seien ein Zeichen deS bis zur Siedehitze gesteigerten Klassenkampfes. Dadurch habe das Problem der Bekämpfung des Militarismus aktuellste Bedeutung gewonnen. Die Schrift soll nicht eine theoretisch- historische Darstellung der Probleme des Militarismus sein, sondern die aktuellen politischen Zwecke der antimilitaristischen Agitation fördern. Die Broschüre selbst zerfällt in zwei große Teile. Der erste Teil schildert den Militarismus in seinen Ursachen und Wirlungen, der zlveite Teile die antimilitaristische Agitation der Sozialdemokratie und der proletarischen Kreils überhaupt. Das erste Kapitel geht aus von dem Zusammenhang des Militarismus mit der Waffentechnik seiner Zeit. Erst wenn die Waffenerzeugung wieder allgemein sein werde, werde der Militarismus als besondere Erscheinung überwunden werden können. Im zweiten Kapitel wird der besondere Militarismus der kapitalistischen Zeit als Erscheinung des Klassenstaates geschildert und der Kampf gegen ihn durch die revo- lutionäre Tal- und Wortgemeinschaft des klassenbewußten Proletariats als logische Notwendigkeit nachgewiesen. Daneben werden die be- sonderen Fonnen des Flotten- und KolonialmilitgrismuS besprochen. Weiter wendet sich die Broschüre den Gefahren des äußere» Mili- tarismus zu. Das Proletariat wisse, daß jeder Krieg einen Strom von Roheit und Gemeinheit bedeute, daß das Vaterland, für das es sich schlagen solle, nicht sein Vaterland sei, und daß das gesamte Proletariat aller Länder ein großes gemeinsames Kultur- interesse habe. In der Heeresverfassung stellt die allgemeine Wehrpflicht gewissermaßen die Quadratur des Zirkels dar, die Lösung des Problems, das Volk gegen das Volk zu bewaffnen. Das Proletariat müsse die Kette, mit der es gefesselt werde, nicht nur selbst schmieden, sondern auch selbst bezahlen. Die Kosten des Militarismus, wenigstens soweit sie von der Bourgeoisie getragen werden müßten, seien die einzige Grenze des Militarismus über- Haupt. Immerhin habe Europa schon jetzt ein Militärbudget von 7'/? Milliarden pro Jahr. Die Broschüre wendet sich dann der Bc- Handlung der Soldaten in der Kaserne zu. Das geistige Niveau der Soldaten solle durch die Kaserncnerziehung möglichst herabgedrückt werden, und Herr v. Einem habe im Reichstag selbst sich intelligente Soldaten verbeten. Skandalös unpädagogische Offiziere und Unteroffiziere bauten den Soldaten ein Weltbild zurecht, das mit der Wirklichkeit nichl die geringste Aehnlichkeit habe und das intelligentere Soldaten aus der Großstadt meist nur verlachen könnten. Der Krieg gegen den äußeren Feind erfordere Männer, aber für den Krieg gegen den inneren Feind, den die herrschenden Klassen für wichtiger halten, erziehen sie Maschin-n. Alle Angehörigen des Heeres, selbst Ossi- ziere, werden unterjocht, wie das Verbot der Militärschriftstellcrei bei dem Oberst Gädke deutlich gezeigt hat. Eine klassische Satire auf den Militarismus sei die Affäre des„Hauptmanns von Köpe- nick", aus der die Sozialdemokratie ein treffliches Agitationsmittel gegen den Militarismus gewinnen könne, etwa wie gegen die ka- tholische Kirche durch die Komödie des heiligen Rocks von Trier . Die Broschüre schildert dann eingehend die Verwendung des Mili. tärS gegen streikende Arbeiter in Belgien , Frankreich , den Vcr- einigten Staaten, Kanada , Schweiz , Norwegen und Deutschland . Hier wird nur das Kapitel über Deutschland vorgelesen, in dem der Verfasser ausführt, daß die sparsame Verwendung des deutscheu