, daß die Beamten der Arbeiterverbände die Anfrage nicht beantwortet hätten. Die Herren Lcgien und Molkenbuhr hätten sich nicht einmal die Mühe genommen, zu antworten. Sie seien wohl der Meinung, daß sie hier nichts zu lernen hätten, und daß das Trifolium, das jetzt die Kurse für Arbeiterbeamte in Berlin   abhalte. Franz Mehring  . Rosa Luxemburg   und Stadthagen  , die geeignetste Instanz für die Ausbildung sei.. Der Redner bedauert werter, daß man sich be, der Umfrage nicht an die Arbeitgeber und Verbände, wie wirtschaftliche Kartelle gewandt habe. In der weiteren Debatte nahm noch daS Wort Geheimrat   Professor Dr. Adolf W a g n e r- Berlin: Den Wert der juristischen Ausbildung schätze er so hoch, daß er meine, daß sie beim Nationalökonomen stärker als bisher betont werden müsse. In der formal-juristischen Ausbildung haben wir eine logisch? Schulung, die ganz unentbehrlich ist. Bedauerlich ist, daß die histo- rische Richtung in der Nationalökonomie heute darauf zu wenig Rücksicht nimmt. Einige Gebiete könnten bei der juristischen Aus- bildung ausscheiden, aber die künftige praktische Nationalökonomie könne die Kenntnis der rechtlichen Grundlage nicht entbehren. Die Folge des Fehlens einer formal-juristischen Bildung se,, daß die Gesetze, die unsere Parlamente sckiaffen, häufig so schlecht ausfallen. Aufgabe der akademischen Lehrer wird es sein, auf eine Reform des Examens hinzuwirken. Es muß auch gesagt werden, daß die allgemeine Ausbildung der preußischen Beamten nicht genügte. Es ist eigentlich unerhört, wie in dem führenden deutschen   Staate die theoretische Ausbildung der Beamten vernachlässigt wird. Sie steht weit zurück hinter fast allen größeren deutschen   Staaten. Die Aus- bildung in Oesterreich   ist eine weit vielseitigere. Bei uns wird zu wenig verlangt, namentlich heute, wo die Arbeiterklasse nicht selten so bedeutend juristische Aufgaben stellt, muß weit mehr geschehen. (Lebhafter Beifall.) Ich glaube, daß diese beiden Referate uns ganz vortreffliche Grundlagen geben. Lehrpläne brauchen wir nicht ausarbeiten, aber die Anregungen können wir dankbar anerkennen. (Lebhafter Beifall.) Es sprechen noch Prof R o s i n- Freiburg, Prof. B a l l o d- Berlin und eine Reihe von Beamten Volkswirt- schaftlicher Vereine. Prof. H a r f f- Jena weist darauf hin, daß auch die VerwaltungSbeamten redaktionell ausgebildet sein müssen. Manche Beamte könnten nicht einmal den Kurszettel einer Handels- zeitung lesen. Generalsekretär Krüger- Berlin hält für nötig, daß aus den Gymnasien etwas mehr volkswirtschaftliche Unter- Weisung stattfinde. Es sei eine kaum glaubliche Tatsache, daß in Berlin   von Abiturienten nur ö den Unterschied zwischen Reichstag   und Abgeordnetenhaus kann- t e n.(Heiterkeit.) Generalsekretär H a r t m a n n vom GeWerk- verein der Maschinenbauer und Metallarbeiter verweist darauf, daß es Arbeiter gebe, die befähigt seien, denen aber die Mittel fehlten, sich akademisch auszubilden. Diesen solle man nicht die Möglichkeit entziehen, Verwaltungsstellen im Arbeiterversicherungswesen zu be- kleiden. Auck Georg Bernhard- Berlin ließ durch folgende Darlegungen seine Licht leuchten: Obwohl er nicht mehr der sozial- demokratischen Partei angehöre, halte er sich fiir verpflichtet, Molkenbuhr gegenüber den Angriffen des Professor Halle in Schutz zu nehmen; wenn keine Antwort gegeben worden sei auf diese Frage, so liege das daran, dah die Arbeiterbewegung kein Interesse daran habe. Die Arbeiter hätten ihre eigene Schule in Berlin  , an der Bernstein  , Calwer und er, Redner, obwohl nicht mehr zur Partei gehörig, Lehrer seien. Das sei ein Beweis, daß das von Halle erwähnte Trifolium nichts zu sagen habe. