anderen gewerblichen Anlagen nach sich. Die Automobilindustrie befindet sich bereits in einer schweren Krisis, deren Gesundungs- prozetz jedenfalls begleitet sein wird von der Abstotzung des kleinen Kapitalistenpublikums; es vollzieht sich ein Werden und Umformen, wie man es in den Jugendjahren einer jeden neuen Industrie beobachten kann. Vor einigen Monaten wurde der Automobilbetrieb als wenig oder gar nicht rentabel bezeichnet. Tie damaligen Angaben dürsten sich aber doch wohl als über- trieben erweisen. Wenn die Selbstkosten wirklich so hoch wären, daß sie die Einnahmen vollständig absorbierten, dann hätte die Berliner Omnibus-Gesellschaft ihren Autobctricb sicher nicht aus- gedehnt. Die Gesellschaft hat in den ersten 9 Monaten des laufenden Jahres gegen die gleiche Zeit des Vorjahres eine Mehr- einnähme von über 199 099 M. erzielt. Das ist jedensalls kein begründendes Moment für die beabsichtigte Tariferhöhung. Aus dem Baumarkt haben die Verhältnisse das unfreundliche Gesicht be halten. Nur auf dem Terrainmarkt zeigt sich etwas größere Leb haftigkeit. Unverändert hoffnungsfroh lauten die Berichte vom Tcxtilmarkt man erwartet ein großes Herbstgeschäft in der Kon- fektion. Aver auch hier kann man leicht einen Umschwung er- leben. Hält die rückläufige Bewegung am Eisenmarkt, wie sie verschärft in Amerika in Erscheinung tritt, weiter an, dann wird auch die Textilindustrie in Mitleidenschaft gezogen. Bei den hohen Lebensmittelpreisen sind die Ausgaben für den Haushalt schon auf das äußerste eingeschränkt, eine Verschlechterung der Eiiv kommensverhältnisse wind daher neben Minderkonsum von Genust mittel» hemmend auf den Verbrauch von Konsektionsartikeln und sonstigen Gebrauchsgegenständen einwirken. D. Hus der Partei. Adresse» der deutschen Arbeitersekretamte. (Die mit einem* bezeichneten sind Sekretariate des Bergarbeiter� Verbandes.) Z«ntral-Ardkittrsckretariat,Berlin L0.1L,Engel-Nfer15. T.-A. IV. 4631. Aachen *. Mauerstr. 46. Altenburg (S.-A.). Frauenfelsstr. 41. AngSbiirg, Am Katzenstadl j? 152 (Augustusbad). Baut, Peterstr. 39. Bannen, Marienstr. 22, I. I. Bayreuth . Erlangerstr. 2 I. Berlin SO. 16, Engel-Ufer 15 I. Bernburg , Roschwitzerstr. 26. Bielefeld , Turnerstr. 45. Bochum , Wienielhanserstr. 40b. Brandenburg a. H., Neustädtischer Markt 2. Braunschweig, Schloßstr. 2. Bremen , Faulenstr. 53/60 I. Bremerhaven , Am Hafen 49. Breslau. Nikolaistraße 18/19. Bromberg , Jakobstr. 17. Cassel, Wolfhagerstr. 5/7 I. Castrop*, PH. Herines, Carlstr. 158o. Chemnitz , Zwickauerstraße 152, T. Nr. 3356. Coburg , Nosengasse 1. Cöln a. Rh., Perlaraben 20 I. Cottbus , Burgstr. 29. Crefeld , Klosterstr. 43. Darmstadt , Elisabethstr. 31. Dessau , ASkanischestr. 107. Dortmund , Kielstr. 5 L Dresden , Nitzenbergstr. 2 HL Düsseldorf , Kasernenstr. 67 a. Duisburg , Friedrich Wilhelmstr.76. Elberfeld, Robertstr. Sa. Essen, Kirchstr. 20. Forst i. L., Promenade 6. Frankfurt a. M., Stoltzestr. 17 p. Freiburg i. Br., Wenzingerstr.g6II, Eingang vom Hof. Fürth , Theaterstr. 19 part. Gelsenkirchcn, Hochstr. 1. Gera (Reuß), Alte Schloßgasse 11 1. Gersdorf*(Bez. Chemnitz), Rob. Frauenstein. Gladbeck *, Kolpingstr. 3. Görlitz , Langenstr. 31 part. Gotha , Erfurterstr. 