Militärs in Lohnkämpfen keineswegs auf eine besondere mili? tärische Mäßigung zurückzuführen sei. Deutschland habe vielmehr eine ausgezeichnet organisierte Polizei und Gendarmerie, die alle Wünsche der Bourgeoisie befriedige. Biewalds abgehauene Hand befinde sich in der guten Gesellschaft— von zahlreichen gespaltenen Schädeln und abgehackten O.hren. Im übrigen habe bei der Ar- beitslosendemonstration vor dem Schlosse in den ÖOcr Jahren auch das Militär eingegriffen und beim Bergarbeiterausstand von 1889 soll, nach bürgerlichen Blättern, der Kaiser selbst erklärt haben, daß er bei der geringsten Ungesetzlichkeit und dem geringste» Widerstand gegen die Behörden schießen lassen werde. ES wird dann weiter auf die Rolle hingewiesen, die das Militär in Ruß- land bei der Bekämpfung der Revolution spielt. Bismarck habe stets den Plan gehabt, das Proletariat auf die Straße zu Hetzen und eine Bismärckisch-junkcrliche Zwingburg von Blut und Eisen auf zerfetzten Proletarierleibern zu errichten. Auch heute wünsche der Junker noch immer eine Politik des hauenden Säbels und der schießenden Flinte. Der Militarismus sei eine steigende Gefäho dung des Friedens, insbesondere durch die Berufsoffiziere. Für die herrschende Klasse müsse der Satz gelten:„Li vis pacem, para bellum", oder:„Wenn du den Krieg willst, so halte Friedensreden oder berufe Friedenskonferenzen". Der Kampf gegen diese Art des kapitalistischen Militarismus sei der einzig klare Kulturkampf. Der Militarismus wird weiter gewürdigt als wirtschaftliches Machtmittel zwischen Konsument und Produzent, wobei auf die Ausschließung der Sozialdemokraten von d«n Militärwerkstätten und auf die militärischen Boykotts sozialdemokratischer Versamm- lungSlokale hingewiesen wird. Den Abschnitt beschließt eine Be- sprechung der militärischen Korruption, insbesondere der kolonialen Korruption, wie sie aus den Skandalfällen der letzten Jahre be- kannt sind. Der ztveite Teil der Gesamtbroschüre beschäftigt sich mit der antimilitaristischen Propaganda.— Verteidiger H e z e l macht darauf aufmerksam, daß die Verteidigung auf einer u n v e r- kürzten Verlesung dieses ganzen Abschnittes bestehen müßte, um den substantiellen Unterschied zwischen einer antimili- taristischen Propaganda außerhalb Deutschlands und der Vor- stellung von einer möglichen antimilitaristischen Propaganda inner- halb Deutschlands in ihrem scharfen Gegensatz her- auszuheben. Die Broschüre selbst bespricht zunächst die Be�chlüße der internationalen sozialistischen Kongresse und dann ihre Aus- führungen im Auslände, besonders in den romanischen Ländern, die Kasernenagitation, die Rekrutendemonstrationen in Belgien , die teilweise grausame Verfolgungen hervorgerufen haben, weiter die Propaganda HerveS, bei der Herbe und 26 seiner Genossen im Dezember 1SOS wegen eines Maueranschlages, der die Soldaten aufforderte, lieber auf die kommandierenden Offiziere zu schießen als auf die Genossen, zu 36 Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Diese Strafe sei jedoch nur zu einem geringen Teile vollstreckt worden. Das entscheidende Kapitel der Broschüre ist das über die antimilitarlstische Taktik, von dem der Präsident hervorhebt, daß es die meisten inkriminierten Sätze enthält. ES beginnt mit den Worten:„Das letzte Ziel deS Anti- Militarismus ist die Beseitigung des Heeres in jeoer Form. Damit entfallen alle Nebenerscheinuügen des Militarismus von selbst. Der Mantel fällt, der Herzog muß nach." Es