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Auf der heutigen Tagesordnung steht das Thema:Verfassungs- und Verwaltungsorganisation der Städte", über das in erster Linie Geh. Justizrat Prof. Dr. Loening- Halle sprechen wird. Ein etwas weniger tiefes Niveau als der Verein für Sozial- Politik in dieser Diskussion zeigte, hätten wir nach den früheren verdienstvollen Arbeiten einiger seiner Mitglieder denn doch er- wartet. Das Vernünftigste, was der Verein tat, war die Unter- lassung eines Beschlusses durch eine Versammlung, deren Redner offenbarten, wie hoch sie von sich denken und wie wenig sie ein Recht hierzu haben. Erwiderung. Auf den ArtikelDavids Revision der Kolonialbeschlüsse" brauchte ich kein Wort zu erwidern, wenn derVorwärts" meinen Artikel über dasErträgnis der Kolonialdebatte", gegen den sich jene Auslassungen wenden, zunächst abgedruckt hätte. Die Leser wären dann in der Lage, sich ein selbständiges Urteil über meine angeblichvom Standpunkt der Partei abweichende Ansicht" zu bilden und ich brauchte nicht zu fürchten, daß sie die schiefe und irreführende Darstellung, die derVorwärts" vom Inhalt meines Artikels gibt, für bare Münze nähmen. Es ist mir gar nicht eingefallen,eine prinzipielle An- erkennung der kapitalistischen   Kolonialpolitik" auszu- sprechen. Der kapitalistischen   Kolonialpolitik gegenüber vertritt mein Artikel vielmehr genau denselben ablehnenden Stand- punkt, den ich in Stuttgart  , in Essen   und überall vertreten habe. Die Zitierung der Mainzer  , Amsterdamer und Pariser Kolonial- resolutioncn gegen mich ist darum vollkommen sinnlos. Worum es sich im ersten Teil meines Artikels dreht, ist die p r i n z i p i e I l e Anerkennung einer sozialistischen   Kolonialpolitik. Ich stelle dort die Bcbelsche Reichstagscrklärung. den Passus betr. Kolonialpolitik aus dem Wahlaufruf der Reichstagsfraktion und den Stuttgarter   Delegationsantrag nebeneinander und behaupte, daß sich jene drei Fassungen dem Sinne nach vollkommen decken. Als die in allen Fassungen gleicher- maßen enthaltenen Grundgedanken bezeichne ick folgende: 1. Die Sozialdemokratie anerkennt die Notwendigkeit, die Naturschätze aller Länder zu heben und zu entfalten. 2. Die Sozialdemokratie betrachtet es als eine zivilisato- rische Pflicht der Kulturvölker, die Eingeborenen unentwickelter Gebiete zu Kulturmenschen zu erziehen. 3. Die Sozialdemokratie verwirft darum nicht prinzipiell jede Kolonialpolitik; sondern sie stellt der kapitalistischen, aus gewinnsüchtigen Motiven und mit brutalen Gewaltmitteln be- triebenen Kolonialpolitik eine sozialistische Kolonial. Politik gegenüber, die jene Kulturmission mit humanen Mitteln zu betreiben hat. Gegen diese Thesen, in denen ich unsere positive Stellungnahme zum kolonialen Problem umschrieben finde, müßte derVorwärts" polemisieren, wollte er eine sachliche Kritik üben. Er erwähnt diese in meinem Artikel sehr markant herausgehobene prinzipielle Präzisierung nicht einmal, geschweige denn, daß er den Versuch machte, sie sachlich zu widerlegen. Statt dessen spricht er um meinen Artikel herum und sucht mich in Gegensatz zu der Bebelschen Erklärung aus der ich doch zu allererst die Anregung zu dem Stuttgarter   Antrag entnommen habe zu bringen. Was weiter den zweiten Teil meines Artikels betrifft, so stelle ich dort die Frage, ob dieAbschaffung der Kolonien", was im internationalen Sinne nur heißen kann: plötzliche Zurückziehung der Verwaltungs- und Rechtseinrichtungen der Mutterländer aus den kolonialen Gebieten mit halbwilder Bevölkerung eine von uns zu erhebende Forderung sei. Ich beantworte diese Frage mit Nein. TerVorwärts" verschweigt die Begründung dafür. Statt dessen erklärt er, die Sozialdemokratie forderedie Beseitigung der kapitalistischen   Kolonialpolitik", sie wolledurch ihren prinzipiellen Kampf der Kolonialpolitik so rasch als