2(altes Ge- richtsgebäudc). Guben , Schulstr. 7. Halle a. S., Harz 42/43. Hamburg I, Besenbinderhof 57 II. Hamm i. W., Ritterstr. 43. Hanau , Miihlcnstr. 2. Hannover , Münzstr. 5. Harburg o. Elbe , Sand 1 l. Hildrshrim, Schuhstr. 4. Die Sozialdemokratie am Niederrhein . Für den Provinzialparteitag der Sozialdemokratie am Nieder- rhein, der am 20. und 21. Oktober in Düsseldorf stattfinden soll, hat das Agitationskomitee zu Elberfeld seineu Bericht erstattet. Wir entnehmen ihm: Von den 15 Wahlkreisen des Bezirks haben bi» jetzt 11 Zentralvereine gebildet. Parteisekretäre sind in 6 Wahlkreisen angestellt und in Bälde werden noch zwei Kreise Beamte erhalten. Die Organisation hat gute Fortschritte gemacht. Es stieg die Zahl der Organisierten von 15 917 aus 22 822 oder um 43,4 Proz. inner- halb des Geschäftsjahres. Auf je 190 für den sozialdemokratischen Kandidaten abgegebenen Stimmen kamen am 30. Juni 1907 organisierte Genossen in Solingen 15,2, Krefeld 13,9, Elberfeld 13,4, Lennep-Remscheid-Mettinann 13,4, Duisburg 11,2, Hagen 11,2, Essen 10,2, Düsseldorf 19. M.-Gladbach 9.3. Mörs-Rees 6.4, Kempen 5, Siegen-Wittgenstein 5. Bltena-Jserlohn 3,8, Neust 5,6, von Cleve-Geldern waren keine Zahlen angegeben. Der Einheitsbeitrag in dem Bezirk betrug monatlich 39 Pf., doch haben einige Wahlkreise einen Wochenbeitrag von 19 Pf. eingeführt. Es ist ein Antrag gestellt, letzteren Beitrag für den ganzen Bezirk einzuführen. Die Organisationen hatten eine Einnahme von 79 879,82 M; außerdem wurden noch 82 900 M. für die Reichstags- wählen aufgebracht. An das Agitationskomitee wurden 8367,41 M. und an den Parteivorstand 12 394.90 M. abgeliefert. Nicht eingerechnet der Wahlflugblätter wurden 1 072 000 Crem- plare politischer Flugblätter, darunler eine große Anzahl Broschüren, verbreitet. Außerdem 170000 Agitationskalender und von der Monatsschrift„Morgenrot* 217 300 Exemplare. Weiter gab das Agitationskomitee das Kommunalprogramm des Niederrheins mit Erläuterungen und einen Ratgeber für Vereins- und Versammlungsleiter und-Besucher heraus. Die Parteipresse. die durch zwei in Elberfeld gedruckte, für den Wahlkreis Altena - Iserlohn herausgegebene Kopsblätter, vermehrt wurde, hatte einen Abonnentenzuwachs von 20 990 zu verzeichnen. Die.Gleichheit* zählt 3722 Abonnenten. Durch die energische Beteiligung an den Kommunalwahlen ist die Zahl der sozialdemokratische» Gemeinde- Vertreter auf 104 gestiegen. Eine Gemeinderertreterkonferenz. die stattfand, beschloß, alljährlich solche Konferenzen abzuhalten, die Gemeindevertreter der einzelnen Wahlkreise sollen halbjährlich zu- samnienkommen. In den Reichstagswahlen gingen die Wahlkreise Elberfeld . Remlcheid und Altcna-Jserlohn verloren, gewonnen wurde DuiS- burg-Mülheim. Die fozialdemokratische Stimmenzahl stieg von 174 749 aus 293 130, also um rund 16 Proz. Bon allen abgegebenen Stimmen erhielt die Sozialdemokratie 29,6, das Zentrum 35,2 Proz., Hochheide*, Anton Dunker, Prinz- straße 95. Jena , Ernst Otto, Schloßgasse 19. Karlsruhe, Kurven 19. Kattowitz (O.-S.), RathauSstr. 12. Kiest Fährstr. 24, part. rechts. Königsberg i. Pr., Vorderroß- ganen 50, Hof I. Kronach, Kirchenplatz 74. Landesyut i. Schl., Gasthof„Zur Sonne*, II. Leipzig , Zeitzerstr. 