wird dann weiter ausgeführt, daß dieses Ziel deS Antimilitarismus innerhalb deS kapitalistischen Staates nur erreichbar sei durch Schaffung eines Weltbundesstaates oder durch internationale Wchrlosmachung der Staaten, was vorläufig noch romantische Zukunftsmusik sei. Hervö erstrebt die internationale Wehrlosmachung durch den Militärstreik um jeden Preis und in jedem Kriegsfalle. Aber unter Umständen besitze auch das Proletariat Interesse an der Wehrhaftigkcit deS Volkes, insbesondere gegenüber den Anariffen einer niederen Kultur. Die Kriege in den Gegenwartsstaaten feien allerdings meist nur Bonapartismen oder Zänkereien um die Beute. Gleichwohl aber gelte für daS Proletariat der Mahnruf: Unterscheide! Herve, der als.Anreger große Verdienste habe, wolle den anar- chistelnden Militärstreik mit der Insurrektion verbinden, um dem Proletariat auf diesem Wege die politische Macht zu erobern. Aber Insurrektionen könnten so lvenig gemacht werden wie Revolutionen. Eine antikriegerische Aktion deS Proletariats setze eine enorme Kraft in ihm voraus, sonst ver- puffe sie in der Lächerlichkeit wie eine Bombe, die man werfen will und die schon in der Tasche zerplatzt. Die Lösungßversuche Herdes und NieuwenhuiS seien phantastisch und Phrasenhast, die Stuttgarter Resolution den internationalen Konflikten gegenüber vielleicht noch etwas hülfloL, aber die einzig praktische. Der Anarchismus wolle über die in der ökonomischen und sozialen Lage wurzelnden Schwierigkeiten auf ungczäumtein Pferde hinwegspriiigen, oder, was dasselbe sei, das Pferd am Schwänze aufzäumen. Der sozial. demokratische Antimilitarismus hingegen sei ein Teil der Klassen- kampfpropaganda. Der Anarchismus lege den größten Wert auf die heroischen Beispiele des Aufopferns einzelner, die Sozial- dcmokratie schätze diese auch als Signale und Symptome für die Massenbewegung, im allgemeinen aber sei ihr Kampfmittel die all- mähliche organische Zersetzung und Zermürbung des militaristischen Geistes. Der Militarismus trage die Keime der Selbstvernichtung in sich selbst, so z. B. bei der Verwendung des Heeres gegen den inneren Feind. Gleichwohl sei eine besondere antimilitariftische Propaganda notwendig, denn der Militarismus sei der Vampyr jedes kulturellen Fortschritts, sei ein Gewitter, in dessen drückender Vorschwüle die sozialdemokratische Propaganda erschlaffe und der Parlamentarismus immer mehr von Lähmungen befallen werde. Schwächung des Militarismus heiß! Förderung der Möglichkeit einer friedlichen organischen EntWickelung oder doch wenigstens Ein- schränkung der Möglichkeiten gewaltsamer Zusammenstöße. Zur Förderung des Antimilitarismus empfiehlt Liebknecht dann die Jugendorganisation. Gegen 7 Uhr war die Verlesung der Broschüre beendet. Präsident: Sie sind beschuldigt eines Verbrechens in: Sinne de? Z 86 St.-G.-B., also einer Handlung, die ein hoch- verräterisches Unternehmen vorbereitet. Es handelt sich danach n i ch t um einen Versuch oder eine Aufforderung zum Hoch- verrat, sondern im weiteren Sinne um eine vorbereitende Handlung zum Hochverrat. Ihr Ziel und Zweck liegt nach der An- klage nicht in nebelhafter Ferne, sondern in greifbarer Forni. Es handelt sich dabei nach der Anklage nicht um rein theore- tische Ausführungen, sondern es handelt sich um eine aktuelle politische Propaganda oder Arbeit. Den Hochverrat sollen Sie vorbereitet haben, vorbereitet im Sinne des§ 81 Absatz 2, der eine Aenderung der Verfassung des Deutschen Reiches