möglich den Garaus machen". Dunkel ist der Rede Sinn. Soll das heißen, wir erheben dieAbschaffung der Kolonie n", in dem oben erwähnten internationalen Sinn, als Forderung an den Gegenwartsstaat? Dann soll das derVorwärts" klar aussprechen, und wir werden darüber zu diskutieren haben. Oder soll es nur heißen, wir verlangen, daß die Bvhandlung der Eingeborenen und die ganze Kolonisationsmethode in unserem Sinne humanisiert werde? Dann sind wir alle einver- standen. Als Ziel einer solchen kolonialen AumanisierungSpolitik be­zeichne ich die Emanzipation der Kolonien. Sie kann nicht durch einen Sprung, sondern nur durch schrittweise Verselbständi- gung ereicht werden. AuS dieser Erwägung heraus sage ich, for- derte auch die A m st e r d a m e r Resolution nicht dieAbschaffung der Kolonien", sondern«für die Eingeborenen das Maß von Freiheit und Selbständigkeit, das ihre EntWickelung ver- tragen kann". Auf welchem Wege aber diese allmähliche Eman- zipation zu erstreben sei. das fasse ich am Schlüsse meines Artikels in folgenden Worten zusammen: Schaffung sicherer RechtSgarantien für die Eingeborenen, Heraufbildung derselben durch Schulen, durch landwirtschaft- liche und gewerbliche Unterweisungsanstaltrn, Heranziehung derselben zur Rechtspflege, zur Verwaltung und Gesetzgebung, Fortbildung der kolonialen Berfassung bis zur völligen Selbst- Verwaltung das sind die Mittel und Wege einer positiven, sozialdemokratischen Kolonialpolitik. In diesem Sinne haben wir unsere hohe Kulturmission den tiefer stehenden Völkerschaften gegenüber zu erfüllen. Und daS ist keine bloße Zukunftsauf- gäbe. Im Interesse der Eingeborenen und des Fortschritts der Gesamtkultur haben wir heute schon nach Maßgabe unseres Einflusses mit aller Energie einesozialistische Kolonialpolitik" zu betreiben." DerVorwärts" wird nun vielleicht einwerfen: Aber das haben wir ja auch seither schon getan und niemand ist dagegen. auch weiterhin in diesem Sinne mit aller Energie zu arbeiten. Das ist auch meine Meinung. Eine Meinungsverschiedenheit über unsere Pflicht, im Interesse der Eingeborenen auch heute schon koloniale Reformsorderungen zu erheben, ist nicht vorhanden. Nur hinsichtlich der prinzipiellen Begründung dieser Reform- tätigkeit herrschen Meinungsverschiedenheiten respektive Unklar- heitcn. Diese Unklarheiten aber sind nicht auf meiner Seite. Eduard David  . .,» Genosse David hätte gewünscht, daß wir seinen ganzen Artikel abgedruckt hätten. Daran hinderte uns schon der Umstand, daß der Raum desVorwärts" auch noch anderen Zwecken zu dienen hat, als dem Austrag von Meinungsdifferenzen innerhalb der Partei. DerVorwärts" hat es trotzdem jederzeit für seine Pflicht gehalten, Ansichten, gegen die er sich wendete, so ausgiebig wie irgend möglich zum Wort kommen zu lassen. Wenn David aber behauptet, wir hätte.i seine Ausführungen in irreführender Weise wiedergegeben, so müssen wir dem wider- sprechen. David erklärt, eS sei ihm gar nicht eingefallen,eine prinzipielle Anerkennung der kapitalistischen   Kolonialpolitik" auszusprechen. Er habe nur die prinzipielle Anerkennung einer sozialistischen  Kolonialpolitik gefordert. Dabei wiederholt David seine Ans- sassnng, daß die Sozialdemokratie nickt die L b s ch a f f u n g der kapitalistischen   Kolonialpolitik fordern dürfe. DaS ist eben die prinzipielle Anerkennung der kapitalistischen   Kolonialpolitik I Denn daß die kapitalistischen   Staaten bei allen Erfolgen sozialdemokratischer Reformarbeit keine sozialistische Kolonialpolitik treiben werden, wird ja wohl auch David zugeben! Nun sucht sich David damit herauszureden, daß seine Anerkemmng dieser kapitalistischen   Kolonialpolitik insofern doch keine prinzipielle sei, als diese Anerkennung der kapitalistischen  Kolonialpolitik nur