82. Luckenwalde , Karlstr. 56. Lübeck , Johannisstr. 46, part. Lüdenscheid , Rob. Fischer, Klnsev straße 8. Magdeburg, Fürsten-Ufer 6 I. Mainz, Zanggasse 13, Hinterh. U Mannheim, F, 4, 9. Meißen , Poststr. 13, T.-Nr. 567. Minden i. W.» K. Litzinger, Kamp- straße 39. München 1, Baaderstr. 1. Reu-Ruppin, Siecheustr. 1a II. Nordhausen , Barfüßerstr. 12. Nürnberg , Egydienplatz 22. Oberhauscn Rhl.*, Marktstr. 5. Ossenbach a. M., Austr. 9 II. Osnabrück , Klusstr. 11. Pforzheim , östliche Karl Friedrich- straße 37. Posen 0., Schießstr. 3. Recklinghauseu*, Hemerstr. 63. Remscheid , Kirchhosstr. la. Rostock , Doberanerstr. 6. Siegen, Heeserstr. 8 II. Solingen , Kaiserstr. 25. St. Johann a. d. Saar, Gerberstraße 5,„Tivoli*. Stettin , Bismarckstr. 9. Straßburg i. E., Finkmattstaden 2. Stuttgart , Eßlingerstr. 17/19. Thamm b. Seuftenberg*, Eisen- bahnstr. 7. Vegesack . Langenstr. 52. Waldenburg i. Schl., Friedländer- straße 28. Wiesbaden , Wellritzstr. 41 II. Worms , Mainzerstr. 19. Würzburg , Obertürstr. 11. Wnusicdel, Koppenertor 324. Zeitz*, Nik. Dölle, Nordstr. 4. Zwickau *, Ant. Strunz, Richard- straße 15. während die Nationalliberalen ungefähr mit der Sozialdemokratie gleichstanden. Trotz der Kürze der Wahlbewegung wurden 599 Wähler- Versammlungen abgehallen und 4 574 999 Flugblätter verteilt. Der Lokalmangel in dem Bezirk ist groß, Polizei, Geistlichkeit und Unternehmer wetteifern in dem Bestreben, unS die Lokale abzutreiben, städtische Lokale werden unseren Genossen nirgendloo über- lassen. Auch Frauenbildungsvereine in Remscheid , Velbert und Elberfeld wurden von der Polizei als politische Vereine bezeichnet und ge« schlössen. Die Presse blieb ebenfalls von Verfolgungen nicht verschont; 29 Prozesse wurden der„Freien Presse* allein angehängt; davon elf von der Elberfelder Polizei. Das Resultat war ein Monat Gefängnis, 2445 M. Geldstrafe. Die„Bergische Arbeiterstimme" in Solingen erhielt 4� Monate Gefängnis und 159 M. Geldstrafe. Etwas gelinder kam die„Arbeiterzeitung* in Duisburg weg. ihr Verantwortlicher mußte i1/, Monate brummen und 559 M. Geldstrafe zahlen. Neun Wochen Gefängnis und 859 M. Geldstrafe wurden über den Verantwortlichen der„Remscheider Arbeiterzeitung* verhängt. Die Redakteure der„Volkszeitung" in Düsseldorf teilten sich in 5>/z Monate Gefängnis und 2291 M. Geldstrafe und Kosten. Drei Wochen Gefängnis und 259 M. Geldstrafe ist die Rechnung, die die„Arbeiterzeitung" in Dortmund für den Essener Teil der Zeitung zu begleichen hat. Ain gelindeste» kam die.Volkstribüne* in Krefeld davon, sie brauchte nur 29 M. zu zahlen, doch schweben noch zwei Prozesse. Bemerkt wird in dem Bericht, daß in den meisten größeren Orten BildnngsauSschüsse gebildet wurden, die die wissenschafllichen und künstlerischen Bestrebungen zu fördern haben. Die Jubilänmsnummrr der„Neuen Zeit". Die soeben erschienene, drei Bogen starke Nuinmer 1 des 26. Jahrgangs würdigt das Jubiläum der Zeitschrift in einem knappen, instruktiven Rückblick. MottelerS GedächniS feiert M. G. Von den sonstigen tresslichen Beiträgen, die an anderer Stelle einzeln verzeichnet sind, möchten wir besonders auf den des Genossen Karl Renner - Wien über