involviert. Darunter braucht nicht eine Aenderung der Verfassung im allgemeinen verstanden zu werden, sondern es genügt eine Aenderung solcher Bestandteile der Verfassung, die deren wesentliche Grundlage bilden. In diesem Falle wird Ihnen der Vorwurf gemacht, die Bestimmungen über unsere Wehrkraft umändern zu wollen und zwar die Bestimmungen, welche dem Kaiser das ausschließliche Recht der Kriegserklärung und den unbedingten Oberbefehl über die Armee geben, und schließlich das preußische Gesetz über den Belagerung»- zustand bei inneren Unruhen. Dabei haben Sie zu erläutern Ihre Stellung zu den Hcrveschen Aspirationen einerseits und den Standpunkt Ihrer Partei andererseits. Dr. Liebknecht: Ich bin im ungewissen, nach welcher Richtung ich meine Verteidigung einrichten soll. ES ist mir der Vorwurf gemacht worden, daß ich ein Unternehmen gewaltsamen Charakters bestätigt habe, und zwar dadurch, daß ich die Absicht hegte, zu einem Angriff Frankreichs auf Deutschland zu hetzen. Diese Ausführungen finden sich in der Begründung des B e- schlagnahmeantrages und diese Auffassung ist offensichtlich die Grundlage für die B e s ch l a g n a h m u n g. Weiter heißt es in der Begründung des Beschlagnahmcantrages, daß ich für die allernächste Zeit bereits die Absicht hegte, eine Umwälzung unserer Hecresorganisation herbeizuführen, und daß ich„nach weiteren Vorbereitungen und weiterer Schulung des dafür im ganzen jetzt schon reifen Proletariats, insbesondere auch nach weiterer Ausbildung in den Waffen und nament- lich in der Herstellung solcher, gegebenenfalls— im Falle eines unpopulären Krieges— wenn nicht anders möglich unter Anwendung von Waffengewalt gegen die noch trcugebliebcncn, noch nicht roten Teile des Heeres, diefe niederzukämpfen und die verhaßte bestehende Militärverfassung zu zertrümmern die Absicht habe".— Das ist ausdrücklich bemerkt und ich möchte mir gestatten, auf folgendes hinzuweisen: Die Anklageschrift gibt im Eingang ein Referat über den Inhalt meiner Schrift. Sie ver- fällt dabei, indem sie stellenweise Teile meiner Schrift wörtlich anführt, in die indirekte Rede. Bei dieser Wiedergabe muß ich bemerken, daß in der Anklageschrift diejenigen Punkte, die her- ausgenommen sind, um überhaupt die Anklage zu begründen, in diese indirekte Redeform und zwar so hineingefügt worden sind in die wirklich in meiner Schrift enthaltenen, wörtlich zitierten Worte, als ob sie auch in meiner Schrift ent- halten wären. DaS ist ein so ungewöhnliches Gebaren, daß ich mir versagen mutz, es an dieser Stelle zu charakterisieren. Des weiteren hat der Eröffnungsbeschluß einen Angriff gegen mich unternommen, gegen den ich mich verteidigen muß. Der Er- öffnungsbeschluß sagt, daß ich in meiner Schrift den Hochverrat vorbereitet habe— indem ich darin für die Organisierung einer über das ganze Reich zu verbreitenden besonderen antimilita- ristischen Propaganda unter Einsetzung eines zu deren Leitung und Kontrollierung berufenen Zentralausschusses und unter Benutzung der sozialdemokratischen Jugendorganisationen eintrat, zwecks organischer Zersetzung und Zermürbung des militaristischen Geistes, als deren notwendige Folge sich dann im Falle eincS un- populären kriegerischen Unternehmens, wie jetzt schon in besonderen Ausnahmefällen: dem Falle eines Krieges zwischen Frankreich und Deutschland oder einer Intervention Deutschlands in Rußland , der Militärstreik und die etwaige Aktivierung der Truppen für die Revolution ergeben