eineForderung an denGegen- wartsstaat" sei. Das von uns wiederholt angezogene Beispiel mag ihm die UnHaltbarkeit dieses Scheinarguments beweisen. Wir haben auch für die kapitalistische Gesellschaft ein Gegenwartsprogramm aufgestellt. Aber nirgends in unserem Programm steht, daß wir den Kapitalismus nicht prinzipiell und für alle Zeiten" bekämpften, ein Satz, den David als theoretischen F u n d a m e n t a l s a tz an die Spitze der Stuttgarter   Kolonialresoluton gestellt haben wollte! Im Gegenteil: unser Programm beginnt mit der vrinaiviellen Verwerfung des Kapitalismus l  Und wie der Sozialismus prinzipiell die kapitalistische Produktionsweise verwirst, so verwirft er auch die kapitalistische Kolonialpolitik! Auch bereits für den Gegenwartsstaat! Die von uns gestern zitierten Resolutionen von Mainz  , Paris   und Amsterdam   sollten doch David hinlänglich darüber aufgeklärt haben I Nur soweit diese prinzipielle Forderung nicht realisierbar ist, ist sie bestrebt, die Bestialitäten der Kolonialpolitik wenigstens nach Möglichkeit zu mildern! David jedoch steht auf dem Standpunkt, daß die Kolonien nicht nur deshalb nicht aufgegeben werden könnten, weil die Sozialdemo- kratie dazu einstweilen nicht die politische Macht besitze, sondern auch deshalb nicht, weil die Eingeborenen zunächst noch durch Bevormundung zur Selbständigkeit erzogen werden müßten. Das ist, sofern Worte überhaupt einen Sinn haben, eine prinzipielle Anerkennung der kapitalistischen   Kolonialpolitik. Und das war zu beweisen. Die erneute Wortklauberei über diesozialistische" Kolonial- Politik im Sinne einer Kolonialpolitik des siegreichen Sozia- liSmus schenken wir dem Genossen David. Dieser Streit um des Kaisers Bart wäre wirklich Zeit- Vergeudung._ Parteitag der Süddenttchen volksparte!. Am Sonnabend ist in Konstanz der Parteitag der Deutschen Volkspartei zusammengetreten. In dieser Partei kämpfen die ehrlichen Demokraten wenigstens noch gegen die StaatsmannSsucht ihrer Führer, der Herren Payer und Haußmann. Herr Pahcr redete links und redete rechts. Der Block sei zwar, meinte er, an sich den liberalen Herzen zuwider, doch beruhe vorläufig alle Hoffnung der Liberalen auf politischen Fortschritt nur auf diesem Block. Eine konservativ-liberalePaarung" sei unmöglich, denn es seien zu große prinzipielle Gegensätze vorhanden. Das schließe aber nicht auS, daß man sich, wie auch schon in der Vergangenheit, zur planmäßigen Verfolgung gewisser Ziele vereinigen könne. Herr Payer wünscht also für die Schutztruppe des Regierungs- absolutismuS, den Block, einen neuen Namen. DaS Wort Paarung" gefällt ihm nicht, aber die Sache will er mitmachen. Jedoch die Hoffnung auf politischen Fortschritt kann Herr Payer ruhig begraben. Nach dem Parteitag der Freisinnigen VolkSpartci haben die Junker es wahrlich nicht nötig, die Lakaiendicnste, die ihnen gratis nein, gegen eine Börsenreform angetragen worden sind, noch politisch zu honorieren. Die Herren Fischbcck, Müller und Konsorten haben ja ausdrücklich erklärt, daß sie die preußische Wahlreform vor allem verfechten wollen gegen ihre Anhänger, gegen die Sozialdemokratie, beileibe aber nicht gegen ihre Gegner, die Junker und ihre Geschäftsstelle, die preußische Regierung. Herr Payer hat gewiß recht, wenn er daS preußische Drei- klassenwahlrecht dieschlimmste politische Krankheit Teutschlands" nennt; aber eben deswegen genügen zur Her- stellung der Gesundheit nicht elende Kurpfuschereien, wie sie die Nationalliberalen und Frcikonservativen und im Innern ihrer Seele auch die Herren Fischbeck und Müller wünschen, sondern nur die Radikalheilung: das allgemeine» gleiche, direkte und geheime Wahlrecht. Sehr wenig demokratisch scheint eS uns zu sein, wenn Her? Payer seine optimistische Blockbeurteilung auf