die„Möglichkeiten deS Klassenkampfes* hinweisen, einen Artikel, der um deswillen Beachtung verdient, iveil der Verfasser das taktische Verhalten unserer österreichischen Genossen in den denkwürdigen Kämpfen der jüngsten Vergangenheit erörtert und sich zugleich mit dem Genossen Schippe! auseinandersetzt, der kürzlich Renner gegen die»Orthodoxen* in unserer Partei aus- zuspielen versucht hatte._ Ein neues Monatsblatt. Die erste Nummer des„Wies- badener Bolksboten", sozialdemokratisches Monatsblatt für den Wahlkreis Wiesbaden , ist erschienen. Die einzelne Nummer kostet bei Abholung 5 Pf., der Halbjahrsbezug bei freier Zusendung 59 Pf. Die Redaltion führt der Genosse Bogtherr- Wiesbaden. Einen glänzenden Sieg errangen unsere Genossen in Urberach (Hessen ). Bei der am Sonnabend vollzogenen Gemeinderatswahl eroberten sie drei Mandate. Der Kampf war heiß. Nahmen doch von 386 Wahlberechtigten nicht weniger als 374 an der Wahl teil. Die Zentrumspartei hat eine empfindliche Niederlage erlitten. Eine possibilistische Revue. Paris , 4. Oktober. (Eig. Ber.) Die Zahl der sozialistischen Zeitschriften soll wiederum durch eine Neugründung vermehrt werden. Oder eigentlich ist es eine Auferstehung. Dr. Paul B r ous se kündigt an, daß er das einst von ihm und Josfrin herausgegebene Blatt„Le Prolötaire* wieder erscheinen lassen wird. Dieser Name, heißt es in seiner Anzeige, sei ein Programm. In der Tat handelt es sich um den Versuch, dem alten Possibiliömus wieder ein Organ zu schaffen. Brousse, der einstige Gefolgsmann Baku » in L und nachherige Gründer der posjibilistischen, zur schwächlichsten Reformpolitil geneigten Partei, hat auch als Angehöriger der ge- einigten sozialistischen Partei seine alten Grundsätze nlcht verleugnet und besonders eifrig die Politik der scharfen parlamentarischen Oppositton bekämpft. Trotzdem erinnert sein Ausruf an die ge- frorenen Trompetentöne Münchhausens. Was soll die Wieder- aufweckung des Possibilisnms heute noch! Die geeinigte Partei hat nie einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß sie sofort be- reit sein würde, die Bürgerlichradikalen zu unterstützen, sobald sie begönnen, die sozialpolitischen Versprechungen ihres Programms zu erfüllen. Und„Sozialisten*, die gar nicht erst so lange warten, gibt es doch— wenn auch wenig in der Arbeiterschaft des Landes, so doch in der Kammer: in Gestalt der„parlamentarischen Sozia- listen" und sogar im Ministerium: in der Person der Herren B r i a n d und V i v i a n i. Allerdings, über ein theoretisches Organ verfügte diese Richtung nicht, wenngleich die von Fourniöre geleitete„Revue Socialiste* ihr eigenrlich näher steht, als den heute in der geeinigten Partei herrschenden Anschauungen. Daß inner- halb der geeinigten Partei füv eine etwaige Erneuerung der organisatorischen Separattonsbestrebungen der Possiblliften kein Boden ist, deS kann man gewiß sein. Genosse Dr. Fcrroul ist am Sonnabend zum Bürgermeister der Stadt Narbonne gewählt worden. Ferroul hat bekanntlich zur Zeit der südfranzösischen Weinkrisis eine führende Rolle gespielt. poll-elUckes, ßerlchtilcheo ukw. Strafkonto der Presse. Wegen Beleidigung des ArchidiakonuS Oertel in Crimmitschau wurde der Verantwortliche