werde... Zur Steuer der Korrektheit muß ich auf folgendes hinweisen: es wird hierbei erwähnt die Mög- l i ch e i t einer Intervention Deutschlands in Ruß- land. Dem gegenüber gestatte ich mir zu betonen, daß ich eine Intervention Deutschlands in Rußland in meiner Schrift dermaßen als etwas außerhalb des Bereiches jeder praktischen Möglichkeit Liegendes bezeichnet habe, daß hier sogar die Anklagebehörde es nicht für erforderlich gehalten hat, diesen Gesichtspunkt in die An- klage aufzunehmen. Wenn dann weiter der Eröffnungsbeschluh von dem Falle eines Krieges zwischen Frankreich und Deutschland spricht— und auch die Oberreichsanwaltschaft hat diese Frage ja ständig in den Vordergrund gedrängt— so muh ich dazu folgendes sagen: Der Eröffnungsbeschluß sagt wörtlich: Schon jetzt, im Falle eines Krieges zwischen Deutschland und Frankreich ", während ich in meiner Schrift sage:„Möglich, daß in absehbarer Zeit auch ein Krieg zwischen Frankreich und Deutschland eine Situation schaffen dürfte." Der Eröffnungsbeschluß macht also aus den Worten„möglich, daß inabsehbarerZeit.. dürfte" und aus den weiteren Ertvägungen. die ich daran knüpfe, ein„schon setz t". Auch das bedeutet eine Wiedergabe meiner Auffassung, die, wie mir scheint, an Inkorrektheit nichts zu wünschen übriy läßt. Es scheint mir das ein diame- traler Gegensatz zu meinen Ausführungen zu sein. Daraus er- gibt sich für mich das Merkwürdige, daß ich außerstande bin, wenn ich mich überhaupt sachlich auslassen will, mich auf irgendeines der bisherigen offiziellen Dokumente zu bezieben, weil sie einen Tat- bestand u n rc r st e l l e n, der so ersichtlich mit dem Wortlaut meiner Schrift in Widerspruch steht, daß ich ebenso gut hier gegen eine Anklage gegen Herve polmnisieren könnte. Durch die Erklärung des Herrn Präsidenten ist jetzt noch eine vierte Möglichkeit der Anklage geschaffen. Bisher warf man mir vor. daß ich entgegen der Verfassung das stehende Heer absckmffen wolle. Jetzt nimmt man als Objekt meines hochverräterischen Unter- nehmens nicht das Heer an sich, sondern die Kommandogewalt deS Kaisers an! Außerdem scheint man sich jetzt nicht mehr mit dem äußeren Militarismus begnügen zu wollen, sondern auch die inner« politische Wirksamkeit des Militarismus in die Anklage hineinzu- ziehen. Präsident lunterbrechend): Ich kann nicht sagen, daß das eine neue Anklage ist. ES ist nicht nur daS Recht, sondern auch die Pflicht des Gerichtshofes, die Grundlagen der Anklage zu prüfen. Die Grundlage der Untersuchung ist Ihr ganzes Buch. Daraus kann man viel herauslesen, der eine das, der andere das, und ich habe die Pflicht, diese Grundlage nach allen Richtungen hin zu erforschen. Ich darf also nicht zulassen, daß Sie Ihr Erstaunen über eine angeblich neue Anklage aussprechen. Oberrcichsanwalt: Ich möchte nur zur Oricuticrung für die Verteidigung bemerken, daß ichvon meinen schrift- lichen Darlegungen nicht das geringste zurücknehme, auch nicht daS aus dem Antrage auf Beschlagnahme. Dr. Li-ebknecht: Ich habe keine strafprozessuale Rüge vor- bringen wöÄen, sondern nur hervorgehoben, daß der Gesichtspunkt, von dem aus die Anklage mein Buch anfaßt, sich viermal geändert hat Ein Zwischenruf des Oberreichsanwalts bei der Verlesung hat übrigens noch eine fünfte Form der Anklage geschaffen. Ich habe geschrieben, daß es für die Aktion des Proletariats keine un- günstigere Gelegenheit gebe, als den Kriegsfall; der Obcrreichs- anwalt meinte, das sei ein