Hoffnungen stützt, die er auf die Krone setzt:Bülow werde wahrscheinlich nicht so- bald zurücktreten, denn die höhere Stelle, die der Reichskanzler mit seiner Verantwortlichkeit decke, habe wohl nicht infolge einer bloßen Augenblickslaune neue Bahnen in der inneren Politik ein- geschlagen." DaS ist echter deutscher Liberalismus! Aller Segen kommt von oben! Die ganze Geschichte des deutschen Liberalismus ist die ewige Enttäuschung dieser Hoffnungen. Nicht von der eigenen Kraft, nicht von der Zusammenfassung aller demokratischen Elemente und dem unablässigen rücksichtslosen Kampf gegen jede Reaktion erwartet man den politischen Fortschritt, sondern die Bescheiden- heit soll zur Belohnung von der kaiserlichen Gnade ein paar politische Freiheiten erhalten, etwa wie Kommerzienräte für reich- liche Kirchcnspenden einen Orden. Herr Payer kommt wirklich immer mehr auf das Niveau der Fischbeck und Müller herunter! Aber freilich, worauf soll Herr Payer denn noch hoffen? Muß er doch selbst gestehen:Leider ist es heute noch ganz verfehlt, zu glauben, daß süddeutsches Wesen und demokratischer Geist im Norden maßgebend geworden ist." Wenn dem aber so ist, und diesmal hat Herr Payer sicherlich recht, wozu denn der Block? ES ist nicht nur daS Verdienst Herrn VenedehS, diese Frage neu aufgeworfen zu haben, sondern sie auch in richtiger Weise be- antwortet zu haben.' Vcncdcy meinte, auch er stehe dem Block kühl biS ans Herz hinan gegenüber. Konservativ und liberal seien unvereinbare Gegensätze wie Feuer und Wasser. Der Block sei sicherlich eine vorübergehende Erscheinung, hoffen t- l i ch werde er aber rasch vorübergehen. Für die nächste Reichs- tagsscsston werde man ja noch abwarten müssen, waS der Block leiste. Er glaube aber nicht, daß er irgend etwas Befriedigendes und Erfreuliches für die liberale Sache wirken werde. Die an- gekündigten Reformen seien sämtlich keine rein politischen Fragen. Es seien keine Fragen, in denen man dem Libera- l i s m u s entgegenkomme, sondern es seien durchweg nur Staats- Notwendigkeiten, die die Regierung ohnedies auf irgend einem Wege hätte durchführen müssen. Ein wirklicher Fortschritt im freiheitlichen Sinne werde auch in Deutschland   nur durch die Zusammenfassung aller liberalen und demokratischen Elemente ein- schließlich der Sozialdemokratie und im Kampfe gegen die Konservativen erreicht werden können. Deutschland   müsse entweder liberal oder reaktionär regiert werden. Der Block bedeute zwar die Befreiung vom Zcntrumsjoch, aber ihm sei im Herzen ein badischcr Zentrumsmann immer noch lieber als ein kon- servative Junker auL O st Preußen. Die Junker seien die grundsätzlich st en, erbittertsten und gefährlich st en Feinde des politischen Fort- s ch r i t t S. Diese paar hundert Familien, die die Klinke der Gc- setzgebung in der Hand haben, weil sie alle Stellen der Ver- waltung besetzten, und die durch die Kamarilla auch das Ohr des Monarchen hätten, seien die größte Gefahr für Deutschlands  politische Zukunft. Die politische Misere in dem hochentwickelten deutschen   Volke komme daher, daß es in Deutschland   noch nicht wie in Frankreich   und England gelungen sei, die Kluft zu über- brücken, die zwischen dem bürgerlichen Liberalismus und der Ar- beiterdemokratie bestehe. Jeder Tag, an dem der Block des Fürsten Bülow noch bestehe, schieb? die Erreichung dieses besten Zieles länger hinaus und vertiefe die Kluft zwischen Demo­kratie und Liberalismus noch mehr. Was Herr Vcnedeh mit diesen Worten skizzierte, ist nicht nul ehrliche Politik, es ist auch die einzig Erfolg versprechende Politik. Aber eben deswegen fürchten wir, daß Herr Vcnedey innerhalb des bürgerlichen Liberalismus wenig Gefolgschaft finden wird, denn die Herren Fischbeck und Müller sind zu einer ehrlichen und