Redakteur des „Sächsischen VolköblatteS* in Zwickau , Genosse Robert Müller, zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Soziales. Gemeingcfährlichkeit des Streikdrecherschntze». Die Sucht, glaubwürdige Arbeiter auf gemeine, unwahre Denunziationen von Streikbrechern hin anzuklagen, ist geradezu zu einer gemeinschädlichen Gefahr geworden, die nicht scharf genug bekämpft werden kann. DaS zeigte ein Schwurgcrichtsprozeß, der sich am Sonnabend in Nürnberg abspielte. Dort hatten sich völlig schuldlos und unschuldig die Arbeiterinnen Birkelbach und Rupprecht wegen Verbrechens des Meineides zu verantworten. Sie sollen in zwei Streilprozessen die Unwahrheit unter Eid ausgesagt haben. Die beiden Angeklagten waren im Sommer vorigen JahreS an einem Streik in der Plankschen Spiclwarenfabrik beteiligt und wurden mehrfach als Streikposten verwendet, bei welcher Ge- legenheit sie arbeitswillige Kolleginnen dadurch„zur Teil- nähme an einer gewerblichen Koalition zu nötigen versucht" haben sollen, daß sie vor diesen ausspuckten. Die Rupprecht wurde vom Schöffengericht wegen zweier solcher Vergehen zu vier Tagen Gefängnis verurteilt. Die Sache ging dann an die Strafkammer als Berufungsinstanz. In der Vcr- Handlung vor dem Landgericht wurde die Angeklagte Birkelbach als Zeugin vernommen. Sie erklärte unter Eid, es sei unwahr, daß sie jemals vor Arbeitswilligen ausgespuckt habe, auch habe sie nicht gesehen, daß die Rupprecht ausspuckte. Die Arbeitswillige und Kronzeugin Braun, vor der ausgespuckt worden sein soll, beschwor jedoch das Gegenteil. Auch gegen die Birkelbach wurde später Anklage wegen Streik- Vergehens erhoben, in welcher Sache die Rupprecht als Zeugin vernommen wurde, die unter Eid bekundete, die Birkelbach habe nicht ausgespuckt, auch wisse sie nicht, ob sie selbst ausgespuckt habe, sei dies aber geschehen, so habe sie eS unbewußt getan; sie leide an Zahngeschwüren, wodurch sie zum öfteren Ausspucken gezwungen sei. Gegen die Birkelbach und die Rupprecht wurde auf Grund dieser Aussagen, weil sie mit denen der Kronzeugin Braun in Widerspruch standen, Untersuchung wegen Meineids eingeleitet und Anklage erhoben! Die Verhandlung am Sonnabend zeigte evident, daß völlig Schuldlose angeklagt sind und, wenn eine Meineidsklage zu erheben war, diese gegen die Arbeitswillige sich hätte richten müssen. In der Verhandlung ließ dieAngeklagte Rupprecht durch einen Zahntechniker, der als Sachverständiger fungierte, besläligen, daß sie an einem Zahnleiden laboriert, das vermehrte Speichelabsonderung mit sich bringt. Die arbeitswilligen Zeuginnen konnten fast gar nichts Belastendes gegen die Angeklagten aussagen, nur die Kronzeugin Braun be- hauptete mit aller Bestinuntheit, daß ostentativ vor ihr ausgespuckt worden sei, um die Verachtung gegen sie zu bekunden. Die Qualität dieser Zeugin wurde durch einen dramatischen Zwischenfall in hellste Beleuchtung gerückt. Vorher hatte eine andere Zeugin, die an dem bewußten Tage die Rupprecht auf der Straße traf, deponiert, die letztere habe allerdings ausgespuckt, aber jedenfalls nicht absichtlich, die Braun habe es jedoch sofort aus sich bezogen und fürchterlich geschimpft, wie:„Du Drecksau, Du Saumist, spuck