Druckfehler: es müße heißen: keine günstigere Gelegenheit. Das wäre für ihn aller- d i n g s sehr bequem. Ich glaube, ich muß mich gegen alle fünf Möglichkeiten wehren. Ter Beschlagnahmeantrag behauptet, iä, habe Frankreich auf Deutschland Hetzen wollen. Diese Auffassung ist durch die Verlesung meiner Schrift vollkommen ver- nichtet, man kann sie kaum noch ernsthast aussprechen. Wir quälen uns auf nationalen und internationalen Kongressen im Schweiße unseres Angesichts, zur Verhinderung der Krieg- das wirksamste Mittel zu finden, und der Oberreichsanwalt glaubt, wir hätten nichts besseres zu tun. als Kriege zu p r o v oz i e r e n. Beim Marokkokonfliit verschrieben wir uns Jaures nach Berlin und Bebel soll nach Paris gehen, um für den F r i e d e n zu wirken. Aber der Oberreichsanwalt entdeckt, daß wir einen Ueberfall Frankreichs auf Deutschland wünschen! Noch bc- denklicher ist das zweite Manöver der Anklage. �Nach wörtlichen und lotMlen Zitaten aus meiner Schrift sind Sätze, wie z. B. „diese erhoffte Wirkung wird möglich st bald eintreten", oder„was beides bald erreicht sein wnr d". in das Zitat hineingeschoben, weil sie der Anklage sehr zustatten kommen. In Wahrheit schrieb ich keine Silbe davon. Ich äußerte mich sehr pessimistisch über den gegenwärtigen Stand der gegen- wärtigen Agitation im Heere und führte in der Polemik selbst gegen preußiscoc Generäle aus, daß uns da noch alles zu tun übrig bleibt. Weiter behauptet die Anklage, ich habe die Absicht ausgesprochen, den treubleibenden Teil des Heeres mit Hülfe des abtrünnigen und mit Hülfe des übrigen Proletariats zu überwinden. Auch das ist vollkommen frei erfunden. Besonders anregend, will ich einmal sagen, ist der Schluß der Anklage, wonach ich Waffen austeilen und die Prolc- tarier in der Herstellung von Waffen unterrichten will. Ich habe nicht nötig, mich gegen eine derartige Auffassung zu wehren. Oberreichsanwalt(unterbrechend): Der Angeklagte ver- teidigt sich hier, ehe noch die Beweisaufnahme beendet ist und ich Gelegenheit hatte, die Anklage in der Hauptverhandlung zu br- gründen.— Bert. H e z e l: Auch wir befürchten, daß der An- geklagte durch dieses Vorgehen in seiner Verteidigung ungewöhnlich behindert wird. Uns erscheint es zur Förderung der Verhandlung angebracht, jetzt zur Fragestellung überzugehen.— Präs.: Das war ganz meine Absicht. Nachdem der Angeklagte, wie es fem Recht ist. die Anklageschrift in ausreichendem Matze kritisiert hat, will ich jetzt in eine Unterredung mit ihm über die Punkte eintreten. die nach meiner Auffassung wesentlich sind.» Sie unterscheiden also. Herr Liebknecht, zwischen äußerem und innerem Militarismus. Unter äußerem Militarismus verstehen Sie die Verwendung des Heeres im Kriege, unter innerem im Falle eine? Aufstandes. Dr. Liebknecht: Nicht nur die Verwendung im Falle eures Aufstandes. Es wäre auch denkbar,'daß das Militär verwendet würde, um eine legale Volksbewegung nieder- zuwerfen, was jeder Freund der Demokratie in Deutschland befürchtet und eine große Zahl sehr einflußreicher Personen als Rezept empfehlen.. Präs.: Wenn ich von Aufstand spreche, so meme rch auch nur irgend eine Volksbewegung, nicht eine Revolution im engeren Sinne. Daß eine Volksbewegung legal sei. ist nur Ihre Auffassung, die hier nicht in Betracht kommt. Dr. L i e b k n e ch t: DaS ist doch aber gerade der Zentralpunkt der Frage. Ich glaube, daß eine große Zahl politisch führender Personen der Reaktion direkt zu Gewalttätigkeiten