vor Dir aus" usw. Die Braun leugnete entschieden, diese Au sd rücke gebraucht zu haben; auch als ihr die Ettlinger gegenübergestellt wurde und ihre Aussage ruhig und bestimmt wiederholte. Es wurde dann aus den Akten konstatiert, daß die Braun dem recherchierenden Schutzmann gegenüber zugegeben hatte, diese Ausdrücke gebraucht zu haben; auch das leugnete sie nunmehr ab, ebenso die weitere Behauptung einer Zeugin, sie, die Braun habe erklärt, sie wolle die Rupprecht meineidig machen. Durch diese Feststellungen brach das windige Kartenhaus der Anklage vollends zusammen. Die Geschworenen verneinten sämt- liche Schuldfragen, worauf beide Angeklagten freigesprochen werden mußten. Wie konnten bei dieser Sachlage zwei ehrliche Arbeiterinnen zu- nächst ungerecht wegen Streikvergehens angeklagt und verurteilt und dann gar noch die Schuldlosen wegen Meineids aus die Anklagebank gezerrt werden I Wenn unsere Gerichtsorganisation in Deutschland eine solche Behandlung ehrlicher Arbeiterinnen zuläßt, so ist diese Möglichkeit eine Schimpf und Schande für einen Kultur- staat, der Schutz dem Unschuldigen, nicht aber Verfolgung bieten sollte. Wird nun wegen der unwahren Behauptungen der Krön- zeugin Braun gegen diese eingeschritten und wird den von der Staatsgewalt zu Unrecht Angeklagten Genugtuung gegeben werden? Bom Schlachtfeld der Straßenvahner. Die Zahl der versicherten Betriebe der Straßen- und Kleinbahn- BernfSgenossenschaft hat sich nach dem soeben erschienenen Bericht in: Jahre 1996 gegen daS Jahr 1995 nur um 7 erhöht und beträgt jetzt 428, die insgesamt 87 515 Arbeiter beschäftigten. Die Zahl der Vollarbeiter betrug im Jahre 1996 dagegen nur 64 584 und ist um 3645, die der Versicherten überhaupt um 6321 gestiegen. Straßenbahnen mit elektrischem Betrieb sind jetzt vorherrschend, beschäftigen auch die meisten Versicherten. Es waren nach dem Ge- schäftSbenchl beschäftigt in Straßenbahnen mit elektrischer Kraft: 68 799 Arbeiter: Straßenbahn-, Feld-, Forst-, Rutschbahnen mit Dampfbetrieb: 17 413: Straßenbahnen mit tierischer Zugkraft, Berg- bahnen usw.: 1941; Anschlußbahnen mit Dampfbetrieb: 139; An- schlußbahnen mit tierischer Zugkraft: 123 Arbeiter. Der JahrcL- arbeitsverdienst betrug durchschnittlich 1188,99 M., bei Straßenbahnen mit elektrischer Kraft: 1247,84 M., mit tierischer Kraft: 965.35 M. Die Zahl der angemeldeten Unfälle betrug 4574 gegen 4253 im Jahre 1995. Auf 1990 Versicherte entfielen 70,8 Unfälle. Entschädigungspflichtig wurden nur 481 1 Als Folgen der Unfälle bezeichnet der Bericht: in 42 Fällen Tod, in 27 Fällen völlige, in 806 Fällen teilweise und in 106 Fällen vorübergehende Erwerbs- Unfähigkeit. Die Verletzten hatten wieder sehr wenig Glück an den Schiedsgerichten. ES wurden 208 Berufungen zugunsten der Berufsgcnoiseiischaft und nur 83 zugunsten der Verletzten entschieden, so daß also 28 Proz. aller Berufungen nur für die Verletzten günstigen Ausgang hatten. Wie bescheiden die Verletzten sind, ergibt sich daraus, daß nur eine geringe Zahl von Berufungen erhoben wurden. Die Berufs- genossenschasl würdigte dies höhnisch wie folgt:„Auf die erteilten 1473 Bescheide ergibt dieser Erfolg nur eine Abänderung von 6,1 Proz. gegen 7,2 Proz. im Vorjahre. Durch die den Klägern nicht selten ungünstigen Rekursentschei- düngen wird der Erfolg aber noch weiter ver- mindert!