gegen das Voll aufreizen. Die Gefahr eines Staatsstreichs hat in Deutsch - land stets bestanden. Schon in der Einleitung meiner Schrift bezog ich mich auf einen Ausdruck des Fürsten Bismarck, den sein Nachfolger Fürst Hohenlohe und andere bezeug en. Präs.: Nach der Verfassung steht aber ausschließlich dem Kaiser das Recht zu. im Interesse der öffentlichen Sicherheit den Belagerungszustand zu erklären. Ob das im Sinne Ihrer Partei ist, ist für mich ohne Bedeutung. Sie schreiben, daß Sie als Sozial- demokrat selbstverständlich den inneren Militarismus mit Stumpr und Stiel ausrotten wollen. DaS kann doch nur heißen, daß Sic an Stelle der Befugnis des Kaisers nach Artikel 68 der Verfassung Ihre Partei setzen wollen. Liebknecht: Der Kaiser hat allerdings das Recht, den Belagerungszustand zu proklamieren, aber die Verfassung muß von oben wie von unten gehalten werden. Staatsrechtlich zweifle ich nicht im geringsten, daß, wenn das Militär verfassungswidrig zum Staatsstreich verwendet werden sollte, die Ver- fassung zu existieren aufgehört hat und jede Ab. wehr dieses Staatsstreichs nur als eine Verteidigung der alten Verfassung, nicht als ein Angriff auf sie anzusehen wäre. Präsident: Sind Ihnen denn Fälle verfassungswidriger Ver- Wendung des Militärs in Deutschland bekannt?— Liebknecht: Nein. Aber die Gefahr dafür besteht doch nach der Aeußerung zahlreicher mächtiger Personen. Präsident: Wir gehen dann über... Liebknecht (unterbrechend): Ich erinnere nur an Aeußerungen von O l d e n- burg-Janu schau, der„Post", der„K r e u z- Z e i t u ng". der„Hamburger Nachrichten", die alle einen gewaltsamen Bruch der Verfassung fordern. Präsident: Wir gehen also zum äußeren Militarismus über.— Liebknecht: Ich bitte um Verzeihung, wenn ich unterbreche. Präsident: Ich lasse mich nicht unterbrechen. Sie fordern also für den äußeren Militarismus das Recht für das Volk, über Krieg und Frieden zu entscheiden. Liebknecht: Die Entscheidung über Krieg und Frieden durch das Volk will jeder Demokrat, und ich als Sozial- demokrat natürlich erst recht. Man müßte sehr geringes Zu- trauen für die EntWickelung der Menschheit haben, wenn nicht ein- mal diese EntWickelung sich friedlich sollte vollziehen können. Präsident: Deshalb steht ja auch diese Forderung auf Ihrem Minimalprogramm. Ob Ihr Maximalprogramm friedlich durchzuführen ist, wud später zu erörtern sein. Es wird dann eiw Artikel Liebknechts aus dem Organ der „jungen Garde":..Rekrutenabschied" verlesen und zum Vergleich mit ihm eine große Zahl von Schriften HerveS und des „P i o u- P i o u". Schließlich hält der Präsident Dr. Liebknecht die Rede» VotlmarS in Stuttgart und Essen vor und fragt, worin denn der Gegensatz bestehe, wenn Liebknecht eine Kasernenagitation nicht wolle. Liebknecht: Der Unterschied ist tvohl mehrimTempe- rament gelegen. Hierauf wird nach 9 Uhr die Verhandlung auf morgen vertagt, Wasserstands. Ziachrichtcu der LandeSanstalt sür Gewässerkunde, mitgeteilt vom Berliner Witterbureau. Wasserstand M e m e l, Tilsit P r e g e l. Jnslerburg Weichsel . Thorn Oder , Ratibor , Krassen . Frankfurt Warthe , Schrimm Landsberg Netze, Vordamm Elbe, Leitmeritz , Barby , Magdeburg Saale , Erochlitz Wasserstand Havel , Spandau , Rathenow ff Spree , Spremberg , Beeskow Weser, Münden , Minden Rhein , Waldshut , Kaub , Köln Neckar, Heilbronn Main . Wcrtheim Mosel, Trier 4- bedeutet Wuchs,— Fall.—*) UnterPegel.
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