* Die BernfSgenossenschaft hat leider recht! Die Verletzten haben auch noch 60 Rekurse verloren und nur 26 von ihren eigenen Rekursen gewonnen. Dagegen hatte die Berufsgenossenschast mit ihren eigenen Klagen 21 Erfolge und 22 Mißerfolge! Interessant ist aber auch, daß als Vertreter der BerufSgenossenschaften an den Schiedsgerichten die Herren Direktoren der Straßenbahnbetriebe gegen die Verletzten auftreten! Das dem Bericht bei- gefügte Verzeichnis zeigt uuS 74 dieser Herren als Vertreter! Würden die Straßenbahner in erheblicherer Anzahl als heute der Gewerkschaft der VerkehrSarbeiter angehören und rechtzeitig die Hülfe der Arbeikerselretariate in Anspruch nehmen, so würde wohl ein ganz Teil ungünstiger Urteile weniger ergehen. Die Unfalllasten sind der Berufsgenossenschast schon zu hoch, obschon pro Kops der Versicherten nur ein JahreSbetrag von 9,82 M. als Unfallumlage gezahlt wird. Es heißt im Bericht darüber: „Wir sind der Ueberzeugung, daß, wenn wiederholte Be- st r a s u n g e n der Versicherten zur Kenntnis gebracht werden, dann auch die Zahl der auf eigene Verschulden beruhenden Unfälle nach- lassen wird." Deshalb strenge Strafe für die Krüppel I Daß die meisten Verletzten selbst an ihrem llnglücke schuld sind, ist dem Auf- sichtSbeamlen der Berufsgenossenschast natürlich klar, denn er schreibt: „Der weitaus größte Teil derUnfällehättesich viel n, ehr durch etwas mehr Ausmerk samleit und Besonnenheit der Arbeiter vermeiden lassen.*! Nach seinem Berichte waren 36 Proz. aller Unfälle„auf Unachl- s a m k e i t und Leichtsinn der Verletzten* zurückzuführen, durch .Betriebsgefahren* sind 42 Proz., durch Schuld an Neben- arbeiten 12.3 Proz., durch höhere Gewalt, Zufall usw. 5.8 Proz. und in- folge„mangelhafterBetriebs einrichtungen* gar nur 3.9Proz. der Unfälle enlstandenl Ja. die Unternehmer wissen zu berichten! Dabei muß der AufsichtSbeamtc selbst berichten, daß er 307 Betriebe revidiert habe, und„in 112--- 36,5 Proz. der besichrigten Betriebe waren Ausstellungen nicht zu machen; in den übrigen 195 Betrieben =° 63,5 Proz. waren insgesamt 535 Mängel zu verzeichnen." Also! Weshalb dann die Beschuldigung, daß die Verletzten weitaus selbst Schuld an ihren Unfällen haben? Interessant ist es auch, was der Beamte über die Ordnung in den Betrieben schreibt: „Die in den Werkstätten befindlichen Verbands- kästen wurden leider meistens in solchem Zu- stände vorgefunden, daß man ernste Bedenken tragen muß. mit dem vorgefundenen Material Wunden zu berühren."„Vielfach sind die Kästen nicht genügend staubdicht, nicht verschlossen gehalten. Die Verbandsmaterialien werden häutig mit beschmutzten Fingern ihren Umhüllungen entnommen und dann ohne Verpackung in den Kasten g e w o r f e n." Wo bleiben da die vielgerühmten sanitären Einrichtungen unserer Straßenbahnvcrwaltung?_ Zur Feuerbestattung. Am Sonntag fand im ReichitaaSgebäude eine Versammlung der Vorstände der preußischen Feuerbestattungsvercine statt. Als Ergebnis der Verhandlungen wurde einstimmig nachstehende Reso-
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